Über »nativ extra« schreiben die bayerischen Lebensmittelkontrolleure, die über ein eigenes Olivenöl-Sensorikpanel mit entsprechenden Expertinnen verfügen: »Diese Kategorie muss strenge Qualitätskriterien erfüllen.« So streng die Kriterien auch sein mögen, so routiniert werden sie bei Stichproben unterlaufen. So beanstandete das Landesamt im Jahr 2015 63 Prozent der als »nativ extra« gelabelten Olivenöle wegen leichter »Fehlnoten«, das sind geruchliche oder geschmackliche Abweichungen von den Qualitätsanforderungen, zum Beispiel wenn die Öle ranzig, modrig, wurmstichig, essigartig oder metallisch schmecken oder riechen. Die Ursachen dafür sind meist unsachgemäße Herstellung oder die Verwendung minderwertiger Oliven. Diese 63 Prozent mussten in die 2. Olivenöl-Liga, »nativ«, absteigen. Weitere zwölf Prozent der Öle wiesen so gravierende sensorische Fehler auf, dass sie gar in die Kategorie »Lampantöl« herabgestuft werden mussten und damit nicht mehr zum Verzehr geeignet waren.
Die sehr hohe Beanstandungsquote von insgesamt 76 Prozent im Jahr 2015 sei wohl auf die vorangegangene Missernte zurückzuführen, mutmaßten die Aufseher – wodurch wohl die Versuchung gewachsen sei, angesichts knapper Mengen auch alte und fehlerhafte Öle zu verwerten. Doch auch in den weiter zurückliegenden Jahren mit besserer Olivenernte waren die Ergebnisse nicht so, wie man es von einem 1-A-Produkt erwartet: Zwischen 2009 und 2015 wurden nie weniger als 40 Prozent der beprobten Öle beanstandet, mal waren es 43 Prozent, mal 55, und einmal ebenjene 76 Prozent, wobei neben den geschmacklichen und geruchlichen Fehlern auch Mängel bei der gesetzlich vorgeschriebenen Kennzeichnung moniert wurden, etwa weil die Gehalte von Fettsäuregruppen nicht korrekt deklariert waren.
Beim Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA ) im benachbarten Baden-Württemberg waren die Ergebnisse in jenem Jahr 2015 nur wenig besser: Jede dritte Probe wurde beanstandet – wegen Mängeln in der Aufmachung und Kennzeichnung, wegen »erheblicher« Qualitätsmängel oder weil die Öle verfälscht oder unzulässig behandelt worden waren. Der verantwortliche Lebensmittelchemiker und Laborleiter schrieb damals: »Generell war es für die Verbraucher schwierig, angenehm fruchtige und frische Olivenöle im Handel zu finden.« Eine ernüchternde Aussage, wenn man dagegenstellt, dass in den Supermärkten angeblich fast nur die erste Güteklasse angeboten wird. Und selbst bei Produkten, die nicht beanstandet wurden, so der Stuttgarter Laborleiter, würden Öle aus älteren Restbeständen zugemischt, was übrigens völlig legal ist, wenn auf dem Etikett kein Erntedatum steht.
Dabei sind die Ergebnisse der beiden Überwachungsämter aus dem Südwesten (in denen auch einige Proben aus anderen Bundesländern steckten) keine »ollen Kamellen« und erntebedingte Ausreißer. Das zeigen Olivenöl-Tests regelmäßig. Ihre ernüchternden Ergebnisse gehören zum medialen Grundrauschen bei diesem Lebensmittel, das gefälscht und verschnitten, falsch ausgezeichnet und manipuliert wird. Jeder kann es wissen, es steht jeden Tag in den einschlägigen Medien:
Stiftung Warentest , 2017: »Der Extra-Bluff: Von 24 Olivenölen schneidet keins gut ab. 10 Produkte sind mangelhaft – sie täuschen mehr vor, als sie sind.« Zwar sind die besten Öle im Test Eigenmarken von Discountern, aber dafür reichen schon durchschnittliche Bewertungen (»befriedigend«). Zehn Olivenöle – darunter ebenfalls Eigenmarken von Supermärkten – sind so schlecht, dass sie nach dem Urteil der Testerinnen gar nicht als »nativ extra« verkauft werden dürfen. Zudem sind manche mit Mineralölkohlenwasserstoffen (Mosh) oder Weichmachern belastet.
Stiftung Warentest , 2018: »Von 27 Olivenölen der höchsten Güteklasse sind drei geschmackliche Highlights. Sie kosten 24 bis 36 Euro pro Liter.« Aber: Andere teure Öle bekommen nur die Note »ausreichend«, zwei Öle sogar »mangelhaft« und hätten deshalb gar nicht als »nativ extra« verkauft werden dürfen. Einige Eigenmarken u.a. von Aldi, Lidl und Edeka schneiden mit »gut« und »befriedigend« besser ab als manche klassischen Marken, zwei Rewe-Eigenmarken schaffen u.a. wegen Kennzeichnungsmängeln nur »ausreichend« und »mangelhaft«. Und: Sechs Olivenöle sind deutlich mit Mineralöl-Kohlenwasserstoffen (Mosh) belastet, die sich im Körper anreichern können. Nur ein einziges Öl ist »nahezu schadstofffrei«.
Stiftung Warentest , 2020: »Endlich mehr gute Ergebnisse als in früheren Tests«, verkündet die Zeitschrift, »es geht aufwärts.« Neun »gut«-Noten – davon vier für Eigenmarken von Aldi und Lidl – stehen jetzt nur zwei Bewertungen mit »mangelhaft« gegenüber.
Stiftung Warentest , 2021: »So viele Olivenöle konnten wir lange nicht empfehlen: 15 von 27 schneiden gut ab. Zwei davon riechen und schmecken hervorragend. Zwei andere fallen im Test durch.« Ein teures Öl ist sehr hoch mit Weichmachern belastet, vier weitere sind hoch belastet mit den Mineralöl-Kohlenwasserstoffen Mosh und Moah, Letzteres gilt als möglicherweise krebserregend.
Ökotest , 2022: »Abgeschmiert«: Von 19 Olivenölen der höchsten Güteklasse ist nur eines nicht mit Bestandteilen von Mineralöl verunreinigt. Drei erfüllen die Qualitätsklasse »nativ extra« nicht. Nur eines ist »sehr gut«. Von neun Bio-Ölen bekommen sieben die Noten »mangelhaft« oder »ungenügend«, ein Bio-Öl von Alnatura »gehört so nicht einmal ins Regal«, weil es nach dem Urteil der Tester ranzig schmeckt; damit fällt es in die Qualitätsklasse »lampant« und darf gar nicht mehr als Speiseöl verkauft werden. Von zehn konventionellen Olivenölen erhalten neun die beiden schlechtesten Noten, »mangelhaft« oder »ungenügend«.