[1812]

In dir ringelt die Träne, auf dir lächelt das Mondlicht,

Welle, bald Woge, bald Strom, wie dich das Ufer umkränzt,

Gifttrank und lieblicher Wein, wie sich die Schale umfaßt.

Lethe wird nimmer in dir, Psychen ein Spiegel wohl oft,

Aber es tauchet der Schwan ins heilignüchterne Wasser

Trunken das Haupt, und singt sterbend dem Sternbild

den Gruß.

[1813]

Schwanenlied

Wenn die Augen brechen,

Wenn die Lippen nicht mehr sprechen,

Wenn das pochende Herz sich stillet

Und der warme Blutstrom nicht mehr quillet:

O dann sinkt der Traum zum Spiegel nieder,

Und ich hör’ der Engel Lieder wieder,

Die das Leben mir vorüber trugen,

Die so selig mit den Flügeln schlugen

Ans Geläut der keuschen Maiesglocken,

Daß sie all die Vöglein in den Tempel locken,

Die so süße, wildentbrannte Psalmen sangen:

Daß die Liebe und die Lust so brünstig rangen,

Bis das Leben war gefangen und empfangen;

Bis die Blumen blühten;

Bis die Früchte glühten,

Und gereift zum Schoß der Erde fielen,

Rund und bunt zum Spielen;

Bis die goldnen Blätter an der Erde rauschten,

Und die Wintersterne sinnend lauschten,

Wo der stürmende Sämann hin sie säet,

Daß ein neuer Frühling schön erstehet.

Stille wird’s, es glänzt der Schnee am Hügel

Und ich kühl’ im Silberreif den schwülen Flügel,

Möcht’ ihn hin nach neuem Frühling zücken,

Da erstarret mich ein kalt Entzücken –

Er erfriert mein Herz, ein See voll Wonne

Auf ihm gleitet still der Mond und sanft die Sonne

Unter den sinnenden, denkenden, klugen Sternen

Schau’ ich mein Sternbild an in Himmelsfernen;

Alle Leiden sind Freuden, alle Schmerzen scherzen

Und das ganze Leben singt aus meinem Herzen:

Süßer Tod, süßer Tod

Zwischen dem Morgen- und Abendrot.

[1815]

An den Engel in der Wüste

Ich bin durch die Wüste gezogen

Des Sandes glühende Wogen

Verbrannten mir den Fuß

Es haben die Wolken gelogen,

Es kam kein Regenguss.

Die Sonne tranck mir im Zorne

Das Wasser aus jeglichem Borne,

An dem die Reiße geruht,

Ich dürste, es leckten die Dorne

Meiner brennenden Wunden Blut.

Ich nahm den erschlagnen Kameelen

Das Wasser, das Blut aus den Kehlen

Zu retten mein Weib und Kind,

Die Schätze an Gold und Juwelen

Begrub im Sande der Wind.

Dann wühlt ich mit glühendem Schwerde

Den Kindern manch Grab in die Erde,

Erwühlte doch keinen Quell,

Ob Gott sie wohl finden werde,

Die Hyäne heulte so grell.

Ein Kind unterm Mutterherzen

Brach mit ihm, in schreienden Schmerzen,

Gebahr sie es, sterbend, dem Tod.

Es goß gleich glühend Erzen

Die Sonne mir Licht in die Noth.

Gern hätte ich Thränen getrunken,

Die Augen weinten nur Funken,

Ich wühlt noch ein Grab in den Sand,

Und bin in Verzweiflung gesunken

Ach weil ich kein Wasser fand.

Da ward ich zur wandelnden Leiche

Auf daß ich den Brunnen erreiche,

Den lezten auf glühender Bahn

Und wie ich so lechzend hinschleiche

Da brüllen die Tieger mich an.

Des Tages glühende Schwelle

Verbrannte, da kam ich zur Stelle,

Der Brunnen war trocken und todt

Es glühte zur Mitter nacht helle

Der Mond wie Kupfer so roth.

Der Tod flog auf aus der Wüste

Und schauderte, da ich ihn grüßte,

Und floh, da rief ich ihm zu,

Daß einer hier sterben müßte,

Er schrie mir: Erst lebe du!

Und heulend flog der Geselle

Wüsteinwärts mit Pfeilesschnelle

Der Sand schlug rasselnd um ihn,

Da traf mich die glühende Welle,

Ach, daß ich erblindet bin.

O Nacht ohn Anfang und Ende

Kein Stern, wo hin ich mich wende,

Kein Bogen, kein Pfeil, kein Ziel

Da rang ich wohl betend die Hände,

Bis die Decke mir nieder fiel.

Da fühlt ich das Ziel mir gekommen,

Die glühende Leiter ercklommen

Und schrie zu dem bitteren Stern,

Der Herr hat gegeben, genommen,

Gelobt sey der Wille des Herrn.

Da hört ich ein Flügelpaar klingen,

Da hört ich ein Schwanenlied singen,

Da fühlt ich ein kühlendes Wehn

Da sah ich mit thauschweren Schwingen

Den Engel der Wüste gehn.

Und als ich ihn fragend begrüste

Sag an du Engel der Wüste,

Wo find ich den Wasserquell?

Da sprach er, wer weinend büßte,

Der steht an der Brunnenschwell.

Sag an du Engel der Wüste

Wo find ich den Quell, da ich büßte,

Wo find ich Jerusalem.

Da sprach er: so ich das nicht wüste,

Käm ich nicht von Betlehem.

So folge nun streng meinem Gleiße

Du wandeltest blind nur im Kreiße

Nach Jerusalem wolltest du

Reich mir die Hand auf der Reiße

Du zogst nach Babylon zu.

Der Herr trieb tausend Meilen

Mich her, um dich zu heilen

Zu brechen mein Brod mit dir

Den Becher mit dir auch zu theilen

Wohl auf nun folge du mir.

Da kniete ich still vor ihm nieder,

Da legt er sein thauicht Gefieder

Mir kühl um das glühende Haupt

Und sang mir die Pilgerlieder

Da hab ich geliebt und geglaubt.

Da sah ich den Himmel wohl offen,

Ach Gott! kühl niedergetroffen

Kam Gnade, kam Segensfluth,

Da konnte ich endlich auch hoffen

Auf meines Erlösers Blut.

Da sang ich, reich treulich die Hände,

Nun nimmer, nimmermehr wende

O Engel der Wüste von mir

Die Augen vor meinem Ende,

Dein Kreuz ist mein Kreuz auch mir

Ein Tempel sey uns, wo wir knien,

Ein Heil sei uns, dem wir glühen

Ein Streit, ein Siegs panier

Ein Ort sey, wo wir hin ziehen

Ein Himmel sey dir und mir.

So haben wir da wohl gesungen

Und Hand in Hand da geschlungen,

Und Flügel in Flügelpaar,

Uns über die Wüste geschwungen

Die ein Garten voll Seegen war.

Dies war wohl ein innerlich Sehen

Ein innerlich Auferstehen

In mir selber erwachte der Geist

Die Wüste, das waren die Wehen

In denen mein Leben gekreißt.

All was ich verlohren, begraben,

All, was ich allein, um zu haben,

In der heißen Wüste gesucht,

Das soll mich im Geiste nun laben,

In unverbotener Frucht.

O Schimmer, o Lichter, o Farben

O Alle ihr goldenen Garben,

In Duft, in Sonne, in Thau

Ich schwelge, ich kann nicht mehr darben

Gott grüß dich, mein geistlicher Pfau

Gott grüß dich, was all ich gewesen

Kann dir in dem Spiegel ich lesen,

Kann vor dir in Thränen vergehn,

Kann vor dir in Reue genesen

Kann mit dir dann auferstehn.

Und will dieser Abend verglimmen

Laß Höher und höher uns klimmen

Auf Golgatha sinkt keine Nacht,

Es singen da ewige Stimmen

Am Kreuze, nun hab ich vollbracht.

[1816]

Der Spinnerin Nachtlied

Es sang vor langen Jahren

Wohl auch die Nachtigal,

Das war wohl süßer Schall,

Da wir zusammen waren,

Ich sing und kann nicht weinen

Und spinne so allein

Den Faden klar und rein,

So lang der Mond wird scheinen.

Da wir zusammen waren,

Da sang die Nachtigal,

Nun mahnet mich ihr Schall,

Daß du von mir gefahren.

So oft der Mond mag scheinen,

Gedenk ich dein allein,

Mein Herz ist klar und rein,

Gott wolle uns vereinen!

Seit du von mir gefahren,

Singt stets die Nachtigal,

Ich denk bei ihrem Schall,

Wie wir zusammen waren.

Gott wolle uns vereinen,

Hier spinn ich so allein,

Der Mond scheint klar und rein,

Ich sing und möchte weinen!

[1818]

Die Gottesmauer

Draus bei Schleswig vor der Pforte

Wohnen armer Leute viel,

Ach des Feindes wilder Horde

Werden sie das erste Ziel.

Waffenstillstand ist gekündet

Dänen ziehen ab zur Nacht,

Russen, Schweden stark verbündet,

Brechen her mit wilder Macht.

Draus vor Schleswig steht vor Allen

Weit ein Häuslein ausgesetzt.

Draus bei Schlesig in der Hütte

Singt ein frommes Mütterlein,

Herr, in deinen Schoos ich schütte

Alle meine Angst und Pein.

Doch ihr Enkel ohn Vertrauen,

Zwanzigjährig neuster Zeit,

Hat den Bräutigam zu schauen

Seine Lampe nicht bereit.

Draus bei Schleswig in der Hütte

Singt ein frommes Mütterlein.

Eine Mauer um uns baue

Singt das fromme Mütterlein,

Daß dem Feinde vor uns graue

Hüll’ in deine Burg uns ein

Mutter, spricht der Weltgesinnte,

Eine Mauer uns ums Haus

Kriegt unmöglich so geschwinde

Euer lieber Gott heraus.

Eine Mauer um uns baue:

Singt das fromme Mütterlein.

Enkel fest ist mein Vertrauen,

Wenns dem lieben Gott gefällt,

Kann er uns die Mauer bauen,

Was er will ist wohl bestellt.

Trommeln rommdidomm rings prasseln

Die Trompeten schmettern drein,

Rosse wiehern, Wagen rasseln,

Ach nun bricht der Feind herein,

Eine Mauer um uns baue

Singt das fromme Mütterlein.

Rings in alle Gärten brechen

Schwed’ und Russe mit Geschrei,

Lärmen, fluchen, drängen, zechen.

Doch dieß Haus ziehn sie vorbei.

Und der Enkel spricht in Sorgen

Mutter, uns verräth das Lied.

Aber sieh, das Heer vom Morgen

Bis zur Nacht vorüber zieht.

Eine Mauer um uns baue

Singt das fromme Mütterlein.

Und am Abend tobt der Winter

An das Fenster schlägt der Nord.

Schließt den Laden, liebe Kinder,

Spricht die Alte und singt fort

Aber mit den Flocken fliegen

Vier Kosackenpulke an,

Rings in allen Hütten liegen

Sechzig, auch wohl achtzig Mann.

Eine Mauer um uns baue

Singt das fromme Mütterlein

Bange Nacht voll Kriegsgetöse,

Wie es wiehert, brüllet, schwirrt,

Kantschuhhiebe, Kolbenstöße.

Weh, des Nachbars Fenster klirrt

Hurrah, Stupai, Boschkai, Kurba,

Vinu, Gleba, biba, Rack

Schreit und flucht und plackt die Turba.

Erst am Morgen zieht der Pack.

Eine Mauer um uns baue

Singt das fromme Mütterlein.

Eine Mauer um uns baue

Singt sie fort die ganze Nacht.

Morgens ward es still, o schaue

Enkel, was der Nachbar macht?

Auf nach Innen geht die Thüre,

Nimmer käm er sonst hinaus.

Daß er Gottes Allmacht spüre,

Lag der Schnee wohl Mannshoch draus

Eine Mauer um uns baue,

Sang das fromme Mütterlein!

Ja der Herr kann Mauern bauen,

Liebe fromme Mutter komm,

Gottes Mauer anzuschauen,

Sprach der Enkel und ward fromm.

Achtzehnhundert vierzehn War es,

Als der Herr die Mauer baut,

In der fünften Nacht des Jahres

Hats dem Feind vor ihr gegraut.

Eine Mauer um uns baue,

Sing ich mit dem Mütterlein.

[1832]

O Stunde, da der Schiffende bang lauert

Und sich zur Heimat sehnet an dem Tage,

Da er von süßen Freuden ist geschieden,

Da in des Pilgers Herz die Liebe trauert

Auf erster Fahrt, wenn ferner Glocken Klage

Den Tag beweinet, der da stirbt in Frieden!

[1836]

Ach alles geht vorbei

Selbst dieser Unverstand

Den ich in einer wundersel’gen Stunde,

An einer Wand empfand

Hat nicht Bestand.

Ja alles geht vorbei,

Doch daß ich auferstand

Und wie ein Irrstern ewig sie umrunde,

Ein Geist den sie gebannt,

Das hat Bestand.

Ja alles geht vorbei,

Nur dieses mag’sche Band

Aus meines Wesens tiefstem Grunde

Zu ihrem Geist gespannt,

Das hat Bestand.

Ja alles geht vorbei

Doch ihrer Güte Pfand,

Jed Wort aus ihrem reinen lieben Munde

Folgt mit ins andre Land,

Und hat Bestand.

Ja alles geht vorbei,

Nur eines ist kein Tand,

Der Geist, der mir in diesem heil’gen Bunde

Vom Himmel ward gesandt,

Der hat Bestand.

Ja alles geht vorbei,

Doch Sie, die mich erkannt,

Den Harrenden, wildfremd an Ort und Stunde,

Gieng nicht vorbei, sie stand

Reicht mir die Hand.

Ja alles geht vorbei,

Doch diese liebe Hand

Die ich in dunkler freudenheller Stunde

An meinem Herzen fand,

Die hat Bestand.

Ja alles geht vorbei,

Nur dieser heiße Brand,

In meiner Brust die bittre süße Wunde,

Die ihre Hand verband,

Die hat Bestand!

[1837]

Wie so leis die Blätter wehn

In dem lieben stillen Hain,

Sonne will schon schlafen gehn,

Läßt ihr goldnes Hemdelein

Sinken auf den grünen Rasen

Wo die schlanken Hirsche grasen

In dem roten Abendschein.

Gute Nacht, Heiapopeia

Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.

In der Quellen klarer Flut

Treibt kein Fischlein mehr sein Spiel,

Jedes sucht, wo es ruht,

Sein gewöhnlich Ort und Ziel

Und entschlummert überm Lauschen

Auf der Wellen leises Rauschen

Zwischen bunten Kieseln kühl.

Gute Nacht, Heiapopeia

Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.

Schlank schaut auf der Felsenwand

Sich die Glockenblume um,

Denn verspätet über Land

Will ein Bienchen mit Gebrumm,

Sich zur Nachtherberge melden

In den zarten blauen Zelten,

Schlüpft hinein und wird ganz stumm.

Gute Nacht, Heiapopeia

Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.

Vöglein, euer schwaches Nest

Ist das Abendlied vollbracht

Wird wie eine Burg so fest.

Fromme Vöglein schützt zur Nacht,

Gegen Katz und Marderkrallen,

Die im Schlaf sie überfallen,

Gott, der über alle wacht.

Gute Nacht, Heiapopeia

Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.

Treuer Gott, du bist nicht weit,

Und so ziehn wir ohne Harm

In die wilde Einsamkeit,

Aus des Hofes eitelm Schwarm.

Du wirst uns die Hütte bauen,

Daß wir fromm und voll Vertrauen

Sicher ruhn in deinem Arm.

Gute Nacht, Heiapopeia

Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.

[1837]

Was reif in diesen Zeilen steht,

Was lächelnd winkt und sinnend fleht,

Das soll kein Kind betrüben,

Die Einfalt hat es ausgesäet,

Die Schwermut hat hindurchgeweht,

Die Sehnsucht hat’s getrieben;

Und ist das Feld einst abgemäht,

Die Armut durch die Stoppeln geht,

Sucht Ähren, die geblieben,

Sucht Lieb’, die für sie untergeht,

Sucht Lieb’, die mit ihr aufersteht,

Sucht Lieb’, die sie kann lieben,

Und hat sie einsam und verschmäht

Die Nacht durch dankend in Gebet

Die Körner ausgerieben,

Liest sie, als früh der Hahn gekräht,

Was Lieb’ erhielt, was Leid verweht,

Ans Feldkreuz angeschrieben,

O Stern und Blume, Geist und Kleid,

Lieb’, Leid und Zeit und Ewigkeit!

[1838]

Auf dem Rhein

Ein Fischer saß im Kahne,

Ihm war das Herz so schwer

Sein Lieb war ihm gestorben,

Das glaubt er nimmermehr.

Und bis die Sternlein blinken,

Und bis zum Mondenschein

Harrt er sein Lieb zu fahren

Wohl auf dem tiefen Rhein.

Da kommt sie bleich geschlichen,

Und schwebet in den Kahn

Und schwanket in den Knieen,

Hat nur ein Hemdlein an.

Sie schimmern auf den Wellen

Hinab in tiefer Ruh’,

Da zittert sie, und wanket,

Feinsliebchen, frierest du?

Dein Hemdlein spielt im Winde,

Das Schifflein treibt so schnell,

Hüll’ dich in meinen Mantel,

Die Nacht ist kühl und hell.

Stumm streckt sie nach den Bergen

Die weißen Arme aus,

Und lächelt, da der Vollmond

Aus Wolken blickt heraus.

Und nickt den alten Türmen

Und will den Sternenschein

Mit ihren starren Händlein

Erfassen in dem Rhein.

O, halte dich doch stille,

Herzallerliebstes Gut!

Dein Heimdlein spielt im Winde,

Und reißt dich in die Flut.

Da fliegen große Städte,

An ihrem Kahn vorbei,

Und in den Städten klingen

Wohl Glocken mancherlei.

Da kniet das Mägdlein nieder,

Und faltet seine Hand,

Aus seinen hellen Augen

Ein tiefes Feuer brennt.

Feinsliebchen, bet’ hübsch stille,

Schwank’ nicht so hin und her,

Der Kahn möcht’ uns versinken,

Der Wirbel reißt so sehr.

In einem Nonnenkloster

Da singen Stimmen fein,

Und aus dem Kirchenfenster

Bricht her der Kerzenschein.

Da singt Feinslieb gar helle,

Die Metten in dem Kahn,

Und sieht dabei mit Tränen

Den Fischerknaben an.

Da singt der Knab’ gar traurig

Die Metten in dem Kahn

Und sieht dazu Feinsliebchen

Mit stummen Blicken an.

Und rot und immer röter

Wird nun die tiefe Flut,

Und bleich und immer bleicher

Feinsliebchen werden tut.

Der Mond ist schon zerronen

Kein Sternlein mehr zu sehn,

Und auch dem lieben Mägdlein

Die Augen schon vergehn.

Lieb Mägdlein, guten Morgen,

Lieb Mägdlein gute Nacht!

Warum willst du nun schlafen,

Da schon der Tag erwacht?

Die Türme blinken sonnig,

Er rauscht der grüne Wald,

In wildentbrannten Weisen,

Der Vogelsang erschallt.

Da will er sie erwecken,

Daß sie die Freude hör’,

Er schaut zu ihr hinüber,

Und findet sie nicht mehr.

Ein Schwälblein strich vorüber,

Und netzte seine Brust,

Woher, wohin geflogen,

Das hat kein Mensch gewußt.

Der Knabe liegt im Kahne

Läßt alles Rudern sein,

Und treibet weiter, weiter

Bis in die See hinein.

Ich schwamm im Meeresschiffe

Aus fremder Welt einher,

Und dacht’ an Lieb und Leben,

Und sehnte mich so sehr.

Ein Schwälblein flog vorüber,

Der Kahn schwamm still einher,

Der Fischer sang dies Liedchen,

Als ob ich’s selber wär’.

[1840]

Wie wird mir? Wer wollte wohl weinen

Wenn winkend aus wiegenden See

So sinnend die Sternlein scheinen,

Werd heiter, weich weiter du wildwundes Weh.

Komm Kühle, Komm küsse den Kummer

Süß säuselnd von sinnender Stirn

Schlaf schleiche, und schleire mit Schlummer

Die Schmerzen die schwühl mir die Seele umschwirrn

Flöß flehend du Flötengeflüster

Mir Himmel und Heimath ans Herz

Leucht lieblich und lispele düster

Und fächle, daß lächle im Schlummer der Schmerz

Sieh, sind schon die Sonnen gesuncken,

Glück glimmet in Abendlichts Glut

Und Finsterniß feiert mit Funcken

Licht locket ins Leben das liebende Blut.

Wir wancken in wohnsamer Wiege

Wind weht wohl ein Federlein los

Wie’s wehe, wie’s fliege, wie’s liege

Fein fiel es und spielt es dem Vater im Schoos.

[1846]

Laß rauschen, Lieb, laß rauschen

Ich hört ein Sichlein rauschen,

Wohl rauschen durch das Korn,

Ich hört ein Mägdlein klagen,

Sie hätt ihr Lieb verlorn

Laß rauschen, Lieb, laß rauschen,

Ich acht nicht, wie es geht,

Ich thät mein Lieb vertauschen

In Veilchen und im Klee.

Du hast ein Mägdlein worben

In Veilchen und im Klee,

So steh ich hier alleine,

Thut meinem Herzen weh.

Ich hör ein Hirschlein rauschen

Wohl rauschen durch den Wald,

Ich hör mein Lieb sich klagen,

Die Lieb verrauscht so bald.

Laß rauschen, Lieb, laß rauschen,

Ich weiß nicht, wie mir wird,

Die Bächlein immer rauschen,

Und keines sich verirrt.

Lureley

Zu Bacharach am Rheine,

Wohnt eine Zauberin,

Sie war so schön und feine

Und riss viel Herzen hin,

Und machte viel zu Schanden

Der Männer rings umher,

Aus ihren Liebesbanden

War keine Rettung mehr.

Der Bischoff ließ sie laden

Vor geistliche Gewalt,

Und mußte sie begnaden,

So schön war ihr Gestalt.

Er sprach zu ihr gerühret,

Du arme Lore Lay.

Wer hat dich dann verführet

Zu böser Zauberei.

Herr Bischoff laßt mich sterben,

Ich bin des Lebens müd,

Weil jeder muß verderben

Der meine Augen sieht.

Die Augen sind zwei Flammen,

Mein Arm ein Zauberstab,

O schickt mich in die Flammen,

O brechet mir den Stab.

Den Stab kann ich nicht brechen,

Du schöne Lore Lay,

Ich müßte dann zerbrechen,

Mein eigen Herz entzwei.

Ich kann dich nicht verdammen,

Bis du mir erst bekennt

Warum in deinen Flammen

Mein eignes Herz schon brennt.

Herr Bischof mit mir Armen

Treibt nicht so bösen Spott,

Und bittet um Erbarmen

Für mich den lieben Gott,

Ich darf nicht länger leben,

Ich lieb kein Leben mehr,

Den Tod sollt ihr mir geben,

Drum kam ich zu euch her

Ein Mann hat mich betrogen,

Hat sich von mir gewandt,

Ist fort von mir gezogen

Fort in ein andres Land.

Die Blicke sanft und wilde,

Die Wangen roth und weiß,

Die Worte still und milde,

Die sind mein Zauberkreis.

Ich selbst muß drinn verderben,

Das Herz thut mir so weh,

Vor Jammer mögt ich sterben,

Wenn ich zum Spiegel seh.

Drum laßt mein Recht mich finden,

Mich sterben, wie ein Khrist,

Denn Alles muß verschwinden

Weil er mir treulos ist.

Drei Ritter ließ er holen:

Bringt sie ins Kloster hin,

Geh Lore! Gott befohlen,

Sey dein bedrückter Sinn.

Du sollst ein Nönnchen werden,

Ein Nönnchen schwarz und weiß,

Bereite dich auf Erden

Zum Tod mit Gottes Preiß.

Zum Kloster sie nun ritten

Die Ritter alle drei,

Und traurig in der Mitten

Die schöne Lore Lay.

O Ritter laßt mich gehen,

Auf diesen Felsen groß,

Ich will noch einmal sehen,

Nach meines Buhlen Schlos,

Ich will noch einmal sehen

Wohl in den tiefen Rhein,

Und dann ins Kloster gehen,

Und Gottes Jungfrau sein.

Der Felsen ist so jähe,

So steil ist seine Wand,

Sie klimmen in die Höhe,

Da tritt sie an den Rand,

Und sprach: Willkomm, da wehet

Ein Segel auf dem Rhein,

Der in dem Schifflein stehet,

Der soll mein Liebster sein.

Mein Herz wird mir so munter,

Er muß der Liebste sein,

Da lehnt sie sich hinunter

Und stürzet in den Rhein.

Es fuhr mit Kreuz und Fahne

Das Schifflein an das Land,

Der Bischof saß im Kahne,

Sie hat ihn wohl erkannt.

Daß er das Schwerd gelassen,

Dem Zauber zu entgehen,

Daß er zum Kreuz thät fassen,

Das konnt sie nicht verstehn.

Wer hat dies Lied gesungen

Ein Priester auf dem Rhein

Und immer hat’s geklungen,

Vom hohen Felsen Stein

Lureley

Lureley

Lureley

Als wären es meiner drei!

Wenn ich ein Vöglein wär

Wenn ich ein Vöglein wär,

Und auch zwei Flüglein hätt,

Flög ich zu dir;

Weils aber nicht kann seyn,

Bleib ich allhier.

Bin ich gleich weit von dir,

Bin ich doch im Schlaf bei dir,

Und red mit dir;

Wenn ich erwachen thu,

Bin ich allein.

Es vergeht keine Stund in der Nacht,

Da mein Herze nicht erwacht,

Und an dich gedenkt,

Daß du mir viel tausendmal

Dein Herze geschenkt.

Wiegenlied

Singet leise, leise, leise,

Singt ein flüsternd Wiegenlied,

Von dem Monde lernt die Weise,

Der so still am Himmel zieht.

Denn es schlummern in dem Rheine

Jetzt die lieben Kindlein klein,

Ameleya wacht alleine

Weinend in dem Mondenschein.

Singt ein Lied so süß gelinde,

Wie die Quellen auf den Kieseln,

Wie die Bienen um die Linde

Summen, murmeln, flüstern, rieseln.

FRIEDRICH GOTTLOB WETZEL

Das Sonnett

An den Herausgeber eines poetischen Almanachs.

Sonnette willst du? Pochst auf mein Versprechen?

Gut! mit Sonnetten will ich dich ersäufen;

Einmal ums andre springt durch 14 Reifen

Dein flinker Freund, mag’s biegen oder brechen!

O edle Kunst! aus leerem Glase zechen,

So den Gedanken unterm Arm zu greifen,

Die eben auf dem letzten Loche zu pfeifen –

Ach, à propos! vom letzten Loch zu sprechen –

Da blas’ ich selber drauf – ich fall’ins Wasser

Mit meinem Klinggedicht – das geht ums Leben –

Packs nur beim Haar und hilf mir ziehn und rucken –

Siehst du, es wird? – Nun einen Reim auf Wasser!

Auf Wasser, seh’ich, reimt sich Wasser eben –

Gelt? So ‘n Sonnett kann tüchtig Wasser schlucken?

Philosophische Poesie

In allen Dingen walten drei Potenzen,

Unendlich, endlich, ewig sind die Namen,

Woraus das All besteht auf Ja und Amen,

Als die Indifferenz der Differenzen.

Vor G – macht die gehör’gen Reverenzen,

Denn Er, das große A, ist ja der Saamen,

Daraus so schöne Redensarten kamen,

Contractions-Expansions-Tendenzen.

Doch nicht nur oben in der Sphären Läufen

Will die Identität sich offenbaren,

Dem Organismus auch kömmt was zu Gute.

Und daß wir Licht und Schwerkraft ganz begreifen,

So hat ein Pol den andern bei den Haaren,

Im kleinsten Winde bläst das Absolute.

KAROLINE VON GÜNDERRODE

Liebe

O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen!

In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen.

In Stummheit Sprache,

Schüchtern bei Tage,

Siegend mit zaghaftem Bangen.

Lebendiger Tod, im Einen sel’ges Leben

Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben,

Genießend schmachten,

Nie satt betrachten

Leben im Traum und doppelt Leben.

[1804]

Der Adept

Ein Weiser, der schon viel erforschet,

Doch nie des Forschens müde war,

Gelangte einst zum Indier Lande,

Nach manchem langen Wandrungsjahr.

Die Priester dieses Landes rühmen

Sich viel geheimer Wissenschaft,

Sie wissen Seyn und Schein zu trennen,

Und kennen aller Dinge Kraft.

Zum Schüler läßt sich Valus weihen,

Verbindet sich durch einen Eid,

Geheimnißvoll, zu diesem Orden,

Wie es der Priester ihm gebeut.

Wie eitel all sein vorig Wissen;

Das siehet bald schon Valus ein,

Kannt’ er doch nie der Dinge Seele

Begnügt’ an Namen sich und Schein.

Eins sieht er nun in jeder Summe,

Sieht den Naturgeist immer neu

Und immer alt in ew’gem Wandel

Wie er in allen Formen sey.

Jetzt kann er die Natur belauschen,

Er kann ihr tiefstes Wirken schaun,

Weiß, wie die Stoffe sich vermählen

Und wie die Erden sich erbaun.

Jetzt giebt man ihm die dritte Weihe,

Ein Vorzug wen’ger Weisen nur;

Denn sie, die alles sonst durchschauten

Beherrschen jetzo die Natur.

Nachdem er dreimal so geweihet,

Hat er den großen Schritt gethan,

Der seines Lebens lange Reise

Geschieden von der Menschheit Bahn.

Viel Zeiten gehn an ihm vorüber,

Er siehet die Geschlechter fliehn,

Und bleibt allein in allem Wandel,

Indes die Dinge kommen, ziehn.

Nachdem er oft den Kreis gesehen

Den immer die Natur gemacht,

Ergreiffen Schauer seine Seele,

Denn Alles kehrt wie Tag und Nacht.

Der Neuheit Reiz ist ihm verlohren,

Er kennet was die Erde trägt,

Er findet sich allein auf Erden,

Die Menschen sind nicht sein Geschlecht.

Geleert hat er des Lebens Becher

Und lebet immer, immer fort,

Er kann dem Meere nicht entsteigen

Und hat gelandet doch im Port.

Weh’ dem! ruft er: der auf dem Gipfel

Des Daseyns also stille steht.

Nicht Ew’ges kann der Mensch ertragen,

Und wohl ihm, wenn er auch vergeht.

Der Kuß im Träume

Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,

Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten,

Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten,

Daß neue Wonne meine Lippe saugt.

In Träume war solch Leben eingetaucht,

Drum leb’ ich, ewig Träume zu betrachten,

Kann aller andern Freuden Glanz verachten,

Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.

Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,

Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen

Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.

Drum birg dich Aug’ dem Glanze irrd’scher Sonnen!

Hüll’ dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen

Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluthen.

Die eine Klage

Wer die tiefste aller Wunden

Hat in Geist und Sinn empfunden

Bittrer Trennung Schmerz;

Wer geliebt, was er verlohren,

Lassen muß was er erkohren,

Das geliebte Herz,

Der versteht in Lust die Thränen

Und der Liebe ewig Sehnen

Eins in Zwei zu sein,

Eins im Andern sich zu finden,

Daß der Zweiheit Gränzen schwinden

Und des Daseins Pein.

Wer so ganz in Herz und Sinnen

Konnt’ ein Wesen lieb gewinnen,

Oh! den tröstet’s nicht,

Daß für Freuden, die verlohren,

Neue werden neu gebohren:

Jene sind’s doch nicht.

Das geliebte, süße Leben,

Dieses Nehmen und dies Geben,

Wort und Sinn und Blick,

Dieses Suchen und dies Finden,

Dieses Denken und Empfinden

Giebt kein Gott zurück.

Überall Liebe

Kann ich im Herzen heiße Wünsche tragen?

Dabei des Lebens Blüthenkränze sehn,

Und unbegränzt daran vorüber gehn.

Und muß ich traurend nicht in mir verzagen?

Soll frevelnd ich dem liebsten Wunsch entsagen?

Soll muthig ich zum Schattenreiche gehn?

Um andre Freuden andre Götter flehn,

Nach neuen Wonnen bei den Todten fragen?

Ich stieg hinab, doch auch in Plutons Reichen,

Im Schoos der Nächte, brennt der Liebe Glut,

Daß sehnend Schatten sich zu Schatten neigen.

Verlohren ist wen Liebe nicht beglücket,

Und stieg er auch hinab zur styg’schen Flut,

Im Glanz der Himmel blieb er unentzücket.

Zueignung

Ich habe Dir in ernsten stillen Stunden,

Betrachtungsvoll in heil’ger Einsamkeit,

Die Blumen dieser und vergangner Zeit,

Die mir erblüht, zu einem Kranz gewunden.

Von Dir, ich weiß es, wird der Sinn empfunden,

Der in des Blüthenkelchs Verschwiegenheit

Nur sichtbar wird dem Auge, das geweiht

Im Farbenspiel den stillen Geist gefunden.

Es flechten Mädchen so im Orient

Den bunten Kranz; daß Vielen er gefalle,

Wetteifern unter sich die Blumen alle.

Doch Einer ihren tiefern Sinn erkennt,

Ihm sind Symbole sie nur, äußre Zeichen;

Sie reden ihm, obgleich sie alle schweigen.

ACHIM VON ARNIM

Wie die Stunden rennen

Mir an ihrer Seit,

Auf der Zunge brennen

Lieb und Heimlichkeit;

Soll ich ihr bekennen,

Was im Herzen brennt?

Und wie soll ich nennen,

Was sie noch nicht kennt?

Herz sei doch zufrieden

Sie still anzusehn,

Würden wir geschieden

Müßtest du vergehn;

Schweige, noch hienieden

Ward es nicht so schön,

Daß in selgem Frieden

Zweie sich ansehn.

Wie die Stunden schleichen

Fern von ihr verbracht,

Gib ein einzig Zeichen

Sternenhelle Nacht,

Gib ein einzig Zeichen

Ob sie wiederliebt,

Frühling soll verstreichen

Und kein Zeichen gibt.

Und die Sterne lachen

Mich zum Hohne an,

Und der Mondennachen

Mir nicht helfen kann,

Ruhlos treibt der Nachen

Durch die Sterne hin,

Schiffer, du mußt wachen,

Schlafen wär Gewinn

Denn ich könnte träumen

Diese Welt so schön,

Säh zu selgen Räumen

In der Nacht Getön

Nachtigall auf Bäumen,

Dich versteh ich nun,

Willst das Feld nicht räumen,

Kannst darin nicht ruhn!

Ja die Welt wird öde,

Ja die Welt wird leer,

Morgengold so schnöde

Drückt mein Auge schwer,

Was beim Abendröten

Schien gewitternd her,

Noch beim Morgenröten

Macht die Luft so schwer.

Und ich saug mit Listen

Diese Schwüle ein

Mich ganz zu vergiften

In dem Feuerwein,

Will als Blitzstrahl rüsten

Mich mit Trotzes Schein,

Doch aus allen Lüften

Mehrt sich meine Pein

Meine Tränen rinnen,

Halte sie nicht mehr,

Wer kann es ersinnen,

Wo sie kommen her?

Kann ich mich besinnen,

Wo sie fließen hin,

Wenn mit leichten Sinnen

Ich bei ihr bald bin!

[1808]

Mir ist zu licht zum Schlafen,

Der Tag bricht in die Nacht

Die Seele ruht im Hafen

Ich bin so froh verwacht.

Ich hauchte meine Seele

Im ersten Kusse aus,

Was ist’s, daß ich mich quäle,

Ob sie auch fand ein Haus.

Sie hat es wohl gefunden,

Auf ihren Lippen schön,

O welche sel’ge Stunden,

Wie ist mir so geschehn.

Was soll ich nun noch sehen,

Ach alles ist in ihr,

Was fühlen, was erflehen,

Es ward ja alles mir.

Ich habe was zu sinnen,

Ich hab’, was mich beglückt,

In allen meinen Sinnen

Bin ich von ihr entzückt.

[1809]

Getrennte Liebe

Zwei schöne liebe Kinder,

Die hatten sich so lieb,

Daß eines dem andern im Winter

Mit Singen die Zeit vertrieb,

Diesseit und Jenseit am Wasserfall

Höret ihr immer den Doppelschall.

Der Winter bauet Brücken,

Sie beide hat vereint,

Und jedes mit frohem Entzücken

Die Brücke nun ewig meint;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Wohnten die Eltern getrennt im Tal.

Der Frühling ist gekommen,

Das Eis will nun aufgehn,

Da werden sie beide beklommen,

Die laulichen Winde wehn;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Stürzen die Bäche mit wildem Schall.

Was hilft der helle Bogen,

Womit der Fall entzückt,

Von ihnen so liebreich erzogen,

Zum erstenmal bunt geschmückt;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Höret sie klagen getrennt im Tal.

Die Vögel über fliegen,

Die Kinder traurig stehn,

Und müssen sich einsam begnügen

Einander von fern zu sehn;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Kreuzen die Schwalben mit lautem Schall.

Sie möchten zusammen mit Singen,

So wie der Vögel Brut,

Den himmlischen Frühling verbringen,

Das Scheiden so wehe tut;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Sehn sie sich endlich zum letztenmal.

Der Knabe kriegt zur Freude

Ein Röckchen wie ein Mann,

Das Mädchen ein Kleidchen von Seide

Nun gehet die Schule an;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Gehen sie zum Kloster bei Glockenschall.

Sie sahn sich lang nicht wieder,

Sie kannten sich nicht mehr,

Das Mädchen mit vollem Mieder,

Der Knabe ein Mönch schon wär;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Kamen und riefen sie sich im Tal.

Das Mädchen ruft so helle,

Der Knabe singt so tief;

Verstehen sich endlich doch schnelle,

Als alles im Hause schlief;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Springen im Mondschein die Fische all.

Froh in der nächtgen Frische,

Sie kühlen sich im Fluß,

Sie können nicht schwimmen wie Fische,

Und suchen sich doch zum Kuß;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Reißen die Strudel sie fort mit Schall.

Die Eltern hören singen

Und schaun aus hohem Haus,

Zwei Schwäne im Sternenschein ringen

Zum Dampfe des Falls hinaus;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Hören sie Echo mit lautem Schall.

Die Schwäne herrlich sangen

Ihr letztes schönstes Lied,

Und leuchtende Wölkchen hangen,

Manch Engelein nieder sieht;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Schwebt wie Blüte ein süßer Schall.

Der Mond sieht aus dem Bette

Des glatten Falls empor,

Die Nacht mit der Blumenkette

Erhebet zu sich dies Chor;

Diesseit und jenseit am Wasserfall

Grünt es von Tränen nun überall.

[1810]

Ahndungen

Thema: Was nur heilge Geister ahnen,

Glaubst du dein, du winzig Ding?

Deine Mittel sind gering,

Größern musst du Wege bahnen.

Glosse. Wie? Du weißt, was uns verborgen?

Dringt die Klugheit deines Blicks

Ins Geheimnis des Geschicks?

Stehst du schon im hellen Morgen,

Wo wir nächtlich weglos sorgen?

Kennst du deine Untertanen?

Ach zu deines Wahnsinns Bahnen

Willst du große Völker zwingen!

Armer, du mußt selbst vollbringen,

Was nur heilge Geister ahnen.

Als Prometheus Feuer stahl

Aus der Sonne ewgem Schein,

Meinte er ein Gott zu sein,

Seiner Menschen Angst und Qual

War des Stolzen Freudenmahl!

Als er an dem Felsen hing,

Angeschmiedet an den Ring,

Sprach ein Menschlein ihm zum Spotte:

Feuer, das du stahlst dem Gotte,

Meinst du dein, du winzig Ding?

Und Prometheus starrte auf,

Wollt vernichten, was er schuf,

Doch vergebens war sein Ruf,

Alles hatte ew’gen Lauf

Seit der heilgen Feuertauf,

Nur er selber, er verging!

Wer mit sich die Welt anfing,

Wer sich gegen sie verschwor,

Muß ihr dienen als ein Tor,

Seine Mittel sind gering.

Frevle rasch zu deinem Ziel,

Hast mich immer langeweilt,

Wo du Sieg und Kranz ereilt,

Denn es war nur höhres Spiel,

Bahn zu sprengen dem Gefühl,

Das da folgt den heilgen Fahnen,

Unsrem Volke, unsren Ahnen,

Nahe deinem höchsten Glanze,

Fällt im Frost das Laub vom Kranze,

Größern mußt du Wege bahnen.

[1812]

Dichterlohn

Die Sängerin und ihre kleinen Lieder

Die kleinen Nachtigallen im Nest.

1.

Ach Mutter ist die Welt so kalt,

So leer und kalt wie unser Nest?

Warum log uns des Traums Gestalt

Von warmen Blütenduft im West?

2.

Wie warm war unser erstes Haus,

Wie kalt ist Nest und Himmelblau,

Aus kleinen Fenstern sah’n wir aus,

Da schien so warm die blaue Au.

3.

Und unbekannt war Hungersnot,

Die Träume buhlten mit Genuss,

Ach Mutter! drücke uns doch tot,

Denn Klage ward der Lebensgruß.

Lehrgedicht an die Jugend

Ganz in allem gegenwärtig

Sei es Ernst und sei es Spiel,

Ist Natur des Winks gewärtig,

Der ihr zeigt des Strebens Ziel:

Gestern noch in Mädchenspielen

Gleitet Sie auf Eis mit Lust;

Frühling kommt, Sie lernet fühlen,

Fromme Milch schwellt ihre Brust.

Sohn, Sie folget deinen Winken,

Du der Geister Auge bist,

Lasse nicht dein Auge sinken,

Irrend Sie dich bald vermißt;

Sprachrohr aller guten Geister

Sei bereit und nicht zerstreut,

Wenn der ew’ge Himmelsmeister

Dich mit mächt’gem Wort erfreut.

Willst du was, ergib dein Leben,

Es mit ganzer Seele treib,

Vieles wird sich dir ergeben,

Vieles wird ein Zeitvertreib.

Doch das meiste wird dich fliehen,

Wo der Schein dich schnell besiegt,

Vor des Geistes Vollerglühen

Falsches Gold wie Rauch verfliegt.

Eh du kannst die Welt bezwingen,

Bilde dich mit Fleiß an ihr,

Und gar stille Freuden dringen,

Aus dem frommen Dienst zu dir,

Wer zu dienen erst verstanden

Wird zum Herrschen dann geschickt,

Nur aus vieler Formen Banden

Steigt des Gottes Bild geglückt.

Weil er alle Welt muss fühlen

Reift der höhre Mensch auch spät,

Stürme grimmig in ihm wühlen,

Ihn begeistert, was da weht.

Bis er nach dem langen Stimmen

Das Bestimmte trifft und kennt,

In der Welt verschiednen Stimmen

Dann vereinet, was getrennt.

Deine Stimme in den Chören

Klingt, obgleich es keiner weiß,

Nur dich opfern, ihn zu ehren,

kannst du diesem höhern Kreis,

Und sein Geist wird ohn dein Wissen

Dann zu lenken dich verstehn,

Denn er ist wie das Gewissen,

Lässt sich auch nur strafend sehn.

Das Bestimmte muss er ehren,

Umriß bleibt des Schicksals Sinn,

Muß das Unbestimmte stören,

Denn der Ärger bildet drin;

Schonen darf er nicht die Kranken,

Doch Erinnrung macht ihn zart,

Wenn die Kräfte sich auszanken,

Art läßt endlich nicht von Art.

Liebe dich nicht im Verziehen,

Liebe dich in harter Streng,

Harter Stoff kann dauernd glühen,

Welcher Sinn beschließ uns eng:

Weicher Stoff kann sich verwandeln,

Harter Stoff gibt die Gestalt,

Und so herrscht im Denken, Handeln

Fest besonnene Gewalt.

Denke aus, was dich erschrecket,

Also unterwirfst du’s dir,

Und der böse Geist der necket

Wird zum lust’gen Diener schier.

Sei im Geiste dir getreuer

Und der Geist läßt dich allein,

Ja er ist vor dir noch scheuer,

Als du magst gewesen sein.

Suche nie dich zu betäuben,

Horche jedem Herzensschlag,

Denn die Mühle mag wohl stäuben,

Doch zu treiben sie vermag;

Und die Räder gehn zu hörbar,

Ehe noch der jüngste Tag

Kommt Gedächtnis unzerstörbar

Aus dem Rausche dumpf und wach.

In dem Lernen sei ein Schaffen,

In der Tat für andre Lehr,

Stets dein Urteil unter Waffen,

Und Gefühl zur Gegenwehr.

Muss die Sonn sich ewig drehen,

Glück ist nicht in träger Ruh,

Denn die Füße sind zum Gehen,

Geh auf eignen Füßen zu.

Scheint es auch, das Hohe falle,

Scheint es doch von Sternen auch,

Doch die Sterne wieder wallen

Ruhig nach dem alten Brauch,

Schau ihr Fehlen nicht mit Ärger

Nein versteh ein göttlich Herz,

Unter Wolken sie verbergen

Ihren Freunden nur den Schmerz.

Fühle Trost in jungen Jahren

An dem Gott im Menschenkleid,

Manche sich durch Schrift bewahren,

Einer lebt in unsrer Zeit:

Will er mild den Arm dir reichen

Drück ihn nicht wie andre Freund,

Glück, das paart sich nur in Gleichen,

Gott ist mehr als Menschenfreund.

Und erscheint als Gott dir image

Auf der Menschheit höherm Thron,

O so glaub der Abendröte,

Werd nicht rot vor ihm mein Sohn;

Rüstig dann mit tücht’gen Händen,

Wirst du frisch zum eignen Werk,

Was vollendet kann nicht enden,

Zum Vollenden fühl die Stärk.

Überlass dich deinem Gotte,

Fühle was du selber bist,

Was noch taugt, das trotzt dem Spotte

Roheit schlecht bestanden ist:

Lass dich gern empfindsam schelten,

Sei es wie die Weltgeschicht,

Tief empfindsam sind die Helden,

Nur der Sklav empfindet’s nicht.

Liebeszweifel

Ob ich liebe, möcht ich wissen!

Ruhest Du in meinen Armen

Sinkt Dein Auge ohn Erbarmen

Nieder auf das selge Kissen.

Wie bei Sonnenfinsternissen

Alle muntern Vögel schlafen

Also fühl ich mich entschlafen

Will Dein Aug mich nicht begrüßen.

Ob ich liebe, möchte ich wissen!

Bin ich ganz mit mir alleine

Nenne ich Dich stets die Meine

Und muß immer Dich vermissen,

Dem magnetschen Schlaf entrissen

Muß ich wie Dein Traumbild leben,

Die Gedanken, dir ergeben

Lockst Du ab zu fernen Küssen.

Ritt im Mondenschein

Herz zum Herzen ist nicht weit

Unter lichten Sternen,

Und das Aug, von Tau geweiht,

Blickt zu lieben Fernen;

Unterm Hufschlag klingt die Welt

Und die Himmel schweigen

Zwischen beiden mir gesellt

Will der Mond sich zeigen.

Zeigt sich heut in roter Glut

An dem Erdenrande,

Gleich als ob mit heißem Blut

Er auf Erden lande.

Doch nun flieht er scheu empor,

Glänzt in reinem Lichte,

Und ich scheue mich auch vor

Seinem Angesichte.

ADELBERT VON CHAMISSO

Tragische Geschichte

’s war einer, dem’s zu Herzen ging,

Daß ihm der Zopf so hinten hing,

Er wollt’ es anders haben.

So denkt er denn: »Wie fang’ ich’s an?

Ich dreh’ mich um, so ist’s getan – «

Der Zopf, der hängt ihm hinten.

Da hat er flink sich umgedreht,

Und wie es stund, es annoch steht –

Der Zopf, der hängt ihm hinten.

Da dreht er schnell sich anders ’rum,

’s wird aber noch nicht besser drum –

Der Zopf, der hängt ihm hinten.

Er dreht sich links, er dreht sich rechts,

Es tut nichts Gut’s, es tut nichts Schlecht’s –

Der Zopf, der hängt ihm hinten.

Er dreht sich wie ein Kreisel fort,

Es hilft zu nichts, in einem Wort –

Der Zopf, der hängt ihm hinten.

Und seht, er dreht sich immer noch,

Und denkt: »Es hilft am Ende doch – «

Der Zopf, der hängt ihm hinten.

[1826]

Das Schloß Boncourt

Ich träum’ als Kind mich zurücke

Und schüttle mein greises Haupt;

Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder,

Die lang’ ich vergessen geglaubt?

Hoch ragt aus schatt’gen Gehegen

Ein schimmerndes Schloß hervor;

Ich kenne die Türme, die Zinnen,

Die steinerne Brücke, das Tor.

Es schauen vom Wappenschilde

Die Löwen so traulich mich an;

Ich grüße die alten Bekannten

Und eile den Burghof hinan.

Dort liegt die Sphinx am Brunnen,

Dort grünt der Feigenbaum,

Dort, hinter diesen Fenstern,

Verträumt’ ich den ersten Traum.

Ich tret’ in die Burgkapelle

Und suche des Ahnherrn Grab;

Dort ist’s, dort hängt vom Pfeiler

Das alte Gewaffen herab.

Noch lesen umflort die Augen

Die Züge der Inschrift nicht,

Wie hell durch die bunten Scheiben

Das Licht darüber auch bricht.

So stehst du, o Schloß meiner Väter,

Mir treu und fest in dem Sinn,

Und bist von der Erde verschwunden,

Der Pflug geht über dich hin.

Sei fruchtbar, o teurer Boden,

Ich segne dich mild und gerührt,

Und segn’ ihn zwiefach, wer immer

Den Pflug nun über dich führt.

Ich aber will auf mich raffen,

Mein Saitenspiel in der Hand,

Die Weiten der Erde durchschweifen

Und singen von Land zu Land.

[1827]

Der Invalid im Irrenhaus

Leipzig, Leipzig! arger Boden,

Schmach für Unbill schafftest du.

Freiheit! hieß es, vorwärts, vorwärts!

Trankst mein rotes Blut, wozu?

Freiheit! rief ich, vorwärts, vorwärts!

Was ein Tor nicht alles glaubt!

Und von schwerem Säbelstreiche

Ward gespalten mir das Haupt.

Und ich lag, und abwärts wälzte

Unheilschwanger sich die Schlacht;

Über mich und über Leichen

Sank die kalte, finstre Nacht.

Aufgewacht zu grausen Schmerzen,

Brennt die Wunde mehr und mehr;

Und ich liege hier gebunden,

Grimm’ge Wächter um mich her.

Schrei’ ich wütend noch nach Freiheit,

Nach dem bluterkauften Glück,

Peitscht der Wächter mit der Peitsche

Mich in schnöde Ruh’ zurück.

[1827]