»Morgen, Sonnenschein.« Es ist Sonntagmorgen, und ich koche gerade eine Kanne Kaffee, als meine Schwester in die Küche stolpert.
Es wird ein langer Tag. Wir müssen noch einiges packen, bevor der große Möbelwagen kommt. Irgendwann war ich glücklicherweise in der Lage, Rue zu überzeugen, dass ich es nicht schaffe, ihren Geschirrschrank, ihr King-Size-Bett oder ihren extragroßen Kleiderschrank umzuziehen.
»Wie war die Party? Erzähl mir alles.« Ich hole zwei Becher aus dem Schrank und werfe einen Blick auf die Uhr. Wenn wir in den nächsten paar Stunden fertig werden können, bleibt mir immer noch der größte Teil des Tages, um Zeit mit Zane zu verbringen. Ich denke schon das ganze Wochenende daran, und mein Verstand und mein Herz führen Krieg darum, was ich heute Abend sagen oder nicht sagen sollte.
Aber ich habe beide überstimmt.
Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich mit dem Strom schwimmen und sagen, was sich in dem Augenblick richtig anfühlt. Ich werde keine Art Rede oder alberne Erklärung planen. Was passiert, passiert eben, und was gesagt wird, wird eben gesagt.
Wenn überhaupt, will ich es auf dem Höhepunkt und mit der Tür weit offen beenden. Wenn wir zumindest das hinbekommen, werde ich diesen Sommer einen Erfolg nennen. Und ich werde privat und persönlich damit klarkommen, dass er mir fehlen wird, und hoffentlich werde ich eines Tages über diese kleine Sommeraffäre hinweg sein.
Daphne nimmt ihren Kaffeebecher entgegen. Sie meidet meinen Blick. »Danke.«
»Setz dich«, sage ich. »Wie war die Party?«
Meine Schwester räuspert sich. Ihre babyblauen Augen werden feucht, als sie in die Ferne blickt.
»Oh Gott«, sage ich. »Weston. Was hat er getan? Hat er Schluss gemacht?«
Ich gehe zu ihr und lege die Arme um sie. Verschwunden sind das Licht in ihren Augen und die süße Harmonie in ihrer Haltung. Ich erkenne das gebrochene Herz in ihren Augen. Ich habe es schon einmal gesehen. Sie ist verletzt. Aufgebracht.
Sie schüttelt den Kopf und reibt dann das Kinn an ihrer Schulter. »Delilah, da ist etwas, das ich dir über gestern Abend sagen muss.«
»Was? Jetzt machst du mir Angst.« Ich hole tief Luft und halte den Atem an. Mein ganzer Körper ist angespannt.
»Zane war mit einer anderen Frau auf der Party.« Ihre Worte sind nur ein Flüstern.
Wenn Herzen zerbrechen könnten, wäre meines jetzt in unzählige Stücke zerschmettert. Ich bin wie betäubt. Und doch fühle ich alles auf einmal.
»Vielleicht war es ein Missverständnis?« Ich blinzele die Tränen weg, die mir in die Augen steigen wollen.
Daphne beißt sich auf die Zunge und schüttelt langsam den Kopf.
»Als wir hinkamen, sah ich ihn neben ihr stehen, und sie hat ihn geküsst, und als ich ihn darauf ansprach, wollte er sagen, dass es nicht so ist, wie es aussieht, aber sie hing voll an ihm dran. Sein Gesicht, Delilah … Er war kreidebleich. Er hatte nicht damit gerechnet, mich zu sehen. Er sah aus wie jemand, der in flagranti ertappt wurde.«
»Also hat er gelogen.« Meine Worte sind monoton. »Er hat mich belogen.«
Daphne legt ihre Hand auf meine.
»Er hat mir erzählt, er könne nicht mit mir zur Party gehen, weil er gerade irgendwelchen Einschränkungen unterliegt und denkt, dass er seinen Vertrag verliert, wenn er dagegen verstößt«, erzähle ich und runzele die Stirn. Ich gebe ein kurzes, trockenes Lachen von mir, aber nichts daran ist lustig. »Ha. Und dann geht er mit einer anderen hin.«
»Es tut mir so leid, Süße.«
Ich versuche zu lächeln und so die Tränen fernzuhalten, aber eine entwischt doch irgendwie, läuft mir über die Wange und tropft auf meine Hand. »Ich hasse mich dafür, dass ich es überhaupt wissen will, aber ich kann einfach nicht anders … wie sah sie aus?«
Daphne atmet langsam aus und kneift die Augen zusammen. »Weißt du, ihr Gesicht habe ich gar nicht gesehen. Sie haben sich geküsst, und als er sich dann umdrehte, stand sie hinter ihm. Sie hatte dunkles Haar. Glaube ich. Egal, es spielt keine Rolle, weil er ein Mistkerl ist und du etwas Besseres verdient hast.«
»Ich begreife es einfach nicht. Wir haben diesen Sommer so viel Zeit zusammen verbracht. Alles lief gut. Wir waren uns nahe. Ich meine, wir waren Freunde. Zumindest dachte ich das.« Ich stütze das Kinn auf die Hand und starre geradeaus auf die Druckgrafik einer Milchkuh, die neben Rues Küchentisch hängt. Sie hat dieses Ding schon ewig. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es aus dem Gedächtnis nachzeichnen könnte, wenn ich müsste. Doch ab jetzt werde ich jedes Mal, wenn ich diese Kuh ansehe, an diesen Moment denken. »Und da glaubt man, man kennt jemanden.«
In meinem Kopf laufen die letzten sechs Wochen noch einmal ab. Chicago war ein großer Wendepunkt für uns. Wir haben einiges über uns miteinander geteilt. Er hat sich geöffnet. Wir haben gelacht. Wir hatten Sex. Ich schätze, die letzten paar Wochen wirkte er eher distanziert. Ich dachte, dass er arbeitet. Vielleicht war er bei … ihr ?
»Es tut mir so leid.« Daphne schüttelt den Kopf. »Ich wollte es dir nicht sagen. Ich habe hin und her überlegt, ob ich soll oder nicht, nachdem du ja morgen abreist. Aber ich dachte, du hast das Recht, es zu erfahren. Und sogar Weston war aufgebracht. Er hatte keine Ahnung, dass Zane ein Date dort hat, aber um fair zu sein, wollte Weston eigentlich gar nicht hingehen, weil sein Bruder heiraten wollte, aber die Hochzeit wurde abgesagt, und deshalb ging er am Ende doch hin, aber egal. Weston war genauso geschockt wie ich. Danach blieben wir nicht mehr lange. Vielleicht zwanzig Minuten. Lange genug, um Hallo zu sagen und von allen richtigen Leuten gesehen zu werden, und dann waren wir weg.«
Ich schnaube. »Ich schätze, es ist nicht so, als wäre er mein Freund gewesen. Ich meine, rein technisch ist es kein Betrug.«
»Warst du nur mit ihm zusammen?«
»Ja. Aber offensichtlich war mein Bemühen einseitig.«
Mein Handy summt leise auf dem Tisch, und Daphne sieht mit angehaltenem Atem zu, wie ich danach greife und es zu mir ziehe. Zanes Name leuchtet auf dem Display auf.
»Wenn man vom Teufel spricht.« Ich denke nicht zweimal darüber nach, als ich auf den roten Button tippe. »Nein danke.«
Noch ein paar Taps mehr, und seine Nummer ist offiziell auf meinem Handy geblockt.
»Ich bin damit fertig«, erkläre ich und begrüße die Taubheit, die mich überkommt und mich daran erinnert, dass geschehen ist, was geschehen ist, und dass das alles eines Tages eine ferne Erinnerung sein wird. »Ich habe deinen Rat befolgt und das Komplizierte umarmt, und eine Zeitlang war es Spaß, aber ich lasse mich nicht belügen. Dafür habe ich zu viel Selbstachtung.«
»Gut für dich.«
Ich stehe auf und trinke einen Schluck Kaffee, bevor ich das Handy in meine hintere Hosentasche schiebe.
»Bereit für die Arbeit?«, fragt sie.
»Ja. Lass uns die letzten kleinen Kartons einladen. Die Möbelpacker werden gegen Mittag da sein«, sage ich. »Versprich mir nur eins.«
»Klar?«
»Erzähl Tante Rue nichts davon. Ich bin nicht in der Stimmung für einen ihrer Vorträge, und ich weiß, sie würde da direkt hinübermarschieren und ihm eine Standpauke halten, und ich will einfach meinen letzten Tag hier nicht mit so etwas verbringen.«
»Ich sage kein Wort.« Daphne legt den Arm um meine Schulter, und wir gehen in eines der hinteren Zimmer, wo Rue ihre Puppen- und Porzellansammlung aufbewahrt.
»Und versprich mir noch etwas«, bitte ich sie auf dem Weg.
»Natürlich.«
Ich beiße mir auf die zitternde Lippe und hoffe, dass der körperliche Schmerz den emotionalen überdeckt. »Versprich mir, dass es sich nicht für immer so anfühlen wird.«
»Wird es nicht. Es wird besser. Versprochen.«
Wir bleiben im Flur stehen, und sie nimmt mich in die Arme. Sie ist über sieben Zentimeter größer als ich, und ich lege meinen Kopf an ihre Schulter.
»Ich verstehe es nicht.« Meine Worte klingen dumpf an ihrem Shirt.
»Und das wird immer so bleiben.« Sie streichelt mir in Kreisen über den Rücken. »Du kannst nur dein Leben weiterleben und versuchen zu vergessen.«
Unsere süße Sommeraffäre hat offiziell einen üblen Nachgeschmack hinterlassen. Ich habe den Sommer high mit Endorphinen und Adrenalinschüben, mit Oxytocin und Lust verbracht. Aber jetzt ist daraus eine toxische Kombination geworden, die durch meine Adern fließt und mich krank macht.
Ich will vergessen.
Ich will alles von ihm vergessen.