Weldons Drugstore war eine genauso große Zeitverschwendung, wie die Glory Baptist Kirche. Auch wenn es einen beträchtlichen Fall im Hinteren des Gebäudes auf den Bürgersteig gab, gab es zu viele Hindernisse. Um zum dritten Stock zu kommen, müsste der Mörder eine verschlossene Tür im zweiten Stock aufbrechen – ein Schloss, das Mackenzie hatte aufheben müssen und dass sie kaum aufbekommen hatte.
Nicht nur dass, als sie in den dritten Stock gekommen waren, waren die Fenster mit Brettern vernagelt und mit einer Art Kabeldraht verstärkt.
Als sie gingen und wieder zur Station fuhren, hatte Mackenzie nicht das Gefühl, als wenn sie wieder zum Anfang zurückgehen müsste. Sie gab sich Mühe, dies als zwei potenzielle abgehakte Orte zu sehen. Auf dem Weg zur Station hatte Tate sie angerufen, um sie wissen zu lassen, dass er die Kirche und den Drugstore in die abendliche Streife und nächtlichen Runden für Beamte auf Streife mit eingefügt hatte.
Was Mackenzie anging, sie wusste, sie musste einen Plan entwickeln. Auch wenn das hieß, mit Tate und seinen Männern die ganze Nacht die Straßen abzufahren. Sie musste etwas tun. Während sie zurück ins Motel fuhr, fragte sie sich zum ersten Mal ob der Mörder vielleicht davon ablassen würde, seine Opfer von hohen Stellen fallen zu lassen. An Orten wie Kingsville würde er schon bald keine Optionen mehr haben. Sie fragte sich, ob dieser Fall einfacher zu lösen sein würde, wenn sie die Brücke und den Wasserturm von der Gleichung streichen könnte?
Es gefällt ihm seine Opfer auf merkwürdige Weise auszunutzen, dachte sie. Wenn diese Bilder auf dem USB und seinen Zeichnungen irgendein Hinweis sind, dann hat er eine enorme Blutlust. Aber er ist geduldig – geduldig genug, um jemanden dazu zu zwingen die Leiter am Wasserturm hochzuklettern, geduldig genug, um Malory Thomas zu entführen und sie zur Miller Moon Brücke zu bringen.
Sie dachte darüber nach, während sie ihr Auto auf den Motel-Parkplatz fuhr. Auch wenn Ellington keinen noch entfernteren Zuschauerplatz hierbei wollte, plante sie den Laptop zu nehmen. Sie hoffte, das mit ihm hier und ihrer Fähigkeit die Chemie ihres Arbeitsverhältnisses wieder aufleben zu lassen, noch produktiver wäre. Sie nahm an, sie konnte damit beginnen, sich jeden brutalen Mord innerhalb eines fünfzig-Meilen-Radius über einen Zeitraum der letzten drei Jahre oder so anzusehen. Sie könnte vielleicht Tate dazu bringen, sich seine eigenen Dateien auf der Polizeistation anzusehen, um den Vorgang zu beschleunigen.
Wie auch immer, als sie das Motelzimmer betrat, wurden all diese Pläne und Ideen mit einem Moment zunichtegemacht. Sogar noch ehe sie die Tür ganz auf hatte, hörte sie Ellingtons Stimme. Er sprach mit jemandem in bittender Manier, etwas woran sie bei ihm nicht unbedingt gewöhnt war.
“… und ich habe nichts gemacht, was man als aufsässig gegenüber einem Vorgesetzten bezeichnen könnte.”
Mackenzie schloss leise die Tür hinter sich, blieb stehen und warf ihm einen neugierigen Blick zu. Er schüttelte seinen Kopf. Ihr gefiel die Tatsache nicht, dass er sehr besorgt aussah. Dann formte er ein Wort mit seinen Lippen, das alles erklärte.
„McGrath.“
Ihre Nerven spannten sich sofort an. Sie hatte gelernt, auf ihre eigene Art mit McGrath umzugehen. Sie fürchtete den Mann nicht mehr, wann immer sie in sein Büro gerufen wurde. Aber sie kannte ihn auch gut genug, um zu wissen, dass auch wenn er seine Position als Einschüchterungsmittel nicht oft nutzte, er kein Problem damit hatte, es zu nutzen, wenn er keine Wahl hatte. Mit einem Blick auf Ellington fragte sie sich, ob es das war, was hier gerade los war.
Sie wollte ihn fragen, ob er sein Handy auf Lautsprecher stellen könnte, aber sie wusste nur zu gut, dass McGrath es merken würde. So stand sie nahe bei Ellington, und versuchte zu lauschen. Sie konnte fast das meiste verstehen. Sie nahm an, dass McGrath irgendwie herausgefunden hatte, dass Ellington nicht nur gekommen war, um sie zu sehen, sondern er auch Teil der Ermittlung gewesen war. Gerade, als sie fühlte dass sie erwischt worden war, hörte sie McGrath fragen: „Und haben Sie überhaupt eine Ahnung, wo zum Teufel White ist?“
„Sie ist tatsächlich gerade hereingekommen, Sir.“
Mackenzie hörte, wie McGrath zu Ellington sagte, er solle sie ans Telefon holen. Ellington übergab ihr das Handy mit besorgtem Blick.
„Hier ist Mackenzie“, sagte sie.
„Verdammt White … was zum Teufel, glauben Sie, was Sie da tun?“
„Ich versuche einen Mörder zu finden, Sir.“
“Seien Sie nicht so vorlaut. Als Ellington letzte Nacht bei Ihnen aufgekreuzt ist, warum haben Sie ihn nicht nach Hause geschickt? Sie wussten, dass er suspendiert ist und dass seine Anwesenheit während Sie an einem aktiven Fall arbeiten – ein aktiver Fall, der nirgendwo hinführt, wenn ich hinzufügen darf – die Dinge nur noch schlimmer für ihn machen.“
„Weil er und ich wissen, wo wir eine Grenze ziehen müssen, Sir“, antwortete sie. „Agent Ellington würde niemals etwas tun, um einen Fall oder seiner Karriere zu schaden.“
„Blödsinn. Wenn das der Fall ist, warum habe ich es hier in den Aufzeichnungen, direkt vor mir, dass er sich zwei Mal heute in die Datenbank eingeloggt hat und komplette drei Stunden Akten angesehen hat?“
Mist, dachte sie. Ich hätte sichergehen müssen, dass er sich mit meinem Namen einloggt.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll Sir. Ich kann Ihnen aber versichern, dass er –“
„Ich will keine Versicherungen. Wo sind Sie überhaupt in dem Fall? Ich nehme an, es läuft nicht so gut, wenn Sie Ellington dazu anstiften nach Strohhalmen zu suchen, während sie nirgendwo hinkommen.“
„Es ist nicht viel passiert“, sagte sie und hasste es, das zuzugeben. „Wir haben einen Verdächtigen, der unser Mann zu sein scheint, aber niemand hat ihn seit über einer Woche gesehen.“
„Ist das der Mann, der Sie gestern Nacht angegriffen hat?“, fragte McGrath.
„Scheint so. Sein Name ist Jimmy Gibbons und er ist –“
“Es ist mir egal, wer er ist. Hören Sie White … Direktor Wilmoth hat genug gesehen, um anzunehmen, dass sein Neffe tatsächlich getötet worden ist. Und er dankt Ihnen, dass Sie das herausgefunden haben. Aber er stimmt mir auch zu, dass es nichts ist, wo noch mehr Zeit darauf verschwendet werden muss. Zwischen der Staatspolizei und einem anderen Paar Agenten, kann dieser Fall abgeschlossen werden. Und wegen der Situation mit Ellington will ich Sie beide heute Nachmittag wieder hier haben.“
„Auf keinen Fall“, sagte sie und konnte die Worte nicht zurückhalten. „Bei allem Respekt, diese Stadt ist ein Drecksloch. Wir werden ihn bald finden. Ein Tag. Zwei höchstens.”
“Gut. Dann kann ich Yardley und Harrison schicken, die sich mit äußerster Zuversicht darum kümmern werden. Ich will, dass Sie in weniger als drei Stunden in meinem Büro sind. Haben wir uns verstanden?“
Mackenzie umklammerte das Handy, sie wollte es wegwerfen, wollte McGrath anschreien. Aber sie vergrub all das in ihrer Magengrube und kniff die Zähne zusammen.
„Ja, Sir”, zischte sie.
Und vielleicht zum ersten Mal in ihrer FBI-Karriere legte sie auf, ehe McGrath es tat. Ellington, der direkt neben ihr gestanden hatte, hatte die ganze Zeit zugehört und ließ den Kopf hängen. „Es tut mir leid“, sagte er.
„Hör auf“, sagte Mackenzie. “Das ist nicht deine Schuld.”
„Naja, das ich hier hergekommen bin, hat der ganzen Angelegenheit auch nicht geholfen, oder?“
„Das bestreite ich nicht“, sagte sie ein wenig bitter. „Aber ich bin froh, dass du gekommen bist, was beweist, dass ich vielleicht nicht die beste Agentin gerade für den Fall bin.“
„Du gibst also einfach so auf?“
„Ja. Schlimm genug, dass einer von uns suspendiert ist. Ich werde McGraths Geduld jetzt nicht austesten. Außerdem … ich konnte beweisen, dass die Todesfälle keine Selbstmorde waren. Mit dem und mit der Hilfe von Sheriff Tate und seinen Männern, werden Harrison und Yardley ein tolles Team sein, das abzuschließen.“
“Und du bist okay mit McGraths Entscheidung?”, fragte er perplex.
„Nein, ich bin nicht okay damit“, antwortete sie. „Aber es lohnt sich nicht, zu streiten. Können wir jetzt bitte anfangen die Dinge abzuwickeln, ehe McGrath entscheidet, uns beide dauerhaft zu suspendieren?“
„Ich denk schon“, antwortete Ellington. Es war klar, dass er nicht glücklich mit dem Ausgang der Ereignisse war.
Mackenzie war das auch nicht, sie war eigentlich ziemlich wütend. Aber sie wusste auch, dass es nichts gab, was sie tun konnte, außer McGraths Befehlen Folge zu leisten. Im Moment war das Wichtigste in ihrem Leben, sicherzugehen, dass Ellington vielleicht wieder seinen rechtmäßigen Platz im Büro einnehmen konnte. Und indem sie einen Fall an zwei andere Agenten abgab, war das ein Zeichen, dass sie fair spielen konnte und wenn das die Dinge einfacher für Ellington machte, dann war das für sie in Ordnung.
“Hey”, sagte sie und nahm seine Hand. „Das wird alles gut.“
Sie küsste ihn und er nickte. „Vielleicht“, sagte er. „Vielleicht ist es im Moment besser so, denn jetzt kannst du mir endlich eine Antwort auf die Frage geben, die ich dir gestern Nacht gestellt habe.“
Sie lächelte und sagte. „Ich bin mir sicher, das wäre besser. Aber jetzt muss ich gehen und Tate wissen lassen, dass er zwei weitere Agenten zum Babysitten morgen hat.“
Sie küsste ihn wieder und ging aus dem Zimmer. Sie hatte schon fast den Parkplatz überquert und war an ihrem Auto angelangt, als sie erkannte, dass sie tatsächlich so sauer auf McGraths Entscheidung war, dass sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatte und ihre Nägel in ihre Handfläche gebohrt hatte, bis es kleine rote Punkte gemacht hatte, die ein wenig Blut zeigten.