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»Und, wie lief’s?«, fragte Tiff und nahm dankbar das kühle Bier in Empfang, das Marina ihr reichte. Sie war heute den ersten Tag wieder in der Schule gewesen.

Marina setzte sich zu ihrer Cousine auf die Gartenbank. »Ganz gut. Die Kinder waren natürlich neugierig, und ein paar jüngere haben auch Fragen gestellt. Aber die neuen waren ohnehin noch zu schüchtern.« Marina lächelte. »Und vorwitzige Kinder sind mir allemal lieber als aufdringliche Kollegen.«

»Ich bin froh, dass du dir das Unterrichten wieder zutraust …« Tiff trank einen Schluck Bier. »Hast du auch noch mal drüber nachgedacht, wieder in der Wachstation anzufangen?«

»Das ist viel komplizierter.«

»Warum denn?«

Marina seufzte. »Weil ich mich wie eine Betrügerin fühle. Es kommt mir vor, als hätte ich die Leute hintergangen.«

»Aber um Himmels willen, wie kommst du denn auf so was?«, rief Tiff entsetzt aus.

»Weil die Wachstation – und das ganze Wave-Watchers-Projekt – auf einer furchtbaren Lüge aufgebaut ist. All die Mühe und Kraft, die ich in das Projekt gesteckt habe … die Leute haben sich mitreißen lassen und hatten Mitleid, und ich habe davon profitiert. Meinetwegen haben diese Menschen Geld und Zeit geopfert, damit die Station wieder eröffnet werden konnte, während in Wahrheit …« Marina schaute verzweifelt zum Himmel hoch. »Diese Gedenktafel an der Wand. Allein bei der Vorstellung, die zu sehen, wird mir übel.«

»Jetzt hör mir bitte mal gut zu«, sagte Tiff streng. »Du hast geglaubt, dass Nate tot ist. Deine Gefühle waren vollkommen aufrichtig, und niemand wird das anzweifeln. Außerdem haben sich all die Leute doch nicht nur wegen dir und Nate engagiert, sondern für das Wohl der Gemeinschaft. Die Wachstation ist dazu da, um Leben zu retten, und das hat sie auch schon wiederholt getan. Lass jetzt bloß nicht zu, dass Nate dir auch noch dieses großartige Projekt wegnimmt, nachdem er ohnehin schon so viel kaputt gemacht hat.«

Marina war ergriffen von Tiffs leidenschaftlicher Rede, fühlte sich aber trotzdem nicht besser.

»Du hast natürlich recht. Aber ich kann gerade nichts an meinen Gefühlen ändern«, erwiderte sie. »Es kommt mir vor, als sei plötzlich alles infrage gestellt: mein Glauben an die Liebe, mein Leben hier in der Dorfgemeinschaft, ganz zu schweigen von meinem Selbstvertrauen. Und ich weiß wirklich nicht, ob es ein Zurück gibt.«