Der Teddy war ganz weich und flauschig und hatte runde Knopfaugen, die ihn freundlich ansahen. Inzwischen war der Plüsch an den Ohren etwas abgegriffen, und es gab eine kleine, haarlose Stelle, wo der Teddy einmal einer Kerze zu nahe gekommen war. Aber David hätte ihn niemals gegen einen neuen eingetauscht. Er klemmte den Teddy entschlossen unter den Arm, während er im Wohnzimmer auf der Holtwarft stand, wo er bis eben zufrieden mit seinen Bauklötzen gespielt hatte. Aber nun war es Schlafenszeit, und das mochte er gar nicht. »Ich will noch nicht ins Bett!«, rief er bockig. »Ich bin noch nicht müde.« Draußen pfiff der Wind, er heulte im Kamin und zerrte an den Zweigen des Birnbaums. Anderen Kindern hätte das vielleicht Angst gemacht, aber David war ein echtes Halligkind, aufgewachsen mit Wind und Wetter.
Seine Mama, Christine, lächelte und strich ihm über den Kopf. »Aber das Sandmännchen war doch schon da. Spürst du nicht, wie es dir Sand in die Augen gestreut hat, von dem du ganz müde wirst?«
»Nein.« Er stampfte mit dem Fuß auf. Mama ging in die Hocke und hob ihn hoch, als wäre er noch ganz klein. Er schlang seine Arme um ihren Hals, roch ihren Duft. Er legte seinen Kopf an ihre Schulter und fühlte sich wohl. Sein Zorn war vergessen, er ließ sich von ihr die Treppe nach oben tragen. Zuerst half sie ihm dabei, die Zähne zu putzen. Dann brachte sie ihn in sein Kinderzimmer. Es war ein schöner Raum, mit alten knarrenden Deckenbalken, viel Spielzeug und zwei Fenstern, von denen aus David über die ganze Hallig Nekpen sehen konnte: am Birnbaum vorbei über die Wiese bis zu den Johannsens. Esther Johannsen mochte er besonders. Wenn er sie entdeckte, winkte er von seinem Fenster aus wie wild und freute sich, wenn sie ihn auch sah und zurückwinkte.
Jetzt war es aber draußen schon dunkel. Bei den Johannsens brannte Licht, die dunkle Nordsee rauschte.
David ließ sich von Mama den Schlafanzug anziehen. Es war sein liebster, der mit den Bärchen darauf. Dann kroch er in sein weiches Bett und kuschelte sich hinein. Der Teddy lag neben ihm.
Mama setzte sich auf die Bettkante. »Liest du mir noch eine Geschichte vor?«, fragte David. »Eine von Michel aus Lönneberga?«
Das war sein Lieblingsbuch. Er hörte ihr zufrieden dabei zu, wie sie die Geschichte vorlas, in der Michel seinen Kopf in die Suppenschüssel steckte. Schließlich war die Geschichte vorbei. Mama klappte das Buch zu, legte es auf den Nachttisch neben die Lampe, über deren Schirm Löwe und Zebra spazierten, und gab David einen Kuss auf die Nasenspitze. »Schlaf schön. Es ist schon spät.«
»Wo ist Papa?«, fragte David.
»Drüben am Deich. Du weißt doch, er muss sich darum kümmern, damit das Meer dort nichts kaputt macht.«
David nickte. In seinen Augen war sein Vater ein Held – ständig draußen unterwegs, um die Stadt vor dem Meer zu beschützen. »Wann kommt er wieder?«
»Erst am Morgen. Wenn du frühstückst, ist er da.« Mama stand auf und ging zur Tür. »Gute Nacht.« Sie löschte das Licht im Kinderzimmer und ließ die Tür einen Spalt breit offen, damit das Licht aus dem Flur noch ins Zimmer fiel. David war bald darauf eingeschlafen.
Irgendwann später am Abend wachte er wieder auf. Er hörte Stimmen, draußen irgendwo. Als er sich im Bett aufsetzte, dachte er, dass jetzt, im Dunkeln, alles so anders aussah als bei Tag: der Schrank, die Kommode, die verstreuten Spielsachen. Immer noch hörte er Stimmen. Neugierig griff er nach dem Teddy und setzte dann seine nackten Füße auf die kühlen glatten Dielen und tapste zum Fenster hinüber. Draußen war alles dunkel, dunkler als sonst. Nur die alte Stalllampe, die neben der Haustür hing, gab ein bisschen Licht, das auf die Halligwiese schien. Ansonsten war die Nacht so düster. Der Birnbaum stand schwarz und knorrig gegen den Nachthimmel; der Wind trieb Regentropfen an die Fensterscheibe.
David hielt seinen Teddy im Arm. Es waren nicht die Regentropfen, der Birnbaum, die Nacht oder der Schein der Laterne, die seine Aufmerksamkeit fesselten. Es war das, was dort draußen auf der Halligwiese vor sich ging. Er verstand es nicht, er sah nur zu. Das eine Ohr des Teddys wanderte in Davids Mund, und er lutschte daran. Das tat er immer, wenn er konzentriert oder ängstlich war. Er war eigentlich ein unerschrockenes Kind; er ging gerne mit seinem Vater fischen, er tollte auf der Wiese herum, er kletterte manchmal sogar auf den Birnbaum. Du bist ein richtiger Holtjunge, sagte sein Vater stolz, und zeigte ihm manchmal die alten Bilder unten im Wohnzimmer mit den graubärtigen Männern. Er nannte David jeden Namen. »Das waren alles Holts, genauso wie du, verstehst du? Deine Familie, das ist wichtig.«
Aber heute war David kein mutiger Holtjunge. Er lutschte am Ohr seines Teddybären und sah ängstlich hinaus in die Dunkelheit – hinaus auf etwas, das er nicht verstand.