Kapitel 19

N achdem sie zu Atem gekommen war, erhob sich Cheyenne langsam von ihrem Knie und schritt vorsichtig auf den Abgrund zu, den sie geschaffen und größtenteils wieder versiegelt hatte. Sie warf einen Blick auf die magischen Wesen in ihrer Nähe, die sie ehrfürchtig und bewundernd ansahen. Cheyenne zuckte nur mit den Schultern. »Ich würde dem Ganzen nicht zu nahe kommen.«

Jemand lachte laut auf und überdeckte es schnell mit einem Husten.

Sie ging um die weitläufige Zerstörung in der Mitte des Marktplatzes herum und blieb stehen, um ein Stück von einem metallisch schwarzen Bein aufzuheben, das abgekniffen worden war. Dann schnappte sie sich eines der seltsam aussehenden Zahnräder, die immer noch ein gedämpftes, silbernes Licht ausstrahlten und steckte es in ihre Tasche. Ich weiß genau, wer mir sagen wird, was dieses Ding war und wa s es hier zu suchen hatte.

Ihre schwarzen Vans hinterließen Spuren in dem staubbedeckten Stein, als sie um die staunenden magischen Wesen herumging, die die Schaufenster säumten. Sie drängten sich immer noch aneinander, um aus dem Weg zu gehen, aber jetzt wichen sie der Halbdrow aus, die wie eine echte Drow aussah und nicht dem unerklärlich aufgetauchten Metallmonster.

Cheyenne fand Ember genau dort, wo sie sie auf dem Boden zurückgelassen hatte und hockte sich neben ihre Freundin. »Bist du okay?«

Die Fae blinzelte schnell und lehnte sich nach vorne, um das Chaos im Tunnel zu betrachten. »Ich habe nur hier gesessen. Geht es dir gut?«

»Ich lebe noch, oder?« Schmunzelnd drehte sich Cheyenne zu Yurik um. »Hey. Bring ihr den Stuhl, ja?«

Der Kobold fuhr sich mit der Handfläche über die Stirn und betrachtete die Zerstörung über der vergrabenen Maschine, dann flitzte er auf die andere Seite der Allee, um sich den Rollstuhl zu schnappen.

»Was zum Teufel wollte das Ding?« Ember sah Yurik an, als er den Rollstuhl halb rollte, halb trug und auf sie zukam.

»Massenvernichtung. Einen Haufen von Leichen.« Cheyenne zuckte mit den Schultern und legte einen Arm um Embers Rücken, während sich der andere unter den Knien ihrer Freundin einhakte. »Ich will ja nicht überheblich klingen, aber es ist gut möglich, dass es wegen mir hier war.«

»Ja, das überrascht mich nicht.«

Mit einem Schnauben ließ Cheyenne Ember auf ihren Stuhl sinken und nickte. »Wenigstens bist du nicht auch noch über den ganzen Boden verstreut.«

»Dafür bin ich ziemlich dankbar.« Ember griff nach den Armlehnen und schob sich in eine bequemere Position. Ohne darüber nachzudenken, trat sie mit der Ferse gegen die Fußstütze und schob sich noch weiter in den Stuhl zurück. Dann erstarrte sie. »Heilige Scheiße.«

»Hast du das Bein gerade von selbst gestreckt?«

Embers Mund öffnete und schloss sich lautlos, während sie fassungslos ihren Fuß betrachtete. »Wenn du das gesehen hast, habe ich keine Halluzinationen.«

»Ich hoffe nicht.« Cheyenne lächelte begeistert. »Jemand hat doch gesagt, dass Fae gute Selbstheilungskräfte haben, oder?«

Das Fae-Mädchen lachte laut auf und griff nach ihren Rädern. »Ein Schritt weiter, denke ich. Irgendwie.«

»Aber ja, das bist du. Darüber können wir später ausflippen. Im Moment sollten wir …«

Ein einzelner hohler Knall hallte durch Peridosh. Die Halbdrow richtete sich auf und warf einen verärgerten Blick auf den Ork, dessen Faust über einer metallenen Ladentür schwebte. Er schlug noch einmal zu, dann noch einmal und die anderen O’gúleesh, die entlang der Allee aufgereiht waren, nahmen denselben Rhythmus auf. Sie schlugen und traten mit ihren Fäusten gegen alles Metall, das sie finden konnten und verursachten einen ohrenbetäubenden Krach.

»Woah.« Ember sah sich verwirrt um. »Was ist hier los?«

»Keine Ahnung. Komm schon.« Cheyenne wandte sich dem hinteren Ende des Tunnels und dem wartenden Aufzug zu.

Ember und die FRoE-Agenten folgten und das metallische Klirren ließ die Luft noch schneller vibrieren.

»Okay, ich hab’s kapiert!« Cheyenne wirbelte herum, breitete die Arme aus und blickte in die erwartungsvollen Gesichter der O’gúleesh-Wesen, die ihr Beifall leisteten. »Woohoo. Ja! Lasst uns loslegen!«

Sie schnappte sich eine breite, flache Metallschüssel, die irgendwie unangetastet auf dem Tisch eines Skaxen gestanden hatte und schlug mehrmals mit der Faust dagegen. Als sie sie wieder auf den Tisch fallen ließ und die Augen verdrehte, warf der Skaxen, der sich an die Wand des Ladens hinter ihm presste, den Kopf zurück und kicherte. Seine Faust schlug trotzdem weiter gegen die Metalltür neben ihm. Eine Handvoll anderer magischer Wesen, die aufstampften, schlugen und klatschten, was das Zeug hielt, fing ebenfalls an zu lachen.

Kopfschüttelnd drehte sich Cheyenne zum Ende des Tunnels zurück und seufzte genervt. Als sie Ember einholte, lachte die Fae und warf ihr einen Seitenblick zu. »Du siehst aus wie eine Verrückte.«

»Ich schätze, das liegt bei den Drow in der Familie.« Die Halbdrow warf einen skeptischen Blick über ihre Schulter. Auch die O’gúleesh, die sie mit erschrockenen Augen anstarrten, anstatt eifrig zu grinsen, hämmerten weiter auf dem Metall herum, das sie gerade zur Hand hatten. »Ich habe es satt, dass sie das jedes Mal machen und ich keine Ahnung habe, was es bedeutet.«

»Klingt wie Applaus.«

»Wenn sie klatschen und pfeifen und mich nicht anschauen würden wie ein wandelndes Stück Fleisch, wäre das viel weniger unheimlich.«

Tate joggte, um sie einzuholen und Yurik drehte sich um, um die Halbdrow und ihrer Freundin zu folgen. »Passiert das überall, wo du hingehst?«

»Nur wenn ein Haufen O’gúleesh dabei ist. Du weißt schon, die, die nicht hier geboren wurden.«

»So seltsam.« Der Trollmann drehte sich um und betrachtete stirnrunzelnd die magischen Wesen, die immer noch auf Stahl, Silber und Eisen einhämmerten. »Oh, Scheiße! Bhandi! Was zum Teufel machst du da?«

Bhandi hatte einen Becher mit Schnaps gefunden, der jemand anderem gehörte und setzte ihn an die Lippen. Sie trank einen Schluck und stemmte ihre Faust in einem gleichmäßigen Rhythmus in die Luft, der zufällig auch zu dem lauten Rhythmus der vielen Fäuste und Stiefel passte, die auf Metall schlugen.

»Ernsthaft?« Yurik rannte auf sie zu, riss ihr den Becher aus der Hand und stellte ihn auf dem Tisch ab. »Tut mir leid.«

Der grinsende Ork, dem das Getränk gehörte, schaute nicht einmal auf den Becher. Er schien Bhandi gar nicht zu bemerken, denn er hielt seinen metallenen Klappstuhl in einer Hand und schlug mit der Faust immer wieder darauf ein, wobei er die Delle im Sitz mit jedem Schlag vergrößerte. Er blickte nur Cheyenne an.

»Die jubeln nicht für dich, du verdammte Säuferin.« Yurik drehte Bhandi an den Schultern herum und schob sie zum Ende des Tunnels.

»Hey, ich mache mein Ding. Diese Verlierer können jubeln für wen auch immer sie wollen!« Ihr Arm schwang hinter ihr zurück und zeigte auf die Menge. »Die können mich mal.«

Yurik verdrehte die Augen, packte ihre schwarze Lederjacke direkt unter dem Kragen mit einer Hand und zog die betrunkene Trollfrau mit sich in Richtung des Aufzugs. Tate, Cheyenne und Ember warteten schon auf sie.

»Hey.« Bhandi taumelte von Ember weg und zeigte auf sie. »Du bist eine verdammte Fae.«

»Und du bist besoffen.«

»Nein.« Die Trollfrau streckte ihr die Zunge raus und torkelte an allen vorbei, sobald sich die Aufzugtüren öffneten. »Ich bin Bhandi.« Ihre Fäuste schlugen gegen die Stahlwand, bevor ihr Gesicht die Chance hatte, dasselbe zu tun.

Yurik warf einen Blick auf Tate und hob die Hand. »Ich nicht.«

»Ich auch nicht. Wenn sie nicht mehr laufen kann, wenn wir zur Basis zurückkommen, ziehe ich sie aus dem Auto und lasse ihren Arsch auf dem Parkplatz liegen.«

Der Rest der Gruppe betrat den Aufzug. Embers Räder blinkten violett, als sie über das holprige Metallstück glitt, dann schlossen sich die Türen. Als der Aufzug ruckartig nach oben fuhr, traten Bhandi die Augen aus dem Kopf. Sie lehnte sich nach vorne und blies ihre Wangen auf.

»Wage es ja nicht«, knurrte Tate. »Nicht hier.«

Ein unterdrücktes Stöhnen entkam der Trollfrau, dann stieß sie einen weiteren Rülpser mit ein paar grünen Fellwein-Blasen aus. Sie schwebten um ihr Gesicht herum, zerplatzten schnell und sie beobachtete sie, bis sie die Augen verdrehte. »Das war die langweiligste Nacht, die wir hier unten je hatten. Ich sag’s nur, solange ich noch kann …« Ihre Augenlider und ihr Kopf sanken gleichzeitig herab, dann riss sie den Kopf mit einem Keuchen wieder hoch. »Es ist einfach nichts passiert.«

»Was?« Yurik lachte schroff. »Wo warst du die ganze Zeit, als die Metallspinne den Markt auseinandergenommen hat?«

»Spinne? Ich habe keine Spinne gesehen.«

Tate senkte den Kopf und bedeckte seine Augen mit einer Hand.

Cheyenne lachte. »Sie hat gar nicht so viel getrunken. Ich meine, für ihre Verhältnisse. Was zum Teufel war in diesem Fellwein?«

»Hm.« Yurik betrachtete die gegenüberliegende Wand des Aufzugs und lehnte sich zurück. Erst fing er an zu kichern, dann verwandelte es sich in ein richtiges Lachen. Tate sah von seiner Handfläche auf und warf Cheyenne einen verwirrten Blick zu. Als der große Kobold sich endlich so weit beruhigt hatte, dass er wieder sprechen konnte, schlug er eine Faust in seine andere Hand. »Verdammt. Ogsa wusste, dass diese Fae den Becher nicht anfassen würde. Ich verwette meine gesamte Polaroidsammlung darauf, dass die Orkfrau ihn zum Spaß mit etwas versetzt hat.«

Tates scharlachrote Augen blitzten auf, als ihm das klar wurde und er grinste. »Oh, Scheiße. Sie hat Bhandi magische K.o.-Tropfen untergejubelt.«

»Denn wer zum Teufel würde sonst Fellwein trinken, wenn zwei volle Krüge Grog herumstehen?« Yurik schlug Tate auf die Schulter. »Wir sind beide klug genug, um den Scheiß in Ruhe zu lassen.«

»Ha! Und es war umsonst!« Der Trollmann nickte Bhandi zu, die sich an die Wand des Aufzugs gelehnt hatte und nun ihre erhobenen Fäuste musterte, wobei sie immer wieder ein Auge und dann das andere zukniff.

»Verdammt. Kein Wunder, dass die Taverne von Anfang an da unten war. Ogsa weiß, wie man spielt.«

»Dir werde ich es zeigen«, murmelte Bhandi und ließ eine Faust mit voller Wucht gegen die andere krachen. Mit einem lauten Knall schlug sie ihren Ellbogen in die Ecke des Aufzugs und der Rest von ihr folgte, bis ihre Stirn gegen die Stahlwand krachte. »Scheiße.«

Die Jungs brachen wieder in Gelächter aus. Cheyenne presste die Lippen aufeinander und versuchte, nicht über die Trollfrau zu lachen, die sich abmühte, wieder auf die Beine zu kommen. Bhandi schlug sich an die Stirn, schaute auf ihre Handfläche und kicherte.

»Sie ist ganz woanders, Mann.«

»Vielleicht ist hinten im Geländewagen ein Seil.« Yurik zuckte mit den Schultern. »Wir könnten sie fesseln und ins Gebäude führen. Wir sollten sie wenigstens in ihre Koje bringen und die Tür von außen verriegeln, damit sie nicht raus kann.«

»Ja, mach du das.« Tate schüttelte den Kopf. »Und viel Glück, dass dir nicht die Kehle aufgeschlitzt wird, wenn du derjenige bist, der sie morgen früh rauslassen muss.«

»Okay, gut. Vielleicht ist der Parkplatz besser.«

Ember richtete sich in ihrem Stuhl auf und öffnete ihre Augen. »Es war keine Spinne.«

Yurik grinste. »Oh, ja.«

»Ich meine, abgesehen davon, dass es eine Maschine war.« Die Fae zuckte mit den Schultern. »Sie hatte nur sechs Beine.«

»Fünf, jetzt.« Cheyenne hob das zerbrochene Metallbein an, das wie ein mit schwarzer Farbe überzogenes Brecheisen aussah.

»Hm.« Tate schüttelte den Kopf und musterte das glitzernde Maschinenteil. »Es ist gruselig, dass du das mitgenommen hast. Das weißt du doch, oder?«

Die Halbdrow drehte das schwarze Bein hin und her und beobachtete, wie es das helle Oberlicht des Aufzugs einfing. »Die ganze Sache war gruselig.«

»Aber das ist doch dein Ding, oder?« Yurik zeigte auf sie. »Goth-Drow und so. Kein Wunder, dass du das Ding in Stücke schlagen konntest.«

»Dass ich eine Goth bin, heißt nicht, dass ich weiß, was das ist.«

»Warum hast du es dann genommen?« Tate verschränkte die Arme. Als Bhandis Faust nur wenige Zentimeter von seinem Kopf entfernt gegen die Wand schlug, lehnte er sich aus dem Weg und wich dem Blick der Halbdrow nicht aus.

»Ich weiß es nicht. Ich bin gut darin, herauszufinden, wie Dinge funktionieren.« Cheyenne senkte das Bein wieder auf ihre Seite und wackelte mit den Augenbrauen. »Und ich schätze, ich wollte nur ein Souvenir.«

»Natürlich wolltest du das.« Der Trollmann schüttelte lachend den Kopf. »Und wenn du herausfindest, wie das Ding funktioniert, wirst du wohl keinem von uns etwas davon erzählen.«

»Wahrscheinlich nicht. Es sei denn, es entpuppt sich als eine Art FRoE-Tracker, der außerdienstliche Agenten jagt, dann schon. Vielleicht verrate ich es euch dann.«

»Ja, danke, dass du aufpasst, Halbdrow. Du bist ein echter Teil des Teams.« Yurik schnaubte und beäugte das Metallstück, das neben ihrem Oberschenkel baumelte. »Wenn das Ding FRoE-Leute jagen soll, war es kaputt. Es hat uns nicht einmal bemerkt, bis wir angefangen haben zu zaubern.«

»Es schien kein Ziel zu haben, oder?« Das ergibt keinen Sinn. Genauso wenig wie seine plötzliche Abwehrbereitschaft , als ich in Drowgeschwindigkeit war.