Dr. Jan Haggerty hatte Jimmy Gibbons erstmals vor drei Jahren getroffen. Er war im Alter von sechsundzwanzig zu ihr gekommen, hatte über Kopfschmerzen geklagt, Albträume und einen Zustand von Depression, der schon fast lähmend war. Er hatte ihr in seiner ersten Sitzung von seiner Kindheit erzählt, wie seine Eltern gestorben waren, als ihr Auto von einer Brücke gefallen war; wie seine Mutter ihr Leben beendet hatte, um seins zu retten.
Seine Großeltern hatten ihn bis er zwölf war aufgezogen, und dann als seine Großmutter an Brustkrebs gestorben war, war sein Großvater nicht in der Lage gewesen, ihn alleine großzuziehen. Jimmy war in der Pflege gelandet, wurde herumgereicht, bis er mit achtzehn in einem der letzten überlebenden Getreide Felder am Rande der Stadt Arbeit gefunden hatte.
Sie hatte ihn als Kind mit guten Absichten gesehen, jemand der vielleicht eine kleine dunkle Seite hatte. Er hatte diese Seite an sich in ein paar Zeichnungen ausgelebt, die sie gesehen hatte und in ein paar Gesprächen, die eine morbide Wendung genommen hatten. Er hatte über die Angst gesprochen, die er davor hatte, sich in ein Monster zu verwandeln, ein Monster, das viel zu sehr an dem Tod seiner Eltern zu schlucken hatte, nicht wegen seines Verlusts in so einem jungen Alter, sondern wegen seiner Faszination, wie sie gestorben waren.
Sie hatte hier kein Problem gesehen. Sie hatte ihn aus diesen Momenten geführt und es hatte immer so ausgesehen, als wenn er sich wieder sammelte.
Aber jetzt sah sie es. Jetzt sah sie das Monster, das er ein paar Mal erwähnt hatte und sie fragte sich, ob sie ihm einen riesigen Missgefallen getan hatte, in dem sie nicht stärker auf seine dunkle Seite eingegangen war.
Und er ist es … die Person, die Menschen von der Brücke und dem Wasserturm wirft, dachte sie. Wie konnte ich das übersehen?
Sie wusste, wo sie hingingen, sobald sie in die Baxter Straße abgebogen waren. Es war jetzt dunkel und machte es unmöglich die Getreidesilos zu sehen. Aber sie wusste, dass sie dort waren und sie wusste, dass mindestens einer von denen so hoch war wie der Wasserturm, von dem Jimmy Maureen Hanks heruntergestoßen hatte.
In den fünf Stunden oder so, die er sie bei ihr zu Hause festgehalten hatte, hatte er es praktisch zugegeben. Zwei Mal hatte jemand an die Tür geklopft – beides geplante Patienten – und er hatte sie beide Male mit der Waffe bedroht. Beim zweiten Mal hatte er sie in ihrem Stuhl hinter ihren Tisch gezwungen und die Waffe an ihren Kopf gehalten. Sie hatte gedacht, er würde sie dort töten, einfach den Auslöser ziehen und sie töten. Immerhin hatte er den Großteil des Nachmittags damit verbracht, groteske Dinge zu sagen. Er hatte ihr seine Faszination mit dem Tod und dem Blut erklärt.
Wir besitzen diese wunderbar erschaffenen Körper, die auf unglaublicheweise Weise im Inneren zusammengehalten werden, hatte er ihr gesagt. Aber wenn diese Körper auf etwas Schweres schlagen, dann ist das alles kaputt. Es bricht.
Er hatte gewartet, bis es dunkel wurde, ehe er losging. Er war im Haus herumgewandert, hatte sie vorgehen lassen, während er die Waffe an ihren Rücken hielt. Sie hatte erwartet, dass er sie missbrauchen oder gewalttätig sein würde. Aber das Schlimmste was sie bekam, war ein wenig Fummelei, die nicht einmal absichtlich schien.
Nein, er war mehr daran interessiert was kommen würde. Sogar noch ehe er sie gegen 10 Uhr abends aus dem Haus führte, wusste sie, was er für sie geplant hatte. Ihre einzige Hoffnung war, dass die Polizei herausgefunden hatte, was er tat und kam, um sie zu retten.
Dennoch bekam sie eher das Gefühl, während sie weiter die Baxter Straße mit Jimmy hinter dem Lenkrad ihres Autos herunterfuhr, dass es keine Hilfe geben würde. Die sternenlose Nacht und die Zerstreuung der dunklen Wolken am Himmel schienen das zu bekräftigen.
„Was hoffen Sie damit zu erreichen?“, fragte sie ihn. „Es wird Sie nicht besser machen. Es wird die Tatsache nicht ändern, dass Ihre Eltern tot sind. Jimmy, das verstehen Sie oder?“
„Meine toten Eltern sind mir egal“, sagte er. „Und Sie liegen falsch. Es hilft wirklich. Ich schlafe besser. Ich bin nicht mehr so deprimiert. Es tut mir leid, Doc … aber es gefällt mir einfach. Andere nehmen Drogen oder haben Sex. Das ist mein Ding. Ich genieße das. Ist das normal?”
“Nein, ist es nicht.”
Sie versuchte nicht zu weinen, aber die Tränen kamen dennoch. Als er unschuldig auf ihren Kommentar die Schultern zuckte, wusste sie, dass sie ein Problem hatte. Er schien überhaupt kein Bewusstsein für diese Art von Ding zu haben. Wenn es ihm auf widerliche und morbide Weise ehrliche Erleichterung brachte, dann würde er nicht das Teuflische daran erkennen.
Und in dieser Hinsicht war er vielleicht wirklich ein Monster geworden.