Mackenzie kletterte die Leiter so leise hoch, wie sie konnte, aber die Seiten machten dennoch ein ächzendes metallisches Geräusch, das sie vor Minuten gehört hatte, als sie durch das Getreidefeld gelaufen war. Das erste Mal, als die Leiter quietschte, war es leise und kaum zu hören. Aber beim zweiten Mal, als sie gerade die Hälfte der Leiter erreicht hatte, war es lauter und recht quietschend.
Eine nervöse Stimme rief von irgendwo oben. „Wer zum Teufel ist da unten?“
Mackenzie entschied sich, ruhig zu bleiben. Ohne echtes Verstehen von Jimmy Gibbons wusste sie nicht, was der Gedanke an eine FBI-Agentin in ihm auslösen würde. Sie hielt aber einen Moment an und sah hoch, um genau zu sehen, wo Gibbons und sein anscheinend nächstes Opfer sich befanden. Sie waren sehr nahe an der Spitze, die eisernen Sprossen stoppten unter einem scheinbar sehr dünnen Absatz, der den Rand des Silos umkreiste, bevor die Kuppel den oberen Abschluss bildete.
Sie war sich ziemlich sicher, dass Gibbongs das Schlusslicht bilden würde und sein Opfer voranging. Er kletterte merkwürdig, weil er anscheinend etwas in seiner Hand hielt. Eine Waffe vielleicht. Aber wenn das der Fall war, konnte sie nicht anders als anzunehmen, dass diese nur der Einschüchterung diente – dass sie nicht geladen war. Ansonsten hätte er wahrscheinlich schon auf sie geschossen, sobald er sie kommen sehen hatte.
Außer er träumte jetzt davon zwei Menschen herunterzuwerfen, dachte sie.
Sie wusste, dass ein gut platzierter Schuss ihn außer Gefecht setzen würde. Aber sie wusste auch, dass Schießen von einer Leiter so hoch oben, in einer sternenlosen Nacht wo die Sicht sehr eingeschränkt war, sehr gefährlich sein könnte. Sie könnte das Opfer treffen. Oder sie traf Gibbons und in seinem Fall könnte er leicht auf sie fallen und sie beide in den Tod stürzen.
Solange sie eine klare und akute Gefahr für das potenzielle Opfer sehen konnte, würde sie nicht schießen. Einen Mörder lebend und relativ unbeschädigt abzuliefern wurde immer noch lieber gesehen, als eine Leiche vom Tatort in einer Leichenbahre zu tragen. Schon bei dem Gedanken daran wusste Mackenzie, dass sie schnell handeln musste. Sie konnte sich nicht auf ihre Annahme verlassen, dass Gibbons den Moment genießen wollte, ehe er sein Opfer herunterwarf. Alles was sie wusste, war, dass er es in dem Moment tun würde, wenn er den kleinen Laufgang über ihnen erreicht hatte.
Sie kam zum Ende der Leiter und sah, dass sie recht gehabt hatte; die Leiter endete gerade dort, wo eine Reihe von kräftigen Eisensprossen an der Seite des Silos befestigt waren. Als ihre Hand auf die Erste traf, klopfte ihr Herz. Diese Sprossen waren noch dünner, als die an der Leiter. Als sie sich daran hochzog, fühlte sie wie die Schwerelosigkeit sie in Besitz nehmen wollte und zum ersten Mal war sie sich der freien Fläche hinter ihr bewusst.
Sie kämpfte dagegen an und stieg weiterhin die Leiter hoch. Sie schaute wieder hoch und sah, dass Gibbon und die Person vor ihm sich schon dem Ansatz an der Spitze des Silos näherten. Sie müssten sich beeilen und hoffen, dass sie die kurze Unterbrechung, wenn Gibbons und sein Opfer die Spitze erreicht hätten, nutzen könnte.
Aber ihre Hände schienen in Schweiß gebadet, und als sie sich schneller hochdrückte, fühlten sich ihre Lungen dünner an, die offene Fläche hinter ihr fühlte sich an, als wenn sie körperlich an ihr zerrte.
Über sich hörte sie das leichte verzweifelte Weinen einer Frau, gefolgt von einem Geräusch, das sich wie ein metallisches Klicken anhörte. Mackenzie schaute hoch, während sie immer noch an der Seite des Silos hochkletterte. So weit sie sehen konnte, hatte die Person vor Gibbons – eine Frau dem Geräusch nach – den dünnen Laufgang an der Spitze erreicht.
Mackenzie brauchte eine Sekunde, um in die Innentasche ihres Mantels zu greifen. Sie zog eine kleine Taschenlampe heraus, die sie dort hineingesteckt hatte, ehe sie DC verlassen hatte, und knipste sie an. Sie ließ sie höher scheinen, um eine bessere Sicht zu bekommen. Alles, was sie sehen konnte, waren die Untersohlen von einem Paar Schuhe ca. 6 Meter über sich. Während sie schaute, hielt Gibbons ebenfalls an den Sprossen an und zog sich auf den dünnen Laufgang hoch.
Mackenzie kletterte schneller, kletterte jetzt mit Eifer, weil sie wusste, wenn sie Gibbons nicht eingeholt hatte, bis er den Laufgang erreicht hatte, hätte sie ein Problem. Alles, was er tun musste war ihr den Eingang am Laufgang zu blockieren. Natürlich könnte sie ihn erschießen – und würde es tun, wenn sie musste, aber sogar dann. Mit einer Waffe zu feuern, während man verzweifelt an einer Eisensprosse ca. 24 Meter in der Luft hing, erschien ihr nicht erringenswert.
Sie nahm die Taschenlampe in ihren Mund, biss darauf und nutzte beide Hände, um sich hochzuziehen. Sie näherte sich der Spitze und sah Gibbons ein Bein über den Laufgang schwingen. Als er sein anderes Bein hob, streckte Mackenzie sich und überging die nächste Sprosse und schlug nach seinem Bein.
Sie schaffte es, ihn auf die Wade zu schlagen, aber nicht hart genug. Er stolperte zwischen der letzten Sprosse und dem Laufgang und schrie auf vor Überraschung.
Was er als Nächstes tat, erwischte Mackenzie kalt. Anstatt vor Angst auf den Laufgang zu klettern, hielt er sich am Rand fest und trat nach unten. Sein linker Fuß erwischte sie am Kopf. Reflexartig ließ ihre linke Hand die Sprosse los und ihre Knie knickten von dem Einschlag ein. Die Taschenlampe fiel ihr aus dem Mund und fiel kreiselnd in einem Lichttaumel auf den Boden.
Sie schrie, als ihre Beine von der Sprosse rutschten, auf der sie gestanden hat. Ihre linke Hand baumelte nutzlos in der Luft, während ihre schwitzige rechte Hand sich mit aller Kraft festhielt.
Gibbons positionierte sich auf dem Laufgang und trat ein weiteres Mal mit seinem linken Bein aus. Wenn er es schaffte, ihre rechte Hand zu erreichen, wäre sie tot.
Mackenzie schwang ihre linke Hand über ihre Brust und nahm ungeschickt ihre Glock heraus. Sie machte sie los und zog sie heraus. Sie gab sich Mühe dabei die Tatsache zu übersehen, dass sie Rechtshänderin war. Sie hatte keine Zeit zu zielen und schoss einfach.
Der Schuss war laut, der Rückprall leicht, aber fühlte sich wie ein Erdbeben in ihrem linken Arm an, während ihre rechte Hand das ganze Gewicht und das Leben in ihrem Körper hielt.
Sie hörte die Kugel die Unterseite des Laufgangs treffen, gerade als Gibbons überrascht aufschrie und auf die Spitze kletterte. Mackenzie schwang ihr linkes Bein auf die Sprosse und griff mit ihrer linken Hand nach der letzten Sprosse und zog sich ebenfalls hoch. Sogar noch, ehe sie am Rand stand, konnte sie sehen, dass es nicht breiter als 60 cm war, gerade breit genug, dass jemand darüber laufen konnte.
Sie sah Gibbons auf sie zukommen und seinen Fuß zurückziehen, um sie zu treffen. Er schrie vor Frust, anscheinend so scharf vor Blutlust, dass er nicht einmal die Konsequenzen bedachte. Mackenzie war nicht in der Lage die Waffe in ihre andere Hand zu nehmen und feuerte noch einmal. Sie zielte hoch, und hoffte ihn am Knie zu treffen, aber der Schuss ging nach unten. Er traf seine Sneaker und kam oben an seinem Fuß wieder raus.
Er heulte auf vor Schmerz und fiel gegen den Rand des Silos. Hinter ihm wich die Frau, die er den Silo hochgezwungen hatte, langsam zurück und zog sich zitternd an das andere Ende des Silos zurück.
Als Gibbons auf seinem unverletzten Fuß herumhüpfte, und versuchte sein Gleichgewicht wiederzufinden, hievte Mackenzie sich selbst auf den Laufgang. Sie konnte endlich ihre Glock in die richtige Hand nehmen, und während sie das tat, stand sie langsam auf. Als sie zwei Schritte von der kleinen Öffnung wegging, die zu den Sprossen und dem fast hundert Fuß tiefen Fall führte, atmete sie ein wenig erleichtert auf.
Nur ein wenig erleichtert.
Es half auch, dass sie Sirenen in der Entfernung hörte. Anscheinend hatte ihre Nachricht an Tate funktioniert. In der Zwischenzeit hatte Gibbons einen zitternden Schritt nach vorne gemacht und war in ihre Richtung gehumpelt. Mackenzie machte einen weiteren Schritt nach vorne auf ihn zu, die Glock direkt auf ihn gerichtet.
„Wer sind Sie?“, fragte er. Er weinte, entweder von der reinen Absurdheit dieser Situation oder wegen des Schmerzes (oder beides), sie war sich nicht sicher.
„Ich bin Agentin Mackenzie White vom FBI. Wer ist hier mit ihnen oben?“
„Eine alte Freundin“, sagte er. „Eine Ärztin. Aber sogar sie konnte mir nicht helfen. Sie konnte das Monster nicht wegmachen.“
„Wer immer da hinten ist“, rief Mackenzie auf die andere Seite des Silos, „bleiben Sie, wo sie sind. Dort sind Sie sicherer.“
„Okay“, antwortete eine wage bekannte Stimme.
Gibbons schaute von Mackenzie zum Rand des Laufgangs. Mackenzie folgte seinem Blick und sah, wie sich Scheinwerfer näherten, unterstrichen durch das leuchtende Blau und Rot der Kingsville Polizei.
Ein dünnes Sicherheitsgeländer stand ca. neunzig Zentimeter von der Plattform entfernt und bot nicht wirklich viel Sicherheit. Es in dieser Höhe zu sehen war schon fast zum Lachen.
„Erschießen Sie mich jetzt?“, fragte Gibbons.
„Wenn ich muss.“
„Gut“, sagte er. „Denn jemand wird hier herunterfallen.“
Damit kam er nach vorne gerannt. Er gab keine Warnung ab. Er rannte einfach nach vorne, seine Arme ausgestreckt, als wenn er beabsichtigte, sie zu umarmen. Mackenzie schoss zwei Mal und trat nach links und stieß fast an die Seite des Silos.
Die Schüsse trafen Gibbons an der rechten Schulter – nicht schlimm, aber schmerzvoll aus so einer nahen Reichweite. Schockiert und betäubt lehnte er sich nach rechts, als seine Beine nachgaben. Er schlug nach ihr und erreichte den Kragen ihrer Jacke. Er grinste breit und in seinen Augen, in der Dunkelheit auf so einer Höhe, dachte sie, konnte sie ein wenig des Monsters sehen, von dem er gesprochen hatte.
Und dann hievte er sich selbst über das Sicherheitsgeländer.
Als sein fallendes Gewicht ins Nichts fiel, hielt seine Hand immer noch ihre Jacke fest. Er hatte sie fest im Griff und zog sie nach vorne. Ihre Hüfte streifte das Sicherheitsgeländer und obwohl sie es schaffte, mit ihrer linken Hand danach zu greifen, fiel sie in einer identischen Pose wie bei ihrem Beinahe Fall am Wasserturm hinüber.
Es gab einen Moment der Unterbrechung, als ihr Nacken nach rechts schlug. Gibbons hatte immer noch seine Hand an ihrer Jacke und sie konnte hören, wie der Stoff riss, aber sie spürte auch sein Gewicht an ihr baumeln und alles wurde auf ihren linken Arm übertragen. Wieder war ihre linke Hand die Einzige, die sie vom Fallen abhielt.
Die Nähte platzen und rissen in ihrem Jackenkragen, aber sie wusste nicht, wie lange sie noch ihrer beider Gewicht würde halten können. Sie hatte nur eine Möglichkeit und der Gedanke daran, ließ sie sich schon fast herzlos fühlen.
Sie stählte ihre Nerven für eine Sekunde, festigte ihren rechten Arm inmitten der Luft und feuerte. Der Schuss traf Jimmy Gibbons direkt zwischen den Augen. Alles in ihm wurde weiß und sackte zusammen, inklusive die Muskelreflexe in seiner Hand. Er ließ ihre Jacke los und fiel nach hinten in den Abgrund.
Als er fiel, kamen die ersten Streifenwagen durch das Feld und holperten auf dem rauen Boden. Aber Mackenzie achtete kaum darauf. Sie konnte ihre Augen nicht von Gibbons lassen, während er fiel. Als er über dreißig Meter weiter unten auf dem Boden aufschlug, konnte sie immer noch seine Augen auf sich fühlen.
Weinend warf sie ihre Waffe auf den Laufgang. Sie griff mit der rechten Hand nach dem Sicherheitsgeländer und die Erleichterung für ihren linken Arm war riesig. Als sie sich hochzog, spürte sie ein taubes Gefühl im linken Arm. Sie fragte sich, ob sie sich einen Muskel gezerrt hatte in ihrem verzweifelten Versuch nicht loszulassen.
Aber dann fühlte sie ein paar Hände an ihrer Hüfte. Sie sah hoch und sah Jan Haggerty dort. Sie sah total verwirrt aus, aber fand genug Klarheit, um Mackenzie wieder auf den Laufgang zu helfen. Als ihre Füße wieder auf dem kleinen dünnen Absatz um den Silo standen, setzte sie sich hin. Sie lehnte sich gegen die Silowand und war nicht in der Lage den ruhelosen Blick, den sie in Gibbons Augen gesehen hatte, aus ihrem Kopf zu bekommen.
„Sind Sie okay?“, fragte Mackenzie Haggerty.
„Ja. Größtenteils schon. Sie?“
Mackenzie nickte und gab ihr ein zittriges Lächeln, das fast wie ein kurzer Weinkrampf klang. „Ja“, sagte sie. „Ich versuche einfach nicht darüber nachzudenken, wieder runterzuklettern.“
***
Innerhalb von einer halben Stunde waren Mackenzie und Dr. Haggerty wieder auf dem Boden. Dr. Haggerty hatte sich gut im Griff und ließ sich von dem Trauma nicht überwältigen. Sie konnte Mackenzie und Sheriff Tate von ihrem Tag erzählen, ohne zu übertreiben oder zusammenzubrechen. Sie erzählte ihnen, dass Jimmy Gibbons schon ein paar Mal in der Vergangenheit bei ihr gewesen war, hauptsächlich um darüber zu sprechen, wie er den Albtraum mit seinen Eltern überwinden konnte. Dann erzählte sie, wie er sie bis zum Nachmittag gefangen gehalten hatte, bis er sie gezwungen hatte, zu den Silo zu fahren.
Die Waffe, die Gibbons bei sich hatte, war leer gewesen. Anscheinend hatte er keine Bedenken Menschen von hohen Gebäuden zu werfen, aber traute sich nicht Menschen zu erschießen.
Anschließend schaute Tate sich den Körper an, der vor dem Silo lag. Er schaute wie ein gescholtenes Kind auf den Boden und kam dann wieder zu Mackenzie.
“Ich hätte ihren Anruf annehmen sollen”, sagte er. „Das ist meine Schuld und es tut mir unendlich leid.“
„Das ist okay“, beschwichtigte sie ihn „Ich weiß, warum Sie das getan haben. Ich muss dennoch einen Weg finden, das zu erklären, ohne das mein Vorgesetzter mir den Kopf abreißt.“
„Brauchen Sie irgendwas von uns?“, fragte Tate. Hinter ihm sahen sich ein paar weitere Beamte inklusive Andrews und Roberts am Rande der Lichtung um. Einer hatte eine Lampe und leuchtete die Leiter hoch und runter, die immer noch gegen das Silo gelehnt stand.
„Im Moment nicht. Ich rufe Sie wahrscheinlich noch einmal an, wegen Ihrer Beschreibung dieses Tatorts für meinen Endbericht. Ich glaube, ich muss sehr detailliert vorgehen, wenn ich meinen Job behalten will.“
„Hilft vielleicht ein gutes Wort von einem Kleinstadtsheriff?“, fragte Tate.
„Das kann nicht schaden“, erwiderte sie.
Sie dankte ihm und schüttelte seine Hand und ging dann zurück zu ihrem Auto. Sie wusste, sie könnte noch nicht einfach nach Hause gehen. Sie musste einem Protokoll folgen. Sie musste bleiben, bis der Gerichtsmediziner da war und bis der Tatort geräumt war. Sie dachte daran, das Motel anzurufen und ein Zimmer zu buchen, aber entschied sich dagegen.
Sie hatte einen Verlobten zu Hause warten.
Zu Hause. Das war ein Wort, das eine ganz neue Bedeutung bekam, jetzt wo sie wusste, was ihre Zukunft für sie bereithielt.
Auf dem Beifahrersitz ihres Autos griff sie nach ihrem Handy und rief Ellington an. Er antwortete sofort.
„Geht’s dir gut?“, fragte er.
„Ja. Der Fall ist abgeschlossen. Ich habe ihn.“
„Was? Verdammt … das war schnell.“
Er hatte recht, aber bei dem Gedanken daran nicht nur einmal, sondern gleich zwei Mal nur eine Fingerbreite vom sicheren Tod entfernt gewesen zu sein, schien es sich wie eine Ewigkeit angefühlt zu haben.
“Ich komme spät nach Hause. Wahrscheinlich morgen.“
„Das ist in Ordnung. Versuche doch mittags zu kommen, wenn du kannst. Dann habe ich Zeit rauszugehen und dir einen Ring zu kaufen.“
Es war ein toller Gedanke, einer bei dem sie sich für einen Moment, wie ein fröhlicher Teenager fühlte. Aber dann sah sie zurück auf die Silos und dachte über ihren Beinahe Fall nach. Sie sah den zertrümmerten Körper von Jimmy Gibbons und seufzte. Im Kontrast dazu schien ein Verlobungsring schon fast belanglos.
“Ich sehe dich dann morgen”, sagte sie. “Ich liebe dich.”
“Ich dich auch”, sagte Ellington und beendete den Anruf.
Mackenzie stieg aus dem Auto und näherte sich Haggerty, die gegen einen Streifenwagen lehnte. Sie sah Mackenzie kommen und warf ihr ein müdes Lächeln zu.
„Habe ich Ihnen schon richtig gedankt? Dafür, dass Sie mein Leben gerettet haben?“
“Ich weiß nicht”, sagte Mackenzie. Dann begann sie gleich zu reden und gab Haggerty nicht die Chance ihr zu danken. „Er hat sich als Monster bezeichnet“, sagte sie. „Er sagte, Sie konnten das Monster nicht verschwinden lassen. Was hat er gemeint?“
„Heute Morgen hat er gesagt, dass Menschen töten das Einzige war, was ihn besser fühlen ließ. Er sagte, er muss ein Monster werden, um die Albträume und die Depression verschwinden zu lassen.“
„Und glauben Sie, das ist möglich?“, fragte Mackenzie. „Glauben Sie, es ist möglich, dass Männer manchmal ohne Grund gemein sind? Nur weil sie schreckliche Dinge genießen?“
“Das glaube ich nicht”, antwortete Haggerty sofort. „In seinem Herzen war nichts Teuflisches oder Monströses an Jimmy Gibbons. Er litt an einem Trauma ausgelöst durch den Tod seiner Eltern und ein paar schwere Jahre in seiner Kindheit. Er hat das nie auf gesunde Art und aus irgendeinem Grund verarbeitet, er hat gewählt, so damit umzugehen.“ Sie machte eine Pause und fragte. „Was ist mit Ihnen?“
Langsam schüttelte Mackenzie ihren Kopf. „Ich glaube nicht. Ich habe so ziemlich jede Art so genannten teuflischen Mann gesehen, den Sie sich vorstellen können. Und wie Sie sagen – im Grunde gibt es immer irgendein Trauma oder Schmerz oder Umstände, mit denen sie nie umgehen konnten.“
„Das ist traurig, oder?“, sagte Haggerty.
„Das ist es wohl“, stimmte Mackenzie zu. Tatsächlich wusste sie, dass es das war. Sie hatte es selbst erlebt. Sie hatte nie den Tod ihres Vaters richtig verarbeitet und sie war damit umgegangen, in dem sie jede Art von Mörder jagte, den sie in die Finger kriegen konnte.
Für einige Menschen hieß ein Monster zu werden nicht unbedingt mörderische Gedanken und Bluthunger zu haben. Manchmal hieß es sich selbst zu verschließen, allem gegenüber, außer Wege, die man hatte, um zu versuchen mit seiner Vergangenheit abzuschließen.
Aber jetzt mit der Vergangenheit hinter sich, hatte Mackenzie nur eine Zukunft in Aussicht.
Und in dem Kornfeld der sternenlosen Nacht in den Hinterwäldern von Virginia sah die Zukunft merkwürdigerweise nie besser aus.