[1812]
In dir ringelt die Träne, auf dir lächelt das Mondlicht,
Welle, bald Woge, bald Strom, wie dich das Ufer umkränzt,
Gifttrank und lieblicher Wein, wie sich die Schale umfaßt.
Lethe wird nimmer in dir, Psychen ein Spiegel wohl oft,
Aber es tauchet der Schwan ins heilignüchterne Wasser
Trunken das Haupt, und singt sterbend dem Sternbild
den Gruß.
[1813]
Wenn die Augen brechen,
Wenn die Lippen nicht mehr sprechen,
Wenn das pochende Herz sich stillet
Und der warme Blutstrom nicht mehr quillet:
O dann sinkt der Traum zum Spiegel nieder,
Und ich hör’ der Engel Lieder wieder,
Die das Leben mir vorüber trugen,
Die so selig mit den Flügeln schlugen
Ans Geläut der keuschen Maiesglocken,
Daß sie all die Vöglein in den Tempel locken,
Die so süße, wildentbrannte Psalmen sangen:
Daß die Liebe und die Lust so brünstig rangen,
Bis das Leben war gefangen und empfangen;
Bis die Blumen blühten;
Bis die Früchte glühten,
Und gereift zum Schoß der Erde fielen,
Rund und bunt zum Spielen;
Bis die goldnen Blätter an der Erde rauschten,
Und die Wintersterne sinnend lauschten,
Wo der stürmende Sämann hin sie säet,
Daß ein neuer Frühling schön erstehet.
Stille wird’s, es glänzt der Schnee am Hügel
Und ich kühl’ im Silberreif den schwülen Flügel,
Möcht’ ihn hin nach neuem Frühling zücken,
Da erstarret mich ein kalt Entzücken –
Er erfriert mein Herz, ein See voll Wonne
Auf ihm gleitet still der Mond und sanft die Sonne
Unter den sinnenden, denkenden, klugen Sternen
Schau’ ich mein Sternbild an in Himmelsfernen;
Alle Leiden sind Freuden, alle Schmerzen scherzen
Und das ganze Leben singt aus meinem Herzen:
Süßer Tod, süßer Tod
Zwischen dem Morgen- und Abendrot.
[1815]
Ich bin durch die Wüste gezogen
Des Sandes glühende Wogen
Verbrannten mir den Fuß
Es haben die Wolken gelogen,
Es kam kein Regenguss.
Die Sonne tranck mir im Zorne
Das Wasser aus jeglichem Borne,
An dem die Reiße geruht,
Ich dürste, es leckten die Dorne
Meiner brennenden Wunden Blut.
Ich nahm den erschlagnen Kameelen
Das Wasser, das Blut aus den Kehlen
Zu retten mein Weib und Kind,
Die Schätze an Gold und Juwelen
Begrub im Sande der Wind.
Dann wühlt ich mit glühendem Schwerde
Den Kindern manch Grab in die Erde,
Erwühlte doch keinen Quell,
Ob Gott sie wohl finden werde,
Die Hyäne heulte so grell.
Brach mit ihm, in schreienden Schmerzen,
Gebahr sie es, sterbend, dem Tod.
Es goß gleich glühend Erzen
Die Sonne mir Licht in die Noth.
Gern hätte ich Thränen getrunken,
Die Augen weinten nur Funken,
Ich wühlt noch ein Grab in den Sand,
Und bin in Verzweiflung gesunken
Ach weil ich kein Wasser fand.
Da ward ich zur wandelnden Leiche
Auf daß ich den Brunnen erreiche,
Den lezten auf glühender Bahn
Und wie ich so lechzend hinschleiche
Da brüllen die Tieger mich an.
Des Tages glühende Schwelle
Verbrannte, da kam ich zur Stelle,
Der Brunnen war trocken und todt
Es glühte zur Mitter nacht helle
Der Mond wie Kupfer so roth.
Der Tod flog auf aus der Wüste
Und schauderte, da ich ihn grüßte,
Und floh, da rief ich ihm zu,
Daß einer hier sterben müßte,
Er schrie mir: Erst lebe du!
Und heulend flog der Geselle
Wüsteinwärts mit Pfeilesschnelle
Der Sand schlug rasselnd um ihn,
Da traf mich die glühende Welle,
Ach, daß ich erblindet bin.
Kein Stern, wo hin ich mich wende,
Kein Bogen, kein Pfeil, kein Ziel
Da rang ich wohl betend die Hände,
Bis die Decke mir nieder fiel.
Da fühlt ich das Ziel mir gekommen,
Die glühende Leiter ercklommen
Und schrie zu dem bitteren Stern,
Der Herr hat gegeben, genommen,
Gelobt sey der Wille des Herrn.
Da hört ich ein Flügelpaar klingen,
Da hört ich ein Schwanenlied singen,
Da fühlt ich ein kühlendes Wehn
Da sah ich mit thauschweren Schwingen
Den Engel der Wüste gehn.
Und als ich ihn fragend begrüste
Sag an du Engel der Wüste,
Wo find ich den Wasserquell?
Da sprach er, wer weinend büßte,
Der steht an der Brunnenschwell.
Sag an du Engel der Wüste
Wo find ich den Quell, da ich büßte,
Wo find ich Jerusalem.
Da sprach er: so ich das nicht wüste,
Käm ich nicht von Betlehem.
So folge nun streng meinem Gleiße
Du wandeltest blind nur im Kreiße
Nach Jerusalem wolltest du
Reich mir die Hand auf der Reiße
Du zogst nach Babylon zu.
Mich her, um dich zu heilen
Zu brechen mein Brod mit dir
Den Becher mit dir auch zu theilen
Wohl auf nun folge du mir.
Da kniete ich still vor ihm nieder,
Da legt er sein thauicht Gefieder
Mir kühl um das glühende Haupt
Und sang mir die Pilgerlieder
Da hab ich geliebt und geglaubt.
Da sah ich den Himmel wohl offen,
Ach Gott! kühl niedergetroffen
Kam Gnade, kam Segensfluth,
Da konnte ich endlich auch hoffen
Auf meines Erlösers Blut.
Da sang ich, reich treulich die Hände,
Nun nimmer, nimmermehr wende
O Engel der Wüste von mir
Die Augen vor meinem Ende,
Dein Kreuz ist mein Kreuz auch mir
Ein Tempel sey uns, wo wir knien,
Ein Heil sei uns, dem wir glühen
Ein Streit, ein Siegs panier
Ein Ort sey, wo wir hin ziehen
Ein Himmel sey dir und mir.
So haben wir da wohl gesungen
Und Hand in Hand da geschlungen,
Und Flügel in Flügelpaar,
Uns über die Wüste geschwungen
Die ein Garten voll Seegen war.
Dies war wohl ein innerlich Sehen
Ein innerlich Auferstehen
In mir selber erwachte der Geist
Die Wüste, das waren die Wehen
In denen mein Leben gekreißt.
All was ich verlohren, begraben,
All, was ich allein, um zu haben,
In der heißen Wüste gesucht,
Das soll mich im Geiste nun laben,
In unverbotener Frucht.
O Schimmer, o Lichter, o Farben
O Alle ihr goldenen Garben,
In Duft, in Sonne, in Thau
Ich schwelge, ich kann nicht mehr darben
Gott grüß dich, mein geistlicher Pfau
Gott grüß dich, was all ich gewesen
Kann dir in dem Spiegel ich lesen,
Kann vor dir in Thränen vergehn,
Kann vor dir in Reue genesen
Kann mit dir dann auferstehn.
Und will dieser Abend verglimmen
Laß Höher und höher uns klimmen
Auf Golgatha sinkt keine Nacht,
Es singen da ewige Stimmen
Am Kreuze, nun hab ich vollbracht.
[1816]
Es sang vor langen Jahren
Wohl auch die Nachtigal,
Das war wohl süßer Schall,
Da wir zusammen waren,
Ich sing und kann nicht weinen
Und spinne so allein
Den Faden klar und rein,
So lang der Mond wird scheinen.
Da wir zusammen waren,
Da sang die Nachtigal,
Nun mahnet mich ihr Schall,
Daß du von mir gefahren.
So oft der Mond mag scheinen,
Gedenk ich dein allein,
Mein Herz ist klar und rein,
Gott wolle uns vereinen!
Seit du von mir gefahren,
Singt stets die Nachtigal,
Ich denk bei ihrem Schall,
Wie wir zusammen waren.
Gott wolle uns vereinen,
Hier spinn ich so allein,
Der Mond scheint klar und rein,
Ich sing und möchte weinen!
[1818]
Draus bei Schleswig vor der Pforte
Wohnen armer Leute viel,
Ach des Feindes wilder Horde
Werden sie das erste Ziel.
Waffenstillstand ist gekündet
Dänen ziehen ab zur Nacht,
Russen, Schweden stark verbündet,
Brechen her mit wilder Macht.
Draus vor Schleswig steht vor Allen
Weit ein Häuslein ausgesetzt.
Draus bei Schlesig in der Hütte
Singt ein frommes Mütterlein,
Herr, in deinen Schoos ich schütte
Alle meine Angst und Pein.
Doch ihr Enkel ohn Vertrauen,
Zwanzigjährig neuster Zeit,
Hat den Bräutigam zu schauen
Seine Lampe nicht bereit.
Draus bei Schleswig in der Hütte
Singt ein frommes Mütterlein.
Eine Mauer um uns baue
Singt das fromme Mütterlein,
Daß dem Feinde vor uns graue
Hüll’ in deine Burg uns ein
Mutter, spricht der Weltgesinnte,
Eine Mauer uns ums Haus
Kriegt unmöglich so geschwinde
Euer lieber Gott heraus.
Eine Mauer um uns baue:
Singt das fromme Mütterlein.
Enkel fest ist mein Vertrauen,
Wenns dem lieben Gott gefällt,
Kann er uns die Mauer bauen,
Was er will ist wohl bestellt.
Trommeln rommdidomm rings prasseln
Die Trompeten schmettern drein,
Rosse wiehern, Wagen rasseln,
Ach nun bricht der Feind herein,
Eine Mauer um uns baue
Singt das fromme Mütterlein.
Rings in alle Gärten brechen
Schwed’ und Russe mit Geschrei,
Lärmen, fluchen, drängen, zechen.
Doch dieß Haus ziehn sie vorbei.
Und der Enkel spricht in Sorgen
Mutter, uns verräth das Lied.
Aber sieh, das Heer vom Morgen
Bis zur Nacht vorüber zieht.
Eine Mauer um uns baue
Singt das fromme Mütterlein.
Und am Abend tobt der Winter
An das Fenster schlägt der Nord.
Schließt den Laden, liebe Kinder,
Spricht die Alte und singt fort
Aber mit den Flocken fliegen
Vier Kosackenpulke an,
Rings in allen Hütten liegen
Sechzig, auch wohl achtzig Mann.
Eine Mauer um uns baue
Singt das fromme Mütterlein
Bange Nacht voll Kriegsgetöse,
Wie es wiehert, brüllet, schwirrt,
Kantschuhhiebe, Kolbenstöße.
Weh, des Nachbars Fenster klirrt
Hurrah, Stupai, Boschkai, Kurba,
Vinu, Gleba, biba, Rack
Schreit und flucht und plackt die Turba.
Erst am Morgen zieht der Pack.
Eine Mauer um uns baue
Singt das fromme Mütterlein.
Eine Mauer um uns baue
Singt sie fort die ganze Nacht.
Morgens ward es still, o schaue
Enkel, was der Nachbar macht?
Auf nach Innen geht die Thüre,
Nimmer käm er sonst hinaus.
Daß er Gottes Allmacht spüre,
Lag der Schnee wohl Mannshoch draus
Eine Mauer um uns baue,
Sang das fromme Mütterlein!
Ja der Herr kann Mauern bauen,
Liebe fromme Mutter komm,
Gottes Mauer anzuschauen,
Sprach der Enkel und ward fromm.
Achtzehnhundert vierzehn War es,
Als der Herr die Mauer baut,
In der fünften Nacht des Jahres
Hats dem Feind vor ihr gegraut.
Eine Mauer um uns baue,
Sing ich mit dem Mütterlein.
[1832]
O Stunde, da der Schiffende bang lauert
Und sich zur Heimat sehnet an dem Tage,
Da er von süßen Freuden ist geschieden,
Da in des Pilgers Herz die Liebe trauert
Auf erster Fahrt, wenn ferner Glocken Klage
Den Tag beweinet, der da stirbt in Frieden!
[1836]
Selbst dieser Unverstand
Den ich in einer wundersel’gen Stunde,
An einer Wand empfand
Hat nicht Bestand.
Ja alles geht vorbei,
Doch daß ich auferstand
Und wie ein Irrstern ewig sie umrunde,
Ein Geist den sie gebannt,
Das hat Bestand.
Ja alles geht vorbei,
Nur dieses mag’sche Band
Aus meines Wesens tiefstem Grunde
Zu ihrem Geist gespannt,
Das hat Bestand.
Ja alles geht vorbei
Doch ihrer Güte Pfand,
Jed Wort aus ihrem reinen lieben Munde
Folgt mit ins andre Land,
Und hat Bestand.
Nur eines ist kein Tand,
Der Geist, der mir in diesem heil’gen Bunde
Vom Himmel ward gesandt,
Der hat Bestand.
Ja alles geht vorbei,
Doch Sie, die mich erkannt,
Den Harrenden, wildfremd an Ort und Stunde,
Gieng nicht vorbei, sie stand
Reicht mir die Hand.
Ja alles geht vorbei,
Doch diese liebe Hand
Die ich in dunkler freudenheller Stunde
An meinem Herzen fand,
Die hat Bestand.
Ja alles geht vorbei,
Nur dieser heiße Brand,
In meiner Brust die bittre süße Wunde,
Die ihre Hand verband,
Die hat Bestand!
[1837]
In dem lieben stillen Hain,
Sonne will schon schlafen gehn,
Läßt ihr goldnes Hemdelein
Sinken auf den grünen Rasen
Wo die schlanken Hirsche grasen
In dem roten Abendschein.
Gute Nacht, Heiapopeia
Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.
In der Quellen klarer Flut
Treibt kein Fischlein mehr sein Spiel,
Jedes sucht, wo es ruht,
Sein gewöhnlich Ort und Ziel
Und entschlummert überm Lauschen
Auf der Wellen leises Rauschen
Zwischen bunten Kieseln kühl.
Gute Nacht, Heiapopeia
Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.
Schlank schaut auf der Felsenwand
Sich die Glockenblume um,
Denn verspätet über Land
Will ein Bienchen mit Gebrumm,
Sich zur Nachtherberge melden
In den zarten blauen Zelten,
Schlüpft hinein und wird ganz stumm.
Gute Nacht, Heiapopeia
Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.
Vöglein, euer schwaches Nest
Ist das Abendlied vollbracht
Wird wie eine Burg so fest.
Fromme Vöglein schützt zur Nacht,
Die im Schlaf sie überfallen,
Gott, der über alle wacht.
Gute Nacht, Heiapopeia
Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.
Treuer Gott, du bist nicht weit,
Und so ziehn wir ohne Harm
In die wilde Einsamkeit,
Aus des Hofes eitelm Schwarm.
Du wirst uns die Hütte bauen,
Daß wir fromm und voll Vertrauen
Sicher ruhn in deinem Arm.
Gute Nacht, Heiapopeia
Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.
[1837]
Was reif in diesen Zeilen steht,
Was lächelnd winkt und sinnend fleht,
Das soll kein Kind betrüben,
Die Einfalt hat es ausgesäet,
Die Schwermut hat hindurchgeweht,
Die Sehnsucht hat’s getrieben;
Und ist das Feld einst abgemäht,
Die Armut durch die Stoppeln geht,
Sucht Ähren, die geblieben,
Sucht Lieb’, die für sie untergeht,
Sucht Lieb’, die mit ihr aufersteht,
Sucht Lieb’, die sie kann lieben,
Und hat sie einsam und verschmäht
Die Nacht durch dankend in Gebet
Die Körner ausgerieben,
Liest sie, als früh der Hahn gekräht,
Was Lieb’ erhielt, was Leid verweht,
Ans Feldkreuz angeschrieben,
O Stern und Blume, Geist und Kleid,
Lieb’, Leid und Zeit und Ewigkeit!
[1838]
Ein Fischer saß im Kahne,
Ihm war das Herz so schwer
Sein Lieb war ihm gestorben,
Das glaubt er nimmermehr.
Und bis die Sternlein blinken,
Und bis zum Mondenschein
Harrt er sein Lieb zu fahren
Wohl auf dem tiefen Rhein.
Da kommt sie bleich geschlichen,
Und schwebet in den Kahn
Und schwanket in den Knieen,
Hat nur ein Hemdlein an.
Sie schimmern auf den Wellen
Hinab in tiefer Ruh’,
Da zittert sie, und wanket,
Feinsliebchen, frierest du?
Dein Hemdlein spielt im Winde,
Das Schifflein treibt so schnell,
Hüll’ dich in meinen Mantel,
Die Nacht ist kühl und hell.
Stumm streckt sie nach den Bergen
Die weißen Arme aus,
Und lächelt, da der Vollmond
Aus Wolken blickt heraus.
Und nickt den alten Türmen
Und will den Sternenschein
Mit ihren starren Händlein
Erfassen in dem Rhein.
O, halte dich doch stille,
Herzallerliebstes Gut!
Dein Heimdlein spielt im Winde,
Und reißt dich in die Flut.
Da fliegen große Städte,
An ihrem Kahn vorbei,
Und in den Städten klingen
Wohl Glocken mancherlei.
Da kniet das Mägdlein nieder,
Und faltet seine Hand,
Aus seinen hellen Augen
Ein tiefes Feuer brennt.
Feinsliebchen, bet’ hübsch stille,
Schwank’ nicht so hin und her,
Der Kahn möcht’ uns versinken,
Der Wirbel reißt so sehr.
In einem Nonnenkloster
Da singen Stimmen fein,
Und aus dem Kirchenfenster
Bricht her der Kerzenschein.
Die Metten in dem Kahn,
Und sieht dabei mit Tränen
Den Fischerknaben an.
Da singt der Knab’ gar traurig
Die Metten in dem Kahn
Und sieht dazu Feinsliebchen
Mit stummen Blicken an.
Und rot und immer röter
Wird nun die tiefe Flut,
Und bleich und immer bleicher
Feinsliebchen werden tut.
Der Mond ist schon zerronen
Kein Sternlein mehr zu sehn,
Und auch dem lieben Mägdlein
Die Augen schon vergehn.
Lieb Mägdlein, guten Morgen,
Lieb Mägdlein gute Nacht!
Warum willst du nun schlafen,
Da schon der Tag erwacht?
Die Türme blinken sonnig,
Er rauscht der grüne Wald,
In wildentbrannten Weisen,
Der Vogelsang erschallt.
Da will er sie erwecken,
Daß sie die Freude hör’,
Er schaut zu ihr hinüber,
Und findet sie nicht mehr.
Ein Schwälblein strich vorüber,
Und netzte seine Brust,
Woher, wohin geflogen,
Das hat kein Mensch gewußt.
Der Knabe liegt im Kahne
Läßt alles Rudern sein,
Und treibet weiter, weiter
Bis in die See hinein.
Ich schwamm im Meeresschiffe
Aus fremder Welt einher,
Und dacht’ an Lieb und Leben,
Und sehnte mich so sehr.
Ein Schwälblein flog vorüber,
Der Kahn schwamm still einher,
Der Fischer sang dies Liedchen,
Als ob ich’s selber wär’.
[1840]
Wie wird mir? Wer wollte wohl weinen
Wenn winkend aus wiegenden See
So sinnend die Sternlein scheinen,
Werd heiter, weich weiter du wildwundes Weh.
Komm Kühle, Komm küsse den Kummer
Süß säuselnd von sinnender Stirn
Schlaf schleiche, und schleire mit Schlummer
Die Schmerzen die schwühl mir die Seele umschwirrn
Flöß flehend du Flötengeflüster
Mir Himmel und Heimath ans Herz
Leucht lieblich und lispele düster
Und fächle, daß lächle im Schlummer der Schmerz
Sieh, sind schon die Sonnen gesuncken,
Glück glimmet in Abendlichts Glut
Und Finsterniß feiert mit Funcken
Licht locket ins Leben das liebende Blut.
Wir wancken in wohnsamer Wiege
Wind weht wohl ein Federlein los
Wie’s wehe, wie’s fliege, wie’s liege
Fein fiel es und spielt es dem Vater im Schoos.
[1846]
Ich hört ein Sichlein rauschen,
Wohl rauschen durch das Korn,
Ich hört ein Mägdlein klagen,
Sie hätt ihr Lieb verlorn
Laß rauschen, Lieb, laß rauschen,
Ich acht nicht, wie es geht,
Ich thät mein Lieb vertauschen
In Veilchen und im Klee.
Du hast ein Mägdlein worben
In Veilchen und im Klee,
So steh ich hier alleine,
Thut meinem Herzen weh.
Ich hör ein Hirschlein rauschen
Wohl rauschen durch den Wald,
Ich hör mein Lieb sich klagen,
Die Lieb verrauscht so bald.
Laß rauschen, Lieb, laß rauschen,
Ich weiß nicht, wie mir wird,
Die Bächlein immer rauschen,
Und keines sich verirrt.
Zu Bacharach am Rheine,
Wohnt eine Zauberin,
Sie war so schön und feine
Und riss viel Herzen hin,
Und machte viel zu Schanden
Der Männer rings umher,
Aus ihren Liebesbanden
War keine Rettung mehr.
Der Bischoff ließ sie laden
Vor geistliche Gewalt,
Und mußte sie begnaden,
So schön war ihr Gestalt.
Er sprach zu ihr gerühret,
Du arme Lore Lay.
Wer hat dich dann verführet
Zu böser Zauberei.
Herr Bischoff laßt mich sterben,
Ich bin des Lebens müd,
Weil jeder muß verderben
Der meine Augen sieht.
Die Augen sind zwei Flammen,
Mein Arm ein Zauberstab,
O schickt mich in die Flammen,
O brechet mir den Stab.
Den Stab kann ich nicht brechen,
Du schöne Lore Lay,
Ich müßte dann zerbrechen,
Mein eigen Herz entzwei.
Ich kann dich nicht verdammen,
Bis du mir erst bekennt
Warum in deinen Flammen
Mein eignes Herz schon brennt.
Herr Bischof mit mir Armen
Treibt nicht so bösen Spott,
Und bittet um Erbarmen
Für mich den lieben Gott,
Ich darf nicht länger leben,
Ich lieb kein Leben mehr,
Den Tod sollt ihr mir geben,
Drum kam ich zu euch her
Ein Mann hat mich betrogen,
Hat sich von mir gewandt,
Ist fort von mir gezogen
Fort in ein andres Land.
Die Wangen roth und weiß,
Die Worte still und milde,
Die sind mein Zauberkreis.
Ich selbst muß drinn verderben,
Das Herz thut mir so weh,
Vor Jammer mögt ich sterben,
Wenn ich zum Spiegel seh.
Drum laßt mein Recht mich finden,
Mich sterben, wie ein Khrist,
Denn Alles muß verschwinden
Weil er mir treulos ist.
Drei Ritter ließ er holen:
Bringt sie ins Kloster hin,
Geh Lore! Gott befohlen,
Sey dein bedrückter Sinn.
Du sollst ein Nönnchen werden,
Ein Nönnchen schwarz und weiß,
Bereite dich auf Erden
Zum Tod mit Gottes Preiß.
Zum Kloster sie nun ritten
Die Ritter alle drei,
Und traurig in der Mitten
Die schöne Lore Lay.
O Ritter laßt mich gehen,
Auf diesen Felsen groß,
Ich will noch einmal sehen,
Nach meines Buhlen Schlos,
Wohl in den tiefen Rhein,
Und dann ins Kloster gehen,
Und Gottes Jungfrau sein.
Der Felsen ist so jähe,
So steil ist seine Wand,
Sie klimmen in die Höhe,
Da tritt sie an den Rand,
Und sprach: Willkomm, da wehet
Ein Segel auf dem Rhein,
Der in dem Schifflein stehet,
Der soll mein Liebster sein.
Mein Herz wird mir so munter,
Er muß der Liebste sein,
Da lehnt sie sich hinunter
Und stürzet in den Rhein.
Es fuhr mit Kreuz und Fahne
Das Schifflein an das Land,
Der Bischof saß im Kahne,
Sie hat ihn wohl erkannt.
Daß er das Schwerd gelassen,
Dem Zauber zu entgehen,
Daß er zum Kreuz thät fassen,
Das konnt sie nicht verstehn.
Wer hat dies Lied gesungen
Ein Priester auf dem Rhein
Und immer hat’s geklungen,
Vom hohen Felsen Stein
Lureley
Lureley
Als wären es meiner drei!
Wenn ich ein Vöglein wär,
Und auch zwei Flüglein hätt,
Flög ich zu dir;
Weils aber nicht kann seyn,
Bleib ich allhier.
Bin ich gleich weit von dir,
Bin ich doch im Schlaf bei dir,
Und red mit dir;
Wenn ich erwachen thu,
Bin ich allein.
Es vergeht keine Stund in der Nacht,
Da mein Herze nicht erwacht,
Und an dich gedenkt,
Daß du mir viel tausendmal
Dein Herze geschenkt.
Singet leise, leise, leise,
Singt ein flüsternd Wiegenlied,
Von dem Monde lernt die Weise,
Der so still am Himmel zieht.
Denn es schlummern in dem Rheine
Jetzt die lieben Kindlein klein,
Ameleya wacht alleine
Weinend in dem Mondenschein.
Singt ein Lied so süß gelinde,
Wie die Quellen auf den Kieseln,
Wie die Bienen um die Linde
Summen, murmeln, flüstern, rieseln.
An den Herausgeber eines poetischen Almanachs.
Sonnette willst du? Pochst auf mein Versprechen?
Gut! mit Sonnetten will ich dich ersäufen;
Einmal ums andre springt durch 14 Reifen
Dein flinker Freund, mag’s biegen oder brechen!
O edle Kunst! aus leerem Glase zechen,
So den Gedanken unterm Arm zu greifen,
Die eben auf dem letzten Loche zu pfeifen –
Ach, à propos! vom letzten Loch zu sprechen –
Da blas’ ich selber drauf – ich fall’ins Wasser
Mit meinem Klinggedicht – das geht ums Leben –
Packs nur beim Haar und hilf mir ziehn und rucken –
Siehst du, es wird? – Nun einen Reim auf Wasser! –
Auf Wasser, seh’ich, reimt sich Wasser eben –
Gelt? So ‘n Sonnett kann tüchtig Wasser schlucken?
In allen Dingen walten drei Potenzen,
Unendlich, endlich, ewig sind die Namen,
Woraus das All besteht auf Ja und Amen,
Als die Indifferenz der Differenzen.
Vor G – macht die gehör’gen Reverenzen,
Denn Er, das große A, ist ja der Saamen,
Daraus so schöne Redensarten kamen,
Contractions-Expansions-Tendenzen.
Doch nicht nur oben in der Sphären Läufen
Will die Identität sich offenbaren,
Dem Organismus auch kömmt was zu Gute.
Und daß wir Licht und Schwerkraft ganz begreifen,
So hat ein Pol den andern bei den Haaren,
Im kleinsten Winde bläst das Absolute.
O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen!
In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen.
In Stummheit Sprache,
Schüchtern bei Tage,
Siegend mit zaghaftem Bangen.
Lebendiger Tod, im Einen sel’ges Leben
Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben,
Genießend schmachten,
Nie satt betrachten
Leben im Traum und doppelt Leben.
[1804]
Ein Weiser, der schon viel erforschet,
Doch nie des Forschens müde war,
Gelangte einst zum Indier Lande,
Nach manchem langen Wandrungsjahr.
Die Priester dieses Landes rühmen
Sich viel geheimer Wissenschaft,
Sie wissen Seyn und Schein zu trennen,
Und kennen aller Dinge Kraft.
Zum Schüler läßt sich Valus weihen,
Verbindet sich durch einen Eid,
Geheimnißvoll, zu diesem Orden,
Wie es der Priester ihm gebeut.
Wie eitel all sein vorig Wissen;
Das siehet bald schon Valus ein,
Kannt’ er doch nie der Dinge Seele
Begnügt’ an Namen sich und Schein.
Eins sieht er nun in jeder Summe,
Sieht den Naturgeist immer neu
Und immer alt in ew’gem Wandel
Wie er in allen Formen sey.
Jetzt kann er die Natur belauschen,
Er kann ihr tiefstes Wirken schaun,
Weiß, wie die Stoffe sich vermählen
Und wie die Erden sich erbaun.
Jetzt giebt man ihm die dritte Weihe,
Ein Vorzug wen’ger Weisen nur;
Denn sie, die alles sonst durchschauten
Beherrschen jetzo die Natur.
Nachdem er dreimal so geweihet,
Hat er den großen Schritt gethan,
Der seines Lebens lange Reise
Geschieden von der Menschheit Bahn.
Viel Zeiten gehn an ihm vorüber,
Er siehet die Geschlechter fliehn,
Und bleibt allein in allem Wandel,
Indes die Dinge kommen, ziehn.
Nachdem er oft den Kreis gesehen
Den immer die Natur gemacht,
Ergreiffen Schauer seine Seele,
Denn Alles kehrt wie Tag und Nacht.
Der Neuheit Reiz ist ihm verlohren,
Er kennet was die Erde trägt,
Er findet sich allein auf Erden,
Die Menschen sind nicht sein Geschlecht.
Geleert hat er des Lebens Becher
Und lebet immer, immer fort,
Er kann dem Meere nicht entsteigen
Und hat gelandet doch im Port.
Weh’ dem! ruft er: der auf dem Gipfel
Des Daseyns also stille steht.
Nicht Ew’ges kann der Mensch ertragen,
Und wohl ihm, wenn er auch vergeht.
Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten,
Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten,
Daß neue Wonne meine Lippe saugt.
In Träume war solch Leben eingetaucht,
Drum leb’ ich, ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten,
Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.
Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.
Drum birg dich Aug’ dem Glanze irrd’scher Sonnen!
Hüll’ dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluthen.
Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt, was er verlohren,
Lassen muß was er erkohren,
Das geliebte Herz,
Der versteht in Lust die Thränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein,
Eins im Andern sich zu finden,
Daß der Zweiheit Gränzen schwinden
Und des Daseins Pein.
Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt’ ein Wesen lieb gewinnen,
Oh! den tröstet’s nicht,
Daß für Freuden, die verlohren,
Neue werden neu gebohren:
Jene sind’s doch nicht.
Das geliebte, süße Leben,
Dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
Dieses Suchen und dies Finden,
Dieses Denken und Empfinden
Giebt kein Gott zurück.
Kann ich im Herzen heiße Wünsche tragen?
Dabei des Lebens Blüthenkränze sehn,
Und unbegränzt daran vorüber gehn.
Und muß ich traurend nicht in mir verzagen?
Soll frevelnd ich dem liebsten Wunsch entsagen?
Soll muthig ich zum Schattenreiche gehn?
Um andre Freuden andre Götter flehn,
Nach neuen Wonnen bei den Todten fragen?
Ich stieg hinab, doch auch in Plutons Reichen,
Im Schoos der Nächte, brennt der Liebe Glut,
Daß sehnend Schatten sich zu Schatten neigen.
Verlohren ist wen Liebe nicht beglücket,
Und stieg er auch hinab zur styg’schen Flut,
Im Glanz der Himmel blieb er unentzücket.
Ich habe Dir in ernsten stillen Stunden,
Betrachtungsvoll in heil’ger Einsamkeit,
Die Blumen dieser und vergangner Zeit,
Die mir erblüht, zu einem Kranz gewunden.
Von Dir, ich weiß es, wird der Sinn empfunden,
Der in des Blüthenkelchs Verschwiegenheit
Nur sichtbar wird dem Auge, das geweiht
Im Farbenspiel den stillen Geist gefunden.
Es flechten Mädchen so im Orient
Den bunten Kranz; daß Vielen er gefalle,
Wetteifern unter sich die Blumen alle.
Doch Einer ihren tiefern Sinn erkennt,
Ihm sind Symbole sie nur, äußre Zeichen;
Sie reden ihm, obgleich sie alle schweigen.
Mir an ihrer Seit,
Auf der Zunge brennen
Lieb und Heimlichkeit;
Soll ich ihr bekennen,
Was im Herzen brennt?
Und wie soll ich nennen,
Was sie noch nicht kennt?
Herz sei doch zufrieden
Sie still anzusehn,
Würden wir geschieden
Müßtest du vergehn;
Schweige, noch hienieden
Ward es nicht so schön,
Daß in selgem Frieden
Zweie sich ansehn.
Wie die Stunden schleichen
Fern von ihr verbracht,
Gib ein einzig Zeichen
Sternenhelle Nacht,
Gib ein einzig Zeichen
Ob sie wiederliebt,
Frühling soll verstreichen
Und kein Zeichen gibt.
Und die Sterne lachen
Mich zum Hohne an,
Und der Mondennachen
Mir nicht helfen kann,
Ruhlos treibt der Nachen
Schiffer, du mußt wachen,
Schlafen wär Gewinn
Denn ich könnte träumen
Diese Welt so schön,
Säh zu selgen Räumen
In der Nacht Getön
Nachtigall auf Bäumen,
Dich versteh ich nun,
Willst das Feld nicht räumen,
Kannst darin nicht ruhn!
Ja die Welt wird öde,
Ja die Welt wird leer,
Morgengold so schnöde
Drückt mein Auge schwer,
Was beim Abendröten
Schien gewitternd her,
Noch beim Morgenröten
Macht die Luft so schwer.
Und ich saug mit Listen
Diese Schwüle ein
Mich ganz zu vergiften
In dem Feuerwein,
Will als Blitzstrahl rüsten
Mich mit Trotzes Schein,
Doch aus allen Lüften
Mehrt sich meine Pein
Meine Tränen rinnen,
Halte sie nicht mehr,
Wer kann es ersinnen,
Kann ich mich besinnen,
Wo sie fließen hin,
Wenn mit leichten Sinnen
Ich bei ihr bald bin!
[1808]
Mir ist zu licht zum Schlafen,
Der Tag bricht in die Nacht
Die Seele ruht im Hafen
Ich bin so froh verwacht.
Ich hauchte meine Seele
Im ersten Kusse aus,
Was ist’s, daß ich mich quäle,
Ob sie auch fand ein Haus.
Sie hat es wohl gefunden,
Auf ihren Lippen schön,
O welche sel’ge Stunden,
Wie ist mir so geschehn.
Was soll ich nun noch sehen,
Ach alles ist in ihr,
Was fühlen, was erflehen,
Es ward ja alles mir.
Ich habe was zu sinnen,
Ich hab’, was mich beglückt,
In allen meinen Sinnen
Bin ich von ihr entzückt.
[1809]
Zwei schöne liebe Kinder,
Die hatten sich so lieb,
Daß eines dem andern im Winter
Mit Singen die Zeit vertrieb,
Diesseit und Jenseit am Wasserfall
Höret ihr immer den Doppelschall.
Der Winter bauet Brücken,
Sie beide hat vereint,
Und jedes mit frohem Entzücken
Die Brücke nun ewig meint;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Wohnten die Eltern getrennt im Tal.
Der Frühling ist gekommen,
Das Eis will nun aufgehn,
Da werden sie beide beklommen,
Die laulichen Winde wehn;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Stürzen die Bäche mit wildem Schall.
Was hilft der helle Bogen,
Womit der Fall entzückt,
Von ihnen so liebreich erzogen,
Zum erstenmal bunt geschmückt;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Höret sie klagen getrennt im Tal.
Die Kinder traurig stehn,
Und müssen sich einsam begnügen
Einander von fern zu sehn;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Kreuzen die Schwalben mit lautem Schall.
Sie möchten zusammen mit Singen,
So wie der Vögel Brut,
Den himmlischen Frühling verbringen,
Das Scheiden so wehe tut;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Sehn sie sich endlich zum letztenmal.
Der Knabe kriegt zur Freude
Ein Röckchen wie ein Mann,
Das Mädchen ein Kleidchen von Seide
Nun gehet die Schule an;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Gehen sie zum Kloster bei Glockenschall.
Sie sahn sich lang nicht wieder,
Sie kannten sich nicht mehr,
Das Mädchen mit vollem Mieder,
Der Knabe ein Mönch schon wär;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Kamen und riefen sie sich im Tal.
Das Mädchen ruft so helle,
Der Knabe singt so tief;
Verstehen sich endlich doch schnelle,
Als alles im Hause schlief;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Springen im Mondschein die Fische all.
Sie kühlen sich im Fluß,
Sie können nicht schwimmen wie Fische,
Und suchen sich doch zum Kuß;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Reißen die Strudel sie fort mit Schall.
Die Eltern hören singen
Und schaun aus hohem Haus,
Zwei Schwäne im Sternenschein ringen
Zum Dampfe des Falls hinaus;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Hören sie Echo mit lautem Schall.
Die Schwäne herrlich sangen
Ihr letztes schönstes Lied,
Und leuchtende Wölkchen hangen,
Manch Engelein nieder sieht;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Schwebt wie Blüte ein süßer Schall.
Der Mond sieht aus dem Bette
Des glatten Falls empor,
Die Nacht mit der Blumenkette
Erhebet zu sich dies Chor;
Diesseit und jenseit am Wasserfall
Grünt es von Tränen nun überall.
[1810]
Thema: Was nur heilge Geister ahnen,
Glaubst du dein, du winzig Ding?
Deine Mittel sind gering,
Größern musst du Wege bahnen.
Glosse. Wie? Du weißt, was uns verborgen?
Dringt die Klugheit deines Blicks
Ins Geheimnis des Geschicks?
Stehst du schon im hellen Morgen,
Wo wir nächtlich weglos sorgen?
Kennst du deine Untertanen?
Ach zu deines Wahnsinns Bahnen
Willst du große Völker zwingen!
Armer, du mußt selbst vollbringen,
Was nur heilge Geister ahnen.
Als Prometheus Feuer stahl
Aus der Sonne ewgem Schein,
Meinte er ein Gott zu sein,
Seiner Menschen Angst und Qual
War des Stolzen Freudenmahl!
Als er an dem Felsen hing,
Angeschmiedet an den Ring,
Sprach ein Menschlein ihm zum Spotte:
Feuer, das du stahlst dem Gotte,
Meinst du dein, du winzig Ding?
Und Prometheus starrte auf,
Wollt vernichten, was er schuf,
Doch vergebens war sein Ruf,
Alles hatte ew’gen Lauf
Seit der heilgen Feuertauf,
Wer mit sich die Welt anfing,
Wer sich gegen sie verschwor,
Muß ihr dienen als ein Tor,
Seine Mittel sind gering.
Frevle rasch zu deinem Ziel,
Hast mich immer langeweilt,
Wo du Sieg und Kranz ereilt,
Denn es war nur höhres Spiel,
Bahn zu sprengen dem Gefühl,
Das da folgt den heilgen Fahnen,
Unsrem Volke, unsren Ahnen,
Nahe deinem höchsten Glanze,
Fällt im Frost das Laub vom Kranze,
Größern mußt du Wege bahnen.
[1812]
Die Sängerin und ihre kleinen Lieder
Die kleinen Nachtigallen im Nest.
1.
Ach Mutter ist die Welt so kalt,
So leer und kalt wie unser Nest?
Warum log uns des Traums Gestalt
Von warmen Blütenduft im West?
2.
Wie warm war unser erstes Haus,
Wie kalt ist Nest und Himmelblau,
Aus kleinen Fenstern sah’n wir aus,
Da schien so warm die blaue Au.
Und unbekannt war Hungersnot,
Die Träume buhlten mit Genuss,
Ach Mutter! drücke uns doch tot,
Denn Klage ward der Lebensgruß.
Ganz in allem gegenwärtig
Sei es Ernst und sei es Spiel,
Ist Natur des Winks gewärtig,
Der ihr zeigt des Strebens Ziel:
Gestern noch in Mädchenspielen
Gleitet Sie auf Eis mit Lust;
Frühling kommt, Sie lernet fühlen,
Fromme Milch schwellt ihre Brust.
Sohn, Sie folget deinen Winken,
Du der Geister Auge bist,
Lasse nicht dein Auge sinken,
Irrend Sie dich bald vermißt;
Sprachrohr aller guten Geister
Sei bereit und nicht zerstreut,
Wenn der ew’ge Himmelsmeister
Dich mit mächt’gem Wort erfreut.
Willst du was, ergib dein Leben,
Es mit ganzer Seele treib,
Vieles wird sich dir ergeben,
Vieles wird ein Zeitvertreib.
Doch das meiste wird dich fliehen,
Wo der Schein dich schnell besiegt,
Vor des Geistes Vollerglühen
Falsches Gold wie Rauch verfliegt.
Eh du kannst die Welt bezwingen,
Bilde dich mit Fleiß an ihr,
Und gar stille Freuden dringen,
Aus dem frommen Dienst zu dir,
Wer zu dienen erst verstanden
Wird zum Herrschen dann geschickt,
Nur aus vieler Formen Banden
Steigt des Gottes Bild geglückt.
Weil er alle Welt muss fühlen
Reift der höhre Mensch auch spät,
Stürme grimmig in ihm wühlen,
Ihn begeistert, was da weht.
Bis er nach dem langen Stimmen
Das Bestimmte trifft und kennt,
In der Welt verschiednen Stimmen
Dann vereinet, was getrennt.
Deine Stimme in den Chören
Klingt, obgleich es keiner weiß,
Nur dich opfern, ihn zu ehren,
kannst du diesem höhern Kreis,
Und sein Geist wird ohn dein Wissen
Dann zu lenken dich verstehn,
Denn er ist wie das Gewissen,
Lässt sich auch nur strafend sehn.
Das Bestimmte muss er ehren,
Umriß bleibt des Schicksals Sinn,
Muß das Unbestimmte stören,
Denn der Ärger bildet drin;
Schonen darf er nicht die Kranken,
Doch Erinnrung macht ihn zart,
Wenn die Kräfte sich auszanken,
Art läßt endlich nicht von Art.
Liebe dich nicht im Verziehen,
Liebe dich in harter Streng,
Harter Stoff kann dauernd glühen,
Welcher Sinn beschließ uns eng:
Weicher Stoff kann sich verwandeln,
Harter Stoff gibt die Gestalt,
Und so herrscht im Denken, Handeln
Fest besonnene Gewalt.
Denke aus, was dich erschrecket,
Also unterwirfst du’s dir,
Und der böse Geist der necket
Wird zum lust’gen Diener schier.
Sei im Geiste dir getreuer
Und der Geist läßt dich allein,
Ja er ist vor dir noch scheuer,
Als du magst gewesen sein.
Suche nie dich zu betäuben,
Horche jedem Herzensschlag,
Denn die Mühle mag wohl stäuben,
Doch zu treiben sie vermag;
Und die Räder gehn zu hörbar,
Ehe noch der jüngste Tag
Kommt Gedächtnis unzerstörbar
Aus dem Rausche dumpf und wach.
In dem Lernen sei ein Schaffen,
In der Tat für andre Lehr,
Stets dein Urteil unter Waffen,
Und Gefühl zur Gegenwehr.
Muss die Sonn sich ewig drehen,
Glück ist nicht in träger Ruh,
Denn die Füße sind zum Gehen,
Geh auf eignen Füßen zu.
Scheint es auch, das Hohe falle,
Scheint es doch von Sternen auch,
Doch die Sterne wieder wallen
Ruhig nach dem alten Brauch,
Schau ihr Fehlen nicht mit Ärger
Nein versteh ein göttlich Herz,
Unter Wolken sie verbergen
Ihren Freunden nur den Schmerz.
Fühle Trost in jungen Jahren
An dem Gott im Menschenkleid,
Manche sich durch Schrift bewahren,
Einer lebt in unsrer Zeit:
Will er mild den Arm dir reichen
Drück ihn nicht wie andre Freund,
Glück, das paart sich nur in Gleichen,
Gott ist mehr als Menschenfreund.
Und erscheint als Gott dir
Auf der Menschheit höherm Thron,
O so glaub der Abendröte,
Werd nicht rot vor ihm mein Sohn;
Rüstig dann mit tücht’gen Händen,
Wirst du frisch zum eignen Werk,
Was vollendet kann nicht enden,
Zum Vollenden fühl die Stärk.
Überlass dich deinem Gotte,
Fühle was du selber bist,
Was noch taugt, das trotzt dem Spotte
Roheit schlecht bestanden ist:
Lass dich gern empfindsam schelten,
Sei es wie die Weltgeschicht,
Tief empfindsam sind die Helden,
Nur der Sklav empfindet’s nicht.
Ob ich liebe, möcht ich wissen!
Ruhest Du in meinen Armen
Sinkt Dein Auge ohn Erbarmen
Nieder auf das selge Kissen.
Wie bei Sonnenfinsternissen
Alle muntern Vögel schlafen
Also fühl ich mich entschlafen
Will Dein Aug mich nicht begrüßen.
Ob ich liebe, möchte ich wissen!
Bin ich ganz mit mir alleine
Nenne ich Dich stets die Meine
Und muß immer Dich vermissen,
Dem magnetschen Schlaf entrissen
Muß ich wie Dein Traumbild leben,
Die Gedanken, dir ergeben
Lockst Du ab zu fernen Küssen.
Herz zum Herzen ist nicht weit
Unter lichten Sternen,
Und das Aug, von Tau geweiht,
Blickt zu lieben Fernen;
Unterm Hufschlag klingt die Welt
Und die Himmel schweigen
Zwischen beiden mir gesellt
Will der Mond sich zeigen.
An dem Erdenrande,
Gleich als ob mit heißem Blut
Er auf Erden lande.
Doch nun flieht er scheu empor,
Glänzt in reinem Lichte,
Und ich scheue mich auch vor
Seinem Angesichte.
’s war einer, dem’s zu Herzen ging,
Daß ihm der Zopf so hinten hing,
Er wollt’ es anders haben.
So denkt er denn: »Wie fang’ ich’s an?
Ich dreh’ mich um, so ist’s getan – «
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Da hat er flink sich umgedreht,
Und wie es stund, es annoch steht –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Da dreht er schnell sich anders ’rum,
’s wird aber noch nicht besser drum –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Er dreht sich links, er dreht sich rechts,
Es tut nichts Gut’s, es tut nichts Schlecht’s –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Er dreht sich wie ein Kreisel fort,
Es hilft zu nichts, in einem Wort –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Und seht, er dreht sich immer noch,
Und denkt: »Es hilft am Ende doch – «
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
[1826]
Ich träum’ als Kind mich zurücke
Und schüttle mein greises Haupt;
Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder,
Die lang’ ich vergessen geglaubt?
Hoch ragt aus schatt’gen Gehegen
Ein schimmerndes Schloß hervor;
Ich kenne die Türme, die Zinnen,
Die steinerne Brücke, das Tor.
Es schauen vom Wappenschilde
Die Löwen so traulich mich an;
Ich grüße die alten Bekannten
Und eile den Burghof hinan.
Dort liegt die Sphinx am Brunnen,
Dort grünt der Feigenbaum,
Dort, hinter diesen Fenstern,
Verträumt’ ich den ersten Traum.
Und suche des Ahnherrn Grab;
Dort ist’s, dort hängt vom Pfeiler
Das alte Gewaffen herab.
Noch lesen umflort die Augen
Die Züge der Inschrift nicht,
Wie hell durch die bunten Scheiben
Das Licht darüber auch bricht.
So stehst du, o Schloß meiner Väter,
Mir treu und fest in dem Sinn,
Und bist von der Erde verschwunden,
Der Pflug geht über dich hin.
Sei fruchtbar, o teurer Boden,
Ich segne dich mild und gerührt,
Und segn’ ihn zwiefach, wer immer
Den Pflug nun über dich führt.
Ich aber will auf mich raffen,
Mein Saitenspiel in der Hand,
Die Weiten der Erde durchschweifen
Und singen von Land zu Land.
[1827]
Leipzig, Leipzig! arger Boden,
Schmach für Unbill schafftest du.
Freiheit! hieß es, vorwärts, vorwärts!
Trankst mein rotes Blut, wozu?
Freiheit! rief ich, vorwärts, vorwärts!
Was ein Tor nicht alles glaubt!
Und von schwerem Säbelstreiche
Ward gespalten mir das Haupt.
Und ich lag, und abwärts wälzte
Unheilschwanger sich die Schlacht;
Über mich und über Leichen
Sank die kalte, finstre Nacht.
Aufgewacht zu grausen Schmerzen,
Brennt die Wunde mehr und mehr;
Und ich liege hier gebunden,
Grimm’ge Wächter um mich her.
Schrei’ ich wütend noch nach Freiheit,
Nach dem bluterkauften Glück,
Peitscht der Wächter mit der Peitsche
Mich in schnöde Ruh’ zurück.
[1827]