9. Honig

Zu den Lebensmitteln im Supermarkt, die höchst problematisch sind, gehört fraglos Honig. Schauen Sie mal auf die Etiketten der Gläser und Plastikbehälter, dann können Sie diesen Ärger vielleicht nachvollziehen. Sehr oft findet man dort nämlich folgende Hinweise zur Herkunft: »Mischung von Honig aus EU -Ländern«, »Mischung von Honig aus Nicht-EU -Ländern«, und oft auch – als Krönung der Verbrauchermissachtung – »Mischung von Honig aus EU -Ländern und Nicht-EU -Ländern«. [1]

Supermarktkunden suchen immer häufiger nach Lebensmitteln aus der Region, zum Beispiel, weil sie die Erzeugerinnen in ihrer Nähe unterstützen wollen. Oder weil sie einen geringeren Transportaufwand und damit geringere CO 2 -Emissionen erwarten. [2] Tatsächlich bedienen die Supermärkte dieses Bedürfnis immer öfter, auch wenn bei den als »regional« angepriesenen Waren längst nicht immer klar ist, wie weit die »Region« gefasst ist – der Begriff ist nämlich gesetzlich nicht näher definiert. Wo es den Handelskonzernen nützt, verwenden sie das Argument der Herkunft nur allzu gern. Wo es ihren Interessen nicht dient, setzen sie auf Verschleierung.

Und Honig ist das beste Beispiel dafür. Hier wird der Kunde, auf gut deutsch, für dumm verkauft. »Mischung von Honig aus EU -Ländern«, »Mischung von Honig aus Nicht-EU -Ländern«, »Mischung von Honig aus EU -Ländern und Nicht-EU -Ländern« – wie lächerlich derlei »Verbraucherinformationen« sind, zeigt vor allem die letztgenannte, die auf sehr vielen Gläsern in den Supermärkten steht: Denn eine Mischung mit Honigen aus EU -Ländern und Nicht-EU -Ländern ist ein Produkt, das aus der ganzen Welt kommt – der Informationsgehalt ist also gleich null. Nicht nur in deutschen Imkerkreisen heißt es zu dieser Pseudo-Kennzeichnung sarkastisch, auf diese Weise erfahre die Käuferin immerhin, dass der Honig nicht vom Mars stamme. Hinzu kommt: Ein derartiger Honig-Mix kann zu 99 Prozent aus China stammen und zu einem Prozent aus Spanien und dennoch die gleichgewichtig erscheinende Kennzeichnung »Mischung aus EU -Ländern und Nicht-EU -Ländern« tragen.

Warum machen die Supermärkte so etwas? Natürlich, weil es erlaubt ist. Aber was hindert sie daran, ihren Kunden zumindest bei ihren Eigenmarken die Ursprungsländer einer Honigmischung zu nennen? Sind es bestimmte Länder , die sie auf diese Weise verheimlichen wollen, zum Beispiel das als Honiglieferant verschriene China? Oder ist es die Zahl der enthaltenen Honige, die der Verbraucherin vorenthalten werden soll, damit sie nicht der Verdacht beschleicht, ihr Produkt sei ein beliebiges Allerlei aus der großen Honigmischfabrik? Befürchten die Lebensmittelketten, durch Transparenz das idyllische Bild von den fleißigen Bienchen in der schönen Natur zu zerstören? Oder wissen sie am Ende selber gar nicht, woher stammt, was sie uns verkaufen?

Dieses Buch argumentiert an vielen Stellen, dass die vier großen Handelskonzerne sehr mächtige Unternehmen geworden sind. So mächtig, dass sie inzwischen nicht mal dem Streit mit multinationalen Markengiganten wie Nestlé, Mondelez (Milka), Coca-Cola oder Unilever (Knorr, Pfanni) aus dem Weg gehen: Passen den Händlern die Preise und Konditionen nicht, die Lebensmittelherstellerinnen aufrufen, schmeißen sie deren Waren einfach aus dem Sortiment oder drohen zumindest mit dem, was im Fachjargon Auslistung genannt wird. Die neue Macht der »Big Four« zeigt sich auch in ihren vielen Eigen- oder Handelsmarken, mit denen sie den klassischen Lebensmittelherstellern immer stärker Konkurrenz machen. Ihre Macht äußert sich schließlich auch in den teilweise absurden optischen Anforderungen an Gemüse und Obst: Was den Vorstellungen der Supermarkteinkäuferinnen hinsichtlich makelloser Ware nicht entspricht, vergammelt oft auf dem Acker oder landet im Biomüll. Das zeigt: Auch gegenüber den Landwirten sitzen die Handelskonzerne eindeutig am längeren Hebel.

Ihre Macht könnten Rewe & Co. auch dafür einsetzen, zumindest bei den Eigenmarken ihren Honiglieferantinnen transparente Kennzeichnungen zu diktieren, nach dem Motto: Euren süßen Stoff verkaufen wir nur noch, wenn ihr die Ursprungsländer auf die Etiketten schreibt. Die Supermärkte hätten auch eine gute Begründung dafür: Viele Verbraucher wüssten es gerne. Doch das würde den Interessen der Ketten nicht dienen. Sie fahren besser mit Produkten, deren Herkunft im Vagen bleibt. So können sie Kundinnen leichter mit Werbebotschaften steuern, ihnen Qualitätsunterschiede vorgaukeln und beim Preis entsprechend frei agieren.