A ls sie im obersten Stockwerk der Pellerville Gables Apartments aus dem Aufzug stiegen, warf Cheyenne einen Blick auf den leeren Aufzug. »Dieser Ort ist wirklich gut schallisoliert.«
»Was?« Ember lachte und wies mit einer Geste auf das Ende des Flurs und die beiden einzigen Wohnungen, die es dort gab. »Ich habe den Bass erst auf halbem Weg hierher gehört.«
»Hm. Ich schätze, ich war wirklich darauf konzentriert, es nicht zu hören.« Und viel mehr darauf, warum sich eine riesige Krabbelmaschine in Peridosh eingegraben hat. Vor allem, wenn Corian und seine kleine Bande sich eigentlich darum kümmern wollten .
»Klingt doch gut, oder?« Ember wippte mit dem Kopf, während sie den Flur hinunterrollte.
»Wenn du das sagst.«
»Ich meine, ich bin normalerweise kein Fan von Dubstep, aber dieser Song könnte mir vielleicht ans Herz wachsen.«
Cheyenne schüttelte den Kopf und betrachtete mit einer hochgezogenen Augenbraue die Eingangstür ihres Nachbarn. »Ich glaube, es klingt einfach besser durch dicke Wände und eine geschlossene Tür.«
»So schlimm ist es nicht.«
»Das ist nicht mein Geschmack.«
Mit einem Schnauben blieb Ember vor ihrer Wohnungstür stehen und durchsuchte ihre Jackentaschen. »Verdammt. Ich habe meine Schlüssel nicht mitgenommen.«
»Gut, dass du mich mitgenommen hast.« Cheyenne holte sie ein und schloss die Haustür auf. Gerade als sie die Tür zu ihrer Wohnung aufstieß, öffnete sich auch die Haustür von Matthew Thomas. Die laute Elektromusik dröhnte in den Flur und die Halbdrow duckte sich angesichts der plötzlichen Lautstärke. »Mann, ist das nervig.«
»Hey! Pünktlich auf die Minute.« Matthew stand in der offenen Tür, die Arme weit ausgebreitet.
»Wofür?«, rief Ember durch den Flur.
»Um sich uns anzuschließen. Ich weiß, ihr seid gerade erst zurückgekommen, aber es ist doch noch früh, oder?« Er grinste sie an und legte den Kopf schief, die Arme immer noch ausgebreitet und seltsam einladend. »Ich meine natürlich, falls ihr Lust habt.«
Cheyenne spürte, wie Ember zu ihr aufsah und ihre Entscheidung abschätzte. Die Halbdrow ignorierte sie und hob eine Augenbraue zu ihrem übermäßig freundlichen Nachbarn. »Du hast eine Menge Leute da drin, was?«
»Ein paar, ja.« Matthew kicherte. »Alles gute Leute.«
»Und alle machen eine Menge Lärm. Eine lustige Party wird ziemlich laut.«
»Ich weiß.« Sein schiefes Lächeln wich nicht, als er über seine Schulter blickte. Jemand drinnen jubelte und die Rufe drangen durch seine Wohnung in den Flur. »Wir sind die Einzigen auf dieser Etage, also dachte ich, ich könnte damit durchkommen.«
»Okay, Matt. Ich schlage dir einen Deal vor.«
Embers Augen weiteten sich und Matthew wurde hellhörig, obwohl die Halbdrow seinen nicht genehmigten Spitznamen benutzt hatte. »Hau raus.«
»Ember kann natürlich tun, was sie will. Aber ich werde zu deiner Party kommen und ein bisschen plaudern, wenn du mir erklären kannst, woher du wusstest, dass wir hier sind, ohne dass es sich wie totaler Schwachsinn anhört.«
Das Fae-Mädchen verschluckte sich und schlug sich eine Faust vor den Mund, um ein überraschtes Husten zu verbergen. Matthew Thomas legte den Kopf schief. Er lächelte immer noch, aber dieses Mal rümpfte er die Nase so sehr, dass er die Augen zusammenkneifen musste.
Als ob er wüsste, dass er ertappt wurde .
Er schmunzelte und schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht folgen.«
»Oh, ja?« Cheyenne warf einen misstrauischen Blick durch die offene Wohnungstür gegenüber und hob ihr Kinn. »Okay. Schönen Abend noch. Nachbar.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich zu ihrer Haustür um und stürmte hinein, direkt auf die Seite der Wohnung zu, auf der sich ihr Schlafzimmer befand, damit Matthew sie nicht länger beobachten konnte. Aber ihr Drowgehör fing jedes Wort des Gesprächs im Flur auf.
»Hatte sie eine harte Nacht oder so?«, fragte Matthew mit einem weiteren lässigen Lachen.
»Da musst du sie fragen.« Embers Räder rollten über den Boden.
»Was ist mit dir? Ich würde mich immer noch freuen, wenn du zu uns kommst. Du musst nicht lange bleiben und wie ich gehört habe, ist die Taxifahrt nach Hause ziemlich günstig.«
Die Fae lachte, aber es klang unsicher. »Vielleicht ein anderes Mal, Matthew. Wir sind früher nach Hause gekommen, weil ich sehr müde war. Ich tue mir keinen Gefallen, wenn ich nicht in den nächsten fünf Minuten ins Bett gehe.«
»Bist du sicher? Es gibt hier ein paar Leute, die ich dir gerne vorstellen würde.«
»Ich bin sicher. Danke. Aber viel Spaß!« Ember drehte sich schnell um, rollte in die Wohnung und griff nach der Haustür, um sie hinter sich zuzuwerfen. Sie knallte nicht ganz zu, aber leise war sie auch nicht. Dann hielt sie sich beide Hände vor den Mund und starrte auf den schwarzsilbernen Teppich. »O mein Gott.«
»Ja.« Cheyenne warf das gebrochene Bein des Maschinenkäfers auf die Couch und verschränkte die Arme.
»O mein Gott .« Ember warf einen Blick auf die Tür und verzog wieder angewidert das Gesicht. »Meinst du, er beobachtet uns?«
»Kommt darauf an, wie du das definierst, Em.«
»Ich meine nicht mit seinen Augen. Also, schon.«
»Ich weiß schon, worauf du hinaus willst.« Cheyenne ließ sich in den nächstgelegenen schwarzen Ledersessel fallen und ließ ein Bein über die Armlehne baumeln. »Ich rate mal wild drauf los und sage ja. Ich denke, dass unser Nachbar, der als Tageshändler und Cybersecurity-CEO tätig ist, überall auf dieser Etage Kameras hat. Vielleicht auch in anderen Teilen des Gebäudes. Wer weiß?«
Ember ließ ihre Hände in den Schoß fallen und sah die Halbdrow beunruhigt an. »Das habe ich auch gedacht, aber das können wir nicht beweisen, oder?«
»Noch nicht. Sollte aber nicht schwer zu machen sein.«
In der Wohnung wurde es still, als sie beide ihre Blicke auf die gewölbte Decke hefteten. »Du glaubst doch nicht, dass er sie hier hatte?«
»Nun, es war lange Zeit eine Vorzeigeeinheit.« Cheyenne fuhr sich mit den Händen durch ihr schwarzes Haar und strich es aus ihrer Stirn, während sie den Kopf zurück in den Sessel sinken ließ. »Ich würde mich mehr davor fürchten, dass er uns hier überwacht, bevor wir eingezogen sind, als dass er uns etwas untergejubelt hätte, nachdem wir uns kennengelernt haben.«
»Wie zum Teufel kann das gruseliger sein?«
»Wenn er unsere Wohnung verwanzt hat, nachdem er sich auf den ersten Blick in dich verliebt hat, Em, dann ist er ein Stalker. Das ist auf keinen Fall toll, aber es ist gezielt. Wenn er aber schon vorher etwas hier drin hatte, würde ich sagen, dass er sich in dem Bereich eines Psychopathen bewegt.«
Ember schnaubte. »Das ist witzig, wenn es von dir kommt.«
Cheyenne warf ihrer Freundin einen kurzen Blick zu und sie brachen in Gelächter aus. »Fast. Aber Leute, die ständig jeden beobachten aus keinem anderen Grund als dem, dass sie es können, haben sehr viel mehr Probleme als ein einsamer Kerl mit einer obsessiven Verliebtheit.«
»Das ist verrückt.«
»Ich habe nicht gesagt, dass es das nicht ist.«
Ein Schauer lief Ember den Nacken hinunter und sie schüttelte den Kopf. »Glaubst du, er kann uns jetzt hören?«
»Wenn er das kann, geschieht es ihm recht.« Die Halbdrow grinste Ember an, streckte den Mittelfinger in die Luft und winkte in ihrer Wohnung hin und her. »Nur so zum Spaß.«
»Wie kannst du das so gelassen sehen?«
»Komm schon. Es hat keinen Sinn, auszuflippen, bevor ich nicht das eine oder andere beweisen kann.«
Mit einem tiefen Atemzug durch die Nase biss Ember die Zähne fest aufeinander, kniff die Augen zusammen und schlang ihre Arme um sich. »Allein der Gedanke reicht aus, um mich zu überzeugen. Ich meine, alle Teile passen zusammen. Er taucht immer zu den schlechtesten Zeiten auf.«
»Oder den besten Zeiten. Für ihn.«
»Ja, meistens, wenn du weg bist.«
»Ich weiß.«
»Oh, Scheiße. Wenn er uns in unserer Wohnung beobachtet hat, hat er mich mit dem Illusionszauber gesehen.«
»Ja. Rein hypothetisch.« Cheyenne streckte ihre Arme über den Kopf, bevor sie sich in den Sessel zurücksinken ließ.
»Aber es ergibt Sinn!«
»Rein hypothetisch, Em. Wenn wirklich etwas in unserer Wohnung ist und er gesehen hat, wie du den Ring angezogen hast, war er verdammt gut darin, so zu tun, als wäre es nie passiert.«
»Na ja, wenn er so ist wie wir, würde es ihn nicht überraschen, oder?«
Die Halbdrow hob eine Augenbraue. »Glaubst du wirklich, dass er so ist wie wir?«
Ember öffnete ihren Mund, hielt inne und gab dann zu: »Nein. Auf keinen Fall. Das merke ich eigentlich immer.«
»Ja, ich auch. Zumindest jetzt, wo ich weiß, wonach ich suchen muss.«
»Du sagst also, er ist nicht ausgeflippt und er ist kein magisches Wesen. Das heißt, er hat unsere Wohnung nicht verwanzt?«
»Oder er hat ein wahnsinniges Pokerface und ist jetzt noch neugieriger als am Anfang.«
Ember klatschte ihre Hände auf die Armlehnen und hielt sie fest umklammert. »Du bist nicht hilfreich.«
Cheyenne konnte sich ein entschuldigendes Kichern nicht verkneifen. »Das sollte kein hilfreiches Gespräch werden. Ich wusste, dass es einen Grund gab, warum ich ein komisches Gefühl bei diesem Typen hatte.«
»Bitte sag nicht: ›Ich hab’s dir ja gesagt‹.«
»Das tue ich nicht. Ich weiß immer noch nicht, was mit ihm los ist.« Die Halbdrow deutete mit einem Nicken auf die Couch, wo das Metallbein lag. »Er hat das Ding nicht einmal angeguckt, als wir aufgetaucht sind.«
»Oh, Scheiße. Denkst du, er hat etwas mit der Maschine auf dem Markt zu tun?«
»Das bezweifle ich ernsthaft. Ich meine, das Ding da sieht wirklich aus wie ein Brecheisen.«
Ember schnaubte. »Ja, ich würde mich auch nicht darüber wundern, dass du mit einer Brechstange herumläufst. Das passt zu deiner ›Halt dich verdammt noch mal zurück und sprich mich nicht an‹-Attitüde.«
»Danke.« Während sie noch immer das abgebrochene Bein betrachtete, zog Cheyenne ihr Handy aus der Gesäßtasche und runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass ich das Bein noch lange mit mir herumtragen werde. Wahrscheinlich ist das keine gute Idee.«
Ember schluckte. »Okay, ich weiß, du magst keine lauten Geräusche und so, aber Cheyenne, ich schwöre, wenn sich das Ding von allein bewegt, werde ich schreien.«
»Wirklich?« Die Halbdrow sah ihre Freundin mit einem Stirnrunzeln an. »Ich hätte nie gedacht, dass du eine von denen bist, die einfach anfangen zu schreien.«
Die Fae legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen. »Ich weiß nicht, ob du das ernst meinst.«
Cheyenne zuckte mit den Schultern und schaute auf ihr Handy. »Egal.«
»Wen rufst du an?«
»Corian.« Sie rief seine Nummer auf und berührte mit dem Daumen das Anrufsymbol.
»Meinst du, er könnte uns bei unserem Gruselnachbar-Problem helfen?«
»Oh, jetzt denkst du, er ist gruselig.«
Ember warf einen Blick zur Tür und senkte ihre Stimme trotz des ständigen Stimmengewirrs, der Lachanfälle und des lauten Basses, der von der anderen Seite des Flurs dröhnte. »Ja. Du hast mich endlich dazu gebracht, die Dinge so zu sehen, wie du sie siehst und ich glaube nicht, dass ich sie jetzt nicht sehen kann.«
»Corian würde helfen, wenn ich ihn fragen würde.«
»Toll.«
»Aber ich werde ihn nicht fragen.«
Ember stöhnte und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
»Hey, erst werde ich mir anschauen, was Matthew Thomas hier getan haben könnte oder nicht. Wenn ich mich selbst darum kümmern kann, werde ich es tun. Also lassen wir die Tür erst einmal verschlossen, dann ist alles gut.«
Wütend blinzelnd rollte die Fae zur Haustür und drehte den Stuhl zur Seite, damit sie den Türriegel erreichen konnte, um ihn umzulegen. »Ganz ehrlich, Cheyenne, herauszufinden, ob jemand meine Wohnung verwanzt hat, steht auf meiner Prioritätenliste ganz oben.«
»Nun, unsere Meinungen gehen diesbezüglich etwas auseinander.« Cheyenne zwang sich, den Anruf zu tätigen und hob das Handy an ihr Ohr. »Das ist im Moment ein bisschen wichtiger.«
»Was genau?«
»Dieses verdammte Bein.« Die Halbdrow warf einen Blick auf ihre Freundin und hob die Augenbrauen. »So etwas habe ich schon einmal gesehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich heute Nacht in Peridosh gegen meine erste O’gúl-Kriegsmaschine gekämpft habe.«
»Deine erste was ?«
»Japp.«