16. KAPITEL

Zane

»Zane, hier drüben.« Ich schaue nach rechts und sehe Ethel French auf Zehenspitzen dastehen und mit einem Blatt Papier nach mir winken.

Das Clubhaus von Laguna Palms läuft heute Abend über mit Hauseigentümern. Ein langer Tisch, in Rot, Weiß und Blau gedeckt, steht vorn im Raum, dazu zwei Wahlurnen, eindeutig etikettiert mit den Namen von Ethel und Hank.

»Hey, Ethel.« Ich gehe zu ihrem Stand, und sie gibt mir ein Flugblatt, das ihre Position umreißt.

»Wow«, sage ich und blättere die Hochglanzseiten durch. »Das ist ja voll das Ding. Sehr vorstandsmäßig. Sehen Sie sich nur an, Eth.«

»Ich bin sicher, ich kann auf deine Stimme zählen«, meint sie.

Ich werfe Hank einen Blick zu. Er steht in der Ecke, mit verschränkten Armen, und betrachtet jeden mit Argusaugen. Trotz der Tatsache, dass er offensichtlich nicht der zugänglichste Typ ist, gibt es eine ordentliche Anzahl an Hauseigentümern, die auf seiner Seite des Raums steht.

»Wird ein knappes Rennen«, meint sie.

»Nein, Sie packen das«, sage ich. »Ich habe ein gutes Gefühl.«

»Gefühle gewinnen keine Wahlen.« Ethel klopft mir auf die Schulter. »Stimmen schon.«

Ich nehme mir einen Wahlzettel und einen Stift und zwinkere ihr zu. »Für Sie würde ich zweimal stimmen, wenn ich könnte.«

»Du bist ein guter Junge.« Sie lächelt. »Mir ist egal, was andere sagen.«

»Danke …«

»Sag mal.« Sie lehnt sich zu mir. »Du wirkst leichter.«

Ich runzele die Stirn. »Was soll das heißen?«

»Etwas an dir ist anders. Etwas, das ich zuvor noch nicht gesehen habe.« Ihre runzeligen grauen Augen sehen mich schmal an. »Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, du bist verliebt.«

Ich verziehe das Gesicht. »Ich zerstöre Ihre Illusion nur ungern, Ethel, aber ich bin nicht verliebt.«

»Dann ist es noch Frühstadium«, meint sie. »Weißt du, vor Jahren hatte ich eine gut laufende Partnervermittlung in Dallas, Texas. Ich habe alles gesehen. Das Gute. Das Schlechte. Das Echte. Das Falsche. Und das, was da bei dir vorgeht, Zane? Das ist absolut echt.«

Ihre ernste Miene lässt mich lachen. Sie weiß nicht, wovon sie da redet. Wenn ich das Gesicht eines zufriedenen Mannes habe, dann nur, weil ich ein Ventil in Form eines total heißen Mädchens von nebenan finde.

Das ist alles.

Nicht mehr. Nicht weniger.

»Ich gehe mal meine Stimme abgeben«, sage ich.

Ethel gibt mir Daumen hoch, als ich die Urne neben ihrem Namen prüfe, den Stimmzettel falte und in die Urne lege. Bevor ich gehe, sorge ich verdammt noch mal dafür, dass Rue Rosewood mich sieht, indem ich ihr ein Lächeln schenke und ihr zuwinke, und dann sehe ich zu, dass ich hier rauskomme.

Auf dem Heimweg komme ich an Rues Haus vorbei. Es ist dunkel bis auf die Gartenleuchten und ein wenig Lampenschein in Delilahs Fenster.

Ich hebe ein paar kleine Kiesel auf, die neben den Büschen an der Seite des Hauses liegen, und werfe einen an die Fensterscheibe. Dann noch einen. Fünf Kiesel später sehe ich die Vorhänge rascheln, als Delilah ans Fenster kommt.

Sie schiebt es auf und stützt den Ellbogen auf den Sims. »Du bist total kitschig, weißt du das? Du hättest anrufen, eine Nachricht schicken oder klingeln können. Was denkst du denn, was das hier ist, ein Achtzigerjahrefilm?«

»Textnachrichten werden überschätzt«, sage ich. »Und an Türen zu klingeln nach acht Uhr abends ist in Laguna Palms verboten, es sei denn, es ist ein Notfall.«

Delilah verdreht die Augen. »Seit wann kümmerst du dich um Regeln?«

»Komm rüber.« Ich ignoriere ihre Frage.

»Jetzt?«

»Ja.« Ich zucke mit den Schultern. »Es ist nett draußen. Ich hätte Lust auf ein wenig Schwimmen in der Nacht. Und ich will nicht allein schwimmen.«

Sie blickt an sich herab. »Ich bin im Pyjama.«

»Dann zieh dich um.«

»Nicht heute Abend.« Sie steckt sich das Haar hinter die Ohren. »Ich bin müde und will bald ins Bett.«

Ich bin mir ziemlich sicher, wenn nicht diese verdammte Fensterscheibe im Weg wäre und ich ihr Gesicht berühren, mit den Fingern durch ihr Haar streichen oder ihre Lippen küssen könnte, würde sie in zwei Sekunden nach meiner Pfeife tanzen. Ich muss Delilah nur berühren, und sie gehört mir. Einfach so.

Shit. Vielleicht bin ich ja ein Zauberer.

»Na ja, ich schwimme nebenan, falls du deine Meinung änderst«, sage ich. »Und ich bin ziemlich sicher, dass du deine Meinung ändern wirst, denn ich wirke genau jetzt einen meinungsändernden Zauber auf dich.«

Sie lacht leise schnaubend.

»Aber du solltest wissen: Wenn du dich entscheidest, mit mir zu schwimmen, habe ich nur eine Regel.«

»Und die wäre?«, fragt sie.

»Keine Badeanzüge«, sage ich. »Wir sind ein ausschließlich nacktbadendes Etablissement.«

Delilah macht ein angewidertes Gesicht, verdreht die Augen und hebt die Hände an das Fenster, um es zuzuschieben.

»Gute Nacht, de la Cruz.« Sie schlägt das Fenster zu und zieht die Vorhänge vor.

Sie wird in zehn Minuten drüben sein.

Ich habe da so ein Gefühl.