Mackenzie verstand schnell, dass wenn Teenager die Kleinstadt nach der High School nicht verließen, dann oftmals in dem Geschäft ihrer Eltern endeten. Das war so bei Kenny Skinner und es war wohl auch bei Mike Case der Fall. Sheriff Tate hatte bei J. T. Case angerufen und die Bestätigung bekommen, dass Mike Case heute auf dem Feld arbeitete, draußen auf der Farm der Cases.
Weil J. T. Case bekanntermaßen ein harter Hund war – obwohl ein sehr respektierter harter Hund – hatte Tate darauf bestanden, sie zu begleiten. Sie hatte versucht ihn zu überreden, dass sie okay war, aber er ließ nicht locker. Weil es keinen Streit wert war, gab Mackenzie nach.
Mackenzie hätte die Farm auch leicht ohne Tate hinter dem Lenkrad seines Einsatzwagens gefunden. Das Kornfeld stand sofort auf der rechten Seite der Autobahn hervor, gerade als sie außerhalb der Kingsville Stadtgrenze waren. Das Getreidefeld lenkte ihre Gedanken wieder auf Nebraska, wo ihre Reise gestartet war. Sie erinnerte sich daran, durch die hohen Stile gelaufen zu sein, als der Scarecrow Mörder Fall sich intensivierte – die Leichen, die an den Pfählen hingen, als wenn sie sie in eine Zukunft winkten, bei der sie sich nicht sicher war.
Als Tate das Auto parkte, sah Mackenzie zwei Männer die einen kleinen Anhänger an ein älteres GMC Pickup Model anhängten. Sie schauten beide auf den Streifenwagen und schienen sie gar nicht richtig wahrzunehmen und gingen dann wieder an die Arbeit den Anhänger anzuhängen.
Mackenzie und Tate gingen zum Pickup Truck. Sie nahm an, dass sie Tate die Führung überließ, da er sich in den Fall J. T. Case eingelesen hatte. Sie war mehr daran interessiert, Mike zu lesen. Sie fragte sich, ob das hier eine Art von eng verbundener Familie war, die zusammenhielt, egal was passierte. Würde der Vater seinen zwanzigjährigen Sohn noch beschützen, als wenn er ein hilfloses Baby wäre?
“Hallo, J. T.”, grüßte Tate. „Dir auch Mike. Wie läuft’s?“
“Geht so”, erwiderte J. T. Er schob einen Riegel durch die Luke des Anhängers und verband es mit dem Truck. „Ich bin gerade dabei diesen Anhänger rauszufahren, wenn wir das hier schnell machen könnten, dann wäre das schön.“
„Naja ich bin hier eigentlich nur der freundliche Escort. Ich stelle Ihnen Agentin White vom FBI vor. Sie schaut sich die kürzlichen Todesfälle hier an.“
Beide schauten Mackenzie mit großem Interesse an. Anscheinend hatte die Erwähnung des FBIs sie aus ihrer sturer Ist-Mir-Egal Haltung geholt.
„Morde?“, fragte J. T. „Meinen Sie nicht Selbstmorde?“
“Naja, so sehen sie aus der Entfernung aus”, sagte Mackenzie. „Aber weitere Ermittlungen haben uns dazu geführt zu glauben, dass dort zumindest bei einem Fremdeinwirkung vorhanden war.“
„Das heißt aber nicht, dass das bei allem der Fall ist oder?“, fragte Mike.
„Naja, das versuche ich herauszufinden. Das Schwierige daran ist, dass es so viele Selbstmorde in den letzten Jahren an dieser Brücke gab, dass es schwer ist, jeden Einzelnen zu individualisieren. Also haben wir nach Verbindungen zwischen ihnen gesucht und bis jetzt gibt es nur eine Verbindung, die wir gefunden haben.“
„Sagen Sie Mike“, begann Tate. „Erinnern Sie sich daran, letztes Jahr einen Streit mit einem Mann namens Chris Osborne gehabt zu haben?“
Mike spottete ein bisschen und nickte dann. „Ja. Was ist mit ihm?“
„Wissen Sie, wen er zu der Zeit gedatet hat?“
Dieses Mal lachte Mike gleich los. „Machen Sie Witze? Ja … er war zu dem Zeitpunkt mit Malory Thomas zusammen.“
“Und worum ging es bei dem Streit?”, fragte Mackenzie.
„Ich war mit ein paar Freunden in einer Bar. Und vielleicht habe ich ein paar unangebrachte Dinge über Malory gesagt. Ich habe ihr angeboten, Drinks zu kaufen. Chris gefiel das nicht und er beschwerte sich. Am Ende haben wir gestritten. Ende der Geschichte.”
“Sheriff, es gefällt mir nicht, was sie da andeuten”, sagte J. T.
„Hey, mir gefällt das auch nicht“, erwiderte Tate. „Aber hinsichtlich eines Falls, wie diesem wo es nur wenige Hinweise gibt, müssen wir jedem möglichen Hinweis nachgehen. Und im Moment ist die einzige Verbindung, die wir zwischen den beiden Opfern haben, Mike.“
„Welche andere Verbindung?“, fragte Mike. „Welches andere Opfer?“
“Carl Alvarez von vor drei Jahren”, erklärte Mackenzie. „Aufzeichnungen sagen, dass er wegen eines großen Vorrats an Marihuana bestraft wurde. Er hat ihren Namen genannt und gesagt, dass Sie es ihm verkauft haben.“
Er schaute schnell weg, und soweit Mackenzie sich bewusst war, war das ein Beweis von Schuld. Dennoch schüttelte er seinen Kopf. „Ja, dafür bin ich bestraft worden“, sagte Mike. Dann schaute er direkt Tate an und fügte hinzu. “Aber das ist nie hängen geblieben, oder? Anscheinend geht es bei der Polizeiarbeit in Kingsville nur darum, Menschen ohne jegliche Beweise zu jagen.“
Mackenzie spürte eine Art Spannung, die vor Ort hochkochte und übernahm das Gespräch, um es wieder auf die aktuelle Angelegenheit zu bringen.
„Mike, wenn ich Sie darum bitte mir zu sagen, wo Sie die letzten Nächte waren, könnten Sie das tun?“
Er war einen Moment ruhig. Mackenzie konnte nicht sagen, ob er versuchte an sein Alibi zu denken oder sich entschied, ob er die Ermittlungen weiter erlauben sollte oder nicht. Endlich verschränkte er seine Arme und antwortete.
“Ja. Für die letzten drei Nächte war ich in der Road Runners Bar, direkt hier in der Straße. Davor habe ich hier übernachtet, auf dem Sofa.“
„Machen Sie das oft?“, fragte Mackenzie.
„Macht er“, sagte J. T. „Aber ich weiß nicht, was Sie das angeht.“
„Können Sie also die Tatsache bezeugen, dass Mike vor vier Tagen auf Ihrem Sofa geschlafen hat?“, fragte Mackenzie.
„Ja. Er hat manchmal diese Rückenschmerzen. Der Idiot hat 4 Schmerztabletten an dem Nachmittag genommen und ich habe ihn nicht mehr fahren lassen.“
„Und was ist mit der Bar?“, fragte Mackenzie Mike. „Wie haben Sie gezahlt?“
„Mit Bargeld. Aber Sie können jeden fragen, der dort war und sie werden es Ihnen bestätigen. Ich war bis elf Uhr abends da. Und dann bin ich direkt nach Hause gegangen … außer letzte Nacht, als ich mit einer Frau mitgefahren bin, die ich getroffen habe.“
„Können wir ihren Namen und Nummer haben?“, fragte Tate.
J. T. trat vor Mike und schüttelte seinen Kopf. „Nein. Können Sie nicht. Und es tut mir leid, aber ich werde Sie so freundlich ich kann, bitten zu gehen. Ich bin mir schon bewusst, dass mein Sohn einige schlechte Entscheidungen getroffen hat, aber anzudeuten, dass er jemanden getötet haben soll oder noch schlimmer einfach jemanden von einer Brücke oder so geschubst haben sollte, ist verletzend. Er hat Ihnen mehr als genug Informationen gegeben, um seine Unschuld zu beweisen und ich werde verdammt sein, wenn ich Sie ihn weiterhin so ausfragen lasse.“
Tate schien ein wenig beleidigt darüber zu sein, aber Mackenzie war zufrieden. Sie machte einen Schritt in Richtung Auto und nickte Tate zu, ihr zu folgen. „Das ist in Ordnung“, sagte sie. „Vielen Dank für Ihre Zeit, die Herren.“
Tate folgte ihr langsam zurück zum Auto offensichtlich ein wenig verwirrt. Als er wieder hinter dem Lenkrad saß und den Motor startete, warf er den Cases einen letzten Blick zu.
„Ist das alles, was Sie brauchen?“, fragte er.
“Ja. Eine kleine Stadt wie diese, da wird es einfach sein, herauszufinden, ob Mike Case wirklich die letzten drei Nächte in dieser Bar war. Und wenn er da war, dann scheidet er für Kenny Skinner’s Tod aus. Und wenn sein Vater darauf schwört, dass er auf der Couch geschlafen hat, in der Nacht in der Malory Thomas getötet wurde, dann entlastet ihn das auch. Schicken Sie bitte jemanden in die Bar, um sicherzustellen, dass die Geschichte stimmt. Wenn nicht, dann besuchen wir ihn wieder … und dieses Mal mit Beweisen, dass er bei irgendetwas lügt.
„Was sagt Ihnen Ihr Gefühl?“, fragte Tate.
“Ich bin mir neunzig Prozent sicher, dass es nicht Mike Case ist. Sowohl er und sein Vater waren mehr besorgt darüber, dass wir gnadenlos Fragen stellen und seinen Charakter infrage stellen, als über den Grund, dem er beschuldigt wird. Es gibt Schuld und dann gibt es die Abwehrhaltung. Selten werden Sie sie so vermischt sehen. Diese Männer werden von allem überrascht. Sie waren berechtigterweise verblüfft, dass wir versucht haben Mike als Mörder zu beschuldigen.“
Tate grinste. “Mann … wenn Ihr Geist die ganze Zeit so arbeitet, müssen Sie erschöpft sein.”
Sie nahm an, das war ein Kompliment. Er lag aber dennoch falsch. Sie fühlte sich am tatkräftigsten, wenn ihre Gedanken auf Hochtouren liefen. So fühlte sie sich tatsächlich, als sie zurück zur Station fuhren. Sie war auf den Spuren eines Mörders, der wahrscheinlich ein Einwohner dieser kleinen Stadt war, in der sie ermittelte. Das hieß normalerweise, dass der Abschluss des Falles nicht allzu weit entfernt war.
Aber sie wusste auch, dass diese einsamen Fälle manchmal gefährlicher sein konnten. Sie warf dem Kornfeld einen letzten skeptischen Blick zu, als sie daran vorbei fuhren, als wenn sie sich selbst daran erinnern musste.