S ally nahm Beth und Maggie in ein kleines Café ganz in der Nähe mit. Es war sauber, gut besucht und das Essen preiswert. Für einen halben Schilling konnten sie ein doppeltes Sandwich und eine Kanne Tee bekommen.

»Ich dachte, wir könnten das miteinander teilen«, sagte Sally. »Wenn wir zu dritt sind, bringen sie uns zwei zusätzliche Tassen, und alles würde uns pro Person nur zwei Pence kosten …«

»Das wäre billiger«, stimmte Beth ihr zu, »aber viel zu essen würden wir so nicht bekommen …«

»Für einen Penny könnten wir noch drei Brötchen kaufen«, schlug Sally vor. »Dann könnten wir die Sandwiches einfach in drei Teile schneiden und jede von uns eine Tasse Tee trinken und noch ein Brötchen dazu essen, um satt zu werden … aber das ist nur ein Vorschlag. An warmen Tagen könnten wir uns natürlich auch mit einem Lunchpaket draußen auf dem Platz auf eine der Bänke setzen …«

»Mir würde es nichts ausmachen, mir ab und zu etwas mit euch zu teilen«, antwortete Maggie als Erste. »An den meisten Tagen kann ich auch ein Sandwich mitbringen, aber es wäre eine nette Abwechslung, mal ins Café zu gehen …«

»Und ich werde abends kochen und ein paar Kleinigkeiten mitbringen«, erbot sich Beth. »Meint ihr, sie würden es bemerken, wenn wir hier unsere eigenen Sachen äßen?« Sie sah die Frau hinter dem Tresen an, die ihr lächelnd zunickte, aber so aussah, als ob sie auch sehr streng sein konnte, wenn sie wollte.

»Das ist Bessie, und das Café gehört Mike, ihrem Mann«, sagte Sally und nickte der Frau zu. »Ich habe ihr einmal geholfen, als sie auf der Straße gestürzt war, und sie mit dem Taxi ins Krankenhaus gebracht. Deshalb lässt sie mich praktisch machen, was ich will – solange wir eine Kanne Tee und ein Sandwich bestellen, wird sie ein Auge zudrücken …«

»Du hast ein paar nützliche Freunde«, bemerkte Maggie anerkennend.

»Wir dürfen das nicht zu sehr ausnutzen«, sagte Beth, »aber im Sommer können wir ja auch mit unserem mitgebrachten Essen draußen sitzen, nur bloß nicht in Soho. Meine Tante würde einen Anfall kriegen …«

Sally zog die Augenbrauen hoch, und Beth nutzte die Gelegenheit, um ihnen von der Strenge ihrer Tante zu erzählen.

»Wir könnten auch zum Bedford Square gehen, wenn wir uns beeilen, aber weil man so lange für den Hin- und Rückweg braucht, komme ich hierher. An manchen Tagen, als ich noch bei Woolworth arbeitete, schaffte ich es gerade noch hierher und musste dann den ganzen Weg zurückrennen …«

»Ich habe bei Woolworth gefragt, ob sie jemanden brauchen«, warf Maggie ein, »aber sie sagten, sie hätten schon eine ganze Liste von Bewerberinnen …«

»Ich weiß, dass viele Mädchen dort gern arbeiten«, sagte Sally. »Ich wollte eigentlich in der Modebranche arbeiten, aber es ist viel schwerer, etwas in einem der schicken Läden zu finden, weil sie dort immer schon jede Menge Bewerberinnen auf die Stellen haben.«

»Mir fällt gerade etwas ein«, sagte Beth besorgt. »Hat Mrs. Craven nicht gesagt, wir sollten unsere Teepausen nacheinander machen? Glaubt ihr, dass das auch schon auf heute zutrifft?«

»Das hatte ich ganz vergessen«, gestand Sally. »Aber wir könnten ja auch nach der Arbeit herkommen und uns etwas zu essen teilen. Das ist auf jeden Fall billiger, als allein zu Abend zu essen. Ich hasse es sowieso, zu früh in das blöde Wohnheim zurückzumüssen …«

»Meine Mutter wird mich gleich nach der Arbeit daheim erwarten, weil ich ihr helfen muss, meinen Vater zu versorgen«, sagte Maggie enttäuscht. Da sie den anderen schon von seinem Unfall erzählt hatte, warfen sie ihr mitleidige Blicke zu.

»Und meine Tante hat mich vor den Gefahren gewarnt, die nach Einbruch der Dunkelheit draußen lauern.« Beth verzog das Gesicht. »Sie wollte sogar, dass ich mir eine Stelle als Gesellschafterin suche, aber zum Glück konnte ich keine finden.«

»Dazu bist du auch viel zu anziehend, Beth – oder könntest es zumindest sein«, sagte Sally ganz unverblümt und sah sie prüfend an. »An deiner Stelle würde ich mir die Haare auf Kragenlänge schneiden lassen, und wenn du ein bisschen Lippenrouge tragen würdest …«

»Mrs. Craven hat aber gesagt, wir dürfen bei der Arbeit weder geschminkt sein noch Parfüm benutzen«, warf Maggie ein, und Sally verzog das Gesicht.

»Und Tante Helen würde mich vor die Tür setzen!«, sagte Beth und lachte, während sie sich verlegen über ihre Haare strich. »Ich wäre liebend gern mit euch befreundet – und vielleicht können wir uns ja auch mal zum Mittagessen treffen, aber glaubt mir, es ist nicht leicht für mich, von zu Hause wegzukommen.«

Sally nickte sichtlich enttäuscht. »Sobald ich es mir leisten kann, werde ich mir eine eigene Bleibe suchen – ein Zimmer oder eine kleine Wohnung …«

»Eine Wohnung wäre schrecklich teuer«, sagte Beth. »Meine Tante näht Kleider und Kostüme für eine reiche Witwe, die sie kennt, und die zahlt mehr als hundertfünfzig Pfund im Jahr für ihre Wohnung. Ich habe ihr einmal ein Paket nach Hause gebracht, und einfach alles dort war wunderschön. Es gab sogar einen Aufzug und einen Portier in dem Gebäude.« Sie seufzte. »Ich hätte auch sehr gerne eine eigene Wohnung, aber das könnte ich mir niemals leisten.«

Sally blickte sie prüfend an. »Natürlich könnten wir das, wenn wir drei zusammenlegen würden! Natürlich wäre es nichts so Nobles wie die Wohnung, in der du warst, Beth – aber es wäre etwas, das uns allein gehören würde. Wenn wir uns die Miete und die Ausgaben teilten, würde es nicht viel mehr kosten, als wir jetzt zahlen müssen …«

»Das könnte ich nicht«, sagte Maggie ein wenig deprimiert. »Ich muss für meinen Vater da sein … meine Mutter wäre alldem nicht gewachsen.«

»Das ist schade«, sagte Sally. »Du könntest aber schon, Beth. Wenn wir einen Dritten finden würden, der sich die Kosten mit uns teilt …«

»Ich glaube nicht, dass meine Tante das gutheißen würde.«

»Würde dir das etwas ausmachen?«, fragte Sally.

Beth erwiderte nichts darauf. Was Sally sagte, stimmte, aber in Beths Augen wäre es etwas sehr Gewagtes. Drei junge Frauen, die allein und ohne die Aufsicht einer älteren Frau lebten, würden für sehr leichtfertig gehalten werden, und sie wollte weder als billig noch als unmoralisch betrachtet werden.

»Ich fühle mich nicht wohl bei meiner Tante«, gab sie schließlich zu. »Und dennoch glaube ich, dass auch eine ältere Person dabei sein sollte, weil wir sonst sehr schnell einen schlechten Ruf bekommen könnten.«

»Ach, wen interessiert das schon?«, sagte Sally, aber Beth konnte sehen, dass sie errötete. »Aber natürlich könnten wir uns auch umhören, ob es bei Harpers vielleicht eine ältere Frau gibt, die allein lebt und gern mit uns eine Wohnung teilen würde …«

»Ja …« Beth schaute auf die Uhr. »Wir müssen gehen. Schließlich wollen wir Mrs. Craven doch nicht schon an unserem ersten Tag verärgern.«

Und so standen die Mädchen auf und gingen hinaus. Sally blieb noch einen Moment, um mit Bessie zu reden, und beeilte sich dann, die anderen einzuholen. »Bessie sagt, wenn eine von euch allein kommt, wird sie euch für drei Pennys ein Sandwich und eine Tasse Tee servieren, weil ihr meine Freundinnen seid.«

»Wie schön!«, sagte Maggie und drehte sich um und lächelte, als sie sah, dass die Cafébesitzerin sie beobachtete.

»Das ist wirklich nett von ihr«, sagte Beth. »An manchen Tagen werde ich mir das leisten können, und an anderen bringe ich mir einfach mein eigenes Mittagessen mit – aber zu einer heißen Tasse Tee sage ich niemals Nein.«

Sie rannten die letzten paar Schritte zurück zu Harpers, aber als sie das Gebäude betraten, sahen sie Miss Hart, die sie über die goldgerahmte Brille anblickte, die auf dem Ende ihrer verkniffenen Nase saß.

»Mehr Anstand bitte, meine Damen«, sagte sie spitz. »Dies ist die letzte Warnung. Jeder Mitarbeiter, der beim Rennen erwischt wird, sei es hier im Laden oder auf der Straße, wird mit einem Penny von seinem Lohn bestraft. Wir können nicht zulassen, dass unsere Angestellten das Geschäft in Verruf bringen. Rücken Sie Ihren Hut zurecht, Miss Gibbs!«

»Diese fiese alte Schachtel«, zischte Sally, als sie den Aufzugsknopf drückte, damit er sie in den ersten Stock hinaufbrachte. »Was haben wir denn Schlimmes verbrochen?«

»Das sind einfach die Regeln«, sagte Maggie. »Obwohl ich ehrlich gesagt glaube, dass sie sich das nur ausgedacht hat – Mrs. Craven hat jedenfalls nichts davon gesagt!«

»Ich befürchte aber, dass Miss Hart die Regeln einführen wird, die sie für richtig hält«, sagte Beth zu den anderen.

Sie nickten einstimmig und gingen in ihre Abteilung, wo sie sofort bemerkten, dass inzwischen das gesamte braune Packpapier und die Schnüre weggeräumt waren und der Teppich mit der Kehrmaschine aus dem Lagerraum gereinigt worden war. Ein Mann in einem dunklen Anzug stand wartend an einer der Verkaufstheken. Als sie sich näherten, drehte er sich zu ihnen um und schaute sie mit ernster Miene an.

»Guten Tag, meine Damen. Ich bin der Filialleiter und wollte sehen, ob Sie alle gut zurechtkommen. Wie ich hörte, macht Mrs. Craven Sie mit unseren Regeln vertraut …« Er nickte ihnen zu und lächelte Maggie an. »Haben Sie vielleicht noch irgendwelche Fragen, solange ich noch hier bin?«

»Nein, vielen Dank, Sir«, antwortete Sally, als die anderen beiden Mädchen schwiegen. »Mrs. Craven kümmert sich sehr gut um uns.«

»Das freut mich«, sagte er und ging.

»Oh, das hätte ich tun sollen!«, sagte Maggie bestürzt und errötete, als sie sah, dass ihr Vorgesetzter auf seinem Weg den Teppichreiniger wegräumte. »Es tut mir leid …«

»Das wird in Zukunft Ihre Aufgabe sein«, versicherte ihr Mrs. Craven. »Ich wollte, dass hier aufgeräumt ist, weil ich noch ein wenig mit Ihnen üben will – und ein Teil der Ware bereits da ist«, sagte sie erfreut.

»Und was ist schon angekommen?«, fragte Sally, deren Interesse geweckt war.

»Ein Karton mit Damenhüten und einer mit Handschuhen«, antwortete ihre Vorgesetzte. »Ich habe die Kartons geöffnet und zeige Ihnen jetzt, wie Sie den Bestand beim Eintreffen erfassen. Miss Grey, das ist Ihre Ware, also nehmen Sie bitte Ihr Bestandsbuch aus der Schublade …«

Beth nahm das längliche, mit grünem Stoff bezogene Buch mit dem roten Bändchen und einen Bleistift heraus.

Mrs. Craven schüttelte den Kopf. »Nicht diesen Stift, Miss Grey. Sie brauchen einen Füllfederhalter. Auf dem Schreibtisch in meinem Büro werden Sie einen finden …«

Beth ging in das Büro und fand auch sofort die beeindruckende Stiftablage aus Messing. Sie wählte einen schwarzen Federhalter und vergewisserte sich, dass er mit Tinte gefüllt war, bevor sie sich noch ein Blatt Löschpapier nahm und mit beidem in ihre Abteilung zurückging.

»Sehr gut!« Mrs. Craven nickte anerkennend. »Und nun schauen Sie, was wir für Sie ausgepackt haben. Sechs Paar graue und sechs Paar schwarze Handschuhe, alle aus feinem Leder, außerdem sechs Paar weiße Abendhandschuhe aus Spitze in den Größen fünf bis sechseinhalb, glaube ich.«

Beth sah sich die Handschuhe auf dem Tresen an, nahm dann jedes Paar in die Hand und untersuchte es, bevor sie es in die Theke legte, die grauen und schwarzen in die unteren Fächer und die weißen Spitzenhandschuhe in die oberen.

Mrs. Craven hatte das Datum an den linken Rand des Buchs geschrieben und Beth dann angewiesen, den Bestand hinzuzufügen. »Schreiben Sie: Sechs Paar Handschuhe aus schwarzem Leder, sechs Paar aus grauem Leder und sechs Paar Spitzenhandschuhe, und in der rechten Spalte vermerken wir den Preis.«

»Sollten wir nicht jedes Paar einzeln aufführen?«, fragte Beth. »Es waren verschiedene Größen, Mrs. Craven, und es wäre einfacher zu überprüfen, was verkauft wurde, wenn wir in der linken Spalte neben dem verkauften Paar ein Zeichen machten?«

»Ja, ganz recht«, sagte ihre Vorgesetzte und lächelte sie an. »Ich freue mich, dass Sie von selbst darauf gekommen sind, Miss Grey. Für Schals gilt das natürlich nicht. Die werden nach Farbe, Material und Preis beschrieben.«

Beth schrieb sorgfältig die Größe der Handschuhe in die noch freie Spalte zwischen den Rändern und zeigte das Buch dann den anderen Mädchen. Sally nickte mit einem Gesichtsausdruck, als ob sie all das bereits wüsste, aber Maggie lächelte.

»Du hast eine sehr saubere Handschrift, Beth.«

»Ja, wahrscheinlich schon«, antwortete sie. »Meine Mutter hatte sie auch, aber das Gekritzel meines Vaters war immer schwer zu lesen …« Sie lächelte bei der Erinnerung daran. »Er war Arzt, und das haben wohl alle Ärzte gemeinsam, sie haben eine gänzlich unleserliche Schrift. Manchmal brachte ich Rezepte für seine Kollegen in die Apotheke und lieferte die Medikamente dann bei den Patienten ab.« Trauer überkam sie und spiegelte sich in ihren Augen wider. »Ich liebte es, mit Vater in seine Praxis zu gehen und alle sagen zu hören, was für ein wunderbarer Mann er war …« Ohne es zu merken, seufzte sie. »So, mit den Handschuhen bin ich fertig, soll ich jetzt die Schals aufschreiben?«

»Ich kann dir helfen«, bot Maggie sich an, weil es einen großen Karton mit Seidenschals auszupacken gab.

»Beth muss ihren Bestand kennen, aber helfen können Sie ihr natürlich«, sagte Mrs. Craven. »Sally, Sie kommen bitte mit mir ins Büro. Als leitende Verkäuferin werden Sie auch noch die Verantwortung für einige andere Dinge übernehmen müssen.«

Sally folgte Mrs. Craven ins Büro, und Maggie begann die Schals auszupacken, die sie geradezu ehrfürchtig behandelte. »Dieser hier ist aus reiner Seide«, sagte sie zu Beth, »und ich glaube, die Farbe nennt sich Magenta … oder auch Purpurrot.«

Beth betrachtete den Schal und nickte. »Ja, so würde ich ihn auch beschreiben. Er ist wunderschön, nicht wahr – und mit zweiundvierzig Schilling ausgezeichnet! Das ist sehr viel Geld für einen Schal, aber er ist wirklich sehr, sehr schön.«

»Ich wüsste gern, wer die Preise für all diese Sachen festgelegt hat«, sagte Maggie. »Ich dachte, das würde Mrs. Craven vielleicht tun, aber die Preiskärtchen sind bereits gedruckt und mit einem feinen Faden an den Sachen befestigt.« Sie überlegte kurz. »Meinst du, dass das der Hersteller oder der Einkäufer gemacht hat?«

»Der Einkäufer, glaube ich«, sagte Beth nachdenklich. »Es ist schnell passiert, dass ein Schildchen versehentlich abreißt – und deshalb muss ich sicher sein, dass ich die Preise kenne.«

»Es ist kaum zu glauben, wie viel wir lernen müssen«, sagte Maggie. »Und ich dachte, es wäre ganz einfach, in einem solchen Laden zu arbeiten. Du nicht?«

»Ich muss zugeben, dass mir nie in den Sinn gekommen ist, dass einige Kunden versuchen könnten, etwas zu stehlen«, sagte Beth. »Meine Familie würde das für unter ihrer Würde halten – und ich möchte das auch von niemand anderem annehmen.«

»Ich auch nicht.« Maggie blickte zum Büro hinüber. »Sally ist ein reizendes Mädchen, nicht? Ich würde sehr gern einmal nach der Arbeit mit ihr ausgehen, aber da ich mich um meinen Vater kümmern muss …«

»Natürlich musst du das«, stimmte Beth ihr zu. »Meiner Tante würde es auch nicht gefallen, wenn ich nach der Arbeit nicht sofort nach Hause ginge, aber ich denke, zu besonderen Anlässen könnte ich schon mal etwas später heimkommen.«

»Aber ja«, stimmte Maggie ihr zu. »Mrs. Craven ist ein bisschen streng, finde ich …«

»Ich glaube eher, dass sie sehr fair ist«, entgegnete Beth. »Die, bei denen wir auf der Hut sein müssen, sind Miss Hart – und Mr. Stockbridge.«

»Oh, der …« Maggie errötete und starrte angestrengt den Schal an, den sie gerade aussuchte. »Er hat das Bewerbungsgespräch mit mir geführt und war sehr freundlich …« Es überraschte Beth, wie verlegen sie war, aber sie sagte nichts. Hatte der Geschäftsführer bei dem Vorstellungsgespräch mit Maggie geflirtet?

Sie nahm einen gemusterten Schal in Blau- und Grüntönen in die Hand. »Als was würdest du das beschreiben?«

»Hm. Ich glaube, das sind Wirbel in Grün- und Blautönen«, antwortete Maggie, und Beth lächelte.

Sie schrieb in ihr Buch: Ein Seidenschal mit Wirbeln in Grün- und Blautönen, Preis: fünfunddreißig Schilling.

»Er kostet weniger als der in Magenta«, bemerkte Maggie. »Meiner Mutter würde er gefallen, aber ich könnte es mir niemals leisten, ihn ihr zum Geburtstag zu schenken.«

»Vergiss nicht den Mitarbeiterrabatt, Maggie. Immerhin dürfen wir jeden Monat ein Teil mit zwanzig Prozent Rabatt kaufen.«

»Also würde ich sieben Schilling Rabatt bekommen«, dachte Maggie laut und nickte. »Wenn er in einem Jahr nicht verkauft ist, könnte ich genug für Mamas Geburtstag im nächsten Jahr zusammensparen …«

»Es ist nicht leicht zu wissen, dass es all diese schönen Dinge gibt und wir sie nicht kaufen können, nicht wahr?« Beth lächelte und griff nach einem weiteren Schal, diesmal in Blassblau. »Dieser hier kostet nur dreißig Schilling. Vielleicht sind auch noch einige preiswertere darunter … oder eines Tages veranstalten sie sogar einen Ausverkauf …«

Maggie nickte und lächelte. »Bevor mein Vater seinen Unfall hatte, ging Mama immer mit mir zu den Ausverkäufen in der Oxford Street, um Kleidung für uns zu kaufen. Wir waren immer schon früh am Morgen da und standen an – und die Schlange erstreckte sich manchmal bis um die Straßenecke!«

»Ja, das macht keinen Spaß«, stimmte Beth ihr zu. »Als ich noch klein war, nahm mein Vater mich zu einer Weihnachtsausstellung in einem der großen Spielzeugläden mit. Es war wundervoll, und ich habe es nie vergessen, obwohl ich zu klein war, um mich daran zu erinnern, in welchem Laden wir waren. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in einem Geschäft wie diesem arbeiten würde …« Sie nahm einen dunkelroten Schal und sah sich das Preisschild an. »Oh, schau mal, Maggie – der hier kostet nur sieben Schilling! Ich frage mich, warum …«

Beth sah sich das Etikett genau an. »Weil er aus Kunstseide und Viskose ist«, sagte sie und nickte dann. »Das ist natürlich der Unterschied – der Schal, der dir gefiel, war aus reiner Seide.«

»Dieser hier ist schön«, sagte Maggie, »aber meine Mutter würde die Farbe zu extravagant finden …«

»Ja, meine Tante auch – wie du würde sie die Wirbel bevorzugen …«

Sie hatten inzwischen sämtliche Schals ausgepackt, und die offenen Schubladen waren halb gefüllt. Eine freudige Erregung begann Beth nun zu erfüllen, und sie konnte es kaum noch erwarten, bis der ganze Bestand da war und das Kaufhaus eröffnet wurde.

Gefolgt von Sally, die sehr zufrieden mit sich aussah, kam Mrs. Craven zurück. Beide blickten auf den Tresen, und die Abteilungsleiterin begutachtete Beths Eintragungen in ihrem neuen grünen Buch.

»Alles sehr schön und anschaulich«, lobte sie. »Und besonders der Schal, dessen Farben Sie als Wirbel in Blau- und Grüntönen beschreiben. Nein, sagen Sie mir nicht, welcher es ist.« Sie blickte wieder auf den Tresen und zeigte dann auf einen Schal. »Ich würde auf den da tippen«, sagte sie.

»Ja, genau, der hat uns beiden sehr gefallen – dieser und der magentafarbene«, sagte Beth. »Aber es gibt auch ein paar, die nicht so gut sind wie die anderen …«

»Oh – aber warum denn?«, fragte sie mit besorgter Miene.

Beth erklärte ihr, dass etwa vier nur aus Kunstseide bestanden, und Mrs. Craven runzelte die Stirn.

»Es überrascht mich, dass sie überhaupt in das Sortiment aufgenommen wurden. Sie müssen unbedingt darauf achten, dass Sie einer Kundin den Unterschied erklären, wenn Sie sie ihnen zeigen, Miss Grey.«

»Aber natürlich werde ich das tun«, versicherte ihr Beth.

»Gut. Ich denke, wir haben heute alle viel gelernt – und da es im Moment nichts weiter zu tun gibt, können Sie alle heimgehen. Ich freue mich schon darauf, Sie nächste Woche wiederzusehen – und denken Sie daran, was ich Ihnen über Pünktlichkeit gesagt habe. Häufiges Zuspätkommen kann zur Entlassung führen. Es gilt hier als eine der schlimmsten Sünden, zusammen mit Unhöflichkeit und Diebstahl …«

Die Mädchen nahmen die Warnung aufmerksam zur Kenntnis und bedankten sich schließlich bei Mrs. Craven für die Einweisung. Dann holten sie ihre Mäntel. Als sie die Treppe hinuntergingen, statt den Lift zu nehmen, sahen sie Mr. Stockbridge, der sich mit einem ziemlich attraktiven Mann unterhielt. Sein dunkles Haar war ein bisschen länger, er trug einen leuchtend blauen Schal um den Hals und ein Jackett von einem dunkleren Blau zu einer hellgrauen Hose. Mr. Stockbridge winkte zu ihnen hinüber.

»Hallo, Mädels«, begrüßte er sie. »Darf ich euch Mr. Marco, unseren Schaufensterdekorateur, vorstellen? Ihr werdet ihn besser kennenlernen, wenn er in eure Abteilungen kommt. Es ist ein Privileg, einen so talentierten Künstler hierzuhaben – also sorgt dafür, dass eure Verkaufstische genauso ansprechend aussehen wie seine Fenster.«

»Wir werden unser Bestes tun, Sir«, sagte Sally und grinste den Schaufensterdekorateur an, der ihr zuzwinkerte.

Kichernd liefen die Mädchen die Treppe hinunter und blieben einen Moment auf dem Bürgersteig stehen, um sich voneinander zu verabschieden. Dann sah Maggie ihren Bus, der sich der Haltestelle näherte, und sprintete los.

»Gut, dass Frau Miesepeter nicht in der Nähe ist«, sagte Sally und schnitt eine Grimasse. »Maggie hätte die Hälfte ihres Gelds verloren, noch bevor sie anfängt …«

»Ja, es gibt eine Menge Regeln hier«, stimmte Beth ihr zu. »Aber ich sollte jetzt wohl nach Hause gehen – und ich freue mich schon auf die Zusammenarbeit mit dir, Sally.«

»Komm und trink erst mal ’ne Tasse Tee«, schlug Sally vor. »Ich lade dich ein. Deine Tante wird dich doch nicht schon erwarten, oder?«

»Nein, erst in einer Stunde oder später«, bestätigte Beth. Sie spürte, dass ihre neue Freundin einsam war, und sagte lächelnd: »Ich komme sehr gern mit, Sally. Du kennst die Oxford Street besser als ich und kannst mir sicher eine Menge Tipps geben, wo ich die besten Schnäppchen finde.«

Sally strahlte und nahm den Arm ihrer neuen Freundin. »Nachdem sie mich aus dem Waisenhaus geschmissen hatten, machte ich mich auf den Weg nach Westen. Zum Glück fand ich dort eine preiswerte Pension und für ein paar Monate auch eine Stelle als Aushilfe in einem Geschenkeladen. Danach war ich eine Zeitlang bei Woollies und dann bei Selfridges … aber ich glaube, hier werde ich viel zufriedener sein.«

Die beiden Mädchen hakten sich unter und lächelten glücklich, als sie zusammen loszogen.