Die zwei Grenadiere

(April 1814)

Der Erste

Sie lassen uns verzweifelt warten!

Zu Fontain’bleau schlägt Mitternacht.

Der Zweite

Geduld! In dieses Schlosses Garten

Ziehn wir nicht wieder auf die Wacht.

Der Erste

Nach Elba morgen! Gut! es sind

Uns schon genehm Italiens Auen!

Der Zweite

Wir Bärenmützen folgen blind,

Gelt’s Moskau abermals zu schauen.

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Der Erste

Italiens Feld, – Ägyptens Sande, –

Der Sonnentagvon Austerlitz, –

Das Rauchgewölk von Moskaus Brande, –

Leipzig, – Paris, –

Der Zweite

Da traf der Blitz!

Der Erste

Ein schwindlig märchenhafter Zug;

Und dieses Ende solcher Taten!

Der Zweite

Wir hatten Pulver noch genug;

Sie haben uns verkauft, verraten!

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Der Erste

Wird denn die Freiheit, wenn der Kaiser

Dem Thron entsagt hat, wieder wach?

Der Zweite

Nicht doch! sie jauchzen schon sich heiser

Dort ihrem Findelkönig nach.

Der Erste

Der Kronen wie Almosen gab

Und spielte mit den goldnen Reifen,

Legt nun die Krone selber ab!

Der Zweite

Sie ekelt ihn, ich kann’s begreifen.

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Der Erste

Erhellt ein Fenster nur dort oben,

Wie ausgestorben ist das Schloß,

Davongeschlichen und verstoben

Des Hofgeschmeißes knecht’scher Troß.

Der Zweite

Das kriecht nun um den neuen Herrn;

Es hat kein Herz, nur einen Magen,

Und will des Adlers Federn gern

Verschachern, den der Blitz erschlagen.

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Der Erste

Die er gefürstet und bereichert,

An die der Sold des Blutes kam, …

Der Zweite

Sie retten, was sie eingespeichert,

Und desertieren ohne Scham.

Der Erste

Wir aber, die wir allzumal

Für sie bezahlt, was sie erwarben, …

Der Zweite

Wir bleiben bei dem Korporal

Und retten trutzig unsre Narben.

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Der Erste

Mein Blut hat oft genug geflossen,

Ich sehnte mich der Heimat zu.

Der Zweite

Ich bin zerhauen und zerschossen,

Und wohl bedurft’ ich jetzt der Ruh’.

Beide

Fahr hin! fahr hin! es ist nicht Zeit,

Um schnöde Ruh’ sich zu bewerben;

Dem Kaiser folgen wir, bereit,

Für ihn zu bluten und zu sterben!

Geh du nur hin!

Ich war auch jung und bin jetzt alt,

Der Tag ist heiß, der Abend kalt,

Geh du nur hin, geh du nur hin

Und schlag dir solches aus dem Sinn.

Du steigst hinauf, ich steig’ hinab,

Wer geht im Schritt, wer geht im Trab?

Sind dir die Blumen eben recht,

Sind doch sechs Bretter auch nicht schlecht.

Lied

Kann nicht reden, kann nicht schweigen,

Kann nicht sagen, wie mir ist.

Mir ist wohl und bang im Herzen,

Kann nicht reden, kann nicht scherzen,

Kann nicht wissen, wie mir ist.

Was ich treibe, nicht gelinget,

Wie so leer es um mich ist!

Wie so voll und bang im Herzen!

Kann nicht ernst seyn, kann nicht scherzen,

Kann nicht wissen, wie mir ist.

Kann nur fühlen, kann nicht wissen,

Kann nicht sagen, was es ist.

Könnt’ ich singen, süßes Leben,

Töne würden Kunde geben,

Wie es mir im Herzen ist.

Sehnsucht

Sterne und Blumen, –

Blicke und Atem, –

Töne!

Durch die Räume ziehen,

Ein Ton der Liebe.

Sehnsucht!

Mit verwandten Tönen

Sich vermählen,

Glühen,

Nie verhallen,

Und die Blumen,

Und die Sterne lieben. –

Gegenliebe!

Sehnsucht!

Was soll ich sagen?

Mein Aug’ ist trüb’, mein Mund ist stumm,

Du heißest mich reden, es sei darum.

Dein Aug’ ist klar, dein Mund ist rot,

Und was du nur wünschest, das ist ein Gebot.

Mein Haar ist grau, mein Herz ist wund,

Du bist so jung und bist so gesund.

Du heißest mich reden und machst mir’s so schwer,

Ich seh’ dich so an und zittre so sehr.

HELMINA VON CHÉZY

Ach, wie wär’s möglich dann,

Daß ich dich lassen kann!

Hab dich so herzlich lieb,

Das glaube mir!

Du hast das Herze mein

Ganz mir genommen ein,

Daß ich kein andre lieb,

Als dich allein!

Blau blüht ein Blümelein,

Das heißt Vergiß nicht mein,

Das Blümlein leg ans Herz,

Und denk an mich!

Stirbt Blum’ und Hoffnung gleich,

Wir sind an Liebe reich,

Denn di stirbt nicht bei mir,

Das glaube mir!

Wär’ ich ein Vögelein,

Bald wollt’ich bei dir sein,

Scheut’Falk’und Habicht nicht,

Flög’ schnell zu dir.

Schöss’ mich ein Jäger tot,

Fiel‘ich in deinen Schoß,

Sähst du mich traurig an,

Gern stürb’ich dann!

[1817]

Ich bin so reich in deinem Angedenken,

Daß ich mich nimmer kann ganz einsam nennen,

Nur wenn ich ganz mich kann hinein versenken,

Vergeß ich es, daß Tal und Flut uns trennen.

Will mir die Welt die eitlen Freuden schenken,

Ich fliehe sie, und mag sie nimmer kennen,

Welt, Himmel, Lenz und Liebe sind vereint,

Wo mir dein Bild, ein süßer Stern, erscheint.

[1822]

MAX VON SCHENKENDORF

Freiheit

Freiheit, die ich meine,

Die mein Herz erfüllt,

Komm’ mit deinem Scheine,

Süßes Engelbild.

Magst du nie dich zeigen

Der bedrängten Welt?

Führest deinen Reigen

Nur am Sternenzelt?

Auch bei grünen Bäumen

In dem lust’gen Wald

Unter Blütenträumen,

Ist dein Aufenthalt.

Ach! das ist ein Leben,

Wenn es weht und klingt,

Wenn dein stilles Weben

Wonnig uns durchdringt.

Wenn die Blätter rauschen

Süßen Freundesgruß,

Wenn wir Blicke tauschen,

Liebeswort und Kuß.

Aber immer weiter

Nimmt das Herz den Lauf,

Auf der Himmelsleiter

Steigt die Sehnsucht auf,

Aus den stillen Kreisen

Kommt mein Hirtenkind,

Will der Welt beweisen,

Was es denkt und minnt.

Blüht ihm doch ein Garten,

Reift ihm doch ein Feld

Auch in jener harten

Steinerbauten Welt.

Wo sich Gottes Flamme

In ein Herz gesenkt,

Das am alten Stamme

Treu und liebend hängt;

Wo sich Männer finden,

Die für Ehr’ und Recht

Muthig sich verbinden,

Weilt ein frei Geschlecht.

Hinter dunkeln Wällen

Hinter ehrnem Thor

Kann das Herz noch schwellen

Zu dem Licht empor,

Für die Kirchenhallen,

Für der Väter Gruft,

Für die Liebsten fallen,

Wenn die Freiheit ruft.

Das ist rechtes Glühen

Frisch und rosenroth:

Heldenwangen blühen

Schöner auf im Tod.

Wollest auf uns lenken

Gottes Lieb’ und Lust.

Wollest gern dich senken

In die deutsche Brust.

Freiheit, holdes Wesen,

Gläubig, kühn und zart,

Hast ja lang erlesen

Dir die deutsche Art.

[1815]

Der Dom zu Köln

Es ist ein Wald voll hoher Bäume,

Die Bäume seh ich fröhlich blühn,

Und aus den Wipfeln fromme Träume

Zum fernen Reich der Geister fliehn.

So kühner Sinn und ernstes Streben,

Das aus den Steinen Blumen treibt,

Es ist der Väter Art und Leben,

Das nimmer auf der Erde bleibt.

Das wollen diese Säulen sagen,

Die himmelwärts die Blicke ziehn,

Dazwischen, wie in grauen Tagen

Im Eichenhain, die Beter knie’n.

Wo das Geheimniß wird begangen,

Im heil’gen, stillen Dunkelklar,

Ist hoch ein Teppich aufgehangen,

Ein Zelt, voll Bilder wunderbar.

Es ist kein eitles Licht der Sonnen,

Was durch die bunten Scheiben fällt,

Ist Widerschein der ew’gen Wonnen,

Ist Strahl aus einer bessern Welt.

Doch seitwärts winkst du, süße Laube,

Nach der mein Sehnen ewig schaut,

Kapelle, wo der alte Glaube,

Die Lieb’ und Wehmuth Hütten baut.

Hier dürfen keine Lieder klingen,

Ob auch die Brust von Liedern schwillt;

Nur schweigend, wo die Engel singen,

Grüß’ ich, Maria, hier dein Bild.

Weihnachtslied

Brich an du schönes Morgenlicht!

Das ist der alte Morgen nicht,

Der täglich wiederkehret.

Es ist ein Leuchten aus der Fern’,

Es ist ein Schimmer, ist ein Stern,

Von dem ich längst gehöret.

Nun wird ein König aller Welt,

Von Ewigkeit zum Heil bestellt,

Ein zartes Kind geboren.

Der Teufel hat sein altes Recht

Am ganzen menschlichen Geschlecht

Verspielt schon und verloren.

Der Himmel ist jetzt nimmer weit,

Es naht die sel’ge Gotteszeit,

Der Freiheit und der Liebe.

Wohlauf, du frohe Christenheit!

Daß Jeder sich nach langem Streit

In Friedenswerken übe.

Ein ewig festes Liebesband

Hält jedes Haus und jedes Land

Und alle Welt umfangen,

Wir alle sind ein heil’ger Stamm,

Der Löwe spielet mit dem Lamm,

Das Kind am Nest der Schlangen.

Wer ist noch, welcher sorgt und sinnt?

Hier in der Krippe liegt ein Kind

Mit lächelnder Gebährde!

Wir grüßen dich du Sternenheld!

Willkommen, Heiland aller Welt!

Willkommen auf der Erde!

BETTINA VON ARNIM

Seelied

Es schien der Mond gar helle,

Die Sterne blinkten klar,

Es schliefen tief die Wellen,

Das Meer ganz stille war.

Ein Schifflein lag vor Anker,

Ein Schiffer trat herfür:

Ach wenn doch all mein Leiden

Hier tief versunken wär.

Mein Schifflein liegt vor Anker,

Hat keine Ladung drin,

Ich lad ihm auf mein Leiden,

Und laß es fahren hin.

Und als er sich entrissen

Die Schmerzen mit Gewalt,

Da war sein Herz zerrissen,

Sein Leben war erkalt’.

Die Leiden all schon schwimmen

Auf hohem Meere frei,

Da heben sie an zu singen

Eine finstre Melodei.

Wir haben festgesessen

In eines Mannes Brust,

Wo tapfer wir gestritten

Mit seines Lebens Lust.

Nun müssen wir hier irren

Im Schifflein hin und her:

Ein Sturm wird uns verschlingen,

Ein Ungeheuer im Meer.

Da mußten die Wellen erwachen

Bei diesem trüben Sang;

Verschlangen still den Nachen

Mit allem Leiden bang.

[1808]

Wer sich der Einsamkeit ergibt

»Wer sich der Einsamkeit ergibt,

Ach der ist bald allein;

Ein jeder lebt, ein jeder liebt

Und läßt ihn seiner Pein.«

Wer sich dem Weltgewühl ergibt,

Der ist zwar nie allein.

Doch was er lebt und was er liebt,

Es wird wohl immer sein.

Nur wer der Muse hin sich gibt,

Der weilet gern allein,

Er ahnt, daß sie ihn wieder liebt,

Von ihm geliebt will sein.

Sie kränzt den Becher und Altar,

Vergöttlicht Lust und Pein.

Was sie ihm gibt, es ist so wahr,

Gewährt ein ewig Sein.

Es blühet hell in seiner Brust

Der Lebensflamme Schein.

Im Himmlischen ist ihm bewußt

Das reine irdsche Sein.

OTTO HEINRICH GRAF VON LOEBEN

An Novalis

Wer, von der höchsten Liebe angeglommen,

Im Sehnen nach dem Drüben sich verzehret,

Wer hier schon jenen Welten angehöret;

Der wird alsbald der Schmerzlichkeit entnommen.

Der Ruf von oben ist zu ihm gekommen,

Verweht die Stimm’, die unser Herz gehöret,

Die letzten Töne klangen schon verkläret,

Aus lichten Glorien schienen sie zu kommen.

Ein heilig Hochamt war dein innres Leben,

Gestirne, Blumen, Kreatur, Gebirge,

All’ kamen sie zur Wallfahrt hergezogen.

Da mußte sich des Münsters Decke heben,

Die Engel stiegen betend in die Kirche,

Musik erklang, du warst zu Gott entflogen.

Loreley

Da wo der Mondschein blitzet

Um’s höchste Felsgestein,

Das Zauberfräulein sitzet

Und schauet auf den Rhein.

Es schauet herüber, hinüber,

Es schauet hinab, hinauf,

Die Schifflein ziehn vorüber,

Lieb’ Knabe, sieh nicht auf!

Sie singt dir hold zum Ohre,

Sie blickt dich thöricht an,

Sie ist die schöne Lore,

Sie hat dir’s angethan.

Sie schaut wohl nach dem Rheine,

Als schaute sie nach dir,

Glaub’s nicht, daß sie dich meine,

Sieh nicht, horch nicht nach ihr!

So blickt sie wohl nach allen

Mit ihrer Augen Glanz,

Läßt her die Locken wallen

Im wilden goldnen Tanz.

Doch wogt in ihrem Blicke

Nur blauer Wellen Spiel,

Drum scheu die Wassertücke,

Denn Flut bleibt falsch und kühl!

Sprache der Poesie

Will Enges dir die ew’ge Kraft umschließen,

Tritt in den Wald, wo Lieder frei regieren,

Die hohen Wipfel Geistersprache führen,

Mit Säuseln dich des Lebens Zungen grüßen. –

Die Erde, die dich ängstet, dir versüßen

Woll’n sanfte Blumen; recht dein Herz zu rühren,

Woll’n sie der Bäche flüssig Leben zieren,

Als tausendfache Farbenstrale sprießen. –

So auch ist Poesie, mächtig und kindlich;

Sie hebt dich aus dem irdischen Gewühle

Zu dem erhabnen gottverwandten Schweigen,

Und, was dem zarten Sinne hier empfindlich,

Der doch so gern auf Erden sich gefiele,

Das sänftigt sie und wird als Blüth’ ihm eigen.

Variazion

Ewigs Rauschen sanfter Quellen

Zaubert Blumen aus dem Schmerz;

Trauer doch in linden Wellen

Schlägt uns lockend an das Herz.

Uns erscheint des Lebens Muse

Erst in irdischer Gestalt:

Tödten würd’ uns die Gewalt

Zög’ sie gleich uns an den Busen.

Aus dem Auge süßer Frauen

Blüht sie so in Leid und Scherz,

Was sie Lauten will vertrauen

Schlägt uns lockend an das Herz.

Und wir suchen dann die Eine

In dem irdischen Gewühl,

Oft betäubt, doch das Gefühl

Wacht und glaubt: ich bin der Deine!

Echo an den Thränenquellen

Sagt’s in Freude himmelwärts;

Trauer doch in linden Wellen

Schlägt uns lockend an das Herz.

Im Gewühle oft betrogen,

In der Freude einsam oft,

Fragt das Herz, was es gehofft,

Dürstet nun nach tiefern Wogen.

Frühling kommt, die Brust zu schwellen,

Zaubert Blumen aus dem Schmerz;

Trauer doch in linden Wellen

Schlägt uns lockend an das Herz.

Und der Sänger hemmt die Klagen,

Läßt Geliebte, Flur und Bach;

Echo seufzt ihm nach ihr: ach!

Doch bald muß sie mit ihm sagen:

Ewigs Rauschen sanfter Quellen

Zaubert Blumen aus dem Schmerz, –

Trauer doch in linden Wellen

Schlägt mir lockend an das Herz.

Welt und Herz

Die Welt ist arm, das Herz ist reich,

Und giebt von seiner Fülle,

Das Harte wird doch endlich weich,

Der Thau erschließt die Hülle,

Sie dehnt sich in der Stille,

Und grün wird noch der trockne Zweig.

Die Welt ist arm, das Herz ist reich,

Drum muß das Herz ihr spenden,

Und ist das Leben kalt und bleich,

Nur Liebe kann es wenden,

Und Sonnenstrale senden

Auf manchen dürren, kranken Zweig.

Die Welt ist arm, das Herz ist reich,

Wohlan denn in dem Herzen

Laßt stiften uns ein frohes Reich,

Voll Heilkraft für die Schmerzen,

Ein neues Herz im Herzen,

Das reicht der Welt den Friedenszweig.

Wird die Plage nimmer enden,

Ist des Elends nicht genug?

Soll ein Wahn mich ewig blenden;

Der mit Blindheit alle schlug?

Nein, ich will das Auge laben,

Und erweitern meine Brust,

Frieden will das Herze haben,

Fröhlich Schweifen ist mir Lust.

Wie in einer frischen Gegend

Sich der Puls der Jugend dehnt,

Seine Schwinge leicht bewegend,

Daß sie sich zum Lichte sehnt!

Jede Blüthe quillt im Lichte,

Alles Wachsthum bringt ihm Gruß

Und zum ewigen Gedichte

Wird der flüchtige Genuß.

Die mit Plage sich zerstören

Nüzen keinem durch ihr Leid,

Sie allein sind Ephemeren,

Wir verstehn uns auf die Zeit,

Ihre Jugend geht verloren,

Ihre Kräfte sind zu nicht’,

Andre werden drauf geboren,

Von den Todten spricht man nicht.

Laßt die Sorgen, laßt die Klage,

Werdet an der Sonne warm,

Wahrlich, reich sind alle Tage,

Nur die Blinden bleiben arm.

Übermüthig gehn die Sinne

Mir in dieser Pracht umher,

Mit den Blikken voller Minne

Tauch’ ich mich in’s grüne Meer.

Streb’ in Farben aufzuquellen,

Mische mit den Klängen mich,

Und es suchen goldne Wellen

Über meinem Haupte sich.

WILHELM FREIHERR VON EICHENDORFF

Schwermuth und Entschluß

Wie die dunklen Wälder rauschen,

Hochgeröthet ihre Wipfel

Von der Morgensonne Strahlen!

Auf den Teichen schwimmen Nebel,

Schallend singet scheu Gevögel

Fern aus tiefem Thal hervor,

Fern aus Wäldern hört man Sang,

Sehnsuchtsvoller Hörner Klang.

Siehe da beginnt zu wallen

Durch der Bäume kühle Hallen

Auch ein Jüngling dunkles Blickes

Mit gespanntem Feuerrohre.

Von der schwülen Nächte Träumen

Pochet ihm das Herz noch schwer,

Ach! er kann nicht länger säumen,

Muß in Morgenluft hervor.

Kaum im Labyrinth verloren

Alter Eichen, hoher Tannen,

Fühlet er sein Herz beengen

Von der Wälder mächt’gem Walten.

Fern im Thale fallen Schüße!

Fernher klagend Hörnerklang!

Ruhe für dies Herz und Kühle!

Und hinab in Kriegestanz.

[1808]

Die zauberische Venus

Bei dem lauten Hochzeitsfeste

Klingen rings die vollen Becher,

Fröhlich schwingen sie die Gäste,

Wohlgeübte wackre Zecher;

Und von seinem Sitz erhoben,

Grüßt ein jeder schön mit Witzen,

Die Verliebten, die da oben

Schamroth bei einander sitzen.

Doch kaum hat das Fest geendet,

Als der Bräutigam alleine

Sich zum stillen Garten wendet,

Um im hellen Mondenscheine,

Wenn sich sanft die Lüfte kühlen,

Einsam, vom Gewühl verlassen,

Sein errungnes Glück zu fühlen,

Das er kaum vermag zu fassen.

Während sehnsuchtsvolle Träume

Liebend seine Brust umschleichen,

Geht er unterm Laub der Bäume

Nach dem Grunde zu den Teichen;

Dort sieht er vom Thau befeuchtet

Einen Nachen angebunden,

Von dem blassen Licht beleuchtet,

Das der Mond der Nacht verbunden.

Wie im weitern Kreis die Wellen

Spielend auseinander schweben,

Will die Brust Verlangen schwellen,

Sich der Flut zu übergeben.

Denn es scheint aus klarem Grunde,

Wo ein immerwährend Schweigen

Giebt unendlich tiefe Kunde,

Seiner Liebe Bild zu steigen.

Doch eh’ er zum Kahn hinunter

Steigt, den er zur Fahrt erkoren,

Zieht er noch den Ring herunter,

Bei dem ihm die Braut geschworen;

Daß er nicht, das Ruder schwenkend,

Um den Nachen zu regieren,

Ihrer Treue Pfand versenkend,

In den Fluten mag verlieren.

Dorten wo am grünen Lande

Hohe Schilfe wehend schossen,

Steht ein Venus-Bild am Strande

Von dem Mondenlicht umflossen;

Kalten Marmorstein begeistert

Alter Zeiten heilig Leben;

Von des Künstlers Hand gemeistert,

Später Nachwelt übergeben.

An den Finger nun dem Bilde

Steckt er seinen Ring mit Eilen,

Stößt dann ab in’s Flutgefilde

Seinen Nachen ohn’ Verweilen.

Als die Wogen wiegend schweben,

Schmeichelnd bald den Kahn umspühlen,

Muß er des Gemüths Erheben

Höher in dem Busen fühlen.

Wie mit blüh’nden Segeln Kähne

Aus dem grünen Hang der Bäume,

Sieht er kreisen sanfte Schwäne,

Vögel linder Götter-Träume.

Über ihnen fern dem hellen

Mondenschein, den sie begrüßen,

Unter ihnen kühl die Wellen,

Die der Schwäne Busen küssen.

Einsam lodern stille Flammen,

Um die beiden zu verwirren

Schwan und Schiffer, die zusammen

Auf den öden Wassern irren.

Doch vom weißem Marmor gleitet

Schimmer auf den See so milde,

Und von diesem Licht geleitet

Kehrt er sicher zu dem Bilde.

Still erblaßt schaun dessen Augen

In die blauen Fluten nieder,

Und der Welle Spiegel saugen

Durstig diese Marmorglieder,

Die im feuchten Bette schliefen.

Von dem lauen Wind umflogen,

Schwebend über jenen Tiefen,

Wiegen buhlend sie die Wogen.

Sanfter durch den grünen Zwinger

Hört er jetzt die Winde fliehen,

Als er seinen Ring dem Finger

Jenes Bildes will entziehen –

Aber Schrecken zum Vergehen

Fühlt er durch die Adern schießen!

Denn die feuchten Augen sehen

Sich die Hand von Marmor schließen.

Rückwärts zum bethauten Boden

Sinkt er ohne Leben nieder,

Spät erwacht der schwache Odem,

Giebt ihm das Bewußtseyn wieder.

Und er fühlt ein heimlich Grauen

Und dabei doch süß Behagen,

Beides zwingt ihn zu vertrauen

Und die Blicke aufzuschlagen.

Und er sieht, im todten Bilde

Regt sich wunderbares Leben,

Und es scheint der Busen milde

Sich im Mondenhauch zu heben.

Wie die Augen buhlend stralen,

Zu dem Knienden niederlachen,

Fühlt er andre Liebesqualen.

In bewegter Brust erwachen.

Neue Leiden, neue Schmerzen,

Lust und unbewußt Verlangen

Steigen aus zerriss’nem Herzen,

Thränen feuchten seine Wangen,

Wie gebannt von Zauberringen

Hat er keine Kraft zu fliehen,

Fühlt von Sehnsucht sich bezwingen,

An den Marmorbusen ziehen.

Und als sollt’ in seinen Armen

Dieses Bild im Traume lachen,

Von des Herzens Puls erwarmen,

Und an seiner Brust erwachen,

Also muß er es umfassen,

Schlägt um seinen Leib die Hände,

Kann es nimmermehr verlassen

Bis an seines Lebens Ende.

Braut und Hochzeit sind vergessen,

Jedes ird’sche Band zerbrochen,

Und die Schwüre, die vermessen,

Seine blinde Glut gebrochen,

Büßen spät Gebet und Thränen,

Baut sich eine stille Zelle,

Einsam schlägt mit tiefem Sehnen

Jetzt an sie des Sees Welle.

Wie in tiefster Nacht verborgen

Rauschen heimlich Zauberquellen,

Nie ergraute je ein Morgen

Ueber den verborgnen Wellen,

Und noch keinem ist’s gelungen,

Ihren Ursprung zu belauern,

Doch daß manchen sie bezwungen,

Fühlen wir in bangen Schauern.

[1816]

An meinen Bruder Josef

Bruder, an die alten Zeiten,

An die längst versunkne Welt,

Mahnt dein Brief und schneidend gleiten

Seine Worte, ernst gestellt,

Tief mit der Erinnrung Schmerzen

Zu dem einsam stillen Herzen.

Fern und einsam hingestellt

Zwischen den beeisten Klippen

Sehn’ ich mich mit heißen Lippen

Nach dem Strom der alten Welt.

Wenig ist zurückgeblieben

Von des Sängers alten Trieben,

Von dem heimatlichen Port:

Nur noch ein’ge Liebeswunden

Aus den lauen Sommerstunden

Blüten sanft und heimlich fort. –

Wenn auf den beschneiten Matten

Wie ein Geist die Wolkenschatten

Durch die Mondenhelle zieh’n,

Bangt mir vor dem fremden Lande –

Lösen möcht’ ich alle Bande

Und zu deinem Herzen fliehn!

Doch die kühnen Felsenzacken,

Wie im Sturm das zorn’ge Meer,

Beugen nicht den grauen Nacken,

Halten Wache um mich her.

Grüße unsers Kampfs Genossen!

Ihnen auf den Flügelrossen

Reiche meines Grams Gedicht.

Ob in diesem ew’gen Wehe

Ich verderbend untergehe,

Ob ich siegend auferstehe –

Gott, ich weiß es selber nicht.

[1831]

Ein Zauberwald…

Ein Zauberwald steht jungen Herzen offen

In deßen Zweigen tausend Stimmen schwirren,

Mit holdem Sang die Sinne festzukirren.

Der Seele reicht die Zukunft sehnend Hoffen.

Fühlt sich ein Herz vom Zauber erst getroffen

Nie mehr will es das goldne Netz entwirren,

Wähnt, möchte es jemahl sich daraus verirren

Der zauber Wunderzeiten längst verloffen.

O! schwacher Sinn der Gegenwart verbündet

Das Schicksal wird das Alter nicht verhöhnen

Verlöschend ihm der Weihe heilge Kerzen.

Verfloßene Zukunft ist auch ihm entzündet:

Dem Zauberwald entströmt es zu versöhnen

In seelgen Tönen Erinnerung zum Herzen.

Wiedergenesung des Dichters

Öffne freudig deine Kehle,

singe schmerzenlos dein Lied,

in das Lied leg deine Seele,

wie es dunkel sie durchzieht.

Aber kann ich denn wohl singen,

da die Freude mich verwirrt,

Tränen aus dem Herzen dringen

Und das Auge trunken irrt?

Ach ich weiß mich nicht zu faßen,

bin mir selber nicht bewußt.

Der nur weiß mein Glück zu faßen,

der wie ich entbehrt der Lust.

Und so stamm’l ich nun und fühle,

singen, sprechen, kann ich nicht.

Jedes Wort wird zum Gefühle,

jeder Laut ist mir Gedicht.

JUSTINUS KERNER

Wanderlied

Wohlauf! noch getrunken

Den funkelnden Wein!

Ade nun, ihr Lieben!

Geschieden muß sein.

Ade nun, ihr Berge,

Du väterlich Haus!

Es treibt in die Ferne

Mich mächtig hinaus.

Die Sonne, sie bleibet

Am Himmel nicht stehn,

Es treibt sie, durch Länder

Und Meere zu gehn.

Die Woge nicht haftet

Am einsamen Strand,

Die Stürme, sie brausen

Mit Macht durch das Land.

Mit eilenden Wolken

Der Vogel dort zieht,

Und singt in der Ferne

Ein heimatlich Lied.

So treibt es den Burschen

Durch Wälder und Feld,

Zu gleichen der Mutter,

Der wandernden Welt.

Da grüßen ihn Vögel

Bekannt überm Meer,

Sie flogen von Fluren

Der Heimat hieher;

Da duften die Blumen

Vertraulich um ihn,

Sie trieben vom Lande

Die Lüfte dahin.

Die Vögel die kennen

Sein väterlich Haus,

Die Blumen einst pflanzt’ er

Der Liebe zum Strauß,

Und Liebe die folgt ihm,

Sie geht ihm zur Hand:

So wird ihm zur Heimat

Das ferneste Land.

[1812]

Der Wanderer in der Sägmühle

Dort unten in der Mühle

Saß ich in süßer Ruh’

Und sah dem Räderspiele

Und sah den Wassern zu.

Sah zu der blanken Säge,

Es war mir wie ein Traum,

Die bahnte lange Wege

In einen Tannenbaum.

Die Tanne war wie lebend,

In Trauermelodie

Durch alle Fasern bebend

Sang diese Worte sie:

Du kehrst zur rechten Stunde,

O Wanderer, hier ein,

Du bist’s, für den die Wunde

Mir dringt ins Herz hinein!

Du bist’s, für den wird werden,

Wenn kurz gewandert du,

Dies Holz im Schoß der Erden

Ein Schrein zur langen Ruh’.

Vier Bretter sah ich fallen,

Mir ward’s ums Herze schwer,

Ein Wörtlein wollt’ ich lallen,

Da ging das Rad nicht mehr.

[1830]

Der Zopf im Kopfe

Einst hat man das Haar frisiert,

Hat’s gepudert und geschmiert,

Daß es stattlich glänze,

Steif die Stirne begrenze.

Nun läßt schlicht man wohl das Haar,

Doch dafür wird wunderbar

Das Gehirn frisieret,

Meisterlich dressieret.

Auf dem Kopfe die Frisur,

Ist sie wohl ganz Unnatur,

Scheint mir doch passabel,

Nicht so miserabel,

Als jetzt im Gehirn der Zopf,

Als jetzt die Frisur im Kopf,

Puder und Pomade

Im Gehirn! – Gott Gnade!

[1838]

Abschied

Geh’ ich einsam durch die schwarzen Gassen,

Schweigt die Stadt, als wär’ sie unbewohnt,

Aus der Ferne rauschen nur die Wasser,

Und am Himmel zieht der bleiche Mond.

Bleib’ ich lang’ vor jenem Hause stehen,

Drin das liebe, liebe Liebchen wohnt,

Weiß nicht, daß sein Treuer ferne ziehet,

Stumm und harmvoll, wie der bleiche Mond.

Breit’ ich lange sehnend meine Arme

Nach dem lieben, lieben Liebchen aus,

Und nun sprech’ ich: Lebet wohl, ihr Gassen!

Lebe wohl, du stilles, stilles Haus!

Und du Kämmerlein im Haus dort oben,

Nach dem oft das warme Herze schwoll,

Und du Fensterlein, draus Liebchen schaute,

Und du Türe, draus sie ging, leb wohl!

Geh’ ich bang nun nach den alten Mauern,

Schauend rückwärts oft mit nassem Blick,

Schließt der Wächter hinter mir die Tore,

Weiß nicht, daß mein Herze noch zurück.

Alphorn

Ein Alphorn hör’ ich schallen,

Das mich von hinnen ruft,

Tönt es aus wald’gen Hallen?

Tönt es aus blauer Luft?

Tönt es von Bergeshöhe?

Aus blumenreichem Tal?

Wo ich nur steh’ und gehe,

Hör’ ich’s in süßer Qual.

Bei Spiel und frohem Reigen,

Einsam mit mir allein,

Tönt’s, ohne je zu schweigen,

Tönt tief ins Herz hinein.

Noch nie hab’ ich gefunden

Den Ort, woher es schallt,

Und nimmer wird gefunden

Dies Herz, bis es verhallt.

Icarus

Mir träumt’, ich flög’ gar bange

Weit in die Welt hinaus,

Zu Straßburg durch alle Gassen,

Bis vor Feinsliebchens Haus.

Feinsliebchen ist betrübet,

Als ich so flieg’, und weint:

Wer dich so fliegen lehret,

Das ist der böse Feind.

Feinsliebchen, was hilft lügen,

Da du doch alles weißt:

Wer mich so fliegen lehret,

Das ist der böse Geist.

Feinsliebchen weint und schreiet,

Daß ich am Schrei erwacht,

Da lieg’ ich, ach! in Augsburg

Gefangen auf der Wacht.

Und morgen muß ich hangen,

Feinslieb mich nicht mehr ruft,

Wohl morgen als ein Vogel

Schwank’ ich in freier Luft.

Wo zu finden?

Wenn ein Liebes dir der Tod

Aus den Augen fortgerückt,

Such’ es nicht im Morgenrot,

Nicht im Stern, der abends blickt.

Such’ es nirgends früh und spät,

Als im Herzen immerfort.

Was man so geliebet, geht

Nimmermehr aus diesem Ort.

LUDWIG UHLAND

An den Tod

Der du still im Abendlichte

Wandelst durch der Erde Beet,

Klare Blumen, goldne Früchte

Sammelst, die dir Gott gesät:

Schon’, o Tod, was, sanft entzücket,

An des Lebens Brust sich schmiegt,

Sich zum süßen Liede wiegt

Und zum Mutterauge blicket!

Laß der Erde ihre Söhne,

Deren Kraft im Sturme fleugt,

Daß ein freudiges Getöne

Schnell aus toten Wäldern steigt!

Lösche nicht den Geist des Weisen,

Dessen heil’gen Sonnenglanz,

Schön verwebt in sichrem Tanz,

Jugendliche Mond’ umkreisen.

Auf der Silberwolke fahre

Still dahin zur Sternezeit,

Wo ein Greis am Hausaltare

Jedem Abend Tränen weiht;

Sprich die Namen seiner Lieben,

Führ ihn auf in ihren Kranz,

Wo des Auges ew’gen Glanz

Keiner Trennung Zähren trüben.

Und den Jüngling, dem die Liebe

Heißes Sehnen aufgeweckt,

Der in ungestilltem Triebe

Offne Arme ausgestreckt,

Dann zur Blumenflur der Sterne

Aufgeschauet liebewarm:

Faß ihn freundlich Arm in Arm,

Trag ihn in die blaue Ferne!

Wo es bräutlich glänzt und hallet,

Liebeatmend ihn umschließt,

Was ihn geistig einst umwallet,

Und mit leisem Gruß gegrüßt;

Wo es in der Seele maiet,

Die, von neuem Leben jung,

Ewiger Begeisterung,

Ewigen Gesangs sich freuet.

[1807]

Das Schloß am Meere

Hast du das Schloß gesehen,

Das hohe Schloß am Meer?

Golden und rosig wehen

Die Wolken drüber her.

Es möchte sich niederneigen

In die spiegelklare Flut;

Es möchte streben und steigen

In der Abendwolken Glut.

»Wohl hab ich es gesehen,

Das hohe Schloß am Meer,

Und den Mond darüber stehen

Und Nebel weit umher.«

Der Wind und des Meeres Wallen

Gaben sie frischen Klang?

Vernahmst du aus hohen Hallen

Saiten und Festgesang?

»Die Winde, die Wogen alle

Lagen in tiefer Ruh,

Einem Klagelied aus der Halle

Hört ich mit Tränen zu.«

Sahest du oben gehen

Den König und sein Gemahl?

Der roten Mäntel Wehen,

Der goldnen Kronen Strahl?

Führten sie nicht mit Wonne

Eine schöne Jungfrau dar,

Herrlich wie eine Sonne,

Strahlend im goldnen Haar?

»Wohl sah ich die Eltern beide,

Ohne der Kronen Licht,

Im schwarzen Trauerkleide;

Die Jungfrau sah ich nicht.«

[1807]

Schäfers Sonntagslied

Das ist der Tag des Herrn!

Ich bin allein auf weiter Flur;

Noch eine Morgenglocke nur,

Nun Stille nah und fern.

Anbetend knie ich hier.

O süßes Graun! geheimes Wehn!

Als knieten viele ungesehn

Und beteten mit mir.

Der Himmel nah und fern,

Er ist so klar und feierlich,

So ganz, als wollt er öffnen sich.

Das ist der Tag des Herrn!

[1807]

Der Traum

Im schönsten Garten wallten

Zwei Buhlen Hand in Hand,

Zwo bleiche, kranke Gestalten,

Sie saßen ins Blumenland.

Sie küßten sich auf die Wangen

Und küßten sich auf den Mund,

Sie hielten sich fest umfangen,

Sie wurden jung und gesund.

Zwei Glöcklein klangen helle,

Der Traum entschwand zur Stund;

Sie lag in der Klosterzelle,

Er fern in Turmes Grund.

[1808]

Des Knaben Berglied

Ich bin vom Berg der Hirtenknab,

Seh auf die Schlösser all herab;

Die Sonne strahlt am ersten hier,

Am längsten weilet sie bei mir;

Ich bin der Knab vom Berge!

Hier ist des Stromes Mutterhaus;

Ich trink ihn frisch vom Stein heraus;

Er braust vom Fels in wildem Lauf,

Ich fang ihn mit den Armen auf;

Ich bin der Knab vom Berge!

Der Berg, der ist mein Eigentum,

Da ziehn die Stürme rings herum;

Und heulen sie von Nord und Süd,

So überschallt sie doch mein Lied:

Ich bin der Knab vom Berge!

Sind Blitz und Donner unter mir,

So steh ich hoch im Blauen hier;

Ich kenne sie und rufe zu:

Laßt meines Vaters Haus in Ruh!

Ich bin der Knab vom Berge!

Und wann die Sturmglock einst erschallt,

Manch Feuer auf den Bergen wallt,

Dann steig ich nieder, tret ins Glied

Und schwing mein Schwert und sing mein Lied:

Ich bin der Knab vom Berge!

[1808]

Dem Künstler

Auch von der großen Schöpferin Natur,

Nicht bloß von dir wird schöne Form beachtet.

Doch ihrer Formen Teile siehst du nur,

So sehr dein Auge nach dem Ganzen trachtet.

Ein Sternbild wandelt über deiner Flur,

Doch halb von ragendem Gebirg umnachtet.

Nur langsam kann ein Völkerstamm sich heben,

Nicht beides magst du, Saat und Frucht, erleben.

Willt aber du als Schöpfer dich erzeigen,

Und einmal das gewalt’ge Werde! senden

Hinab in deiner Seele dunkles Schweigen,

So mußt du göttlich auch dein Werk vollenden,

Sechs Tage rastlos auf und nieder steigen

Und alles formen mit geschäft’gen Händen.

Dann magst du ruhend erst dein Werk beschauen

Und sprechen: Es ist gut! mit Selbstvertrauen.

Will deine Dichtung auch das All umfassen,

Da schwindet oft die Form den schwachen Blicken;

Am Kleinen wird sie leicht sich merken lassen,

Da müssen Bild und Klang zusammenrücken.

Du siehst die Ordnung nicht der Blumenmassen,

Die weit zerstreut sind auf der Erde Rücken;

Doch ordnest wen’ge du zum schönen Kranze,

Du triffst im Kleinen wohl das große Ganze.

[1808]

Die Sonette

Vernimm, was vom Sonett ich weiß und glaube!

Zu Kränzen sah ich Blumen, Zweige schlingen,

Wohl künstlich, doch es zeigte sich das Zwingen,

Hier sprang ein Blümchen ab, dort fielen Laube.

Dann sah ich Ranken, strebend aus dem Staube,

Sie suchten selber mit den freien Ringen

Die Säule, sich als Kränze drum zu schwingen.

Umsonst! den Winden wurden sie zum Raube.

So sah ich Lieder als Sonette starren,

Sonettgedanken dann zum Lied zerflossen,

Das Rechte trafen wenige Geweihte.

Metall, schon tönend, doch nicht voll, in Barren,

Es ward in schöne Glockenform gegossen,

Da klang es erst in herrlichem Geläute.

[1809/10]

Der gute Kamerad

Ich hatt einen Kameraden,

Einen bessern findst du nit.

Die Trommel schlug zum Streite,

Er ging an meiner Seite

In gleichem Schritt und Tritt.

Eine Kugel kam geflogen,

Gilt’s mir oder gilt es dir?

Ihn hat es weggerissen,

Er liegt mir vor den Füßen,

Als wär’s ein Stück von mir.

Will mir die Hand noch reichen,

Derweil ich eben lad.

Kann dir die Hand nicht geben,

Bleib du im ew’gen Leben

Mein guter Kamerad!

[1812]

Der Rezensent

Glosse

Süße Liebe denkt in Tönen,

Denn Gedanken stehn zu fern;

Nur in Tönen mag sie gern

Alles, was sie will, verschönen.

Tieck.

Schönste! du hast mir befohlen,

Dieses Thema zu glossieren;

Doch ich sag es unverhohlen:

Dieses heißt die Zeit verlieren,

Und ich sitze wie auf Kohlen.

Liebtet ihr nicht, stolze Schönen!

Selbst die Logik zu verhöhnen,

Würd ich zu beweisen wagen,

Daß es Unsinn ist zu sagen:

Süße Liebe denkt in Tönen.

Zwar versteh ich wohl das Schema

Dieser abgeschmackten Glossen,

Aber solch verzwicktes Thema,

Solche rätselhafte Possen

Sind ein gordisches Problema.

Dennoch macht ich dir, mein Stern!

Diese Freude gar zu gern.

Hoffnungslos reib ich die Hände,

Nimmer bring ich es zu Ende,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Laß mein Kind! die spansche Mode!

Laß die fremden Triolette!

Laß die welsche Klangmethode

Der Kanzonen und Sonette,

Bleib bei deiner sapph’schen Ode!

Bleib der Aftermuse fern

Der romantisch süßen Herrn!

Duftig schwebeln, luftig tänzeln

Nur ein Reimchen, Assonänzeln,

Nur in Tönen mag sie gern.

Nicht in Tönen solcher Glossen

Kann die Poesie sich zeigen;

In antiken Verskolossen

Stampft sie besser ihren Reigen

Mit Spondeen und Molossen.

Nur im Hammerschlag und Dröhnen

Deutschhellenischer Kamönen

Kann sie selbst die alten, kranken,

Allerhäßlichsten Gedanken,

Alles, was sie will, verschönen.

[1813]

Der Wirtin Töchterlein

Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein,

Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein.

„Frau Wirtin! hat sie gut Bier und Wein?

Wo hat sie ihr schönes Töchterlein?“

„Mein Bier und Wein ist frisch und klar,

Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr.“

Und als sie traten zur Kammer hinein,

Da lag sie in einem schwarzen Schrein.

Der erste, der schlug den Schleier zurück

Und schaute sie an mit traurigem Blick:

„Ach! lebtest du noch, du schöne Maid!

Ich würde dich lieben von dieser Zeit.“

Der zweite deckte den Schleier zu

Und kehrte sich ab und weinte dazu:

„Ach! daß du liegst auf der Totenbahr!

Ich habe dich geliebet so manches Jahr.“

Der dritte hub ihn wieder sogleich

Und küßte sie an den Mund so bleich:

„Dich liebt ich immer, dich lieb ich noch heut

Und werde dich lieben in Ewigkeit.“

[1813]

Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,

Sie säuseln und weben Tag und Nacht,

Sie schaffen an allen Enden.

O frischer Duft, o neuer Klang!

Nun, armes Herze, sei nicht bang!

Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,

Man weiß nicht, was noch werden mag,

Das Blühen will nicht enden.

Es blüht das fernste, tiefste Tal:

Nun, armes Herz, vergiß die Qual!

Nun muß sich alles, alles wenden.

[1813]

Vorwärts!

Vorwärts! fort und immer fort!

Rußland rief das stolze Wort:

Vorwärts!

Preußen hört das stolze Wort,

Hört es gern und hallt es fort:

Vorwärts!

Auf, gewalt’ges Österreich!

Vorwärts! tu’s den andern gleich!

Vorwärts!

Auf, du altes Sachsenland!

Immer vorwärts, Hand in Hand!

Vorwärts!

Bayern, Hessen, schlaget ein!

Schwaben, Franken, vor zum Rhein!

Vorwärts!

Vorwärts, Holland, Niederland!

Hoch das Schwert in freier Hand,

Vorwärts!

Grüß euch Gott, du Schweizerbund,

Elsaß, Lothringen, Burgund!

Vorwärts!

Vorwärts, Spanien, Engelland!

Reicht den Brüdern bald die Hand!

Vorwärts!

Vorwärts, fort und immer fort!

Guter Wind und naher Port!

Vorwärts!

Vorwärts heißt ein Feldmarschall.

Vorwärts, tapfre Streiter all!

Vorwärts!

[1814]

Das Schwert

Zur Schmiede ging ein junger Held,

Er hatt’ ein gutes Schwert bestellt;

Doch als er’s wog in freier Hand,

Das Schwert er viel zu schwer erfand.

Der alte Schmied den Bart sich streicht:

»Das Schwert ist nicht zu schwer noch leich,

Zu schwach ist Euer Arm, ich mein,

Doch morgen soll geholfen sein.«

»Nein, heut, bei aller Ritterschaft!

Durch meine, nicht durch Feuers Kraft.«

Der Jüngling spricht’s, ihn Kraft durchdringt,

Das Schwert er hoch in Lüften schwingt.

[1815]

Des Sängers Fluch

Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,

Weit glänzt’ es über die Lande bis an das blaue Meer,

Und rings von duft’gen Gärten ein blütenreicher Kranz,

Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.

Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich,

Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;

Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,

Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.

Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,

Der ein’ in goldnen Locken, der andre grau von Haar;

Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß,

Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.

Der Alte sprach zum Jungen: »Nun sei bereit, mein Sohn!

Denk unsrer tiefsten Lieder, stimm an den vollsten Ton!

Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz!

Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz.«

Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,

Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl;

Der König furchtbar prächtig, wie blut’ger Nordlichtschein,

Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.

Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,

Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll,

Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,

Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.

Sie singen von Lenz und Liebe, von sel’ger goldner Zeit,

Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit;

Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,

Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.

Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,

Des Königs trotz’ge Krieger, sie beugen sich vor Gott,

Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,

Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.

»Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?«

Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib,

Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust

durchdringt,

Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.

Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm,

Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,

Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,

Er bind’t ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.

Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis,

Da faßt er seine Harfe, sie aller Harfen Preis,

An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,

Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:

»Weh euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang

Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,

Nein! Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,

Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht!

Euch zeig ich dieses Toten entstelltes Angesicht,

Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,

Daß ihr in künft’gen Tagen versteint, verödet liegt.

Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!

Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut’gen

Ruhms,

Dein Name sei vergessen, in ew’ge Nacht getaucht,

Sei wie ein letztes Röcheln in leere Luft verhaucht!«

Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört,

Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,

Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht,

Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

Und rings statt duft’ger Gärten ein ödes Heideland,

Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt

den Sand,

Des Königs Name meldet kein Lied, kein Heldenbuch;

Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch.

[1815]

Schlußsonett

Wie, wenn man die Glocke nicht mehr ziehet,

Es lange dauert, bis sie ausgeklungen;

Wie, wer von einem Berge kam gesprungen,

Umsonst den Lauf zu hemmen sich bemühet;

Wie oft aus Bränden, welche längst verglühet,

Ein Flämmchen unversehens sich geschwungen

Und spät noch eine Blüte vorgedrungen

Aus Ästen, die sonst völlig abgeblühet;

Wie den Gesang, den zu des Liebchens Preise

Der Schäfer angestimmt aus voller Seele,

Gedankenlose Halle weitertreiben:

So geht es mir mit der Sonettenweise:

Ob mir ‘s an Zweck und an Gedanken fehle,

Muß ich zum Schlusse dies Sonett doch schreiben.

[1815]

Schwäbische Kunde

Als Kaiser Rotbart lobesam

Zum heil’gen Land gezogen kam,

Da mußt’ er mit dem frommen Heer

Durch ein Gebirge, wüst und leer.

Daselbst erhub sich große Not,

Viel Steine gab’s und wenig Brot,

Und mancher deutsche Reitersmann

Hat dort den Trunk sich abgetan.

Den Pferden war’s so schwach im Magen,

Fast mußte der Reiter die Mähre tragen.

Nun war ein Herr aus Schwabenland,

Von hohem Wuchs und starker Hand,

Des Rößlein war so krank und schwach,

Er zog es nur am Zaume nach,

Er hätt es nimmer aufgegeben

Und kostet’s ihn das eigne Leben.

So blieb er bald ein gutes Stück

Hinter dem Heereszug zurück;

Da sprengten plötzlich in die Quer

Fünfzig türkische Reiter daher,

Die huben an, auf ihn zu schießen,

Nach ihm zu werfen mit den Spießen.

Der wackre Schwabe forcht sich nit,

Ging seines Weges Schritt vor Schritt,

Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken

Und tät nur spöttlich um sich blicken,

Bis einer, dem die Zeit zu lang,

Auf ihn den krummen Säbel schwang.

Da wallt dem Deutschen auch sein Blut,

Er trifft des Türken Pferd so gut,

Er haut ihm ab mit einem Streich

Die beiden Vorderfüß zugleich.

Als er das Tier zu Fall gebracht,

Da faßt er erst sein Schwert mit Macht,

Er schwingt es auf des Reiters Kopf,

Haut durch bis auf den Sattelknopf,

Haut auch den Sattel noch zu Stücken

Und tief noch in des Pferdes Rücken;

Zur Rechten sieht man wie zur Linken

Einen halben Türken heruntersinken.

Da packt die andern kalter Graus,

Sie fliehen in alle Welt hinaus,

Und jedem ist’s, als würd ihm mitten

Durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.

Drauf kam des Wegs ’ne Christenschar,

Die auch zurückgeblieben war,

Die sahen nun mit gutem Bedacht,

Was Arbeit unser Held gemacht.

Von denen hat’s der Kaiser vernommen,

Der ließ den Schwaben vor sich kommen,

Er sprach: »Sagt an, mein Ritter wert!

Wer hat dich solche Streich gelehrt?«

Der Held bedacht sich nicht zu lang:

»Die Streiche sind bei uns im Schwang,

Sie sind bekannt im ganzen Reiche,

Man nennt sie halt nur Schwabenstreiche.«

[1815]