»Es gilt dem armen, gefangnen Mann!
Wir helfen ihm aus Fessel und Bann!«
So ruft vor dem getürmten Schloß
Des hellen, wilden Haufens Troß.
Sie werfen den Feuerbrand ins Haus,
Sie treiben den alten Ritter aus,
Sie hauen zusammen Herrn und Gesind,
Und brechen in Küch’ und Keller geschwind.
Sie halten unter die Fässer den Mund
Und trinken sie aus bis auf den Grund,
Und schnarchen über dem Herrentisch;
Am dritten Morgen erstehen sie frisch.
»Wo ist der arme, gefangene Mann,
Daß er sich mit uns freuen kann!
Hervor, du guter Bruder, hervor;
Wir sprengen dir dein Eisentor.«
Da lag er drunten längst erstickt
Vom Feuer, dran sie sich erquickt.
Verschmachtet lag er in Schutt und Rauch,
Es leckt’ an ihm der Flamme Hauch.
Sie aber schickten sich zu ziehn,
Sie ließen liegen und modern ihn.
Laut sangen die satten, trunkenen Knecht’:
»Wir haben den armen Mann gerächt!«
Der Reiter reitet durchs helle Tal,
Auf Schneefeld schimmert der Sonne Strahl.
Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee,
Er will noch heut’ an den Bodensee;
Noch heut’ mit dem Pferd in den sichern Kahn,
Will drüben landen vor Nacht noch an.
Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein,
Er braust auf rüstigem Roß feldein.
Aus den Bergen heraus, ins ebene Land,
Da sieht er den Schnee sich dehnen wie Sand.
Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt,
Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt.
In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus,
Die Bäume gingen, die Felsen aus.
So flieget er hin eine Meil’ und zwei,
Er hört in den Lüften der Schneegans Schrei;
Es flattert das Wasserhuhn empor,
Nicht anderen Laut vernimmt sein Ohr.
Keinen Wandersmann sein Auge schaut,
Der ihm den rechten Pfad vertraut.
Fort geht’s, wie auf Samt, auf dem weichen Schnee,
Wann rauscht das Wasser, wann glänzt der See?
Da bricht der Abend, der frühe, herein,
Von Lichtern blinket ein ferner Schein.
Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum,
Und Hügel schließen den weiten Raum.
Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn,
Dem Rosse gibt er den scharfen Sporn.
Und Hunde bellen empor am Pferd,
Und es winkt im Dorf ihm der warme Herd.
»Willkommen am Fenster, Mägdelein,
An den See, an den See, wie weit mag’s sein?«
Die Maid, sie staunet den Reiter an:
»Der See liegt hinter dir und der Kahn.
Und deckt’ ihn die Rinde von Eis nicht zu,
Ich spräch’, aus dem Nachen stiegest du.«
Der Fremde schaudert, er atmet schwer:
»Dort hinten die Ebne, die ritt ich her!«
Da recket die Magd die Arm’ in die Höh’:
»Herr Gott! so rittest du über den See!
An den Schlund, an die Tiefe bodenlos,
Hat gepocht des rasenden Hufes Stoß!
Und unter dir zürnten die Wasser nicht?
Nicht krachte hinunter die Rinde dicht?
Und du wardst nicht die Speise der stummen Brut?
Der hungrigen Hecht’ in der kalten Flut?«
Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär’,
Es stellen die Knaben sich um ihn her;
Die Mütter, die Greise, sie sammeln sich:
»Glückseliger Mann, ja segne du dich!
Herein zum Ofen, zum dampfenden Tisch,
Brich mit uns das Brot und iß vom Fisch!«
Der Reiter erstarret auf seinem Pferd,
Er hat nur das erste Wort gehört.
Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar,
Dicht hinter ihm grinst noch die grause Gefahr.
Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund,
Sein Geist versinkt in den schwarzen Grund.
Im Ohr ihm donnert’s, wie krachend Eis,
Wie die Well’ umrieselt ihn kalter Schweiß.
Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab,
Da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.
Heuernte, schönste Zeit im Jahr,
Der Wald längst grün und doch noch klar,
Die Blumen ganz im Blühn,
Die Saat noch hoffnungsgrün.
Grün hängt die Frucht im dichten Baum,
Halb ausgebildet, halb noch Traum;
Still steht des Lebens Flucht
Noch zwischen Blüt’ und Frucht.
Nur erntereif das flücht’ge Gras,
Und frisch und duftig selber das.
Wohl, wenn’s ans Welken geht,
Dem, der so süß verweht!
Die Luft noch nicht zu wild durchschwirrt,
Nur hier und dort ein Käfer irrt;
Im Grillchen kichert nur,
Im Vogel jauchzt Natur.
Vorüber schwebt ein geist’ger Duft,
Ein Äther durch den Dampf der Luft!
Ist’s Engelsodem? Nein!
Es ist der blüh’nde Wein!
Und atme sie, wie Ewigkeit;
Leg’ dich am Quell ins Heu,
Erbau’ dein Traumgebäu!
Geschwind, eh’ dich ein Tropfen weckt,
Eh’ dich ein Blitz, ein Donner schreckt,
Denn auch der Wonne Born
Wallt plötzlich auf in Zorn.
Dann sät sein Korn der Hagel aus,
Der Sturm bricht Äste sich zum Strauß,
Der Bach zerreißt das Land –
Frucht, Blüte, Gras verschwand.
Nur Eine laß von deinen Gaben,
Verschwundne Liebe, mir zurück!
Nicht deine Freuden will ich haben,
Nicht dein beseligendes Glück.
O schenke nur den Schmerz mir wieder,
Der so gewaltig mich durchdrang,
Den tiefen Sturm der Klagelieder,
Der aus der wunden Brust sich schwang!
Ich will ja nicht ein fröhlich Zeichen,
Auch keinen Blick, kein freundlich Wort;
Nur nicht so stille laß mich schleichen,
Aus dieser Ruhe treib mich fort!
Laß mich mit deiner Wehmuth füllen,
Flieh weit, doch zieh mein Herz dir nach!
Gieb mir den Durst, der nie zu stillen,
Gieb mir dein Leiden, deine Schmach!
Dein Seufzen, deine Last, dein Sehnen,
Was andre nur an dir verschmähn –
O gieb mir Alles, bis mir Thränen
In den erstorbnen Augen stehn!
Mit zwanzig leichten Lenzen
Lag ich in diesem Wald,
Und seh’ ihn heute glänzen
In gleicher Lichtgestalt!
Es duften seine Würzen
Und seine Bäche stürzen,
Ja, nimmer wird er alt.
Mit rüst’gen Mannesschritten
Geh’ ich noch durch ihn hin,
Ich bin an Willen, Sitten,
Ich bin der Alt’ an Sinn;
Und dennoch muß ich sagen,
Ich muß mit Schmerzen klagen,
Daß ich ein andrer bin!
Die Buchen und die Eichen,
Mit Wurzeln tief und breit,
Sie waren meinesgleichen,
Was wußt’ ich von der Zeit?
Gleich diesen Felsenquadern
Fühlt’ ich in allen Adern
Getrost Unsterblichkeit.
Wohl bin ich jetzt ein andrer,
Bin kein Gewächs des Hains;
Ich bin ein flücht’ger Wandrer,
Und denke nur an eins:
Daß ich wie Windeswehen
Durch diesen Wald muß gehen –
O kurzer Traum des Seins!
Das Wandern ist des Müllers Lust,
Das Wandern!
Das muß ein schlechter Müller sein,
Dem niemals fiel das Wandern ein,
Das Wandern.
Vom Wasser haben wir’s gelernt,
Vom Wasser!
Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht,
Ist stets auf Wanderschaft bedacht,
Das Wasser.
Das sehn wir auch den Rädern ab,
Den Rädern!
Die gar nicht gerne stille stehn,
Die sich mein Tag nicht müde drehn,
Die Räder.
Die Steine selbst, so schwer sie sind,
Die Steine!
Sie tanzen mit den muntern Reihn
Und wollen gar noch schneller sein,
Die Steine.
O Wandern, Wandern, meine Lust,
O Wandern!
Herr Meister und Frau Meisterin,
Laßt mich in Frieden weiter ziehn
Und wandern.
[1818]
Ich hört’ ein Bächlein rauschen
Wohl aus dem Felsenquell,
Hinab zum Thale rauschen
So frisch und wunderhell.
Ich weiß nicht, wie mir wurde,
Nicht, wer den Rath mir gab,
Ich mußte auch hinunter
Mit meinem Wanderstab.
Hinunter und immer weiter,
Und immer dem Bache nach,
Und immer frischer rauschte,
Und immer heller der Bach.
O Bächlein, sprich, wohin?
Du hast mit deinem Rauschen
Mir ganz berauscht den Sinn.
Was sag’ ich denn von Rauschen?
Das kann kein Rauschen sein:
Es singen wohl die Nixen
Dort unten ihren Reihn.
Laß singen, Gesell, laß rauschen,
Und wandre fröhlich nach!
Es gehn ja Mühlenräder
In jedem klaren Bach.
[1818]
Ich schnitt’ es gern in alle Rinden ein,
Ich grüb’ es gern in jeden Kieselstein,
Ich möcht’ es sä’n auf jedes frische Beet
Mit Kressensamen, der es schnell verräth,
Auf jeden weißen Zettel möcht’ ich’s schreiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.
Ich möcht’ mir ziehen einen jungen Staar,
Bis daß er spräch’ die Worte rein und klar,
Bis er sie spräch’ mit meines Mundes Klang,
Mit meines Herzens vollem, heißem Drang;
Dann säng’ er hell durch ihre Fensterscheiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.
Den Morgenwinden möcht’ ich’s hauchen ein,
Ich möcht’ es säuseln durch den regen Hain;
O, leuchtet’ es aus jedem Blumenstern!
Trüg’ es der Duft zu ihr von nah und fern!
Ihr Wogen, könnt ihr nichts als Räder treiben?
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.
Ich meint’, es müßt’ in meinen Augen stehn,
Auf meinen Wangen müßt’ man’s brennen sehn,
Zu lesen wär’s auf meinem stummen Mund,
Ein jeder Athemzug gäb’s laut ihr kund;
Und sie merkt nichts von all’ dem bangen Treiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben!
[1821]
Im Krug zum grünen Kranze
Da kehrt’ ich durstig ein:
Da saß ein Wandrer drinnen
Am Tisch bei kühlem Wein.
Ein Glas war eingegossen,
Das wurde nimmer leer;
Sein Haupt ruht’ auf dem Bündel,
Als wär’s ihm viel zu schwer.
Ich thät mich zu ihm setzen,
Ich sah ihm in’s Gesicht,
Das schien mir gar befreundet,
Und dennoch kannt’ ich’s nicht.
Der fremde Wandersmann,
Und füllte meinen Becher,
Und sah mich wieder an.
Hei, was die Becher klangen,
Wie brannte Hand in Hand:
»Es lebe die Liebste deine,
Herzbruder, im Vaterland!«
[1821]
Wolle mich nicht immer fragen,
Mädchen, ob ich werde lieben;
Frage nicht nach andern Zeiten,
Denn ich weiß ja nur von diesen
Unerschöpflich sel’gen Tagen,
Die ich leb’ in deiner Liebe.
Wenn mein Arm dich hält umschlungen,
Herz an Herz und Lipp’ an Lippe,
Kenn’ ich nicht der Zeiten Scheidung –
In einander fühl’ ich rinnen,
Was die Zukunft weiß zu träumen,
Was Vergangenheit im Spiegel
Der Erinnerung kann zeigen,
In dem einen Augenblicke,
Wo im Abgrund ew’ger Liebe
Meine Sinnen untersinken.
[1822]
Holde Träume, ausgeträumte,
Die ihr schwebend um mein Lager,
Schon zu trüben, matten Flimmern
Der Erinnerung erkaltet,
Doch mit heißem Liebeszauber
Noch mich angefesselt haltet!
Meine Augen schließ’ ich wieder,
Lasse meine Schläfe fallen
Wieder auf die Kissen nieder –
Herz, und willst denn du nicht schlafen?
Schlafen kann ich nicht vor Freude
Und vor Leid kann ich nicht wachen –
Laßt mich, wie nachtwandelnd, schleichen
Auf der Liebe stillem Pfade,
Und daß keiner, weil mein Auge
Offen ist, mich ruf’ bei Namen!
[1822]
Seh’ ich deine Wangen glühen
Rosenroth vor meinen Blicken,
Scheint es mir wie Morgenröthe,
Morgenröthe deiner Liebe,
Die den Tag mir will verkünden.
Schlage nieder deine Blicke,
Daß die Sonne nicht vertreibe
Allzuschnell der Dämmrung Flimmer!
Muß sie ohne Abendröthen
Doch in ihre Nacht versinken.
[1822]
Gefrorne Tropfen fallen
Von meinen Wangen ab:
Und ist’s mir denn entgangen,
Daß ich geweinet hab’?
Ei Thränen, meine Thränen,
Und seid ihr gar so lau,
Daß ihr erstarrt zu Eise,
Wie kühler Morgenthau?
Und dringt doch aus der Quelle
Der Brust so glühend heiß,
Als wolltet ihr zerschmelzen
Des ganzen Winters Eis.
[1822]
Ich such’ im Schnee vergebens
Nach ihrer Tritte Spur,
Hier, wo wir oft gewandelt
Selbander durch die Flur.
Ich will den Boden küssen,
Durchdringen Eis und Schnee
Mit meinen heißen Thränen,
Bis ich die Erde seh’.
Wo find’ ich grünes Gras?
Die Blumen sind erstorben,
Der Rasen sieht so blaß.
Soll denn kein Angedenken
Ich nehmen mit von hier?
Wenn meine Schmerzen schweigen,
Wer sagt mir dann von ihr?
Mein Herz ist wie erfroren,
Kalt starrt ihr Bild darin:
Schmilzt je das Herz mir wieder,
Fließt auch das Bild dahin.
[1822]
Am Brunnen vor dem Thore
Da steht ein Lindenbaum:
Ich träumt’ in seinem Schatten
So manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
So manches liebe Wort;
Es zog in Freud’ und Leide
Zu ihm mich immer fort.
Ich mußt’ auch heute wandern
Vorbei in tiefer Nacht,
Da hab’ ich noch im Dunkel
Die Augen zugemacht.
Als riefen sie mir zu:
Komm her zu mir, Geselle,
Hier findst du deine Ruh’!
Die kalten Winde bliesen
Mir grad’ in’s Angesicht,
Der Hut flog mir vom Kopfe,
Ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde
Entfernt von jenem Ort,
Und immer hör’ ich’s rauschen:
Du fändest Ruhe dort!
[1822]
Von der Straße her ein Posthorn klingt.
Was hat es, dass es so hoch aufspringt,
Mein Herz?
Die Post bringt keinen Brief für dich:
Was drängst du denn so wunderlich,
Mein Herz?
Nun ja, die Post kömmt aus der Stadt,
Wo ich ein liebes Liebchen hatt’,
Mein Herz!
Willst wohl einmal hinübersehn,
Und fragen, wie es dort mag gehen,
Mein Herz?
[1822]
Hier und da ist an den Bäumen
Noch ein buntes Blatt zu sehn,
Und ich bleibe vor den Bäumen
Oftmals in Gedanken stehn.
Schaue nach dem einen Blatte,
Hänge meine Hoffnung dran;
Spielt der Wind mit meinem Blatte,
Zittr’ ich, was ich zittern kann.
Ach, und fällt das Blatt zu Boden,
Fällt mit ihm die Hoffnung ab;
Fall’ ich selber mit zu Boden,
Wein’ auf meiner Hoffnung Grab.
[1823]
Und wüßt’ ich, wo es besser wär’,
So zög’ ich aus der Welt.
‘S ist wahrlich keines Bleibens mehr
In diesem Erdenzelt!
Hab’ mit dem Teleskop von fern
Des Himmels Rund besehn,
Ob nicht in irgendeinem Stern
Weinstöcke sollten stehn.
Doch hab’ ich keine noch entdeckt,
Und Herschel ist nun todt!
Wenn uns die Welt noch ärger neckt,
Wohin aus unsrer Noth?
O Brüder, Brüder, schwebt mir ja
In’s Blaue nicht hinaus!
Die beste Freistatt liegt so nah
In unsres Wirthes Haus.
In seinen Keller flüchten wir.
Und der ist bombenfest.
Potz alle Welt! wir trotzen dir,
Wenn Sturm du blasen läßt!
Wird auch die Freiheit vogelfrei
Hier oben wohl genannt,
Da unten hat die Sultanei
Sie noch nicht weggebannt.
Noch braust sie auf im jungen Wein,
So oft die Reben blühn:
Dann will der Geist entfesselt sein
Und in dem Becher glühn.
Und in dem Brausen toben sich
Die wilden Hefen aus:
Der echte Geist, er hält den Stich
Und triumphiert im Strauß.
Auf, Brüder, lösen wir den Spund,
Und machen frei den Wein!
Sein freier Geist weih unsern Mund
Zu freien Liedern ein!
[1823]
Guter Wein lehrt gut Latein.
Sitz’ ich bei dem vollen Glase,
Mein’ ich, ein Apoll zu sein,
Und es hebt sich meine Nase
In die Wolken fast hinein.
Zöpfe, Beutel und Perrücken
Wachsen flugs auf meinem Haupt,
Es mit Ehren auszuschmücken,
Die kein Säkulum ihm raubt.
Guter Wein lehrt gut Latein.
Seh’ich schon der Flasche Boden,
Ist mir auch Apoll zu klein;
Kühner, als die kühnsten Oden,
Stürm’ ich in die Welt hinein.
Und nach meinem Saitenspiele
Lass’ ich sich die Reiche drehn;
Liberale und Servile
Müssen Musterung bestehn.
Guter Wein lehrt gut Latein.
Ist der Tisch erst naß geworden,
Werd’ ich gar ein Taktikus,
Lasse nach der Regel morden,
Und es geht auf Hieb und Schuß.
Mit dem Finger mal ich Flüsse.
Seeen mit der ganzen Hand;
Meines rothen Weines Güsse
Strömen für das Vaterland.
Guter Wein lehrt gut Latein.
Ist der Tisch dann abgewaschen,
Steck’ ich ein das Schwert indeß,
Und vor meinen leeren Flaschen
Halt’ ich friedlichen Kongreß.
Länder reiß’ ich flugs in Stücken,
Kann mit einer neuen Naht
Alte Fetzen wieder flicken –
Bin ich nicht ein Diplomat?
Guter Wein lehrt gut Latein.
Komm’ ich an die letzten Tropfen,
Ist mir nichts mehr gut genug;
Und ich riech’ an meinem Pfropfen.
Kritisiere den Geruch.
Leer ist meine Westentasche,
Und der Wirt liebt baares Geld. –
Schafft mir eine neue Flasche,
Oder eine neue Welt!
[1823]
In die tiefsten Felsengründe
Lockte mich ein Irrlicht hin:
Wie ich einen Ausgang finde,
Liegt nicht schwer mir in dem Sinn.
‘S führt ja jeder Weg zum Ziel:
Unsre Freuden, unsre Wehen,
Alles eines Irrlichts Spiel!
Durch des Bergstroms trockne Rinnen
Wind’ ich ruhig mich hinab –
Jeder Strom wird’s Meer gewinnen,
Jedes Leiden auch ein Grab.
[1823]
Drüben hinter’m Dorfe
Steht ein Leiermann,
Und mit starren Fingern
Dreht er, was er kann.
Barfuß auf dem Eise
Schwankt er hin und her;
Und sein kleiner Teller
Bleibt ihm immer leer.
Keiner mag ihn hören,
Keiner sieht ihn an;
Und die Hunde brummen
Um den alten Mann.
Und er läßt es gehen
Alles, wie es will,
Dreht, und seine Leier
Steht ihm nimmer still.
Soll ich mit dir gehn?
Willst zu meinen Liedern
Deine Leier drehn?
[1823]
Wer schlägt so rasch an die Fenster mir
Mit schwanken grünen Zweigen?
Der junge Morgenwind ist hier
Und will sich lustig zeigen.
Heraus, heraus, du Menschensohn,
So ruft der kecke Geselle,
Es schwärmt von Frühlingswonnen schon
Vor deiner Kammerschwelle.
Hörst du die Käfer summen nicht?
Hörst du das Glas nicht klirren,
Wenn sie, betäubt von Duft und Licht,
Hart an die Scheiben schwirren?
Die Sonnenstrahlen stehlen sich
Behende durch Blätter und Ranken,
Und necken auf deinem Lager dich
Mit blendendem Schweben und Schwanken.
Die Nachtigall ist heiser fast,
So lang’ hat sie gesungen,
Und weil du sie gehört nicht hast,
Ist sie vom Baum gesprungen.
Da schlug ich mit dem leeren Zweig
An deine Fensterscheiben.
Heraus, heraus in des Frühlings Reich!
Er wird nicht lange mehr bleiben.
[1826]
Wenn das Wasser draußen
Von den Scheiben rinnt,
Gieß’ mir Wein hier innen
In das Glas geschwind!
Ist das Wetter trübe,
Hell ist doch der Wein,
Hell des Mädchens Auge,
Das ihn schenket ein.
Herrschet denn am Himmel
Heut’ der Wassermann?
Kellnerin, so lege
Gleich die Laden an.
Gar zu griesegrämlich
Schauet er herein,
Möchte seinen Regen
Gießen in den Wein.
Schöne Kellnerin,
Daß er nicht für deinen
Seinen stelle hin!
[1826]
Das wären Blümelein,
Ich schickte sie zum riechen
Der Herzallerliebsten mein.
Ich wollte meine Lieder,
Das wären Küsse fein,
Ich schickte sie heimlich alle
Nach Liebchens Wängelein.
Ich wollte meine Lieder
Das wären Erbsen klein,
Ich kocht’ eine Erbsensuppe,
Die sollte köstlich seyn.
[1812-1827]
Nach Frankreich zogen zwei Grenadier’,
Die waren in Rußland gefangen.
Und als sie kamen in’s deutsche Quartier,
Sie ließen die Köpfe hangen.
Da hörten sie beide die traurige Mähr:
Daß Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das große Heer, –
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.
Da weinten zusammen die Grenadier’
Wohl ob der kläglichen Kunde.
Der Eine sprach: Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde.
Der Andre sprach: Das Lied ist aus,
Auch ich möcht’ mit dir sterben,
Doch hab’ ich Weib und Kind zu Haus,
Die ohne mich verderben.
Was scheert mich Weib, was scheert mich Kind,
Ich trage weit bess’res Verlangen;
Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind, –
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!
Gewähr’ mir Bruder eine Bitt’:
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab’ mich in Frankreichs Erde.
Das Ehrenkreuz am rothen Band
Sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gieb mir in die Hand,
Und gürt’ mir um den Degen.
So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwacht, im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll,
Und wiehernder Rosse Getrabe.
Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig’ ich gewaffnet hervor aus dem Grab –
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.
[1817-1821]
Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.
Nur oben in des Königs Schloß,
Da flackert’s, da lärmt des Königs Troß,
Dort oben in dem Königssaal,
Belsatzar hielt sein Königsmahl.
Die Knechte saßen in schimmernden Reih’n,
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.
Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht’;
So klang es dem störrigen Könige recht.
Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Muth.
Und blindlings reißt der Muth ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.
Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Die Knechtenschaar ihm Beifall brüllt.
Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.
Er trug viel gülden Geräth auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.
Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand’.
Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
Und rufet laut mit schäumendem Mund:
Jehovah! dir künd’ ich auf ewig Hohn, –
Ich bin der König von Babylon!
Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.
Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.
Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam’s hervor wie Menschenhand;
Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.
Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und todtenblaß.
Die Knechtenschaar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.
Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.
Belsatzar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.
[1817-1821]
Mein Knecht! steh auf und sattle schnell,
Und wirf dich auf dein Roß,
Und jage rasch, durch Wald und Feld,
Nach König Dunkans Schloß.
Dort schleiche in den Stall, und wart’,
Bis dich der Stallbub schaut.
Den forsch’ mir aus: Sprich, welche ist
Von Dunkans Töchtern Braut?
Und spricht der Bub: »Die Braune ist’s«,
So bring mir schnell die Mähr.
Doch spricht der Bub: »Die Blonde ist’s«,
So eilt das nicht so sehr.
Dann geh’ zum Meister Seiler hin,
Und kauf’ mir einen Strick,
Und reite langsam, sprich kein Wort,
Und bring mir den zurück.
[1817-1821]
Vergiftet sind meine Lieder; –
Wie könnt’ es anders seyn?
Du hast mir ja Gift gegossen
In’s blühende Leben hinein.
Vergiftet sind meine Lieder; –
Wie könnt’ es anders seyn?
Ich trage im Herzen viel Schlangen,
Und dich, Geliebte mein.
[1822/1823]
Die Linde blühte, die Nachtigall sang,
Die Sonne lachte mit freundlicher Lust;
Da küßtest du mich, und dein Arm mich umschlang,
Da preßtest du mich an die schwellende Brust.
Die Blätter fielen, der Rabe schrie hohl,
Die Sonne grüßte verdrossenen Blicks;
Da sagten wir frostig einander: »Lebwohl!«
Da knixtest du höflich den höflichsten Knix.
[1822/1823]
Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen Andern erwählt;
Der Andre liebt eine Andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.
Das Mädchen heirathet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.
Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passiret,
Dem bricht das Herz entzwei.
[1823]
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Mährchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.
Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr gold’nes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.
Sie kämmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.
Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh’.
Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley gethan.
[1823/1824]
Hab’ ich mein Haupt gelehnt,
Und heimlich kann ich behorchen,
Wonach dein Herz sich sehnt.
Es blasen die blauen Husaren,
Und reiten zum Thor herein,
Und morgen will mich verlassen
Die Herzallerliebste mein.
Und willst du mich morgen verlassen
So bist du doch heute noch mein,
Und in deinen schönen Armen
Will ich doppelt selig seyn.
[1823/1824]
Und überstrahlt die Well’n;
Ich halte mein Liebchen umfangen,
Und unsre Herzen schwell’n.
Im Arm des holden Kindes
Ruh’ ich allein am Strand; –
Was horchst du bei’m Rauschen des Windes?
Was zuckt deine weiße Hand?
»Das ist kein Rauschen des Windes,
Das ist der Seejungfern Gesang,
Und meine Schwestern sind es,
Die einst das Meer verschlang.«
[1823/1824]
Geschlechter steigen in’s Grab,
Doch nimmer vergeht die Liebe,
Die ich im Herzen hab’.
Nur einmal noch möcht ich dich sehen,
Und sinken vor dir auf’s Knie,
Und sterbend zu dir sprechen:
Madame, ich liebe Sie!
[1823/1824]
Sey’s auch glücklos, ist ein Gott;
Aber wer zum zweitenmale
Glücklos liebt, der ist ein Narr.
Ich, ein solcher Narr, ich liebe
Wieder ohne Gegenliebe!
Sonne, Mond und Sterne lachen,
Und ich lache mit – und sterbe.
[1823/1824]
Nacht liegt auf den fremden Wegen,
Krankes Herz und müde Glieder, –
Ach! Da fließt, wie stiller Segen,
Süßer Mond, dein Licht hernieder.
Süßer Mond, mit deinen Stralen
Scheuchest du das nächt’ge Grauen;
Es zerrinnen meine Qualen,
Und die Augen überthauen.
[1823/1824]
Ich bin die Prinzessin Ilse,
Und wohne im Ilsenstein;
Komm mit nach meinem Schlosse,
Wir wollen selig seyn.
Dein Haupt will ich benetzen
Mit meiner klaren Well’,
Du sollst deine Schmerzen vergessen,
Du sorgenkranker Gesell!
In meinen weißen Armen,
An meiner weißen Brust,
Da sollst du liegen und träumen
Von alter Mährchenlust.
Ich will dich küssen und herzen,
Wie ich geherzt und geküßt
Den lieben Kaiser Heinrich,
Der nun gestorben ist.
Es bleiben todt die Todten,
Und nur der Lebendige lebt;
Und ich bin schön und blühend,
Mein lachendes Herze bebt.
Komm in mein Schloß herunter,
In mein kristallenes Schloß,
Dort tanzen die Fräulein und Ritter,
Es jubelt der Knappentroß.
Es rauschen die seidenen Schleppen,
Es klirren die Eisenspor’n,
Die Zwerge trompeten und pauken,
Und fiedeln und blasen das Horn.
Doch dich soll mein Arm umschlingen,
Wie er Kaiser Heinrich umschlang; –
Ich hielt ihm zu die Ohren,
Wenn die Trompet’ erklang.
[1824]
Am blassen Meeresstrande
Saß ich gedankenbekümmert und einsam.
Die Sonne neigte sich tiefer, und warf
Glührothe Streifen auf das Wasser,
Und die weißen, weiten Wellen,
Von der Fluth gedrängt,
Schäumten und rauschten näher und näher –
Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen,
Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen,
Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen –
Mir war als hört’ ich verscholl’ne Sagen,
Uralte, liebliche Mährchen,
Die ich einst, als Knabe,
Von Nachbarskindern vernahm,
Wenn wir am Sommerabend,
Auf den Treppensteinen der Hausthür,
Zum stillen Erzählen niederkauerten,
Mit kleinen, horchenden Herzen
Und neugierklugen Augen; –
Neben duftenden Blumentöpfen,
Gegenüber am Fenster saßen,
Rosengesichter,
Lächelnd und mondbeglänzt.
[1825/1826]
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Thränen fließen.
Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.
Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!
Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh’ ich wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.
Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.
Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd’ ich es immer wiederfinden.
Nach Deutschland lechzt’ ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär’;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.
Seit ich das Land verlassen hab’,
So viele sanken dort in’s Grab,
Die ich geliebt – wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.
Und zählen muß ich – Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual,
Mir ist als wälzten sich die Leichen
Auf meine Brust – Gottlob! sie weichen!
Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heit’res Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
[1843]
Im Reifrockputz, mit Blumen reich verzieret,
Schönpflästerchen auf den geschminkten Wangen,
Mit Schnabelschuh’n, mit Stickerei’n behangen,
Mit Thurmfrisur und wespengleich geschnüret:
So war die Aftermuse ausstaffiret,
Als sie einst kam, dich liebend zu umfangen
Du bist ihr aber aus dem Weg gegangen,
Und irrtest fort, von dunkelm Trieb geführet.
Da fandest du ein Schloß in alter Wildniß,
Und drinnen lag, wie’n holdes Marmorbildniß,
Die schönste Maid in Zauberschlaf versunken.
Doch wich der Zauber bald, bei deinem Gruße
Aufwachte lächelnd Deutschlands ächte Muse,
Und sank in deine Arme liebestrunken.
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! seyn Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.
Ich geh’ nicht allein, mein feines Lieb,
Du mußt mit mir wandern
Nach der lieben, alten, schaurigen Klause,
In dem trüben, kalten, traurigen Hause,
Wo meine Mutter am Eingang kau’rt
Und auf des Sohnes Heimkehr lau’rt.
»Laß ab von mir, du finstrer Mann!
Wer hat dich gerufen?
Dein Odem glüht, deine Hand ist Eis,
Dein Auge sprüht, deine Wang’ ist weiß; –
Ich aber will mich lustig freu’n
An Rosenduft und Sonnenschein.«
Laß duften die Rosen, laß scheinen die Sonn’,
Mein süßes Liebchen!
Wirf um den weiten, weißwallenden Schleyer,
Und greif in die Saiten der schallenden Leyer,
Und singe ein Hochzeitslied dabei;
Der Nachtwind pfeift die Melodei.
So schwindet all mein Leid und Weh;
Doch wenn ich küsse deinen Mund,
So wird’ ich ganz und gar gesund.
Wenn ich mich lehn’ an deine Brust,
Kommt’s über mich wie Himmelslust;
Doch wenn du sprichst: ich liebe dich!
So muß ich weinen bitterlich.
Müde bin ich, geh zur Ruh,
Schließe beyde Äuglein zu:
Über meinem Bette seyn!
Hab’ ich Unrecht heut gethan,
Sieh es, lieber Gott, nicht an!
Deine Gnad’ und Jesu Blut
Macht ja allen Schaden gut.
Alle, die mir sind verwandt,
Gott, laß ruhn in deiner Hand.
Alle Menschen groß und klein,
Sollen dir befohlen seyn.
Kranken Herzen sende Ruh,
Nasse Augen schließe zu;
Laß den Mond am Himmel stehn,
Und die stille Welt besehn!
nach dem Italienischen
Die Unschuld saß in grüner Laube,
Sie hielt ein Täubchen in dem Schoß;
Und Amor kam: »Gib mir die Taube;
Ein Weilchen nur gib deine Taube«,
Die Unschuld ließ sie lächelnd los,
Doch hielt sie Täubchen an dem Band,
Das sich um Täubchens Flügel wand.
Doch kaum hat er die weiße Taube;
So schneidet er den Faden ab;
Und höhnisch lachend mit dem Raube
Entflieht der Räuber aus der Laube
Und nimmer kehrt der lose Knab.
Und als ihr Täubchen nimmer kam,
Ward sie dem Räuber ewig gram.
[1822]
O dürft ich fragen, was aus ihrem Auge
Oft so entzückend mir entgegenstrahlt,
Was, wenn ich schnell mich ihrer Seite nahe,
Die Wangen ihr mit hoher Röte malt!
Ahnt sie, was meine Lippen ihr verschweigen,
Was meine Brust mit stiller Sehnsucht füllt?
Hofft ich zu kühn? ist es der Strahl der Liebe,
Der so entzückend ihrem Blick entquillt?
Warum hat doch ihr Händchen so gezittert,
Als ich ihr gestern guten Abend bot,
Und als ich ihr recht tief ins Auge schaute,
Was machte sie auf einmal doch so rot?
Sie hat die Rose, die ich ihr gegeben,
So sorgsam ins Gebetbuch eingelegt;
Warum wohl? da sie sonst so gerne Rosen
Am Busen und am Sommerhütchen trägt.
Warum schwieg sie auf einmal heute stille
Und wußte nicht mehr, was ich sie gefragt?
Hat sie gemerkt, was ich ihr gerne sagte?
Ich hab ihr’s doch mit keinem Wort gesagt!
O hätt ich Mut! dürft ich Louisen sagen,
Was mich so still, was mich so tief beglückt!
O dürft ich fragen, was aus ihrem Auge
Oft so entzückend mir entgegenblickt!
[1824]
Die Sonne grüßt Tubingas Höhn,
Der Berge Morgennebel fallen,
Und leichte Frühlingslüfte wehn,
Im Tal die Herdenglocken schallen,
Des Neckars sanfte Welle quillt
An der Gestade Rebenhügel,
Es taucht die alte Burg ihr Bild
In seinen silberreinen Spiegel.
Wie wär der Morgen doch so schön,
Könnt ich mit dir mich da ergehn!
Und reger wogt’s am Ufer hin,
Wenn Mittag zu den Schatten ladet,
Wenn sich durch frisches Blättergrün
Die Sonne in dem Strome badet;
Der Hirte zieht den Linden zu,
Der Winzer steigt vom Berge nieder,
Und in des kühlen Strandes Ruh
Erwachen ihre Kräfte wieder;
Am Neckarstrand ruht ich so gerne,
Wär nicht Louise in der Ferne.
Der Abend senket seinen Strahl,
Die Herden ziehen von den Weiden,
Und fernhin durch das holde Tal
Die Dörfer zu der Ruhe läuten;
Da kommen Mädchen Hand in Hand
Den Wiesenplan heraufgezogen;
Es wölbt für sie am grünen Strand
Der Lindengang die hohen Bogen;
Doch jenen Linden fehlt das eine,
Ich wandle ohne sie – alleine!
Auf geht des Mondes Silberstrahl
Er malt den Berg mit falbem Glanze,
Er ruft die Geister in das Tal,
Er leuchtet ihrem Reigentanze;
Ihr Berge all von Duft umhüllt,
Du Tal, am Strome auf und nieder,
Du wärst so hold, du wärst so mild,
Dir weiht ich meine frohsten Lieder –
Du wärst so schön im Abendscheine
Schlüg sie ihr Aug hier in das meine.
[1824]
Steh ich in finstrer Mitternacht
So einsam auf der fernen Wacht:
So denk ich an mein fernes Lieb,
Ob mir’s auch treu und hold verblieb?
Als ich zur Fahne fort gemüßt,
Hat sie so herzlich mich geküßt,
Mit Bändern meinen Hut geschmückt,
Und weinend mich ans Herz gedrückt!
Sie liebt mich noch, sie ist mir gut,
Drum bin ich froh und wohlgemut;
Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht,
Wenn es ans treue Lieb gedacht.
Jetzt bei der Lampe mildem Schein
Gehst du wohl in dein Kämmerlein,
Und schickst dein Nachtgebet zum Herrn,
Auch für den Liebsten in der Fern!
Doch, wenn du traurig bist und weinst,
Mich von Gefahr umrungen meinst -
Sei ruhig, bin in Gottes Hut,
Er liebt ein treu Soldatenblut.
Die Glocke schlägt, bald naht die Rund
Und löst mich ab zu dieser Stund;
Schlaf wohl im stillen Kämmerlein,
Und denk in deinen Träumen mein.
[1824]
(Alte Soldatenweise)
Morgenrot!
Leuchtest mir zum frühen Tod?
Bald wird die Trompete blasen,
Dann muß ich mein Leben lassen,
Ich und mancher Kamerad!
Kaum gedacht,
War der Lust ein End gemacht!
Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab.
Welket Schönheit und Gestalt!
Prangst du gleich, mit deinen Wangen,
Die wie Milch und Purpur prangen,
Ach! die Rosen welken all.
Und was ist
Aller Mannsbild Freud und Lust?
Unter Kummer, unter Sorgen
Sich bemühen früh am Morgen,
Bis der Tag vorüber ist.
Darum still
Füg ich mich, wie Gott es will,
Und so will ich wacker streiten,
Und sollt ich den Tod erleiden,
Stirbt ein braver Reitersmann.
[1824]
Die Mißgunst lauscht auf allen Wegen,
Daß sie der Liebe Glück verrät,
Doch treue, zarte Liebe geht
Auf tausend unbewachten Stegen;
Ein Druck der Hand, ein flücht’ger Blick
Sagt mir der Liebe süßes Glück.
Und zog ich auch in weite Ferne,
Es zog mit mir mein stilles Glück,
Denn schau ich nicht der Liebe Blick,
So blick ich auf zum Abendsterne;
Wie ihres Auges stille Glut
Strahlt er ins Herz getrosten Mut.
Und wallen meine Tage trüber
Und dringt kein Trost von ihr zu mir,
Und dringt mein Sehnen nicht zu ihr,
Kein Wort von ihr zu mir herüber;
Mein stilles Glück ist nicht getrübt,
Ich weiß ja doch, daß sie mich liebt.
Drum klag ich nicht in weiter Ferne,
Weil Neid der Liebe Weg belauscht,
Wenn auch nicht Wort mit Wort sich tauscht,
Mir strahlt ein Trost im Abendsterne;
Aus seinen milden Strahlen quillt
Mir meiner Liebe trautes Bild.
[1824]
gesungen für Tübingens Burschen
(Weise: Schön ist’s, unter freiem Himmel)
Brüder, auf! erhebt die Klingen,
Laßt sie hell und freundlich blinken,
Stoßt auf ihre Siege an;
Lasset uns zu ihrem Preise
Lieder weihn nach alter Weise,
Denn die Klinge ziert den Mann.
Zieht der Bursch die blanke Wehre,
Schwingt den Schläger frank und frei;
Denn das ist ja Burschenadel,
Daß die Ehre ohne Tadel,
Ohne Schmach der Name sei.
Ja! wie in der Vorzeit Tagen
Darf der freie Bursch es wagen:
Fordern seines Feindes Blut.
Tief verachtet er den Feigen,
Er darf Männerkraft noch zeigen,
Darf noch zeigen Heldenmut.
Und im festgeschmückten Saale
Bei des Burschen Bundesmahle
Blinkt der nie besiegte Stahl,
Gibt dem Burschen neue Weihe,
Der beim Landesvater Treue
Schwur mit klingendem Pokal.
Wird ein altes Haus begleitet,
Das mit schwerem Herzen scheidet
Aus der lieben Musenstadt:
Trägt ein Fuchs, als Waffenträger,
Vor ihm her den blanken Schläger,
Den er forsch geführet hat.
Ist ein Bruder abgeschieden
Dorthin zu dem ew’gen Frieden
Bei der alten Väter Schar:
Schmücken wir, zur Todesfeier,
Seines Sarges schwarze Schleier
Mit dem blanken Schlägerpaar.
So in Burschenfreud und -leide
Blinkst du, seine Augenweide,
Schöner Hieber, in der Luft.
Mag's zu Lust und Trauer führen,
Du mußt seine Würde zieren
Beim Gelage, bei der Gruft.
Drum so laßt sie freudig blinken,
Rufet: Hoch Germanias Klingen,
Die noch keiner weichen sah!
Selbst dem Teufel gegenüber
Ziehn wir blank Germanias Hieber,
Fallen aus – pro patria.
[1824]
Zitternd auf der Berge Säume
Fällt der Sonne letzter Strahl,
Eingewiegt in düstre Träume
Blickt der Kranke in das Tal.
Sieht der Wolken schnelles Jagen
Durch das trübe Dämmerlicht –
Ach des Busens stille Klagen
Tragen ihn zur Heimat nicht!
Und mit glänzendem Gefieder
Zog die Schwalbe durch die Luft,
Nach der Heimat zog sie wieder,
Wo ein milder Himmel ruft;
Und er hört ihr fröhlich Singen,
Sehnsucht füllt des Armen Blick,
Ach! er sah sie auf sich schwingen,
Und sein Kummer bleibt zurück.
Schöner Fluß mit blauem Spiegel,
Hörst du seine Klagen nicht?
Sag es seiner Heimat Hügel,
Daß des Kranken Busen bricht.
Aber kalt rauscht er vom Strande
Und entrollt ins stille Tal,
Schweiget in der Heimat Lande
Von des Kranken stiller Qual.
Und der Arme stützt die Hände
An das müde, trübe Haupt;
Eins ist noch, wohin sich wende
Der, dem aller Trost geraubt;
Schlägt das blaue Auge wieder
Mutig auf zum Horizont,
Immer stieg ja Trost hernieder
Dorther, wo die Liebe wohnt.
Und es netzt die blassen Wangen
Heil’ger Sehnsucht stiller Quell,
Und es schweigt das Erdverlangen,
Und das Auge wird ihm hell:
Nach der ew’gen Heimat Lande
Strebt sein Sehnen kühn hinauf;
Sehnsucht sprengt der Erde Bande,
Psyche schwingt zum Licht sich auf.
[1828]
Laut rufet Herr Ulrich, der Herzog, und sagt:
»Hans Hutten reite mit auf die Jagd,
Im Schönbuch weiß ich ein Mutterschwein,
Wir schießen es für die Liebste mein.«
Und im Forst sich der Herzog zum Junker wandt:
»Hans Hutten, was flimmert an deiner Hand?«
»Herr Herzog, es ist halt ein Ringelein,
Ich hab es von meiner Herzliebsten fein.«
»Herr Hans, du bist ja ein stattlicher Mann,
Hast gar auch ein güldenes Kettlein an.« –
»Das hat mir mein herziger Schatz geschenkt
Zum Zeichen, daß sie noch meiner gedenkt.«
Und der Herzog blicket ihn schrecklich an:
»So? das hat alles dein Schatz getan!
Der Trauring ist es von meinem Weib,
Das Kettlein hing ich ihr selbst um den Leib.«
O Hutten, gib deinem Rappen den Sporn,
Schon rollet des Herzogs Auge im Zorn;
Flieh, Hutten, es ist die höchste Zeit,
Schon reißt er das blinkende Schwert aus der Scheid!
»Dein Schwert raus, Buhler, mich dürstet sehr,
Zu sühnen mit Blut meines Bettes Ehr!«
Flugs, Junker, ein Stoßgebetlein sprich,
Wenn Ulrich haut, haut er fürchterlich.
Es krachen die Rippen, es bricht das Herz;
Ruhig wischet Ulrich das blutige Erz,
Ruhig nimmt er des ledigen Pferdes Zaum,
Und hänget die Leich an den nächsten Baum.
Es steht eine Eiche im Schönbuchwald,
Gar breit in den Ästen und hochgestalt;
Zum Zeichen wird sie Jahrhunderte stahn,
Hier hing der Herzog den Junker dran.
Und wenn man den Herzog vom Lande jagt,
Sein Name bleibt ihm, sein Schwert; er sagt:
»Mein Name, er verdorret ja nimmermehr,
Und gerächet hab ich des Hauses Ehr.«
[1830]
Zum Garten ging ich früh hinaus,
Ob ich vielleicht ein Sträußchen finde?
Nach manchem Blümchen schaut ich aus,
Ich wollt’s für dich zum Angebinde;
Umsonst hatt ich mich hinbemüht,
Vergebens war mein freudig Hoffen;
Das Veilchen war schon abgeblüht,
Von andern Blümchen keines offen.
Und trauernd späht ich her und hin,
Da tönte zu mir leise, leise,
Ein Flüstern aus der Zweige Grün,
Gesang nach sel’ger Geister Weise;
Und lieblich, wie des Morgens Licht
Des Tales Nebelhüllen scheidet,
Ein Röschen aus der Knospe bricht,
Das seine Blätter schnell verbreitet.
»Du suchst ein Blümchen?« spricht’s zu mir,
»So nimm mich hin mit meinen Zweigen,
Bring mich zum Angebinde ihr,
Ich bin der wahren Freude Zeichen.
Ob auch mein Glanz vergänglich sei,
Es treibt aus ihrem treuen Schoße
Die Erde meine Knospen neu,
Drum unvergänglich ist die Rose.
Und wie mein Leben ewig quillt
Und Knosp um Knospe sich erschließet,
Wenn mich die Sonne sanft und mild
Mit ihrem Feuerkuß begrüßet,
So deine Freundin ewig blüht,
Beseelt vom Geiste ihrer Lieben,
Denn ob der Rose Schmelz verglüht –
Der Rose Leben ist geblieben.«