DIE GEDICHTE DER DEUTSCHEN ROMANTIK

JOHANN PETER HEBEL

Sonntagsfrühe

Hochdeutsch

Der Samstag hub zum Sonntag an:

„Jetzt ruhn sie alle, Nachbarsmann!

Sie sind vom Schaffen her und hin

Gar weidlich müd an Seel und Sinn;

Mir selbst will’s bald nicht besser gehn,

Kann kaum noch auf den Beinen stehn.“

Er spricht’s, und von der Mitternacht

Wird er nun auch ins Bett gebracht.

Der Sonntag spricht: „Jetzt ist’s an mir!“

Gar heimlich schließt er seine Tür.

Schlaftrunken noch und gar gemach

Schwankt er den Sternlein hintennach.

Doch jetzt reibt er die Augen aus

Und kommt der Sonn an Tür und Haus;

Sie schläft im stillen Kämmerlein.

Er klopft und pocht ans Fensterlein

Und ruft ihr zu: „‘s ist an der Zeit!“

Die Sonne sagt: „Bin auch bereit.“

Und leise auf den Zehen geht

Und heiter auf den Bergen steht

Der Sonntag. Und das Tal entlang

Schläft alles noch; mit stillem Gang

Tritt er ins Dorf hinein und spricht

Zum Hahne: „Du, verrat mich nicht!“

Wenn alles endlich ist erwacht,

Geschlafen hat die ganze Nacht,

So steht er da im Sonnenschein,

Guckt zu den Fenstern uns herein

Mit seinen Augen, mild und gut,

Und mit dem Sträußchen auf dem Hut.

Drum meint er’s treu, und was ich sag,

Es freut ihn, wenn man schlafen mag

Und meint, es sei noch dunkle Nacht,

Wann längst die Sonn am Himmel lacht.

Drum kam er auch so leis heran

Und sieht so lieblich jetzt uns an.

Wie glitzert rings auf Gras und Laub

Vom Morgentau der Silberstaub!

Wie weht so frische Maienluft

Voll Kirschenblüt und Schlehenduft!

Und’s Bienlein sammelt ohne Frist;

Es weiß nicht, daß es Sonntag ist.

Wie prangt nicht in dem Gartenland

Der Kirschenbaum im Maigewand!

Und blaue Veilchen, Tulipan’

Und Sternenblümchen nebendran

Und Hyazinthen, daß man traun

Meint, in das Paradies zu schaun!

Und’s ist so still und heimt uns so,

Man ist so ruhig und so froh.

Man hört im Dorf kein Hüst und Hott;

Nur Guten Tag! und Dank Euch Gott!

Und Gott sei Lob! ein schöner Tag!

Ist alles, was man hören mag.

Und’s Vöglein sagt:„Ei freilich ja!

Potztausend, ja, er ist schon da!

Er dringt mit seinem Himmelsstrahl

Durch Blüt und Laub in Berg und Tal!“

Und’s Distelfinkchen vornean

Hat’s Sonntagsröckchen angetan.

Wie? Läuten sie nicht da schon ein?

Der Pfarrer muß heut eilig sein.

Geh, brich ein paar Aurikeln ab;

Doch wisch mir ja den Staub nicht ab;

Und prangst Du, Gundel, in dem Staat,

Halt ich ein Sträußchen dir parat!

JENS PETER BAGGESEN

An Lilia

Was ich Göttliches fand

In hellen begeisterten Stunden –

Was schön ich gedacht, und empfunden,

Mit sorgsamer Hand

Erlas ich; und pflanzt’ es, mit heiligem Streben

Nach himmlischen Blumen, in’s endliche Leben.

Und es hub sich empor,

Wie Blümchen umher auf der Heiden,

Von tönenden Freuden und Leiden

Ein lieblicher Flor.

Da trat aus der Fern’ ein geharnischter Riese

Mit blutigem Fuß auf die singende Wiese.

Und der Rohe zertrat

(Ich fühle mit zuckenden Schmerzen

Der Lieder Ermordung im Herzen)

Die keimende Saat.

Ach! alle die Blumen im holden Entstehen,

Ich sah sie für immer, so wähnt’ ich, vergehen.

Eine Lilie stand

Dicht neben mir, ohne zu beben –

Wie starrte mein innerstes Leben,

Als diese verschwand!

Es welkte der Flor, es verstummten die Lieder –

Ich sank in der Mitte der Sterbenden nieder.

Doch es schwebte herab

Vom Himmel ein goldener Knabe,

Und nahte mit silbernem Stabe

Dem blumigen Grab;

Und blickte mit Seufzen, und blickte mit Weinen

Auf alle die Stengel der sterbenden Kleinen.

Und es rührte sich leis’

In jedem bethräneten Stengel –

Da schlug um sie alle der Engel

Den segnenden Kreis;

Und blickte mit Lächeln voll himmlischer Güte

Auf jede nun wieder sich hebende Blüthe.

Und es regte sich tief

Im Busen der Kleinen so wonnig,

So selig, so süß, und so sonnig,

Die Seele, die schlief;

Und hold in der Kelch’ und der Stengelchen Beben

Erwachte der Duftenden tönendes Leben.

Mit dem Lilienstab

Berührte sie leise der Engel –

Da lösten vom zitternden Stengel

Die Blumen sich ab;

Und flogen hinauf in ätherische Lüfte,

Darbringend dem holden Erlöser die Düfte.

Wer den Riesen gekannt,

Der jegliche Blüthe zerstöret,

Dem jetzo die Heide gehöret,

Dem ist er genannt.

Das goldene Kind mit dem silbernen Stengel,

Du, himmlische Lilia, du warst der Engel!

An Romantica

Sonett

Es flossen Blitz’ aus jedem Edelsteine;

Mondstrahlen träufelten aus allem Golde;

Es weinte Liebesfunken jede Holde;

Rings dampften alle Berge Glut vom Weine;

Die Fluten alle loderten – nicht eine

Der Flammen, die da stehn in Lichtes Solde,

Vom Glanz der Sterne, bis zum Schein der Dolde,

Blieb übrig – jede Blüthe ward die deine.

Geathmet all’ in einem einz’gen Kusse,

Sich selbst in neuer Strahlung zu gebähren,

Verschlang sie dein jungfräulich keusches Dunkel.

So that dein Schoos, durchbohrt vom Himmel, Buße;

Und die Empfängniß selig zu bewähren,

Gebahrst du den schwarzleuchtenden Karfunkel.

DOROTHEA SCHLEGEL

»Draußen so heller Sonnenschein,

Alter Mann, laß mich hinaus!

Ich kann jetzt nicht geduldig sein,

Lernen und bleiben zu Haus.

Mit lustigem Trompetenklang

Ziehet die Reuterschar dort,

Mir ist im Zimmer hier so bang,

Alter Mann, laß mich doch fort!«

Er bleibt ungerührt,

Er hört mich nicht:

»Erlaubt wird, was dir gebührt,

Tust du erst deine Pflicht!«

Pflicht ist des Alten streng Gebot;

Ach, armes Kind! du kennst sie nicht,

Du fühlst nur ungerechte Not,

Und Tränen netzen dein Gesicht.

Wenn es dann längst vorüber ist,

Wonach du trugst Verlangen,

Dann gönnt man dir zu spät die Frist,

Wenn Klang und Schein vergangen!

Was du gewähnt,

Wonach dich gesehnt,

Das findest du nicht:

Doch bleibt betränt

Noch lang dein Gesicht.

[1802]

Mein Lied, was kann es Neues euch verkünden?

Und welche Weisheit, Freunde, fordert ihr?

Der Hohen meine Jugend zu verbünden,

Dies, wie ihr wißt, gelang noch niemals mir.

Noch Neu, noch Alt wußt’ ich je zu ergründen;

Das Schicksal gönn’ im Alter Weisheit mir.

Wir irren alle, denn wir müssen irren,

Gelassen mag die Zeit den Knäul entwirren.

Der Waldstrom braust im tiefen Felsengrund,

Gar schroffe Klippen führen drüber hin,

Die furchtbar hängen über’m finstern Schlund;

Wer strauchelt, dem ist sichrer Tod Gewinn!

Ein Müder wankt an Geist und Gliedern wund

Daher, schaut bang hinab, kalt graust der Sinn:

Am Felsen spielt ein Kind, sorglos bemühet

Ein Blümchen pflückend, das am Abgrund blühet.

Oft mühten sinnreich Dichter sich und Weise,

Das Leben mit dem Leben zu vergleichen.

Am glücklichsten geschah’s im Bild der Reise!

Ein Tor eröffnet Armen sich, wie Reichen;

Früh ausgewandert auf gewohntem Gleise

Sieht er die Dämmrung kaum dem Licht entweichen,

So treibt der Wahn, ihm dürf’s allein gelingen,

Rastlos in nie erreichte Fern’ zu dringen.

Es türmen Felsen sich in seinen Wegen,

Des Mittags Strahlen glühn auf seinem Haupt,

In Wüsten Sands muß sich der Fuß bewegen,

Ein Ungewitter naht, der Sturmwind schnaubt,

Wo kommt ein sichres Dach dem Blick entgegen?

Es seufzt nach Ruh’, wem stolzer Mut geraubt;

In später Nacht, doch tausendfält’ger Not

Kömmt er ans Ziel – und dieses ist – der Tod!

Der Jüngling tritt, von Ahndung fortgezogen,

Zur Schwelle hin, die in das Leben führt.

An seiner Schulter tönt der goldne Bogen

Der Göttin, so die Welt ihm hold verziert,

Der Phantasie, die ihn auf kühnen Wogen

Sanft fortreißt, ihn mit bunten Bildern rührt.

Wenn er dann so nach schönen Träumen hascht,

Wird unbewußt vom Glück er überrascht.

Gebt acht, gebt acht, Gelegenheit ist flüchtig,

Nicht leicht ihr Stirnenhaar im Flug zu fassen.

Obgleich zu nützen sie ein jeder tüchtig,

Dem’s klug gelang, sie nicht entfliehn zu lassen,

So ist dem Würdigen sie nie so wichtig,

Daß er von ihr sich mag bestimmen lassen.

Doch was hilft Mut, was mächtiges Bestreben

Dem Schiff, das tollen Stürmen preisgegeben?

So mancher hat gefunden, was zu suchen

Er gleichwohl nicht verstand, was zu gewinnen

Vergebens er, und mühvoll wird versuchen;

Mißlingen droht dem treulichsten Beginnen.

Wie viele hört man dann ihr Los verfluchen

Und klagen: »Glück! o mußtest du zerrinnen?«

Was traut ihr müßig auf des Glückes Gunst?

Natur sei Vorbild, Leben eine Kunst!

Wer hebt des Künstlers Mut in Kampf und Leiden

Als ferne Ahndung hoher heil’ger Liebe?

Was lehrt ihn schellenlaute Torheit meiden

Als eignes Glück der süßen zarten Liebe?

Wo ist ein Port für Hohn und böses Neiden,

Als in den Armen frommer, treuer Liebe?

Und wird des Helden Stirn in Myrtenkränzen

Der Nachwelt schöner nicht, als Lorbeer glänzen?

[1802]

AUGUST WILHELM SCHLEGEL

Die Sylbenmaaße

1. Der Hexameter

Gleichwie sich dem, der die See durchschifft, auf offener

Meerhöh

Rings Horizont ausdehnt, und der Ausblick nirgend

umschränkt ist,

Daß der umwölbende Himmel die Schaar zahlloser

Gestirne,

Bei still athmender Luft, abspiegelt in blaulicher Tiefe:

So auch trägt das Gemüth der Hexameter; ruhig

umfassend

Nimmt er des Epos Olymp, das gewaltige Bild, in den

Schooß auf

Rhythmischer Fluth, urväterlich so den Geschlechten der

Rhythmen,

Wie vom Okeanos quellend, dem weit hinströmenden

Herrscher,

Alle Gewässer auf Erden entrieseln oder entbrausen.

Wie oft Seefahrt kaum vorrückt, mühvolleres Rudern

Fortarbeitet das Schiff, dann plötzlich der Wog’

Abgründe

Sturm aufwühlt, und den Kiel in den Wallungen schaukelnd

dahinreißt.

So kann ernst bald ruhn, bald flüchtiger wieder enteilen,

Bald, o wie kühn in dem Schwung! der Hexameter, immer

sich selbst gleich,

Ob er zum Kampf des heroischen Lieds unermüdlich sich

gürtet,

Oder, der Weisheit voll, Lehrsprüche den Hörenden

einprägt,

Oder geselliger Hirten Idyllien lieblich umflüstert.

Heil dir, Pfleger Homers! ehrwürdiger Mund der Orakel!

Dein will ferner gedenken ich noch, und andern

Gesanges.

2. Die Elegie

Als der Hexameter einst in unendlichen Räumen des Epos

Ernst hinwandelnd, umsonst innigen Liebesverein

Suchte, da schuf aus eignem Geblüt ihm ein weibliches

Abbild

Pentametrea, und ward selber, Apoll, Paranymph

Ihres unsterblichen Bundes. Ihr sanft anschmiegend

Umarmen

Brachte dem Heldengemahl, spielender Genienschaar

Ähnlich, so manch anmuthiges Kind, elegeische Lieder.

Er sah lächelnd darin sein Maeonidengeschlecht.

So, freiwillig beschränkt, nachläßigen Gangs, in der

Rhythmen

Wellenverschlingungen, voll lieblicher Disharmonie,

Welche, sich halb auflösend, von neuem das Ohr dann

fesselnd,

Sinnigen Zwist ausgleicht, bildeten dich, Elegie,

Viel der Hellenischen Männer und mancher in Latium,

jedes

Liebebewegten Gemüths linde Bewältigerin.

3. Der Jambe

Wie rasche Pfeile sandte mich Archilochos

Vermischt mit fremden Versen, doch im reinsten Maaß,

Im Rhythmenwechsel meldend seines Muthes Sturm.

Hoch trat und fest auf, dein Kothurngang, Aeschylos;

Großart’gen Nachdruck schafften Doppellängen mir,

Samt angeschwellten Wörterpomps Erhöhungen.

Fröhlicheren Festtanz lehrte drauf Aristophanes,

Labyrinthischeren: die verlarvte Schaar anführend ihm,

Hingaukl’ ich zierlich in der beflügelten Füßchen Eil.

4. Der Choliambe oder Skazon

Der Choliambe scheint ein Vers für Kunstrichter,

Die immerfort mit sprechen, ob’s gleich schlecht fort will,

Und eins nur wissen sollten, daß sie nichts wissen:

Wo die Kritik hinkt, muß ja auch der Vers lahm seyn.

Wer sein Gemüth labt am Gesang der Nachteulen,

Und wenn die Nachtigall beginnt, das Ohr zustopft,

Dem sollte man’s mit scharfer Dissonanz abhaun.

Todten-Opfer

I. Sinnesänderung

Was plötzlich abgebrochen,

War dennoch ausgesprochen

Dem ordnenden Gefühl:

Ein Lied war mir die Jugend,

Der Fall der Heldentugend

Ein göttlich Trauerspiel.

Doch bald ist mir zerronnen

Der Muth, so dies begonnen,

Die G’nügsamkeit in Dunst.

Gefesselt vom Verhängniß

Im irdischen Gefängniß:

Was hilft mir weise Kunst?

Die Rose, kaum entfaltet,

Doch süßer mir gestaltet

Als aller Schmuck der Welt,

Die hat ein Wurm gestochen,

Die hat der Tod gebrochen,

Die hat der Sturm gefällt.

Nun schau’ ich zu den Sternen,

Zu jenen ew’gen Fernen,

Wie tief aus öder Kluft;

Und, ihre blauen Augen

Dem Himmel zu entsaugen,

Küss’ ich die leere Luft.

O, werde mein Orakel,

Du, die du ohne Makel

Der falschen Welt entflohst!

Sieh mich in meiner Demuth

Und hauch’ in meine Wehmuth

Der zarten Liebe Trost.

Wenn dort die Ros’ erblühte,

So sey die heil’ge Güte

Endlos gebenedeyt.

Zwar sehnlich werd’ ich schmachten,

Doch nicht vermessen trachten

Aus dieser Sterblichkeit.

Wo ich mich wiederfinde

Bey meinem süßen Kinde,

Muß Heil seyn, Wonn’ und Licht.

Sie wird, wenn meiner Zungen

Der Klage Laut verklungen,

Mein himmlisches Gedicht.

Den strahlenden Karfunkel

Nahm ich in grausem Dunkel

Der Schlange Tod vom Haupt.

Ich will ihn bey mir tragen,

In allen Lebenstagen

Wird er mir nie geraubt.

II. Auf der Reise

Von ferne kommt zu mir die trübe Kunde.

Es trennt mich ein Gebirg mit Wald und Klüften,

Blau dämmernd in des Horizontes Düften,

Von dort, wo ich erlitt die Todeswunde.

Da mach’ ich auf die Wandrung mich zur Stunde:

Wo Bäche stürzend rauschen in den Schlüften,

Wo Felsen sich gewölbt zu dunkeln Grüften,

Da ist der Pfad mit meinem Sinn im Bunde.

Hier reiste jüngst hindurch, die ich betraure,

Nicht achtend auf des schroffen Wegs Beschwerde;

Zur heitern Landschaft südlich hingezogen.

Mai wars, nun heißt es Sommer, und ich schaure

Von kaltem Sturm; ihr ward zum Grab die Erde:

Der Lenz hat Allen, Jugend ihr gelogen.

III. Der Gesundbrunnen

Der Himmel lacht, es wehen warme Lüfte,

Die Gauen blühn ringsum mit Wein und Korne.

Hier schirmen Hügel vor des Nordwinds Zorne

Ein kleines Thal voll frischer Wiesendüfte.

Und es ergießt der Schooß der kühlen Klüfte

Heilsamen Trank in ewig regem Borne.

Da fällt mich die unheimliche, verworrne

Vorahndung an: hier sind auch Todtengrüfte.

Kannst du dich so, Natur, mit Mord besudeln?

Wie, oder war dir jede Kraft und Tugend

Vom unerbittlichsten Gestirn gebunden?

Ja, hier, wo selbst die Quellen Leben sprudeln,

Hat, in der Rosenfülle froher Jugend,

Mein süßes Leben seinen Tod gefunden.

IV. Der erste Besuch am Grabe

Schon Wochen sind es, seit sie hier versenket

Den süßen Leib, von aller Huld umflossen,

Der das geliebte Wesen eingeschlossen,

Zu dem umsonst mein Sehnen nun sich lenket.

Welk ist der Kranz, dem Grabe frisch geschenket,

Und nicht ein Halm dem Hügel noch entsprossen;

Die Sonne zielt mit glühenden Geschossen,

Noch Thau noch Regen hat den Staub getränket.

Auch werd’ ich dazu nicht des Himmels brauchen.

Kehr dich nur weg, fühlloses Weltenauge!

Ihr Wolken mögt euch anderswo ergießen.

Nur meine Thränen, heil’ger Boden, sauge!

Bei warmem Liebesblick und kühlem Hauchen

Der Seufzer sollen Wunderblumen sprießen.

V. Geliebte Spuren

Dich sollt’ ich hassen, und ich muß dich lieben,

Ort! der mein Kleinod geizig wollte haben,

Nicht um sich sein zu freun, es zu vergraben;

Selbst reicher nicht, indeß ich arm geblieben.

Hier sind noch ihre Spuren eingeschrieben:

Auf diesen Wiesen saß sie; Schatten gaben

Ihr Busch und Baum, und Früchte, sie zu laben;

Die Blumenlust ließ Au und Feld sie üben.

Hier sang sie noch dem Echo muntre Lieder;

Jungfräulich wandelnd im Cyanenkranze

Ließ sie das goldne Haar anmuthig flattern.

Bald aber sank sie, ach! entseelt danieder,

Wie den Gespielen weggerafft im Tanze

Eurydice vom Stiche falscher Nattern.

VI. Das Schwanenlied

Oft, wenn sich ihre reine Stimm’ erschwungen,

Schüchtern und kühn, und Saiten drein gerauschet,

Hab’ ich das unbewußte Herz belauschet,

Das aus der Brust melodisch vorgedrungen.

Vom Becher, den die Wellen eingeschlungen,

Als aus dem Pfand, das Lieb’ und Treu getauschet,

Der alte König sterbend sich berauschet,

Das war das letzte Lied, so sie gesungen.

Wohl ziemt sichs, daß der Lebensmüde Zecher,

Wenn dunkle Fluten still sein Ufer küssen,

In ihren Schooß dahingiebt all sein Sehnen.

Uns ward aus liebevoller Hand gerissen,

Schlank, golden, süßgefüllt, bekränzt, der Becher;

Und uns zu Füßen braust ein Meer von Thränen.

VII. Die himmlische Mutter

Der Himmel, sagt man, kann Gewalt erleiden.

O drängen meiner Blicke Liebespfeile

Die Wolken durch, daß ich an deinem Heile,

Geliebtes Kind, mein Herz doch möchte weiden!

Du mußtest von der treuen Mutter scheiden:

Ward eine Mutter droben dir zu Theile?

Wer sagt dir Tröstung, die dein Mitleid heile,

Wenn du so fern herabschaust auf uns beyden?

Ein heil’ges Wort hat Botschaft ja gesendet,

Dort walt’ ein weiblich Bild der Muttertriebe,

Das Herz der Welt, in ewigem Umarmen.

O, wenn von ernster Glorie Strahl geblendet,

Die zarte Seele flieht zum Schooß der Liebe:

Birg du, Maria, sie in deinen Armen!

VIII. An Novalis

Ich klage nicht vor dir: du kennst die Trauer;

Du weißt wie an des Scheiterhaufens Flammen

Die Liebe glüh’nder ihre Fackel zündet.

Der Freuden Tempel stürzt’ auch dir zusammen,

Es hauchten kalt herein des Todes Schauer,

Wo Reiz und Huld ein Brautgemach gegründet.

Drum sey mit mir verbündet,

Geliebter Freund, das Himmlische zu suchen,

Auf daß ich lerne, durch Gebet und Glauben

Dem Tod sein Opfer rauben,

Und nicht dem tauben Schicksal möge fluchen,

Deß Zorn den Kelch des Lebens mir verbittert,

Daß mein Gebein vor solchem Tranke zittert.

Du schienest, losgerissen von der Erde,

Mit leichten Geistertritten schon zu wandeln,

Und ohne Tod der Sterblichkeit genesen.

Du riefst hervor in dir durch geistig Handeln,

Wie Zauberer durch Zeichen und Geberde,

Zum Herzvereine das entschwundne Wesen.

Laß mich denn jetzo lesen,

Was deiner Brust die Himmel anvertrauen;

Das heil’ge Drüben zwar entweihen Worte,

Ließ’ auch die ew’ge Pforte

Noch wen zurück, er schwiege: laß nur schauen

Mein Aug’ in deinem, wenn ich bang erbleiche,

Den Wiederschein der sel’gen Geisterreiche.

Es ruft uns mit lebendigem Geräusche

Des Tages Licht zu irdischen Geschäften,

Ihr leiblich Theil verleihend den Naturen.

Die Sonne will auf sich den Blick nur heften,

Und duldet, daß sie allgebietend täusche,

Kein Jenseits an den himmlischen Azuren.

Doch wenn die stillen Fluren

Scheinbar die Nacht mit ihrer Hüll’ umdunkelt,

Dann öffnet sich der Räum’ und Zeiten Ferne;

Da winken so die Sterne,

Daß unserm Geist ein innres Licht entfunkelt.

Bey Nacht ward die Unsterblichkeit ersonnen,

Denn sehend blind sind wir im Licht der Sonnen.

Bey Nacht auch überschreiten kühne Träume

Die Kluft, die von den Abgeschiednen trennet,

Und führen sie herbey, mit uns zu kosen:

Wir staunen nicht, wenn ihre Stimm’ uns nennet,

Sie ruhn mit uns im Schatten grüner Bäume,

Derweil sich ihre Grüfte schon bemoosen.

Ach die erblichnen Rosen

Auf dem jungfräulich zarten Angesichte,

Das selbst der Tod, gleich nach der That versöhnet,

Entstellt nicht, nein, verschönet,

Erblühn mir oft im nächtlichen Gesichte,

Daß meine Brust ganz an dem Bilde hänget,

Wovon des Tags Gewühl sie weggedränget.

So ist mir jüngst das theure Kind erschienen,

Wie auferstanden aus der Ohnmacht Schlummer,

Eh noch das dumpfe Grab sie überkommen.

Uns Traurenden verscheuchte sie den Kummer,

Und waltete mit ihren süßen Mienen,

Als wäre sie der Heimath nie entnommen.

Doch heimlich und beklommen

Schlich sich der Zweifel ein in unsre Seelen:

Ob sie, uns angehörig, wahrhaft lebte?

Ob sie als Geist nur schwebte,

Den herben Tod uns freundlich zu verhehlen?

Und keiner wagte sie darum zu fragen,

Um nicht den holden Schatten zu verjagen.

Mir hat sich Traum und Wachen so verworren,

Und Grab und Jugend, daß ich schwankend zaudre

Nach irgend einem Lebensgut zu greifen.

Vor allen Blüthen steh’ ich fern und schaudre,

Als würden sie von einem Hauch verdorren,

Und nie zu labungsvollen Früchten reifen.

So muß ich unstät schweifen,

Aus meiner Liebe Paradies vertrieben,

Bis ich gelernt vom Ird’schen mich entkleiden,

Und an dem Troste weiden,

Daß diese Ding’ in leeren Schein zerstieben;

Und nur die drinnen wohnenden Gedanken

Sich ewiglich entfalten, ohne Wanken.

Geh hin, o Lied! und sage:

Du jugendlicher Himmelspäher, labe

Mit deiner Weihe den, der mich gesungen,

Daß er, emporgeschwungen

Zum Ziel des Sehnens, nicht versink’ am Grabe.

Ich bring’ ein Opfer für zwey theure Schatten,

Laß uns denn Lieb’ und Leid und Klage gatten.

IX. An denselben

Du Theurer, dem ich dieses Lied gesendet,

Muß ich dich selbst schon suchen bey den Todten?

Zur Todtenfeyer hab’ ich dich entboten:

Nun werd’ ein Todtenopfer dir gespendet.

Wer sich zu ferner Lieben Heimath wendet,

Dem wird gar mancher zarte Gruß geboten;

So find’ in dir mein Sehnen einen Boten,

Wenn je mein Herz dir liebend sich verpfändet.

Sag’ ihr: – doch in der Sprache jener Sphären

Verstummt der Laut des Schmerzes, den ich meyne,

Und diese Trauer läßt sich dort nicht nennen.

O könntest du den Perlenschmuck der Zähren

Ihr bringen, die ich ihr und dir nun weine!

Für wen sie fließen, weiß ich nicht zu trennen.

Variationen

Thema

Liebe denkt in süßen Tönen,

Denn Gedanken stehn zu fern,

Nur in Tönen mag sie gern

Alles, was sie will, verschönen.

I

Blumen, ihr seyd stille Zeichen,

Die aus grünem Boden sprießen,

Düfte in die Lüfte gießen

So das Herz zur Lieb’ erweichen.

Dennoch mögt ihr nicht erreichen

So das Herz, den Schmerz versöhnen,

Enden alles Leid und Stöhnen,

Daß ihr könntet als Gedanken

In den grünen Blättern schwanken:

Liebe denkt in süßen Tönen.

Wollt’ ich meine Liebe sprechen,

Ach! als Boten meiner Klagen

Sollte meine Hand nicht wagen

Bunte Blumen abzubrechen.

Still lass’ ich die Dornen stechen,

Wag’ die süßen Schmerzen gern,

Denn mir scheint kein günst’ger Stern,

Drum will ich nicht Worte hauchen,

Mag auch nicht Gedanken brauchen,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Blumen, Worte und Gedanken.

Manche Sehnsucht mögt ihr stillen,

Manchen holden Wunsch erfüllen,

Manches Herz mag wohl euch danken.

Träume, süß, wie mich umwanken,

Denen bleibt ihr ewig fern;

Sie regiert ein andrer Stern.

Selbst der Purpurglanz der Rosen

Ist zu matt der Liebe: kosen

Nur in Tönen mag sie gern.

Hätt’ ich zarte Melodien

Sie als Boten wegzusenden,

Würde bald mein Leid sich enden,

Und mir alle Freude blühn.

Holde Liebe zu mir ziehn

Würd’ ich dann mit süßen Tönen,

Meinen Bund auf ewig krönen:

Denn mit himmlischen Gesängen

Kann Musik in goldnen Klängen

Alles, was sie will, verschönen.

[Sophie Bernhardi-Tieck]

II

Worte sind nur dumpfe Zeichen

Die Gemüter zu entziffern;

Und mit Zügen, Linien, Ziffern

Mag man Wissenschaft erreichen.

Doch aus den äther’schen Reichen

Läßt ein Bild des ew’gen Schönen

Nieder zu der Erde Söhnen

Nur in Licht und Ton sich schicken:

Liebe spricht in hellen Blicken,

Liebe denkt in süßen Tönen.

Liebe stammt vom Himmel oben,

Und so lehrte sie der Meister,

Welchen seine hohen Geister

In derselben Sprache loben,

Denn beseelt sind jene Globen.

Strahlend redet Stern mit Stern,

Und vernimmt den andern gern,

Wenn die Sphären rein erklingen.

Ihre Wonn ist Schaun und Singen,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Stumme Zungen taube Ohren,

Die des Wohllauts Zauber fliehn,

Wachen auf zu Harmonien,

Wenn sie Liebe neu geboren.

Memnons Säule, von Auroren

Angeschienen leis und fern,

Haucht so aus dem starren Kern

Ihre Sehnsucht aus in Liedern,

Und der Mutter Gruß erwiedern

Nur in Tönen mag sie gern.

Musik ist die Kunst der Liebe,

In der tiefsten Seel’ empfangen

Aus entflammenden Verlangen

Mit der Demuth heil’gem Triebe.

Daß die Liebe selbst sie liebe,

Zorn und Haß sich ihr versöhnen,

Mag sie nicht in raschen Tönen

Bloß um Lust und Jugendscherzen

Sie kann Trauer, Tod und Schmerzen,

Alles, was sie will, verschönen.

III

Laß dich mit gelinden Schlägen

Rühren meine zarte Laute!

Da die Nacht hernieder thaute,

Müssen wir Gelispel pflegen.

Wie sich deine Töne regen,

Wie sie athmen, klagen stöhnen,

Wallt das Herz zu meiner Schönen,

Bringt ihr aus der Seele Tiefen

Alle Schmerzen, welche schliefen.

Liebe denkt in süßen Tönen.

Zu dem friedlichen Gemach,

Wo sie ruht in Blumendüften,

Laß noch in den kühlen Lüften

Tönen unser schmelzend Ach.

Halb entschlummert, halb noch wach

Angeblickt vom Abendstern

Liegt sie, und vernimmt wohl gern

In den leisen Harmonieen

Träume, Bilder, Phantasieen,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Inn’ger, liebe Saiten, bebet!

Lockt hervor den Wiederhall!

Weckt das Lied der Nachtigall,

Und wetteifernd mit ihr strebet!

Doch wenn sie die Stimm’ erhebet,

Dann erkennet euren Herrn,

Lauscht demüthig und von fern.

Horch! schon singt der holde Mund,

Denn verrathen unsern Bund

Nur in Tönen mag sie gern.

Nun noch einmal, gute Nacht!

Und an deinem Lager säume

Nur der zärtlichste der Träume

Bis der Morgen wieder lacht.

Dann geh’ auf in stiller Pracht,

Wie der Tag den Erdensöhnen,

Meine Hoffnungen zu krönen.

Kann doch deine Blüthenjugend,

Unschuld, Anmuth, reine Tugend,

Alles, was sie will, verschönen.

IV

Hör’ ich durch die dunkeln Bäume

Nicht, wie sie sich rauschend neigen,

Wünsch’ aus treuem Busen steigen,

Die sich leise nahn, wie Träume?

Schwebt nicht durch die grünen Räume,

Was das Leben mag verschönen

Und mit aller Wonne krönen?

Fühl’ ich nicht, wie die Gedanken

Holder Liebe mich umwanken?

Liebe denkt in süßen Tönen.

Flieht, o Töne, flieht zurücke,

Wie ihr euch in Wipfeln schaukelt,

Schmeichlerisch mein Herz umgaukelt,

So ertrag’ ich nicht mein Glücke.

Trüget ihr doch meine Blicke

Wieder hin zu eurem Herrn,

Brauchtet euren Zauber gern,

Strömtet aus in süßen Klängen

Liebender Gefühle Drängen,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Wie die Tön’ in Lüften schweben,

Blumen zitternd, wankend Gras,

Ach, sie alle fühlen das,

Was mich zwingt vor Lust zu beben.

Worte, euer regstes Streben

Ist mir ohne Mark und Kern;

Bleibt, o bleibt mir jetzo fern!

Was uns kann in Wonne tauchen

Weiß die Lieb’, und es verhauchen

Nur in Tönen mag sie gern.

Rührt die Zweige dann, ihr Winde!

Singet, bunte Vögelein!

Rauschet, klare Bäche, drein!

Daß ich also Bothen finde.

Denn verklungen, ach! geschwinde

Sind die Lieder, von den Tönen

Muß sich nun mein Ohr entwöhnen.

Darum spielt mit zartem Triebe,

Dient der Lieb’, es kann die Liebe

Alles, was sie will, verschönen.

[Sophie Bernhardi-Tieck]

ZACHARIAS WERNER

Zwei Sonnette

1.

An mein Ideal

Was Schönes in der Kunst und in dem Leben,

Es offenbaret sich den holden Frauen,

Entschleiert können sie die Sonne schauen,

Dieweil sie selbst in ew’ger Klarheit schweben.

Doch – welcher Gott den Liebreiz hat gegeben,

Die schafft zu Eden um die Erdenauen,

Und ihre Blicke, wo sie niederthauen,

Wol können sie den Keim zur Frucht erheben –

Durch heil’ge Schönheit will sich Gott

verkünden,

Der in der Klarheit wohnt, und in der Güte,

Dem Volke, das den reinen Sinn verloren.

Luise! du, der hohen Frauen Blüte,

Du bist zur Weihe teutscher Kraft erkoren,

Im Schmerz ein Reich der Schönheit zu begründen!

2.

An die Teutschen

Kraft, Freiheit, Glauben! – habt ihr es

vernommen?

Sie sind nicht außer euch, noch in den Dingen.

Das Herrliche, es kann euch noch gelingen,

Doch kann es euch nur aus euch selber kommen.

Seht, eure Stützen sind euch fortgeschwommen,

Vergebens mit dem Strom der Zeit zu ringen,

Das Schicksal nicht, nur euch könnt ihr bezwingen,

Das ist das Ziel des Starken und des Frommen.

Ihr saht nur Theile stets und nur das Viele,

Gesammelt wart ihr nie zum Ganzen, Einen,

Drum ist gekommen, was ihr selbst verschuldet.

Jetzt rettet euch zum einzigen Asile,

Flieht zur Idee, entflieht dem leeren Meinen,

Das Rechte thut und das Gerechte duldet.

ERNST MORITZ ARNDT

Abendlied

Der Tag ist nun vergangen,

Und dunkel schläft die Welt,

Die hellen Sterne prangen

Am blauen Himmelszelt;

Nur in den grünen Zweigen

Singt noch die Nachtigall,

Im weiten, tiefen Schweigen

Der einz’ge Lebensschall.

Ich aber, Vater, stehe

In meiner Hüttentür

Und schau hinauf zur Höhe

Und schau hinauf zu dir;

Wie gerne möcht ich klingen

Als helle Nachtigall,

Dir Preis und Dank zu bringen

Mit tiefem Schmerzenschall.

Ja, mit dem Schall der Schmerzen:

Denn geht die Nacht herauf,

So springt in meinem Herzen

Ein Quell der Tränen auf,

Der Tränen und der Klagen –

Du, Vater, weißt es best,

Was singen nicht und sagen,

Was sich nicht sprechen läßt.

Du kennest meinen Kummer,

Der auf gen Himmel blickt,

Wann für den süßen Schlummer

Die ganze Welt sich schickt,

Womit so schwer beladen

Mein Herz nach oben schaut,

Nach deinem Born der Gnaden,

Der Labsal niedertaut.

Ja, deine süße Liebe,

Die tröstet mir den Schmerz,

Ja, deine süße Liebe,

Die stillet mir das Herz,

Die löst in heißen Tränen

Das Eis des Busens auf

Und stellet Sinn und Sehnen

Zum hohen Sternenlauf.

O laß mich ewig schauen

Im stillen Kindersinn

Zu jenen güldnen Auen,

Woher ich kommen bin!

O richte Herz und Sinne,

Mein Vater, für und für

Zu deiner süßen Minne,

Zum Himmel hin, zu dir.

So mag ich froh mich legen

Nun mit der Welt zu Ruh,

Mein Amen und mein Segen,

Mein Wächter, das bist du;

So mag in deinem Frieden

Ich fröhlich schlafen ein,

Dort oben und hienieden

Im Schlaf und Wachen dein.

Klage um den kleinen Jakob

Wo ist der kleine Jakob geblieben?

Hatte die Kühe waldein getrieben,

Kam nimmer wieder.

Schwestern und Brüder

Gingen ihn suchen in’n Wald hinaus –

Kleiner Jakob! Kleiner Jakob! Komm zuhaus!

Wohin ist der kleine Jakob gegangen?

Es hat ihn ein Unterirdscher gefangen,

Muß unten wohnen,

Trägt goldne Kronen,

Gläserne Schuh, hat ein gläsern Haus –

Kleiner Jakob! Kleiner Jakob! Komm zuhaus!

Was macht der kleine Jakob da unten?

Streuet als Diener das Estrich mit bunten

Blumen und schenket

Wein ein und denket:

Wärest du wieder zum Wald hinaus!

Kleiner Jakob! Kleiner Jakob! Komm zuhaus!

So muß der kleine Jakob da wohnen,

Helfen ihm nichts seine güldenen Kronen,

Schuhe noch Kleider,

Weinet sich leider –

Ach! armer Jakob! – die Äuglein aus.

Kleiner Jakob! Kleiner Jakob! Komm zuhaus!

FRIEDRICH HÖLDERLIN

Abendphantasie

Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sizt

Der Pflüger; dem Genügsamen raucht sein Heerd.

Gastfreundlich tönt dem Wanderer im

Friedlichen Dorfe die Abendgloke.

Wohl kehren jezt die Schiffer zum Hafen auch,

In fernen Städten fröhlich verrauscht des Markts

Geschäfttger Lärm; in stiller Laube

Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.

Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen

Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh und Ruh

Ist alles freudig; warum schläft denn

Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?

Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;

Unzählig blühn die Rosen, und ruhig scheint

Die goldne Welt; o dorthin nehmt mich,

Purpurne Wolken! und möge droben

In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb und Laid! –

Doch, wie verscheucht von thörichter Bitte, flieht

Der Zauber; dunkel wirds, und einsam

Unter dem Himmel, wie immer, bin ich. –

Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt

Das Herz; doch endlich, Jugend, verglühst du ja,

Du ruhelose, träumerische!

Friedlich und heiter ist dann das Alter.

[1800]

Der Zeitgeist

Zu lang schon waltest über dem Haupte mir

Du in der dunkeln Wolke, du Gott der Zeit!

Zu wild, zu bang ist’s ringsum, und es

Trümmert und wankt ja, wohin ich blike.

Ach! wie ein Knabe seh ich zu Boden oft,

Such in der Höhle Rettung von dir, und möcht’,

Ich Blöder, eine Stelle finden,

Alleserschüttrer! wo du nicht wärest.

Lass endlich, Vater! offenen Augs mich dir

Begegnen! hast denn du nicht zuerst den Geist

Mit deinem Stral aus mir gewekt? mich

Herrlich ans Leben gebracht, o Vater! –

Wohl keimt aus jungen Reben uns heil’ge Kraft;

In milder Luft begegnet den Sterblichen,

Und wenn sie still im Haine wandeln,

Heiternd ein Gott; doch allmächtger wekst du

Die reine Seele Jünglingen auf, und lehrst

Die Alten weise Künste; der Schlimme nur

Wird schlimmer, dass er bälder ende,

Wenn du, Erschütterer! ihn ergreiffest.

[1800]

Menschenbeifall

Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,

Seit ich liebe? Warum achtet ihr mich mehr,

Da ich stolzer und wilder,

Wortereicher und leerer war?

Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplaz taugt,

Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;

An das Göttliche glauben

Die allein, die es selber sind.

[1800]

Heidelberg

Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,

Mutter nennen und dir schenken ein kunstlos Lied,

Du, der Vaterlandsstädte

Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,

Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,

Leicht und kräftig die Brüke,

Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt ein Zauber einst

Auf der Brüke mich an, da ich vorüber gieng,

Und herein in die Berge

Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,

Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu

schön,

Liebend unterzugehen,

In die Fluthen der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen

Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn

All ihm nach, und es bebte

Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Thal hieng die gigantische,

Schiksaalskundige Burg, nieder bis auf den Grund

Von den Wettern zerrissen;

Doch die ewige Sonne goss

Ihr verjüngendes Licht über das alternde

Riesenbild, und umher grünte lebendiger

Epheu; freundliche Wälder

Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Thal,

An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,

Deine fröhlichen Gassen

Unter duftenden Gärten ruhn.

[1801]

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm’ ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

[1805]

An die Hofnung

Zweite Fassung von Bitte

O Hofnung! holde! gütiggeschäftige!

Die du das Haus der Trauernden nicht verschmähst,

Und gerne dienend, Edle! zwischen

Sterblichen waltest und Himmelsmächten.

Wo bist du? wenig lebt’ ich. Doch athmet kalt

Mein Abend schon. Und stille, den Schatten gleich

Bin ich schon hier; und schon gesanglos

Schlummert das schaudernde Herz im Busen.

Im grünen Thale, dort, wo der frische Quell

Vom Berge täglich rauscht und die liebliche

Zeitlose mir am Herbsttag aufblüht,

Dort, in der Stille, du holde, will ich

Dich suchen, oder wenn in der Mitternacht

Das unsichtbare Leben im Haine wallt,

Und über mir die immerfrohen

Blumen, die blühenden Sterne, glänzen,

O du des Äthers Tochter! erscheine dann

Aus deines Vaters Gärten und darfst du nicht

Ein Geist der Erde, kommen, schrök’, o

Schröke mit anderem nur das Herz mir.

Blödigkeit

Dritte Fassung von Dichtermuth

Sind denn nicht dir bekannt viele Lebendigen?

Geht auf Wahrem dein Fuss nicht, wie auf Teppichen?

Drum, mein Genius! tritt nur

Baar ins Leben und sorge nicht!

Was geschiehet, es sei alles gelegen dir!

Sei zur Freude gereimt, oder was könnte denn

Dich beleidigen, Herz, was

Da begegnen, wohin du sollst?

Denn, seit Himmlischen gleich Menschen, ein einsam

Wild,

Und die Himmlischen selbst führet, der Einkehr zu,

Der Gesang und der Fürsten

Chor, nach Arten, so waren auch

Wir, die Zungen des Volks, gerne bei Lebenden,

Wo sich vieles gesellt, freudig und jedem gleich,

Jedem offen, so ist ja

Unser Vater, des Himmels Gott,

Der den denkenden Tag Armen und Reichen gönnt,

Der, zur Wende der Zeit, uns die Entschlafenden

Aufgerichtet an goldnen

Gängelbanden, wie Kinder, hält.

Gut auch sind und geschikt einem zu etwas wir,

Wenn wir kommen, mit Kunst, und von den

Himmlischen

Einen bringen. Doch selber

Bringen schikliche Hände wir.

Dankgedicht an die Lehrer

Und würdigte einst eurer Weissheit Wille,

Der Kirche Dienst auch uns zu weih’n,

Wer Brüder säumt, dass er die Schuld des Danks erfülle,

Die wir uns solcher Gnade freun?

Froh eilt der Wanderer, durch dunkle Wälder,

Durch Wüsten, die von Hitze glühn,

Erblickt er nur von fern des Lands beglükte Felder,

Wo Ruh’ und Friede blühn.

So können wir die frohe Bahn durcheilen,

Weil schon das hohe Ziel uns lacht,

Und der Bestimmung Sporn, ein Feind von trägem

Weilen.

Uns froh und emsig macht.

Ja, dieses Glück, das, grösste Mäcenaten,

Ihr schenkt, soll nie ein träger Sinn,

Bey uns verdunkeln, nein! verehren Fleis und Thaten,

Und Tugend immerhin.

Euch aber kröne Ruhm und hohe Ehre,

Die dem Verdienste stets gebührt,

Und jeder künfftge Tag erhöhe und vermehre,

Den Glanz, der euch schon ziert.

Und was ist wohl für euch die schönste Krone?

Der Kirche und des Staates Wohl,

Stets eurer Sorgen Ziel, Wohlan, der Himmel lohne

Euch stets mit ihrem Wohl.

Des Morgens

Vom Thaue glänzt der Rasen; beweglicher

Eilt schon die wache Quelle; die Birke neigt

Ihr schwankes Haupt, und im Geblätter

Rauscht es und schimmert; und um die grauen

Gewölke streifen röthliche Flammen dort,

Verkündende, sie wallen geräuschlos auf;

Wie Fluthen am Gestaade woogen

Höher und höher die Wandelbaren.

Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu schnell,

Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!

Denn offner fliegt, vertrauter dir mein

Auge, du Freudiger! zu, solang du

In deiner Schöne jugendlich blikst, und noch

Zu herrlich nicht, zu stolz mir geworden bist,

Du möchtest immer eilen, könnt ich,

Göttlicher Wandrer, mit dir! Doch lächelst

Des frohen Übermüthigen du, dass er

Dir gleichen möchte; seegne mir lieber denn

Mein sterblich Thun und heitre wieder,

Gütiger! heute den stillen Pfad mir!

Die Heimath

Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom,

Von Inseln fernher, wenn er geerndtet hat;

So käm’ auch ich zur Heimath, hätt’ ich

Güter so viele, wie Laid, geerndtet.

Ihr theuern Ufer, die mich erzogen einst,

Stillt ihr der Liebe Leiden, versprecht ihr mir,

Ihr Wälder meiner Jugend, wenn ich

Komme, die Ruhe noch einmal wieder?

Am kühlen Bache, wo ich der Wellen Spiel,

Am Strome, wo ich gleiten die Schiffe sah,

Dort bin ich bald; euch, traute Berge,

Die mich behüteten einst, der Heimath

Verehrte sichre Grenzen, der Mutter Haus

Und liebender Geschwister Umarmungen

Begrüss’ ich bald und ihr umschliesst mich,

Dass, wie in Banden, das Herz mir heile,

Ihr treugebliebnen! aber ich weiss, ich weiss,

Der Liebe Laid, diss heilet so bald mir nicht,

Diss singt kein Wiegensang, den tröstend

Sterbliche singen, mir aus dem Busen.

Denn sie, die uns das himmlische Feuer leihn,

Die Götter schenken heiliges Laid uns auch,

Drum bleibe diss. Ein Sohn der Erde

Schein’ ich; zu lieben gemacht, zu leiden.

Die Nacht

Seyd gegrüsst, ihr zufluchtsvolle Schatten,

Ihr Fluren, die ihr einsam um mich ruht;

Du stiller Mond, du hörst nicht, wie Verläumder lauren,

Mein Herz, entzükt von deinem Perlenglanz.

Aus der Welt, wo tolle Thoren spotten,

Um leere Schattenbilder sich bemühn,

Flieht der zu euch, der nicht das schimmernde Getümmel

Der eitlen Welt, nein! nur die Tugend liebt.

Nur bei dir empfindt auch hier die Seele;

Wie göttlich sie dereinst wird seyn,

Die Freude, deren falschem Schein so viel Altäre,

So viele Opfer hier gewiedmet sind.

Weit hinauf, weit über euch, ihr Sterne,

Geht sie entzükt mit heilgem Seraphsflug;

Sieht über euch herab mit göttlich heilgem Blike,

Auf ihre Erd, da wo sie schlummernd ruht …

Goldner Schlaf, nur dessen Herz zufrieden,

Wohlthätger Tugend wahre Freude kennt,

Nur der fühlt dich –. Hier stellst du dürfftig schwache

Arme

Die seine Hülfe suchen, vor ihn hin.

Schnell fühlt er des armen Bruders Leiden;

Der arme weint, er weinet auch mit ihm;

Schon Trost genug! Doch spricht er, gab Gott seine

Gaben

Nur mir? nein auch für andre lebe ich –.

Nicht von Stolz, noch Eitelkeit getrieben,

Kleidt er den nakten dann, und sättigt den,

Dem blasse Hungersnoth sein schwach Gerippe zählet;

Und himmlisch wird sein fühlend Herz entzükt.

So ruht er, allein des Lasters Sclaven

Quält des Gewissens bange Donnerstimm,

Und Todesangst wälzt sie auf ihren weichen Lagern,

Wo Wollust selber sich die Ruthe hält.

Lebensalter

Ihr Städte des Euphrats!

Ihr Gassen von Palmyra!

Ihr Säulenwälder in der Ebne der Wüste,

Was seid ihr?

Euch hat die Kronen,

Dieweil ihr über die Gränze

Der Othmenden seid gegangen,

Von Himmlischen der Rauchdampf und

Hinweg das Feuer genommen;

Jezt aber siz’ ich unter Wolken (deren

Ein jedes eine Ruh’ hat eigen), unter

Wohleingerichteten Eichen, auf

Der Heide des Rehs, und fremd

Erscheinen und gestorben mir

Der Seeligen Geister.

Sonnenuntergang

Wo bist du? trunken dämmert die Seele mir

Von aller deiner Wonne; denn eben ists,

Dass ich gelauscht, wie, goldner Töne

Voll, der entzükende Sonnenjüngling

Sein Abendlied auf himmlischer Leier spielt’;

Es tönten rings die Wälder und Hügel nach,

Doch fern ist er zu frommen Völkern,

Die ihn noch ehren, hinweggegangen

Stimme des Volks

Zweite Fassung

Du seiest Gottes Stimme, so glaubt’ ich sonst

In heilger Jugend; ja, und ich sag’ es noch!

Um unsre Weisheit unbekümmert

Rauschen die Ströme doch auch, und dennoch,

Wer liebt sie nicht? und immer bewegen sie

Das Herz mir, hör’ ich ferne die Schwindenden,

Die Ahnungsvollen meine Bahn nicht,

Aber gewisser ins Meer hin eilen.

Denn selbstvergessen, allzubereit den Wunsch

Der Götter zu erfüllen, ergreift zu gern,

Was sterblich ist, wenn offnen Augs auf

Eigenen Pfaden es einmal wandelt,

Ins All zurük die kürzeste Bahn; so stürzt

Der Strom hinab, er suchet die Ruh’, es reisst,

Es ziehet wider Willen ihn, von

Klippe zu Klippe, den Steuerlosen

Das wunderbare Sehnen dem Abgrund zu;

Das Ungebundne reizet und Völker auch

Ergreifft die Todeslust und kühne

Städte, nachdem sie versucht das Beste,

Von Jahr zu Jahr forttreibend das Werk, sie hat

Ein heilig Ende troffen; die Erde grünt

Und stille vor den Sternen liegt, den

Betenden gleich, in den Sand geworfen,

Freiwillig überwunden die lange Kunst

Vor jenen Unnachahmbaren da; er selbst,

Der Mensch, mit eigner Hand zerbrach, die

Hohen zu ehren, sein Werk, der Künstler.

Doch minder nicht sind jene den Menschen hold,

Sie lieben wieder so, wie geliebt sie sind,

Und hemmen öfters, dass er lang’ im

Lichte sich freue, die Bahn des Menschen.

Und, nicht des Adlers Jungen allein, sie wirft

Der Vater aus dem Neste, damit sie nicht

Zu lang ihm bleiben, uns auch treibt mit

Richtigem Stachel hinaus der Herrscher.

Wohl jenen, die zur Ruhe gegangen sind

Und vor der Zeit gefallen; auch die, auch die

Geopfert, gleich den Erstlingen der

Erndte, sie haben ein Theil gefunden.

Am Xanthos lag, in griechischer Zeit, die Stadt,

Jezt aber, gleich den grösseren, die dort ruhn,

Ist durch ein Schiksaal sie dem heilgen

Lichte des Tages hinweggekommen.

Sie kamen aber nicht in der offnen Schlacht

Durch eigne Hand um. Fürchterlich ist davon,

Was dort geschehn, die wunderbare

Sage von Osten zu uns gelanget.

Es reizte sie die Güte von Brutus. Denn

Als Feuer ausgegangen, so bot er sich

Zu helfen ihnen, ob er gleich, als Feldherr,

Stand in Belagerung vor den Thoren.

Doch von den Mauern warfen die Diener sie,

Die er gesandt. Lebendiger ward darauf

Das Feuer und sie freuten sich, und ihnen

Streket’ entgegen die Hände Brutus

Und alle waren ausser sich selbst. Geschrei

Entstand und Jauchzen. Drauf in die Flamme warf

Sich Mann und Weib; von Knaben stürzt’ auch

Der in die Schlacht, in der Väter Schwert der.

Nicht räthlich ist es, Helden zu trozen. Längst

Wars aber vorbereitet. Die Väter auch,

Da sie ergiffen waren, einst, und

Heftig die persischen Feinde drängten,

Entzündeten, ergreifend des Stromes Rohr,

Dass sie das Freie fänden, die Stadt. Und Haus

Und Tempel nahm, zum heilgen Äther

Fliegend, und Menschen hinweg die Flamme

So hatten es die Kinder gehört, und wohl

Sind gut die Sagen, denn ein Gedächtniss sind

Dem Höchsten sie, doch auch bedarf es

Eines, die heiligen auszulegen.

SOPHIE MEREAU

Abschied an Dornburg

Du Berg, der frei die hohe Stirn erhebt,

wo oft der Strahl des Morgens mich umwebt,

du Welle, die das Ufer spielend neckt,

wie Menschenstimmen oft mich leicht erschreckt,

du Abendroth, das auf der Welle schwimmt,

ihr Würmchen, die, in Dämmerung entglimmt,

durch Busch und Flur in schnellen, leichten Tänzen,

mir, wie herabgefallne Sterne glänzen,

du ewig unbewegter Tannenwald,

der stillen Sorge trauter Aufenthalt,

der Hain, wo einsam Philomele girrt,

worin ich oft muthwillig mich verirrt,

der Weide Duft, der still die Lüfte küßt,

– seyd alle mir zum letztenmal gegrüßt!

Lebt wohl! Ihr habt mit unschuldvollem Scherz,

mit goldnem Traum oft mein Gemüth entschleiert,

und meine Ruhe fühlend mitgefeiert!

Auch ihr vermißt der Freundin leichte Spur,

denn was ist, ohne das empfindungsvolle Herz,

das sie versteht, die lieblichste Natur?

[1801]