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«Ich bin nicht sicher, ob die Welt wirklich einen Cocroffinut gebraucht hat.» April warf sich das letzte Stückchen in den Mund, und Zuckerkristalle glitzerten auf ihren Lippen. «Aber zumindest kann ich jetzt spüren, wie einzelne Elektronen den Kern jedes Atoms in meinem Körper umkreisen. Wenn das das Ziel des Erfinders war, dann hat er es erreicht.»

Marcus musste lachen, obwohl er immer noch mit ihrem Mund beschäftigt war. «Ich liebe es, wenn du in dieser Wissenschaftlerart mit mir redest.»

Sie lächelte ihn an, die sommersprossigen Wangen glänzten rosig in der Sonne, und Gott, er war nie glücklicher gewesen, dass er sowohl Alex’ Rat als auch seine eigene Überzeugung in den Wind geschlagen hatte. Noch nie.

Sie hatte ihm am Montagabend geschrieben und war anscheinend bereit gewesen, ihn aus dem Loch, das er sich selbst geschaufelt hatte, herauszuholen. Und er hatte nicht gezögert oder lange überlegt – dafür hatte er sich in den Tagen, die sie ohne Kontakt waren, viel zu elend gefühlt.

Dass April aus seinem Leben verschwunden war, hatte jeden einzelnen Tag leer erscheinen lassen. Ein oder zwei Stunden am Stück konnte er sich von dem Gedanken daran vielleicht ablenken. Indem er schrieb oder die Drehbücher las, die ihm seine Agentin schickte, oder mit Alex britische Backshows schaute. Am Ende war er doch immer allein in seinem großen leeren Haus in L.A. Viel zu einsam. Er vermisste eine gute Freundin und – mehr. Wohin auch immer ihre Beziehung sich entwickelt hatte, bevor er auf eine ihrer persönlichen Landminen getreten war.

Also, ja. Zum Teufel mit seinem gesunden Menschenverstand. Trotz aller Komplikationen, die diese Situation mit sich brachte, er würde jede Chance nutzen, mit April zusammen zu sein.

«Lustig, dass du das sagst. Die Leute in meinem neuen Job haben ein Gruppen-T-Shirt, wie ich diese Woche erfahren habe.» Mit einer beiläufigen Handbewegung fegte sie die Krümel von ihrer Brust auf den Bürgersteig, wo neugierige Vögel näher hüpften. «Darauf steht Talk Dirt-y to Me

Offenbar mochten Wissenschaftler Wortspiele. Gut zu wissen. «Schick.»

Im Sonnenschein sah ihr Haar aus wie Feuer, und Marcus konnte nicht widerstehen, sich näher an ihre Wärme zu schmiegen. Er rutschte an sie heran, bis sie Hüfte an Hüfte auf der Holzbank saßen. Während sie ihn aus aufmerksamen braunen Augen hinter der Brille beobachtete, strich er mit dem Daumen über ihre volle Unterlippe, um sie von den anhänglichen Kristallen zu befreien.

Sie bog ihren Hals, nur ein wenig.

Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, leckte er den Zucker von seinem Daumen ab, und sie atmete bebend ein.

Nein. Er würde sie nicht zum ersten Mal auf einer Parkbank in aller Öffentlichkeit auf den Mund küssen, nicht an einem Ort, wo jeder dieses Ereignis beobachten und dokumentieren konnte. Schon wieder.

Nach einem Moment der Anspannung gelang es ihm, den Blick abzuwenden. Er räusperte sich und hantierte unruhig mit der Speisekarte aus Papier herum, die er sich im Laden geschnappt hatte. Er nahm sich Zeit, um die Beschreibung des Teilchens, das sie gerade verputzt hatte, laut vorzulesen.

«Der Coco …» Er seufzte. «Verdammt, das ist schwierig. Okay, lass es mich noch einmal versuchen. Der Cocroffinut … »

Sie klatschte. «Gut gemacht.»

«Spar dir den Applaus, bis wir wissen, ob ich es zweimal schaffe.» Okay, eine Silbe nach der anderen. «Der Cocroffinut, der weltweit erste und allerköstlichste Kaffee/Croissant/Muffin/Donut-Hybrid, enthält genauso viel Koffein wie vier Espressi

April warf einen Blick auf die leere Schachtel in ihrem Schoß. «Verdammt. Vier Espressi?»

Er las sich die Beschreibung erneut durch. «Yup. Na ja, das würde deine neu entdeckte Empfindlichkeit gegenüber kreisenden Elektronen erklären.»

Sie stand auf und verdrehte die Augen. «Diese Hipster, Mann. Diese Hipster.»

Er grinste zu ihr hoch. «Du hast gesagt, es war köstlich.»

«Das war es auch», stimmte sie zu und sammelte ihren Müll ein. «Aber ich fand auch den glasierten Donut lecker, den wir uns bei unserem letzten Stopp geteilt haben; den, der so groß war wie mein Kopf und etwa ein Zehntel so viel gekostet hat wie der … wie der Croco…»

«Cocro…», korrigierte er sie automatisch.

«…muffinut oder was auch immer ich gerade gegessen habe. Außerdem hatte ich bei dem nicht das Gefühl, ich könnte demnächst einen Defibrillator brauchen.» Sobald sie den Abfall in die nächstgelegene Mülltonne geworfen hatte, presste sie sich eine Hand auf die Brust. «Ich glaube, mein Herz tanzt dadrin einen Jitterbug, obwohl ich eigentlich keine Ahnung habe, was man beim Jitterbug macht.»

Er setzte sich aufrechter hin. «Wenn du einen Arzt brauchst, kann ich dich hinbringen.»

«Nah. Ich bin nur überdramatisch, wahrscheinlich wegen des ganzen Koffeins.» Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. «Kümmer dich nicht um mich.»

Puh. Ihm wäre es wirklich lieber, wenn ihr drittes Date möglichst kein medizinisches Eingreifen erforderte. Zumal er sich Hoffnungen für den Abend machte.

«Eine Drama-Queen zu sein, ist mein Job, Lady. Also Finger weg.» Er lehnte sich wieder zurück und legte seine Arme auf der Lehne der Bank ab. «Und wo wir gerade von meinem Job sprechen, ich habe für eine historische Miniserie mal gelernt, wie man den Jitterbug tanzt. Ich könnte es dir zeigen.»

Lindy Hope , die inspirierende – wenngleich völlig frei erfundene – Geschichte, wie der Swingtanz bei einer Schlacht im Zweiten Weltkrieg das Blatt noch zu wenden vermochte, hatte nicht direkt Zuschauerrekorde gebrochen, aber Marcus hatte immerhin ein paar ordentliche Schritte gelernt und einen anständigen Gehaltsscheck bekommen.

«Wollen wir nicht ein Stück gehen, während du mir mehr davon erzählst?» Sie streckte eine Hand aus. «Ich bin zu voll mit Koffein, um still zu sitzen.»

Er nahm ihre Hand, stand auf und verschränkte seine Finger mit ihren, während sie in Richtung Wasser schlenderten. «Ähm … was möchtest du wissen?»

Normalerweise würde er das Thema auf Haarpflege oder Sport lenken oder nur die oberflächlichsten Dinge ansprechen, die er über die Jahre hinweg gelernt hatte. Doch noch ehe er vor ein paar Stunden bei ihrer ersten Donut-Station aufgetaucht war, hatte er diesen Schutzschild abgelegt.

Sie würde ihn heute so kennenlernen, wie er wirklich war, ob es ihr gefiel oder nicht.

Die Möglichkeit, dass es ihr nicht gefallen könnte, bescherte ihm ein bisschen Herzrasen. Genauso wie die Möglichkeit, dass er seinen Ruf womöglich gerade zusammen mit den Cocroffinut-Überbleibseln in den Müll warf, denn wenn April ihn vor der Welt als Schwindler entlarvte, bevor er dafür bereit war, bevor er es erklären konnte …

Das würde sie nicht tun. Sie würde es nicht tun. Er vertraute ihr so weit, und er vertraute auf seine Fähigkeit, den Schaden ausreichend begrenzen zu können, falls sich doch herausstellen sollte, dass er zu naiv gewesen war.

Was allerdings sein Fanfiction-Alter-Ego anging … keine noch so gute PR oder Schadensbegrenzung könnte verhindern, dass diese Enthüllung seine Karriere zerstörte.

Irgendwann konnte er ihr vielleicht offenbaren, dass er Book!AeneasWouldNever war.

Aber nicht jetzt. Noch nicht.

«Okay, der spaßige Teil zuerst.» Sie schwenkte ihre Hände in einem schnellen, ruckartigen Bogen, und ja, man merkte definitiv, dass sie mehr als ihre übliche Portion Koffein intus hatte. Es war verdammt hinreißend . «Was ist der unvergesslichste Film, in dem du je mitgespielt hast?»

Er schnaubte. «Das ist eine schwierigere Frage, als du vielleicht denkst. Ich bin jetzt seit über zwanzig Jahren Schauspieler. Da gibt es viele Kandidaten, die in Betracht kommen.»

Aus irgendeinem Grund waren ihm die schlechten Rollen viel besser im Gedächtnis geblieben als die Filme, deren Premieren er mit ehrlichem Stolz besucht hatte. Wahrscheinlich war es ohnehin unterhaltsamer, darüber etwas zu hören.

April lief derweil auf völlig untypische Weise; halb joggte sie, halb hüpfte sie, wobei ihr Haar bei jedem hyperaktiven Hopser um ihre Schultern schwang. «Dann erzähl mir von allen.»

«Da das Wochen dauern könnte, werde ich wohl eine repräsentative Auswahl treffen.» Verflucht, er musste sich ganz schön anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten. «Mein schlechtester Film überhaupt war wahrscheinlich, ähm … Hounded , würde ich sagen.»

Ihre Stirn legte sich in Falten, als sie zu grübeln begann. «Da warst du ein Parfümeur, richtig? Der zu Unrecht eines schrecklichen Verbrechens beschuldigt wird?»

«Genau. Ich war ein Meisterparfümeur, der wegen seines außergewöhnlichen Geruchssinns den Spitznamen ‹Hound› trägt, also Jagdhund.» Nachdem er übertrieben schnüffelnd durch die Nase eingeatmet hatte, fuhr er fort. «Den habe ich dann genutzt, um mich vor den Behörden zu verstecken, während ich den wahren Mörder meiner Frau ausfindig gemacht habe.»

«Wie man das eben so macht.» Ihre Stimme war so trocken wie die kalifornischen Hügel im Oktober. «Und natürlich diente ihm der Mord an seiner Frau als Motivation. Natürlich.»

«Tja, das war Fridging in seiner einfallslosesten Form. Irgendwann habe ich herausgefunden, dass meine Konkurrenten sich verschworen und einen Auftragsmörder angeheuert hatten, in der Hoffnung, mich für immer aus der Parfümindustrie zu drängen, indem sie mir den Mord in die Schuhe schoben.»

«Spoileralarm», beschwerte sie sich mit geschürzten Lippen.

Marcus stieß ein Lachen aus. «Meine Szenen bestanden hauptsächlich aus Schnüffeln . Es hat sich herausgestellt, dass es schwer ist, Schnüffeln sonderlich attraktiv oder interessant für das Publikum darzustellen. Was eine Erklärung dafür ist, dass der Film floppte.» O Gott, die Kritiken. Diese Kritiken . Ganz zu schweigen von dem Anruf seiner Eltern, nachdem sie eine der wenigen Kinovorstellungen gesehen hatten. «Allerdings wurde eine nicht jugendfreie Parodie von dem Film inspiriert, wie mir meine Schauspielkollegen erzählt haben. Eine mit einem ganz besonders cleveren Titel.»

Während sie weiterliefen, wartete er ab, denn er war sicher, dass April darauf kommen würde.

Sie biss sich für ein paar Augenblicke auf die Lippe und strahlte dann. «Pounded .» Genagelt.

«Bravo, April.» Er hob triumphierend ihre verschränkten Hände über den Kopf und grinste sie an. «In diesem Film wurde offenbar auch viel geschnüffelt. Neben diversen anderen Aktivitäten. Er hat mehr Geld eingespielt als die Vorlage. Wahrscheinlich waren die Schauspieler besser.»

Er wollte, dass sie kicherte, aber das tat sie nicht. Stattdessen waren ihre Augen aus einem ihm unerfindlichen Grund ernst geworden, und er zog unwillkürlich die Schultern an unter der Schwere ihres Blicks.

«Du machst zwar Witze darüber, aber du hast für die Rolle bestimmt viel über Parfümherstellung gelernt», sagte sie schließlich. «Ich kenne dich noch nicht wirklich gut, aber ich denke, ich kann inzwischen beurteilen, dass du ein Profi bist. Dir liegt etwas an deinem Handwerk.»

Weshalb sich bei diesen Sätzen sein Herz zusammenzog, bis es schmerzte, wusste er nicht.

«Äh, ja, eigentlich schon.» Er spähte in die Ferne, wo das Wasser auf sie wartete, blau und kühl und beruhigend. «Ich habe eine Parfümerieschule in Frankreich besucht. Ein guter Parfümeur kann über tausend verschiedene Düfte identifizieren, meist indem er Gerüche mit bestimmten Erinnerungen assoziiert. Daran habe ich ein bisschen gearbeitet und außerdem etwas über die Geschichte des Parfüms gelernt. Ich habe dabei zugesehen, wie eine Frau mit Mörser und Stößel Ambra zermahlen hat, nur so zum Spaß.»

«Was ist Ambra eigentlich?», erkundigte sie sich. «Das habe ich mich schon immer gefragt.»

Er grinste sie an. «Gehärtete Walfäkalien, die an Land gespült werden.»

«Du hast doch gehofft, dass ich das frage.» Ihre Augen verengten sich, aber ihre Mundwinkel zuckten. «Schäm dich. Jetzt muss ich meine Parfüms durchgucken und herausfinden, wie viel Walkacke ich mir für Dates schon aufgesprüht habe.»

Ihr Parfüm duftete heute vor allem nach Rosen. Seine Nase war nicht besonders empfindlich, wie er während dieser idyllischen Woche in Frankreich festgestellt hatte, doch er konnte auch einen Hauch von Moschus wahrnehmen. Und … andere Dinge, die echte Parfümeure zweifellos im Handumdrehen erkannt hätten.

Wo genau sie allerdings das Parfüm aufgesprüht hatte, darüber sollte er in der Öffentlichkeit besser nicht nachdenken.

«Wie auch immer, das war eine Rolle, die einem in Erinnerung bleibt. Das absolut schlechteste Drehbuch, das ich je hatte, war aber wahrscheinlich das für 1 Wheel, 2 Real .» Auf ihren verwirrten Blick hin erklärte Marcus ihr: «Eine erbauliche Coming-of-Age-Geschichte über einen schwermütigen Einradfahrer. Ich glaube, der Film wurde direkt auf dem digitalen Videorekorder eines Mannes in Tulsa veröffentlicht.»

Sie lachte und wurde ein wenig langsamer. «Heilige Scheiße. Du kannst Einrad fahren?»

«Natürlich», gab er affektiert zurück, die Nase hoch in die Luft gereckt. «Wie jeder ernst zu nehmende Mime.»

Der gut trainierte Golden-Retriever-Marcus würde diesen Begriff natürlich nie verwenden. Und auch für ihn selbst fühlte sich die Bezeichnung merkwürdig auf der Zunge an. Zu glanzvoll. Zu hochtrabend. Ein Mime verlangte, im Gegensatz zu einem Schauspieler, Respekt von der ganzen Welt, nicht nur von der Unterhaltungsindustrie. Ein Mime besaß Talent und war nicht einfach bereit, hart zu arbeiten, und hatte ein hübsches Gesicht.

Sie zog ihn an den Rand des Bürgersteigs und blieb dort stehen. «Du bist ein ernst zu nehmender Mime, Marcus.»

Das viele Koffein war ihr eindeutig zu Kopf gestiegen. Sie klang fast … wütend.

Er hob eine Schulter und schenkte ihr ein beschwichtigendes Lächeln. «Ich habe versucht, einer zu sein. Aber ich weiß nicht, wie erfolgreich ich damit war.»

«Du warst für einen Haufen Preise nominiert. Du spielst die Hauptrolle in der beliebtesten Fernsehsendung der Welt. Als du Dido verlassen und diesen verdammten Scheiterhaufen von deinem Schiff aus gesehen hast, brauchte ich fast ärztliche Hilfe, weil ich vom ganzen Heulen so dehydriert war.»

Sie sprach langsam, wie zu einem begriffsstutzigen Kind, und er reagierte instinktiv gereizt auf diesen nur allzu vertrauten Ton. Zumindest bis ihm die eigentliche Bedeutung ihrer Worte klar wurde. Dann errötete er vor Verlegenheit und trat gegen einen Riss im Bürgersteig.

«Und diese Nominierungen waren nicht nur für Gods of the Gates », fügte sie hinzu. «Da war auch noch dieses Stoppard-Stück und die Rolle des Astronauten.»

Starshine . Er hatte den einzigen Überlebenden einer Katastrophe an Bord der Internationalen Raumstation gespielt. Vielleicht war der Indie-Film in den Kinos nicht so gut gelaufen, wie er gehofft hatte, aber ja, über den roten Teppich war er wahrscheinlich sogar mit ein bisschen erhobenem Haupt stolziert, um ehrlich zu sein.

Sie trat näher an ihn heran, bis sie sich fast im Flüsterton unterhalten konnten. Bis sie ihn ganz aus der Nähe betrachten konnte, wobei ihre Aufmerksamkeit so scharf war wie das geschliffene Schwert, das er in seinen Gods -Kampfszenen nie wirklich geschwungen hatte.

«Aber ganz ehrlich, die anspruchsvollste und beeindruckendste Rolle, die du je gespielt hast, ist wahrscheinlich keine davon.» Ihr Kinn war nach vorn gereckt, ihr Tonfall immer noch entschlossen und herausfordernd, aus Gründen, die er nicht recht begreifen konnte. «Stimmt’s?»

Er sah sie stirnrunzelnd an, verwirrt.

Bezog sie sich darauf, wie er damals den Posthumus in einer Adaption von Cymbeline gespielt hatte, gerade wenn man seine Probleme mit der Sprache bedachte? Aber …

«Ich bin mir nicht sicher, auf welche Rolle du anspielst», erwiderte er.

Als sie eine Augenbraue hochzog, wusste er, dass er in Schwierigkeiten steckte.

«Dich meine ich. Marcus Caster-Rupp. Diese lebenslange Performance.» Sie legte ihre Handfläche auf seine Brust, über sein Herz, als wollte sie Maß nehmen. Und womöglich tat sie das auch. «Der eitelste, einfältigste Schauspieler des Planeten, der tatsächlich keines von beidem ist. Scheinbar flach und schillernd wie eine Pfütze, dabei hat er so viel Tiefe wie der Marianengraben.»

Tiefe? Er?

Was zum Teufel?

«Erklär es mir bitte.» Sie sagte es höflich, doch es war keine freundliche Frage. Es war eine Forderung. «Früher oder später werden die Paparazzi uns wieder finden. Bevor ich mir deinen nächsten Auftritt ansehe, muss ich das alles verstehen.»

Das flammende Haar hätte ihm eine Warnung sein müssen. Irgendwie war sie seine Feuerprobe, sie verbrannte alles außer der Wahrheit. Sie zwang ihn dazu, die Tatsachen laut auszusprechen und sich der Lügen zu entledigen.

Er öffnete seinen Mund. Schloss ihn wieder, unsicher, was er sagen und wo er anfangen sollte.

Sie gab seinem Brustbein einen sanften, aber festen Klaps mit der Hand. Eine Warnung. «Versuch bloß nicht, so zu tun, als wüsstest du nicht, was der Marianengraben ist. Ich habe Sharkphoon gestreamt, und diese verfressenen Mistviecher kamen aus genau diesem Graben direkt nach oben in den Zyklon geschossen. Und du hast den Präsidenten in deinem weißen Laborkittel und mit der Schutzbrille auf der Nase vor der Gefahr gewarnt – vergeblich.»

Es war ein dummer Gedanke, aber ihm drängte sich die Frage auf, ob April den Film wohl in 3-D gesehen hatte. Denn die Szene, in der das Hai-Muttertier das Kreuzfahrtschiff in drei riesigen Bissen verschlingt, kam viel besser rüber durch …

Nope. Das war jetzt nicht das Thema.

Er atmete langsam aus und schloss die Augen.

Wie hatte er je denken können, dass sie sein verändertes Verhalten einfach so hinnehmen würde, ohne eine Bemerkung darüber zu machen? Ohne zu fragen, was es zu bedeuten hatte?

Die Frau, die vor ihm stand, war Ulsie, die Betaleserin, die ihm in seinen Geschichten keine Ungereimtheit durchgehen ließ.

Die Frau, die vor ihm stand, war April, die ihr Geld damit verdiente, Oberflächen zu untersuchen, um herauszufinden, was darunter lag.

Die Frau, die vor ihm stand, war die Frau, die er wollte. Ganz einfach eigentlich.

Also öffnete er endlich wieder den Mund und gab ihr, was sie wollte.

Die Wahrheit.

Zumindest genug Wahrheit für den Moment.