Unstern

Unstern, diesem guten Jungen,

Hat es seltsam sich geschickt:

Manches wär ihm fast gelungen,

Manches wär ihm schier geglückt.

Alle Glückesstern im Bunde

Hätten weihend ihm gelacht,

Wenn die Mutter eine Stunde

Früher ihn zur Welt gebracht.

Waffenruhm und Heldenehre

Hätten zeitig ihm geblüht,

War doch in dem ganzen Heere

Keiner so von Mut erglüht;

Nur als schon in wilden Wogen

Seine Schar zum Sturme drang,

Kam ein Bote hergeflogen,

Der die Friedensfahne schwang.

Nah ist Unsterns Hochzeitfeier,

Hold und sittig glüht die Braut;

Sieh, da kommt ein reichrer Freier,

Der die Eltern baß erbaut.

Dennoch hätte die Geraubte

Ihn als Witwe noch beglückt,

Wäre nicht der Totgeglaubte

Plötzlich wieder angerückt.

Reich wär Unstern noch geworden

Mit dem Gut der neuen Welt,

Hätte nicht ein Sturm aus Norden

Noch im Port das Schiff zerschellt.

Glücklich war er selbst entschwommen,

Einer Planke hatt er’s dank,

Hatte schon den Strand erklommen,

Glitt zurück noch und versank.

In den Himmel sonder Zweifel

Würd er gleich gekommen sein,

Liefe nicht ein dummer Teufel

Just ihm in den Weg hinein.

Teufel meint, es sei die Seele,

Die er eben holen soll,

Packt den Unstern an der Kehle,

Rennt mit ihm davon wie toll.

Da erscheint ein lichter Engel

Rettend aus dem Nebelduft,

Donnert flugs den schwarzen Bengel

In die tiefste Höllenkluft,

Schwebt der goldnen Himmelsferne

Mit dem armen Unstern zu,

Über gut’ und böse Sterne

Führt er den zur ew’gen Ruh.

[1815]

Die neue Muse

Als ich mich des Rechts beflissen

Gegen meines Herzens Drang

Und mich halb nur losgerissen

Von dem lockenden Gesang:

Wohl dem Gotte mit der Binde

Ward noch manches Lied geweiht,

Keines jemals dir, o blinde

Göttin der Gerechtigkeit!

Andre Zeiten, andre Musen!

Und in dieser ernsten Zeit

Schüttert nichts mir so den Busen,

Weckt mich so zum Liederstreit:

Als wenn du mit Schwert und Waage,

Themis, thronst in deiner Kraft

Und die Völker rufst zur Klage,

Könige zur Rechenschaft!

[1820]

Kreislauf

Wie mußte meines Lebens Kreis sich schließen!

Es kehrt der Tag der hohen Liebesfreuden

Die mir nach Jahren namenloser Leiden

So süße Spuren noch im Herzen ließen.

Es kehrt der Tag, wo sich zu meinen Füßen

Die Gruft erschließt, in die mein Licht sich neiget,

Und schwarze Nacht aus ihrer Tiefe steiget;

Da fühl ich alte Tränen wieder fließen.

Ja öfters in der nämlichen Sekunde

Erblüht die Süße mir uns sinket nieder.

So kehret stets der alte Kreislauf wieder

In enger hier und dort in weiter Runde.

Und keine Hoffnung, daß es anders werde!

Denn jene, die allein mir neues Leben

Durch magische Berührung könnte geben,

Sie darf nicht wiederkehren zu der Erde.

JOSEPH FREIHERR VON EICHENDORFF

Die Zauberin im Walde

»Schon vor vielen, vielen Jahren

Saß ich drüben an dem Ufer,

Sah manch Schiff vorüber fahren

Weit hinein in’s Waldesdunkel.«

»Denn ein Vogel jeden Frühling

An dem grünen Waldes-Saume

Sang mit wunderbarem Schalle,

Wie ein Waldhorn klang’s im Traume.«

»Und gar seltsam hohe Blumen

Standen an dem Rand der Schlünde,

Sprach der Strom so dunkle Worte,

’S war, als ob ich sie verstünde.«

»Und wie ich so sinnend athme

Stromeskühl’ und Waldesdüfte,

Und ein wundersam Gelüsten

Mich hinabzog nach den Klüften:«

»Sah ich auf krystallnem Nachen,

Tief im Herzensgrund erschrocken,

Eine wunderschöne Fraue,

Ganz umwallt von goldnen Locken.«

»Und von ihrem Hals behende

Thät sie lösen eine Kette,

Reicht’ mit ihren weißen Händen

Mir die allerschönste Perle.«

»Nur ein Wort von fremdem Klange

Sprach sie da mit rothem Munde,

Doch im Herzen ewig stehen

Wird des Worts geheime Kunde.«

»Seitdem saß ich wie gebannt dort,

Und wenn neu der Lenz erwachte,

Immer von dem Halsgeschmeide

Eine Perle sie mir brachte.«

»Ich barg all’ im Waldesgrunde,

Und aus jeder Perl’ der Fraue

Sproßte eine Blum’ zur Stunde,

Wie ihr Auge anzuschauen.«

»Und so bin ich aufgewachsen,

Thät der Blumen treulich warten,

Schlummert’ oft und träumte golden

In dem schwülen Waldes-Garten.«

»Fortgespült ist nun der Garten

Und die Blumen all’ verschwunden,

Und die Gegend, wo sie standen,

Hab’ ich nimmermehr gefunden.«

»In der Fern’ liegt jetzt mein Leben,

Breitend sich wie junge Träume,

Schimmert stets so seltsam lockend

Durch die alten, dunklen Bäume.«

»Jetzt erst weiß ich, was der Vogel

Ewig ruft so bange, bange,

Unbekannt zieht ew’ge Treue

Mich hinunter zu dem Sange.«

»Wie die Wälder kühle rauschen,

Zwischendurch das alte Rufen,

Wo bin ich so lang’ gewesen? –

O ich muß hinab zur Ruhe!«

Und es stieg vom Schloß hinunter

Schnell der süße Florimunde,

Weit hinab und immer weiter

Zu dem dunkelgrünen Grunde.

Hört’ die Ströme stärker rauschen,

Sah in Nacht des Vaters Burge

Stillerleuchtet ferne stehen,

Alles Leben weit versunken.

Und der Vater schaut’ vom Berge,

Schaut’ zum dunklen Grunde immer,

Regte sich der Wald so grausig,

Doch den Sohn erblickt’ er nimmer.

Und es kam der Winter balde,

Und viel’ Lenze kehrten wieder,

Doch der Vogel in dem Walde

Sang nie mehr die Wunderlieder.

Und das Waldhorn war verklungen

Und die Zauberin verschwunden,

Wollte keinen Andern haben

Nach dem süßen Florimunde. –

[1808]

An A…

1.

Die Klugen, die nach Gott nicht wollten fragen,

Den heil’gen Kampf gern irdisch möchten schlichten,

Zum Tod kein Herz, nicht Lieb’, sich aufzurichten,

Verzehren sich nur selbst in eitlen Klagen.

Sind alle Eure Schiffe denn zerschlagen:

Sieht man die heil’ ge Flagge D i c h aufrichten,

Vom Liebessturm, der jene mußt’ vernichten,

Dein junges Schiff siegreich hinweggetragen.

Südwinde spielen lau um Laut’ und Locken,

Im Morgenroth des Hutes Federn schwanken,

Und Gottes Athem macht die Segel schwellen.

Wen noch die alten Heimath-Klänge locken,

Dem füllt der Segel wie der Töne Schwellen

Die Brust mit jungen, ewigen Gedanken.

2.

Wir sind so tief betrübt, wenn wir auch scherzen,

Die armen Menschen mühn sich ab und reisen,

Die Welt zieht ernst und streng in ihren Gleisen,

Ein feuchter Wind verlöscht die lust’gen Kerzen.

Du hast so schöne Worte tief im Herzen,

Du weißt so wunderbare, alte Weisen,

Und wie die Stern’ am Firmamente kreisen,

Ziehn durch die Brust Dir ewig Lust und Schmerzen.

So laß’ Dein’ Stimme hell im Wald erscheinen!

Das Waldhorn fromm wird auf und nieder wehen,

Die Wasser gehn und einsam Rehe weiden.

Wir wollen stille sitzen und nicht weinen,

Wir wollen in den Reihn hinuntersehen,

Und, wird es finster, nicht von sammen scheiden.

3.

Es will die Zeit mit ihrem Schutt verdecken

Den hellen Quell, der meiner Brust entsprungen,

Umsonst Gebete himmelan geschwungen,

Sie mögen nicht das Ohr der Gnade wecken.

So laß die Nacht die grausen Flügel strecken,

Nur immerzu, mein tapfres Schiff, gedrungen!

Wer einmal mit den Wogen hat gerungen,

Fühlt sich das Herz gehoben in den Schrecken.

Schießt zu, trefft, Pfeile, die durch’s Dunkel schwirren!

Ruhvoll um Klippen über’m tückschen Grunde

Lenk’ ich mein Schiff, wohin die Sterne winken.

Mag dann der Steuermann nach langem Irren,

Rasch ziehend alle Pfeife aus der Wunde,

Todt an der Heimathküste niedersinken!

[1810]

Abendständchen

Schlafe, Liebchen, weil’s auf Erden

Nun so still und seltsam wird!

Oben gehn die gold’nen Heerden,

Für uns Alle wacht der Hirt.

In der Ferne ziehn Gewitter;

Einsam auf dem Schifflein schwank,

Greif’ ich draußen in die Zither,

Weil mir gar so schwül und bang.

Schlingend sich an Bäum’ und Zweigen,

In dein stilles Kämmerlein

Wie auf gold’nen Leitern steigen

Diese Töne aus und ein.

Und ein wunderschöner Knabe

Schifft hoch über Thal und Kluft,

Rührt mit seinem gold’nen Stabe

Säuselnd in der lauen Luft.

Und in wunderbaren Weisen

Singt er ein uraltes Lied,

Das in linden Zauberkreisen

Hinter seinem Schifflein zieht.

Ach, den süßen Klang verführet

Weit der buhlerische Wind,

Und durch Schloß und Wand ihn spüret

Träumend jedes schöne Kind.

[1810/12]

Min<n>elied

Über blaue Berge fröhlich

Kam der bunte Schein gefloßen,

In den Schimmer rief ich selig:

»Freu’ dich nur, jetzt wird’s vollendet!«

Doch der Frühling ist vergangen,

Was ich innigst hofft’ und strebte,

Blieb ein unbestimmt Verlangen.

Und nach langem trübem Schweigen

Kamen goldne Tage wieder,

Blaue Berge, alte Zeiten,

Blumen, Sterne, Ström’ und Lieder

Woben wunderbar ein Netze,

Schüchtern schlang sich’s um die Glieder,

Zog so innig fest und fester

Mich an’s Herz der Erde nieder,

Und in diesem Netz die Blüthe

Ward zum himmlischen Gefieder.

[1810]

An Maria

O Mutter, lang’ hab’ ich geschwiegen,

Von irrdscher Lust die Brust geschwellt,

Wie ferne wollt’ Dein Bild mir fliegen

Im bunten Trieb u. Schall der Welt!

(Nun bricht die alte Liebe kräftig aus.

Ich sehne mich wieder recht nach Haus. /

Gantz verlaßen u. allein. /

Sonntagsmorgen, heitre Sabathstille /

So heiter wars, als der Engel d: die blaue

Luft geflogen, dir die Botschaft brachte /

Ich bin inwendig so voll von deiner Pracht,

daß ich Dich in vielerley Gestalt u. Liedern

verherrlichen möchte. /

O Mutter aller Güte, es geht der Sturm u.

falsche Lokkung hienieden, Still, horch Du

Deine Schäflein hüte, etc: –)

[1812/13]

Das zerbrochene Ringlein

In einem kühlen Grunde

Da geht ein Mühlenrad,

Mein’ Liebste ist verschwunden,

Die dort gewohnet hat.

Sie hat mir Treu versprochen,

Gab mir ein’n Ring dabei,

Sie hat die Treu gebrochen,

Mein Ringlein sprang entzwei.

Ich möcht’ als Spielmann reisen

Weit in die Welt hinaus,

Und singen meine Weisen,

Und gehn von Haus zu Haus.

Ich möcht’ als Reiter fliegen

Wohl in die blut’ge Schlacht,

Um stille Feuer liegen

Im Feld bei dunkler Nacht.

Hör’ ich das Mühlrad gehen:

Ich weiß nicht, was ich will –

Ich möcht’ am liebsten sterben,

Da wär’s auf einmal still!

[1813]

Abschied

O Thäler weit, o Höhen,

O schöner, grüner Wald,

Du meiner Lust und Wehen

Andächt’ger Aufenthalt!

Da draußen, stets betrogen,

Saust die geschäft’ge Welt,

Schlag’ noch einmal die Bogen

Um mich, du grünes Zelt!

Wenn es beginnt zu tagen,

Die Erde dampft und blinkt,

Die Vögel lustig schlagen,

Daß dir dein Herz erklingt:

Da mag vergehn, verwehen

Das trübe Erdenleid,

Da sollst du auferstehen

In junger Herrlichkeit!

Da steht im Wald geschrieben,

Ein stilles, ernstes Wort

Von rechtem Thun und Lieben,

Und was des Menschen Hort.

Ich habe treu gelesen

Die Worte, schlicht und wahr,

Und durch mein ganzes Wesen

Ward’s unaussprechlich klar.

Bald werd’ ich dich verlassen,

Fremd in der Fremde gehn,

Auf buntbewegten Gassen

Des Lebens Schauspiel sehn;

Und mitten in dem Leben

Wird deines Ernst’s Gewalt

Mich Einsamen erheben,

So wird mein Herz nicht alt.

[1815]

Frische Fahrt

Laue Luft kommt blau geflossen,

Frühling, Frühling soll es sein!

Waldwärts Hörnerklang geschossen,

Muth’ger Augen lichter Schein;

Und das Wirren bunt und bunter

Wird ein magisch wilder Fluß,

In die schöne Welt hinunter

Lockt dich dieses Stromes Gruß.

Und ich mag mich nicht bewahren!

Weit von euch treibt mich der Wind,

Auf dem Strome will ich fahren,

Von dem Glanze selig blind!

Tausend Stimmen lockend schlagen,

Hoch Aurora flammend weht,

Fahre zu! Ich mag nicht fragen,

Wo die Fahrt zu Ende geht!

[1815]

Zwielicht

Dämmrung will die Flügel spreiten,

Schaurig rühren sich die Bäume,

Wolken ziehn wie schwere Träume –

Was will dieses Grau’n bedeuten?

Hast ein Reh du, lieb vor andern,

Laß es nicht alleine grasen,

Jäger ziehn im Wald’ und blasen,

Stimmen hin und wieder wandern.

Hast du einen Freund hienieden,

Trau ihm nicht zu dieser Stunde,

Freundlich wohl mit Aug’ und Munde,

Sinnt er Krieg im tück’schen Frieden.

Was heut müde gehet unter,

Hebt sich morgen neugeboren.

Manches bleibt in Nacht verloren –

Hüte dich, bleib’ wach und munter!

[1815]

Zeichen

So Wunderbares hat sich zugetragen:

Was aus uralten Sagen

Mit tiefverworrener Gewalt oft sang

Von Liebe, Freiheit, was das Herz erlabe,

Mit heller Waffen Klang

Es richtet sich geharnischt auf vom Grabe,

Und an den alten Heerschild hat’s geschlagen,

Daß Schauer jede Brust durchdrang.

[1816]

Die blaue Blume

Ich suche die blaue Blume,

Ich suche und finde sie nie,

Mir träumt, daß in der Blume

Mein gutes Glück mir blüh’.

Ich wandre mit meiner Harfe

Durch Länder, Städt’ und Au’n,

Ob nirgends in der Runde

Die blaue Blume zu schau’n.

Ich wand’re schon seit lange,

Hab’ lang’ gehofft, vertraut,

Doch ach, noch nirgends hab’ ich

Die blaue Blum’ geschaut.

[1818]

Die zwei Gesellen

Es zogen zwei rüst’ge Gesellen

Zum erstenmal von Haus,

So jubelnd recht in die hellen,

Klingenden, singenden Wellen

Des vollen Frühlings hinaus.

Die strebten nach hohen Dingen,

Die wollten, trotz Lust und Schmerz,

Was Rechts in der Welt vollbringen,

Und wem sie vorüber gingen,

Dem lachten Sinnen und Herz. –

Der Erste, der fand ein Liebchen,

Die Schwieger kauft’ Hof und Haus;

Der wiegte gar bald ein Bübchen,

Und sah aus heimlichem Stübchen

Behaglich in’s Feld hinaus.

Dem Zweiten sangen und logen

Die tausend Stimmen im Grund,

Verlockend’ Sirenen, und zogen

Ihn in der buhlenden Wogen

Farbig klingenden Schlund.

Und wie er auftaucht’ vom Schlunde,

Da war er müde und alt,

Sein Schifflein das lag im Grunde,

So still war’s rings in die Runde

Und über die Wasser weht’s kalt.

Es singen und klingen die Wellen

Des Frühlings wohl über mir;

Und seh’ ich so kecke Gesellen,

Die Thränen im Auge mir schwellen –

Ach Gott, führ’ uns liebreich zu Dir!

[1818]

Der verspätete Wandrer

Wo werd’ ich sein im künft’gen Lenze?

So frug ich sonst wohl, wenn beim Hüteschwingen

In’s Thal wir ließen unser Lied erklingen,

Denn jeder Wipfel bot mir frische Kränze.

Ich wußte nur, daß rings der Frühling gläntze,

Daß nach dem Meer die Ströme funkelnd gingen,

Von fernem Wunderland die Vögel singen,

Da hatt’ das Morgenroth noch keine Gränze.

Jetzt aber wird’s schon Abend, alle Lieben

Sind wandermüde längst zurückgeblieben,

Die Nachtluft rauscht durch meine welken Kränze,

Und heimwärts rufen mich die Abendglokken,

Und in der Einsamkeit frag’ ich erschrocken:

Wo werd’ ich sein im künft’gen Lenze?

[1825]

Der Abend

Schweigt der Menschen laute Lust:

Rauscht die Erde wie in Träumen

Wunderbar mit allen Bäumen,

Was dem Herzen kaum bewußt,

Alte Zeiten, linde Trauer,

Und es schweifen leise Schauer

Wetterleuchtend durch die Brust.

[1826]

Der wandernde Musikant

1.

Wandern lieb’ ich für mein Leben,

Lebe eben wie ich kann,

Wollt’ ich mir auch Mühe geben,

Paßt es mir doch gar nicht an.

Schöne alte Lieder weiß ich,

In der Kälte, ohne Schuh’

Draußen in die Saiten reiß’ ich,

Weiß nicht, wo ich Abends ruh’.

Manche Schöne macht wohl Augen,

Meinet, ich gefiel’ ihr sehr,

Wenn ich nur was wollte taugen,

So ein armer Lump nicht wär’. –

Mag dir Gott ein’n Mann bescheeren,

Wohl mit Haus und Hof versehn!

Wenn wir zwei zusammen wären,

Möcht’ mein Singen mir vergehn.

[1826]

2.

Wenn die Sonne lieblich schiene

Wie in Wälschland lau und blau,

Ging’ ich mit der Mandoline

Durch die überglänzte Au.

In der Nacht dann Liebchen lauschte

An dem Fenster süß verwacht,

Wünschte mir und ihr, uns Beiden,

Heimlich eine schöne Nacht.

Wenn die Sonne lieblich schiene

Wie in Wälschland lau und blau,

Ging’ ich mit der Mandoline

Durch die überglänzte Au.

[1815]

3.

Ich reise über’s grüne Land,

Der Winter ist vergangen,

Hab’ um den Hals ein gülden Band,

Daran die Laute hangen.

Der Morgen thut ein’n rothen Schein,

Den recht mein Herze spüret,

Da greif’ ich in die Saiten ein,

Der liebe Gott mich führet.

So silbern geht der Ströme Lauf,

Fernüber schallt Geläute,

Die Seele ruft in sich: Glück auf!

Rings grüßen frohe Leute.

Mein Herz ist recht von Diamant,

Ein Blum’ von Edelsteinen,

Die funkelt lustig über’s Land

In tausend schönen Scheinen.

Vom Schlosse in die weite Welt

Schaut eine Jungfrau ’runter,

Der Liebste sie im Arme hält,

Die sehn nach mir herunter.

Wie bist du schön! Hinaus, im Wald

Gehn Wasser auf und unter,

Im grünen Wald sing’, daß es schallt,

Mein Herz, bleib’ frei und munter!

Die Sonne uns im Dunklen läßt,

Im Meere sich zu spülen,

Da ruh’ ich aus vom Tages-Fest

Fromm in der rothen Kühle.

Hoch führet durch die stille Nacht

Der Mond die goldnen Schafe,

Den Kreis der Erden Gott bewacht,

Wo ich tief unten schlafe.

Wie liegt all’ falsche Pracht so weit!

Schlaf wohl auf stiller Erde,

Gott schütz’ dein Herz in Ewigkeit,

Daß es nie traurig werde!

4.

Bist du manchmal auch verstimmt,

Drück’ dich zärtlich an mein Herze,

Daß mir’s fast den Athem nimmt,

Streich’ und kneif’ in süßem Scherze,

Wie ein rechter Liebes-Thor

Lehn’ ich sanft an dich die Wange

Und du singst mir fein ins Ohr.

Wohl im Hofe bei dem Klange

Katze miaut, Hund heult und bellt,

Nachbar schimpft mit wilder Miene –

Doch was kümmert uns die Welt,

Süße, traute Violine!

[1837]

5.

Mürrisch sitzen sie und maulen

Auf den Bänken stumm und breit,

Gähnend strecken sich die Faulen,

Und die Kecken suchen Streit.

Da komm’ ich durch’s Dorf geschritten,

Fernher durch den Abend kühl,

Stell’ mich in des Kreises Mitten,

Grüß’ und zieh’ mein Geigenspiel.

Und wie ich den Bogen schwenke,

Ziehn die Klänge in der Rund’

Allen recht durch die Gelenke

Bis zum tiefsten Herzensgrund.

Und nun geht’s an’s Gläserklingen,

An ein Walzen um und um,

Je mehr ich streich’, je mehr sie springen

Keiner fragt erst lang: warum? –

Jeder will dem Geiger reichen

Nun sein Scherflein auf die Hand –

Da vergeht ihm gleich sein Streichen,

Und fort ist der Musikant.

Und sie sehn ihn fröhlich steigen

Nach den Waldeshöh’n hinaus,

Hören ihn von fern noch geigen,

Und gehn All’ vergnügt nach Haus.

Doch in Waldes grünen Hallen

Rast’ ich dann noch manche Stund’,

Nur die fernen Nachtigallen

Schlagen tief aus nächt’gem Grund.

Und es rauscht die Nacht so leise

Durch die Waldeseinsamkeit,

Und ich sinn’ auf neue Weise,

Die der Menschen Herz erfreut.

[1826]

6.

Durch Feld und Buchenhallen

Bald singend, bald fröhlich still,

Recht lustig sei vor allen

Wer’s Reisen wählen will!

Wenn’s kaum im Osten glühte,

Die Welt noch still und weit:

Da weht recht durch’s Gemüthe

Die schöne Blüthenzeit!

Die Lerch’ als Morgenbote

Sich in die Lüfte schwingt,

Eine frische Reisenote

Durch Wald und Herz erklingt.

O Lust, vom Berg zu schauen

Weit über Wald und Strom,

Hoch über sich den blauen

Tiefklaren Himmelsdom!

Vom Berge Vöglein fliegen

Und Wolken so geschwind,

Gedanken überfliegen

Die Vögel und den Wind.

Die Wolken ziehn hernieder,

Das Vöglein senkt sich gleich,

Gedanken gehn und Lieder

Fort bis in’s Himmelreich.

[1826]

Denkst du des Schloßes noch auf stiller Höh?

Das Horn ruft nächtlich dort, als ob’s Dich riefe,

Am Abgrund grast das Reh,

Es rauscht der Wald verwirrend aus der Tiefe –

O stille! wecke nicht! es war, als schliefe

Da drunten unnennbares Weh. –

Kennst Du den Garten? – Wenn sich Lentz erneut,

Geht dort ein Fräulein auf den kühlen Gängen

Still durch die Einsamkeit

Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen,

Als ob die Bäume u. die Blumen sängen

Von der alten schönen Zeit.

Ihr Wipfel u. ihr Brunnen, rauscht nur zu!

Wohin du auch in wilder Flucht magst dringen:

Du findest nirgends Ruh!

Erreichen wird Dich das geheime Singen,

In dieses Sees wunderbaren Ringen

Gehn wir doch unter, ich und Du! –

[1830]

Morgenständchen

In den Wipfeln frische Lüfte,

Fern melod’scher Quellen Fall,

Durch die Einsamkeit der Klüfte

Waldeslaut und Vogelschall,

Scheuer Träume Spielgenossen,

Steigen all’ beim Morgenschein

Auf des Weinlaubs schwanken Sprossen

Dir in’s Fenster aus und ein.

Und wir hah’n noch halb in Träumen,

Und wir thun in Klängen kund,

Was da draußen in den Bäumen

Singt der weite Frühlingsgrund.

Regt der Tag erst laut die Schwingen:

Sind wir Alle wieder weit –

Aber tief im Herzen klingen

Lange nach noch Lust und Leid.

[1832]

Die Nacht

Wie schön, hier zu verträumen

Die Nacht im stillen Wald,

Wenn in den dunklen Bäumen

Das alte Märchen hallt.

Die Berg’ im Mondesschimmer

Wie in Gedanken stehn,

Und durch verworrne Trümmer

Die Quellen klagend gehn.

Denn müd’ ging auf den Matten

Die Schönheit nun zur Ruh,

Es deckt mit kühlen Schatten

Die Nacht das Liebchen zu.

Das ist das irre Klagen

In stiller Waldespracht,

Die Nachtigallen schlagen

Von ihr die ganze Nacht.

Die Stern gehn auf und nieder –

Wann kommst du, Morgenwind,

Und hebst die Schatten wieder

Von dem verträumten Kind?

Schon rührt sich’s in den Bäumen,

Die Lerche weckt sie bald –

So will ich treu verträumen

Die Nacht im stillen Wald.

[1834]

Lockung

Hörst du nicht die Bäume rauschen

Draußen durch die stille Rund’?

Lockt’s dich nicht, hinabzulauschen

Von dem Söller in den Grund,

Wo die vielen Bäche gehen

Wunderbar im Mondenschein

Und die stillen Schlösser sehen

In den Fluß vom hohen Stein?

Kennst du noch die irren Lieder

Aus der alten, schönen Zeit?

Sie erwachen alle wieder

Nachts in Waldeseinsamkeit,

Wenn die Bäume träumend lauschen

Und der Flieder duftet schwül

Und im Fluß die Nixen rauschen –

Komm herab, hier ist’s so kühl.

[1834]

Schöne Fremde

Es rauschen die Wipfel und schauern,

Als machten zu dieser Stund’

Um die halbversunkenen Mauern

Die alten Götter die Rund’.

Hier hinter den Myrthenbäumen

In heimlich dämmernder Pracht,

Was sprichst du wirr wie in Träumen

Zu mir, phantastische Nacht?

Es funkeln auf mich alle Sterne

Mit glühendem Liebesblick,

Es redet trunken die Ferne

Wie von künftigem, großem Glück! –

[1834]

Sehnsucht

Es schienen so golden die Sterne,

Am Fenster ich einsam stand

Und hörte aus weiter Ferne

Ein Posthorn im stillen Land.

Das Herz mir im Leib entbrennte,

Da hab’ ich mir heimlich gedacht:

Ach, wer da mitreisen könnte

In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen

Vorüber am Bergeshang,

Ich hörte im Wandern sie singen

Die stille Gegend entlang:

Von schwindelnden Felsenschlüften,

Wo die Wälder rauschen so sacht,

Von Quellen, die von den Klüften

Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,

Von Gärten, die über’m Gestein

In dämmernden Lauben verwildern,

Palästen im Mondenschein,

Wo die Mädchen am Fenster lauschen,

Wann der Lauten Klang erwacht

Und die Brunnen verschlafen rauschen

In der prächtigen Sommernacht. –

[1834]

Der wandernde Student

Bei dem angenehmsten Wetter

Singen alle Vögelein,

Klatscht der Regen auf die Blätter,

Sing’ ich so für mich allein.

Denn mein Aug’ kann nichts entdecken,

Wenn der Blitz auch grausam glüht,

Was im Wandern könnt’ erschrecken

Ein zufriedenes Gemüth.

Frei von Mammon will ich schreiten

Auf dem Feld der Wissenschaft,

Sinne ernst und nehm’ zu Zeiten

Einen Mund voll Rebensaft.

Bin ich müde vom Studiren,

Wann der Mond tritt sanft herfür,

Pfleg’ ich dann zu musiziren

Vor der Allerschönsten Thür.

[1835]

Die Nachtblume

Nacht ist wie ein stilles Meer,

Lust und Leid und Liebesklagen

Kommen so verworren her

In dem linden Wellenschlagen.

Wünsche wie die Wolken sind,

Schiffen durch die stillen Räume,

Wer erkennt im lauen Wind,

Ob’s Gedanken oder Träume? –

Schließ’ ich nun auch Herz und Mund,

Die so gern den Sternen klagen:

Leise doch im Herzensgrund

Bleibt das linde Wellenschlagen.

[1837]

Zauberblick

Die Burg, die liegt verfallen

In schöner Einsamkeit,

Dort saß ich vor den Hallen

Bei stiller Mittagszeit.

Es ruhten in der Kühle

Die Rehe auf dem Wall

Und tief in blauer Schwüle

Die sonn’gen Thäler all’.

Tief unten hört’ ich Glocken

In weiter Ferne gehen,

Ich aber mußt’ erschrocken

Zum alten Erker sehn.

Denn in dem Fensterbogen

Ein’ schöne Fraue stand,

Als hütete sie droben

Die Wälder und das Land.

Ihr Haar, wie’n goldner Mantel,

War tief herabgerollt;

Auf einmal sie sich wandte,

Als ob sie sprechen wollt’.

Und als ich schauernd lauschte –

Da war ich aufgewacht,

Und unter mir schon rauschte

So wunderbar die Nacht.

Träumt’ ich im Mondesschimmer?

Ich weiß nicht, was mir graut,

Doch das vergeß’ ich nimmer,

Wie sie mich angeschaut!

[1837]

Auf meines Kindes Tod

1.

Das Kindlein spielt’ draußen im Frühlingsschein,

Und freut’ sich und hatte so viel zu sehen,

Wie die Felder schimmern und die Ströme gehen –

Da sah der Abend durch die Bäume herein,

Der alle die schönen Bilder verwirrt.

Und wie es nun ringsum so stille wird,

Beginnt aus den Thälern ein heimlich Singen,

Als wollt’s mit Wehmuth die Welt umschlingen,

Die Farben vergehn und die Erde wird blaß.

Voll Staunen fragt’s Kindlein: ach, was ist das?

Und legt sich träumend in’s säuselnde Gras;

Da rühren die Blumen ihm kühle an’s Herz

Und lächelnd fühlt es so süßen Schmerz,

Und die Erde, die Mutter, so schön und bleich,

Küßt das Kindlein und läßt’s nicht los,

Zieht es herzinnig in ihren Schooß

Und bettet es drunten gar warm und weich,

Still unter Blumen und Moos. –

»Und was weint ihr, Vater und Mutter, um mich?

In einem viel schöneren Garten bin ich,

Der ist so groß und weit und wunderbar,

Viel Blumen stehn dort von Golde klar,

Und schöne Kindlein mit Flügeln schwingen

Auf und nieder sich drauf und singen. –

Die kenn’ ich gar wohl aus der Frühlingszeit,

Wie sie zogen über Berge und Thäler weit

Und Mancher mich da aus dem Himmelblau rief,

Wenn ich drunten im Garten schlief. –

Und mitten zwischen den Blumen und Scheinen

Steht die schönste von allen Frauen,

Ein glänzend Kindlein an ihrer Brust. –

Ich kann nicht sprechen und auch nicht weinen,

Nur singen immer und wieder dann schauen

Still vor großer, seliger Lust.«

2.

Als ich nun zum ersten Male

Wieder durch den Garten ging,

Busch und Bächlein in dem Thale

Lustig an zu plaudern fing.

Blumen halbverstohlen blickten

Neckend aus dem Gras heraus,

Bunte Schmetterlinge schickten

Sie sogleich auf Kundschaft aus.

Auch der Kuckuck in den Zweigen

Fand sich bald zum Spielen ein,

Endlich brach der Baum das Schweigen:

»Warum kommst du heut allein?«

Da ich aber schwieg, da rührt’ er

Wunderbar sein dunkles Haupt,

Und ein Flüstern konnt’ ich spüren

Zwischen Vöglein, Blüth’ und Laub.

Thränen in dem Grase hingen,

Durch die abendstille Rund

Klagend nun die Quellen gingen,

Und ich weint’ aus Herzensgrund.

3.

Was ist mir denn so wehe?

Es liegt ja wie im Traum

Der Grund schon, wo ich stehe,

Die Wälder säuseln kaum

Noch von der dunklen Höhe.

Es komme wie es will,

Was ist mir denn so wehe –

Wie bald wird Alles still.

4.

Das ist’s, was mich ganz verstöret:

Daß die Nacht nicht Ruhe hält,

Wenn zu athmen aufgehöret

Lange schon die müde Welt.

Daß die Glocken, die da schlagen,

Und im Wald der leise Wind

Jede Nacht von Neuem klagen

Um mein liebes, süßes Kind.

Daß mein Herz nicht konnte brechen

Bei dem letzten Todeskuß,

Daß ich wie im Wahnsinn sprechen

Nun in irren Liedern muß.

5.

Freuden wollt’ ich dir bereiten,

Zwischen Kämpfen, Lust und Schmerz

Wollt’ ich treulich dich geleiten

Durch das Leben himmelwärts.

Doch du hast’s allein gefunden

Wo kein Vater führen kann,

Durch die ernste, dunkle Stunde

Gingst du schuldlos mir voran.

Wie das Säuseln leiser Schwingen

Draußen über Thal und Kluft

Ging zur selben Stund ein Singen

Ferne durch die stille Luft.

Und so fröhlich glänzt der Morgen,

’S war als ob das Singen sprach:

Jetzo lasset alle Sorgen,

Liebt ihr mich, so folgt mir nach!

6.

Ich führt’ dich oft spazieren

In Winter-Einsamkeit,

Kein Laut ließ sich da spüren,

Du schöne, stille Zeit!

Lenz ist’s nun, Lerchen singen

Im Blauen über mir,

Ich weine still – sie bringen

Mir einen Gruß von dir.

7.

Die Welt treibt fort ihr Wesen,

Die Leute kommen und gehn,

Als wärst du nie gewesen,

Als wäre Nichts geschehn.

Wie sehn’ ich mich auf’s Neue

Hinaus in Wald und Flur!

Ob ich mich gräm’, mich freue,

Du bleibst mir treu, Natur.

Da klagt vor tiefem Sehnen

Schluchzend die Nachtigall,

Es schimmern rings von Thränen

Die Blumen überall.

Und über alle Gipfel

Und Blüthenthäler zieht

Durch stillen Waldes Wipfel

Ein heimlich Klagelied.

Da spür’ ich’s recht im Herzen,

Daß du’s, Herr, draußen bist –

Du weißt’s, wie mir von Schmerzen

Mein Herz zerrissen ist!

8.

Von fern die Uhren schlagen,

Es ist schon tiefe Nacht,

Die Lampe brennt so düster,

Dein Bettlein ist gemacht.

Die Winde nur noch gehen

Wehklagend um das Haus,

Wir sitzen einsam drinne

Und lauschen oft hinaus.

Es ist, als müßtest leise

Du klopfen an die Thür,

Du hätt’st dich nur verirret,

Und kämst nun müd’ zurück.

Wir armen, armen Thoren!

Wir irren ja im Graus

Des Dunkels noch verloren –

Du fand’st dich längst nach Haus.

9.

Dort ist so tiefer Schatten,

Du schläfst in guter Ruh,

Es deckt mit grünen Matten

Der liebe Gott dich zu.

Die alten Weiden neigen

Sich auf dein Bett herein,

Die Vöglein in den Zweigen

Sie singen treu dich ein.

Und wie in gold’nen Träumen

Geht linder Frühlingswind

Rings in den stillen Bäumen –

Schlaf wohl mein süßes Kind!

10.

Mein liebes Kind, Ade!

Ich konnt’ Ade nicht sagen

Als sie dich fortgetragen,

Vor tiefem, tiefem Weh.

Jetzt auf lichtgrünem Plan

Stehst du im Myrthenkranze,

Und lächelst aus dem Glanze

Mich still voll Mitleid an.

Und Jahre nahn und gehn,

Wie bald bin ich verstoben –

O bitt’ für mich da droben,

Daß wir uns wiedersehn!

[1837]

Frühlingsnacht

Ueber’n Garten durch die Lüfte

Hört’ ich Wandervögel ziehn,

Das bedeutet Frühlingsdüfte,

Unten fängt’s schon an zu blühn.

Jauchzen möchte’ ich, möchte weinen,

Ist mir’s doch, als könnt’s nicht sein!

Alte Wunder wieder scheinen

Mit dem Mondesglanz herein.

Und der Mond, die Sterne sagen’s,

Und in Träumen rauscht’s der Hain,

Und die Nachtigallen schlagen’s:

Sie ist Deine, sie ist Dein!

[1837]

Mondnacht

Es war, als hätt’ der Himmel

Die Erde still geküßt,

Daß sie im Blüthen-Schimmer

Von ihm nun träumen müßt’.

Die Luft ging durch die Felder,

Die Aehren wogten sacht,

Es rauschten leis die Wälder,

So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte

Weit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,

Als flöge sie nach Haus.

[1837]

Neue Liebe

Herz, mein Herz, warum so fröhlich,

So voll Unruh’ und zerstreut,

Als käm’ über Berge selig

Schon die schöne Frühlingszeit?

Weil ein liebes Mädchen wieder

Herzlich an dein Herz sich drückt,

Schaust du fröhlich auf und nieder,

Erd’ und Himmel dich erquickt.

Und ich hab’ die Fenster offen,

Neu zieh in die Welt hinein

Altes Bangen, altes Hoffen!

Frühling, Frühling soll es sein!

Still kann ich hier nicht mehr bleiben,

Durch die Brust ein Singen irrt,

Doch zu licht ist’s mir zum Schreiben,

Und ich bin so froh verwirrt.

Also schlendr’ ich durch die Gassen,

Menschen gehen her und hin,

Weiß nicht, was ich thu und lasse,

Nur, daß ich so glücklich bin.

[1837]

Trennung

1.

Denkst Du noch jenes Abends, still vor Sehnen,

Wo wir zum letztenmal im Park beisammen?

Kühl standen rings des Abendrothes Flammen,

Ich scherzte wild – Du lächeltest durch Thränen.

So spielt der Wahnsinn lieblich mit den Schmerzen

An jäher Schlüfte Rand, die nach ihm trachten;

Er mag der lauernden Gefahr nicht achten;

Er hat den Tod ja schon im öden Herzen.

Ob Du die Mutter auch belogst, betrübtest,

Was andre Leute drüber deuten, sagen –

Sonst scheu – heut mocht’st Du Nichts nach Allem fragen,

Mir einzig zeigen nur, wie Du mich liebtest.

Und aus dem Hause heimlich so entwichen,

Gabst Du in’s Feld mir schweigend das Geleite,

Vor uns das Thal, das hoffnungsreiche, weite,

Und hinter uns kam grau die Nacht geschlichen.

Du gehst nun fort, sprachst du, ich bleib’ alleine;

Ach! dürft’ ich Alles lassen, still und heiter

Mit Dir so ziehn hinab und immer weiter –

Ich sah Dich an – es spielten bleiche Scheine

So wunderbar um Locken Dir und Glieder;

So ruhig, fremd warst Du mir nie erschienen,

Es war, als sagten die versteinten Mienen,

Was Du verschwiegst: Wir seh’n uns niemals wieder!

2.

Schon wird es draußen licht auf Berg und Thalen;

Aurora, stille Braut, ihr schönen Strahlen,

Die farb’gen Rauch aus Fluß und Wäldern saugen,

Euch grüßen neu die halbverschlafnen Augen.

Verräthrisch, sagt man, sei des Zimmers Schwüle,

Wo Nachts ein Mädchen träumte vom Geliebten:

So komm herein, du rothe, frische Kühle,

Fliegt in die blaue Luft, ihr schönen Träume!

Ein furchtsam Kind, im stillen Haus erzogen,

Konnt’ ich am Abendroth die Blicke weiden,

Tiefathmend in die laue Luft vor Freuden.

Er hat um diese Stille mich betrogen.

Mit stolzen Augen, fremden schönen Worten

Lockt er die Wünsche aus dem stillen Hafen,

Wo sie bei Sternenglanze selig schlafen,

Hinaus ins unbekannte Reich der Wogen;

Da kommen Winde buhlend angeflogen,

Die zarte Hand zwingt nicht die wilden Wellen,

Du mußt, wohin die vollen Segel schwellen.

Da zog er heimlich fort. – Seit jenem Morgen

Da hatt’ ich Noth, hatt’ heimlich was zu sorgen.

Wenn nächtlich unten lag die stille Runde,

Einförmig Rauschen herkam von den Wäldern,

Pfeifend der Wind strich durch die öden Felder

Und hin und her in Dörfern bellten Hunde.

Ach! wenn kein glücklich Herz auf Erden wacht,

Begrüßten die verweinten Augen manche Nacht!

Wie oft, wenn wir im Garten ruhig waren,

Sagte mein Bruder mir vor vielen Jahren:

»Dem schönen Lenz gleicht recht die erste Liebe.

Wann draußen neu geschmückt die Frühlingsbühne,

Die Reiter blitzend unten ziehn durch’s Grüne,

In blauer Luft die Lerchen lustig schwirren,

Läßt sie sich weit in’s Land hinaus verführen,

Fragt nicht, wohin, und mag sich gern verirren,

Den Stimmen folgend, die sie wirrend führen.

Da wendet auf den Feldern sich der Wind,

Die Vögel hoch durch Nebel ziehn nach Haus;

Es wird so still, das schöne Fest ist aus.

Gar weit die Heimath liegt, das schöne Kind

Find’t nicht nach Hause mehr, nicht weiter fort –

Hüt’ dich, such’ früh dir einen sichern Port!«

[1837]

Ein Eiland, das die Zeiten nicht versanden,

Von dem sehnsüchtig fromme Völker träumen,

Wo Himmelslichter ernst den Felsen säumen,

Der Wetter bricht und Weltwitz macht zu Schanden:

Dorthin kehrst Du das Schiff aus wildem Branden,

Wie auch die Wogen sich hoffärtig bäumen,

Das Steuer lenkend durch das eitle Schäumen,

Am heil’gen Heimathsstrand Dein Volk zu landen.

Dorther auch stammt der Poesie Gebilde,

Und mahnend zielt nach jenen stillen Höhen

Des Dichters Lied, daß Heimweh sich erneue.

Ein Hauch nur ist’s – laß in die Seegel milde,

Um Deinen Banner, hoher Herr, ihn wehen:

Es ist der Herzens-Klang der alten Treue.

[1838/40]

Wünschelruthe

Schläft ein Lied in allen Dingen,

Die da träumen fort und fort,

Und die Welt hebt an zu singen,

Triffst du nur das Zauberwort.

[1838]

Verloren

Still bei Nacht fährt manches Schiff,

Meerfey kämmt ihr Haar am Riff,

Hebt von Inseln an zu singen,

Die im Meer dort untergingen.

Wann die Morgenwinde wehn,

Ist nicht Riff noch Fey zu sehn,

Und das Schifflein ein ist versunken,

Und der Schiffer ist ertrunken

[1842]

Nachtzauber

„Hörst du nicht die Quellen gehen

Zwischen Stein und Blumen weit

Nach den stillen Waldes=Seen,

Wo die Marmorbilder stehen

In der schönen Einsamkeit?

Von den Bergen sacht hernieder,

Weckend die uralten Lieder,

Steigt die wunderbare Nacht,

Und die Gründe glänzen wieder,

Wie du’s oft im Traum gedacht.“ –

„Kennst die Blume Du, entsprossen

In dem mondbeglänzten Grund?

Aus der Knospe, halb erschlossen

Junge Glieder blühend sprossen,

Weiße Arme, rother Mund,

Und die Nachtigallen schlagen,

Und rings hebt es an zu klagen,

Ach, vor Liebe todeswund,

Von versunknen schönen Tagen –

Komm’, o komm’ zum stillen Grund!“

[1853]

THEODOR KÖRNER

Aufruf

1813

Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,

Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.

Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen;

Frisch auf, mein Volk! – Die Flammenzeichen rauchen,

Die Saat ist reif – ihr Schnitter, zaudert nicht!

Das höchste Heil, das letzte, liegt im Schwerte!

Drück’ dir den Speer ins treue Herz hinein! –

Der Freiheit eine Gasse! – Wasch’ die Erde,

Dein deutsches Land, mit deinem Blute rein!

Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen;

Es ist ein Kreuzzug, ’s ist ein heil’ger Krieg!

Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gewissen

Hat der Tyrann aus deiner Brust gerissen –

Errette sie mit deiner Freiheit Sieg!

Das Winseln deiner Greise ruft: »Erwache!«

Der Hütte Schutt verflucht die Räuberbrut,

Die Schande deiner Töchter schreit um Rache,

Der Meuchelmord der Söhne schreit nach Blut.

Zerbrich den Pflugschar, laß den Meißel fallen,

Die Leier still, den Webstuhl ruhig stehn!

Verlasse deine Höfe, deine Hallen!

Vor dessen Antlitz deine Fahnen wallen,

Er will sein Volk in Waffenrüstung sehn.

Denn einen großen Altar sollst du bauen

In seiner Freiheit ew’gem Morgenrot;

Mit deinem Schwert sollst du die Steine hauen,

Der Tempel gründe sich auf Heldentod!

Was weint ihr, Mädchen, warum klagt ihr, Weiber,

Für die der Herr die Schwerter nicht gestählt,

Wenn wir entzückt die jugendlichen Leiber

Hinwerfen in die Scharen eurer Räuber,

Daß euch des Kampfes kühne Wollust fehlt?

Ihr könnt ja froh zu Gottes Altar treten!

Für Wunden gab er zarte Sorgsamkeit,

Gab euch in euern herzlichen Gebeten

Den schönen, reinen Sieg der Frömmigkeit!

So betet, daß die alte Kraft erwache,

Daß wir dastehn, das alte Volk des Siegs!

Die Märtyrer der heil’gen deutschen Sache,

O ruft sie an als Genien der Rache,

Als gute Engel des gerechten Kriegs!

Luise, schwebe segnend um den Gatten!

Geist unsers Ferdinands, voran dem Zug!

Und all’ ihr deutschen freien Heldenschatten,

Mit uns, mit uns und unsrer Fahnen Flug!

Der Himmel hilft, die Hölle muß uns weichen!

Drauf, wack’res Volk! Drauf! ruft die Freiheit, drauf!

Hoch schlägt dein Herz, hoch wachsen deine Eichen,

Was kümmern dich die Hügel deiner Leichen?

Hoch pflanze da die Freiheitsfahne auf!

Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,

In deiner Vorzeit heil’gem Siegerglanz:

Vergiß die treuen Toten nicht und schmücke

Auch unsre Urne mit dem Eichenkranz!

Abschied vom Leben

Als ich in der Nacht vom 17. zum 18. Juni schwer

verwundet und hülflos in einem Holze lag und zu sterben

meinte.

Die Wunde brennt, die bleichen Lippen beben.

Ich fühl’s an meines Herzens matterm Schlage,

Hier steh’ ich an den Marken meiner Tage.

Gott, wie du willst! dir hab’ ich mich ergeben.

Viel goldne Bilder sah ich um mich schweben;

Das schöne Traumlied wird zur Totenklage.

Mut! Mut! Was ich so treu im Herzen trage,

Das muß ja doch dort ewig mit mir leben!

Und was ich hier als Heiligtum erkannte,

Wofür ich rasch und jugendlich entbrannte,

Ob ich’s nun Freiheit, ob ich’s Liebe nannte:

Als lichten Seraph seh’ ich’s vor mir stehen;

Und wie die Sinne langsam mir vergehen,

Trägt mich ein Hauch zu morgenroten Höhen.

Vor Rauchs Büste der Königin Louise

1812

Du schläfst so sanft! – Die stillen Züge hauchen

Noch deines Lebens schöne Träume wider;

Der Schlummer nur senkt seine Flügel nieder,

Und heil’ger Friede schließt die klaren Augen.

So schlumm’re fort, bis deines Volkes Brüder,

Wenn Flammenzeichen von den Bergen rauchen,

Mit Gott versöhnt die rost’gen Schwerter brauchen,

Das Leben opfernd für die höchsten Güter.

Tief führt der Herr durch Nacht und durch Verderben;

So sollen wir im Kampf das Heil erwerben,

Daß unsre Enkel freie Männer sterben.

Kommt dann der Tag der Freiheit und der Rache:

Dann ruft dein Volk, dann, deutsche Frau, erwache,

Ein guter Engel für die gute Sache!

GUSTAV SCHWAB

Böse Stunden

Leser, der mit mir empfunden,

Kennst du auch die Qual der Stunden,

Wenn das Herz uns dichten heißt,

Tückisch uns versagt der Geist?

Wenn umsonst an seine Pforte

Klopfen die verworrnen Worte?

Eh’ sich ein Gedank’entfaltet

Ist er schon zu Stein erkaltet,

Daß er nichts mehr von sich weiß;

Und was Blüte schien, ist Eis;

Bilder, die sonst hell, wie Lichter,

Zeigen Leichenangesichter.

Wer dem Sänger grollt, frohlocke,

Denn sein Haupt liegt auf dem Blocke,

Leben ward bewußter Tod,

Nacht von ewger Nacht bedroht.

Edler Feind, wünsch ihm Vernichtung,

Treuer Freund, erfleh ihm Lichtung!

Der Feiertag

Romanze

Urahne, Großmutter, Mutter und Kind

In dumpfer Stube beysammen sind;

Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,

Großmutter spinnet, Urahne gebückt

Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl –

Wie wehen die Lüfte so schwül!

Das Kind spricht: »morgen ists Feiertag,

Wie will ich spielen im grünen Hag,

Wie will ich springen durch Thal und Höhn,

Wie will ich pflücken viel Blumen schön;

Dem Anger, dem bin ich hold!« –

Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Die Mutter spricht: »morgen ists Feiertag,

Da halten wir alle fröhlich Gelag,

Ich selber ich rüste mein Feierkleid;

Das Leben es hat auch Lust nach Leid,

Dann scheint die Sonne wie Gold!« –

Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Großmutter spricht: »morgen ists Feiertag,

Großmutter hat keinen Feiertag,

Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,

Das Leben ist Sorg’ und viel Arbeit;

Wohl dem, der thät, was er sollt’!« –

Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Urahne spricht: »morgen ists Feiertag,

Am liebsten morgen ich sterben mag:

Ich kann nicht singen und scherzen mehr,

Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,

Was thu’ ich noch auf der Welt?« –

Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?

Sie hören’s nicht, sie sehen’s nicht,

Es flammet die Stube wie lauter Licht;

Urahne, Großmutter, Mutter und Kind

Vom Strahl miteinander getroffen sind,

Vier Leben endet Ein Schlag –

Und morgen ists Feiertag.