Kapitel 24

D as Portal führte sie in eine Art Keller, dessen Boden, Decke und alle vier Wände aus Beton bestanden. Der Raum war leer, bis auf einen blutbespritzten Bürostuhl, über dessen Armlehne ein ebenso beflecktes, aufgerolltes Seil hing. Außerdem hing eine helle, ungefilterte Glühbirne von der Decke und zwei Paar eiserne Fesseln waren mit stabilen Eisenketten an Halterungen in der Betonwand befestigt. Die Fesseln waren um die Hand- und Fußgelenke des silbern geschuppten magischen Wesens geschlossen. Es saß relativ aufrecht an der Wand, aber seine Arme baumelten zehn Zentimeter über seinem Kopf, der ganz nach vorne gesunken war, sodass sein Kinn die Brust berührte.

»Mach schon«, murmelte Corian und beäugte ihren bewusstlosen Gefangenen.

»Oh, ja.« Byrd trat vor und hockte sich vor das schuppige übernatürliche Wesen, dann griff er in die Innentasche seiner dunkelbraunen Weste und zog eine Handvoll getrockneter Blätter heraus. Sie knirschten laut, als er das Bündel in beiden Fäusten zusammendrückte. Langsam öffnete er seine Hände wieder und wedelte mit ihnen vor der Nase des Echsenmenschen herum.

Der Gefangene keuchte, bäumte sich auf und schlug mit dem Kopf gegen die Betonwand, während seine Augen aufflogen.

Byrd pustete in seine Hände und blies dem anderen magischen Wesen die Blätter und den Staub ins Gesicht.

Der Echsenmensch schrie und zuckte gegen die Fesseln um seine Handgelenke. Er war zu schwach, um mehr zu tun, als mit den Füßen nach Byrd zu treten, als die Ketten ihm keinen Spielraum mehr ließen. »Du sadistisches Arschloch!«

Spucke flog aus dem Maul des Echsenmenschen und seine blutrote Zunge schnalzte zwischen den Reihen winziger, geschärfter Zähne hervor.

Oder vielleicht ist es auch nur ein Mundvoll Blut. Cheyenne steckte ihre Hände in die Taschen und betrachtete den O’gúleesh-Gefangenen, der auf der Erde für die Krone arbeitete.

Byrd grinste, stand auf und wischte sich den Rest der zerkleinerten Blätter von den Händen, während er langsam einen Schritt zurücktrat. Der Eidechsenmann beäugte die Staubwolke mit wachsamen, gelbgrünen Augen. »Du glaubst, du bist an was dran mit diesem Scheiß? Komm, bring einen ganzen Haufen mit und vergrab mich drin. Kein Scheiß.«

»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.« Corians Stimme war leise, ruhig und kontrolliert, seine Hände hinter seinem Rücken verschränkt. Die Augen des Gefangenen flackerten auf und richteten sich auf das Gesicht des Nachtpirschers. »Wenn ich es diesen beiden überlassen würde, würden sie genau das jetzt tun. Oder etwas ähnlich Schmerzhaftes für dich, zweifellos.«

Das andere magische Wesen kicherte. Die silbern schimmernden Schuppen um seine Schlupflider, die dünnen Lippen und die abgeflachte Nase hatten einen kränklich grünen Farbton angenommen. »Als Nächstes sagst du noch, ich soll froh sein, dass du sie aufgehalten hast, weil du hier Bestimmer bist. Aber ist nicht so.«

Corian rümpfte die Nase.

Cheyenne presste ihre Lippen aufeinander. Er ärgert sich mehr über die unschöne Grammatik, als über die Beleidigung.

Sein Gefangener konnte den Unterschied nicht bemerken. »Ja. Ich durchschaue dich sofort. Du marschierst hier rein, als wärst du Boss, der bestimmt, wie alles abläuft. Alle hier im kleinen, dunklen Raum wissen, dass das Blödsinn ist. Ich habe ihn doch mit meinen eigenen Augen gesehen. Neben L’zar bist du nur ’ne scheiß Hauskatze.«

Corian drehte sich langsam um und sah Lumil und Byrd an. »Wenigstens redet er wieder.«

»Sieht so aus.« Lumil hob die geballten Fäuste an ihren Seiten und die hellroten, sich drehenden Symbole ihrer Magie flackerten um sie herum auf. »Lasst uns zu dem Teil kommen, in dem er uns etwas erzählt, was wir noch nicht wissen.«

Das blutige Grinsen des Eidechsenmannes verblasste, als seine Reptilienaugen zwischen der Koboldfrau und dem Nachtpirscher hin und her flackerten. »Du kannst mich nicht zum Reden bringen, Schlampe.«

»Nicht, wenn du bei klarem Verstand bist.« Lumil schritt auf ihn zu. »Aber hey, niemand erwartet von dir, dass du dich daran erinnerst, wie du wie ein kleines Schweinchen quiekst, wenn du so große Schmerzen hast.«

Sein Blick fiel auf die sich drehenden, funkelnden Symbole, die wie Kreissägen um ihre Fäuste wirbelten. »Du lügst.«

»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden, oder?«

»Und es gibt nur einen Weg, es dir leichter zu machen«, fügte Corian hinzu.

Cheyenne schaute ihn an. Ich frage mich, wie lang es her ist, dass sie diese s Spielchen vorgeführt haben, bei dem der eine nett und die andere böse ist . Scheint ein bisschen eingerostet zu sein.

Der Echsenmensch schnaubte. In seinen Mundwinkeln und um seine Nasenlöcher hatte sich eine Schicht rosa Schaum gebildet. Mehr davon spritzte vor ihm heraus, während sein Atem schneller wurde. Trotz seiner berechtigten Angst vor Lumils Fäusten hob sich seine schuppige Oberlippe zu einem zuckenden Knurren. »Wenn du mich schon zum Reden gebracht hättest, würdest du es nicht noch einmal versuchen.«

»Unter den bisherigen Umständen, sicher.« Corian senkte den Kopf. »Du hättest uns durchschaut. Aber die Umstände haben sich in den letzten paar Stunden geändert, Lex und wir erzählen keinen Scheiß mehr.«

Lex hob sein Kinn, stieß seinen Kopf gegen die Wand und blickte den Nachtpirscher an. »Was für Umstände?«

»Wir wissen von deinem persönlichen Vorrat an Maschinenteilen und ich nehme an, dass das Team, das wir ausgesandt haben, um deine Sachen abzuholen, in Kürze von dieser kleinen Besorgung zurückkehren wird. In der Zwischenzeit haben wir ein weiteres kleines Problem entdeckt, von dem wir hoffen, dass du es für uns lösen kannst.« Corian deutete auf Cheyenne, ohne seinen Blick von dem schuppigen Gefangenen abzuwenden.

Mit einem stotternden Zischen sah Lex sie von oben bis unten an und legte den Kopf schief. »Ein Mensch. Ist das dein Problem?« Er stieß ein schwaches Lachen aus und schürzte seine Lippen. »Hör zu, ich hab keine Ahnung, was du über mein Fachwissen gehört hast, aber in diesem Fall hast du Pech. Hässlichkeit kann ich nicht reparieren.«

»Oh, Mann.« Byrd schüttelte mit einem leisen Kichern den Kopf. Ausnahmsweise versuchte Lumil nicht, ihn zurechtzuweisen.

Cheyenne blinzelte und wischte sich jeden Ausdruck aus dem Gesicht. Ich kann dieses Spiel spielen, kein Problem. »Ich wünschte, das könnte ich auch sagen.«

»Ach, ja? Glaubst du, deine kleinen, weißen Menschenhände richten mehr Schaden an als die wirbelnden Fäuste des Kobolds?«

»Nein.« Sie brauchte nur eine Sekunde, um an den Nimlotharsamen zu denken, der sie immer noch mit der Wurzel der Drowmacht verband und schon schoss ihre gesamte Magie von der Basis ihrer Wirbelsäule durch ihren Körper. Byrd und Lumil traten flink von ihr weg. Als sich das violettfarbene Licht, das hinter Cheyennes goldenen Augen aufblitzte, in den silbern schimmernden Schuppen, die Lex’ Gesicht bedeckten, spiegelte, wusste sie, dass es die gewünschte Wirkung hatte. Sie hob beide Hände und beschwor zwei Kugeln mit schwarzer Magie, aus denen lilafarbene Funken zischten. »Aber diese hier schon.«

Der Blick des Gefangenen wanderte vom violettgrauen Gesicht der Halbdrow zu den verheerenden Angriffszaubern in ihren Handflächen. Dann blickte er schnell abwechselnd zu Byrd, Lumil und Corian. Ein dünnes, stotterndes Keuchen drang zwischen seinen dünnen Lippen hervor.

Er lacht .

»Du hast die Mór úcare gefunden. Hinterhältiger, verdammter Bastard.«

»Ich musste kaum einen Finger rühren.« Corian machte einen Schritt nach vorne, woraufhin Lex leicht zusammenzuckte. »Sie will das genauso sehr wie wir alle, wenn nicht sogar noch mehr. Ich bin sicher, du verstehst, warum.«

»Sie ist eine Idiotin. Genau wie du.«

Corians Augen verengten sich.

Cheyenne wollte einen Schritt nach vorne machen, aber Lumil kam ihr zuvor. Die Koboldfrau bewegte sich so schnell, dass Lex es nicht kommen sah. Sie ließ sich in einer Grätsche auf ein Knie fallen und landete einen knochenbrechenden linken Haken an der Unterseite des Kiefers des Gefangenen. Der perfekte Treffer schleuderte ihn seitwärts statt mit dem Rücken gegen die Wand, während rote Funken und dunkles Blut in alle Richtungen flogen. Lumil nutzte ihren Schwung und schwang ihr Knie anmutig vom Betonboden, bevor sie auf die gegenüberliegende Seite des engen Raums marschierte. Sie hüpfte einmal auf den Zehenspitzen und drehte sich wieder um, um ihren Platz auf der anderen Seite von Cheyenne einzunehmen.

Die Halbdrow begegnete dem Blick des Kobolds und hob die Augenbrauen. Lumil blinzelte.

»Oh, Scheiße. Sieh dir das an.« Byrd zeigte auf den Boden vor ihnen. Zwei silbern schimmernde Flocken glitzerten auf dem Beton. »Ich wusste nicht, dass man einen Taratas wie einen Vogel rupfen kann.«

Lumil lachte laut. »Er verliert wohl seine Integrität. Nicht, dass er am Anfang welche gehabt hätte.«

Cheyenne verfolgte mit ihrem Blick die dicken Rinnsale aus grünschwarzem Blut, die an der rechten Seite von Lex’ Kinn herunterliefen. Dort, wo sie begannen, befanden sich zwei dunkle, glitzernde Wunden, wo seine Schuppen fehlten.

Die Flanken des Gefangenen hoben sich, als er nach dem Schlag um Luft rang. Dann sammelte er genug Kraft, um den Kopf zu heben und seine Entführer anzusehen. Selbst jetzt zitterten seine geschlitzten Augen, während sein Kopf wackelte.

»Das war nur, um deine Aufmerksamkeit zu bekommen, Lex. Es wird Zeit, dass du zuhörst.« Corian schritt durch den Raum, wobei sein immer länger werdender Schatten auf den blutenden, schwankenden Gefangenen geworfen wurde. Mit einer fließenden Bewegung ging er in die Hocke, legte den Kopf schief und beugte sich vor. »Die Drow hinter mir hat heute Abend eines deiner kleinen Spielzeuge getroffen. Sie hat weniger als eine Minute gebraucht, um es in Stücke zu zerquetschen, von denen sie einige mitgebracht hat.«

Cheyenne löschte ihre funkelnden, schwarzen Kugeln und verschränkte die Arme. Okay, diese kleine Ausschmückung lasse ich ihm durchgehen.

»Wir wissen also, dass du mindestens einen Bagger hast und laufen lässt. Oder besser gesagt, hattest . Jetzt wirst du uns sagen, wie viele andere aktiviert wurden und was du benutzt hast, um die Drow aufzuspüren.«

Lex stieß einen Würgereiz aus und stemmte sich gegen die Fesseln. Corian reagierte nicht, denn er stand nur wenige Zentimeter von dem Punkt entfernt, an dem sich der Gefangene am weitesten von der Wand weglehnen konnte. Das Würgen ging weiter und die Augen des geschuppten magischen Wesens weiteten sich, während sie träge umherschauten. »Ihr seid am Arsch!«

»Was hast du benutzt

Der Gefangene sackte mit dem Rücken gegen die Wand, sein Mund stand weit offen, als das erstickte Würgen zu einem rauen, knirschenden Lachen wurde. »Gar nichts.« Seine Augen rollten in seinem Kopf zurück, als er kreischte und sich seitwärts gegen die Ketten lehnte. Er atmete scharf und keuchend, bevor er wieder schrie.

Cheyenne lehnte sich zu Lumil, konnte aber den Blick nicht von dem Taratas abwenden, der sich wandte und laut krakeelte. »Ich glaube, du hast ihn kaputt gemacht.«

»Nein. Das ist nur das Lachen eines Taratas. Wenn du das nervigste Geräusch der Welt hören willst, dann ist es das hier.«

Die Halbdrow runzelte die Stirn. »Sieht aus, als hätte er einen Anfall.«

»Ja.«

Corians Ohren zuckten, aber der Rest von ihm blieb ganz ruhig, während er weiter vor dem Gefangenen kniete. »Ich kann das die ganze Nacht machen, Lex. Das kann Lumil auch. Ich verspreche dir, dass du das nicht mehr lange lustig finden wirst, wenn sie dir noch ein paar Schuppen vom Gesicht nimmt.«

Mit einem letzten rauen, keuchenden Einatmen ließ Lex seinen Kopf zurück an die Wand sinken und richtete seinen unruhigen Blick in die allgemeine Richtung des Nachtpirschers. »Ich hatte keine verfickte Zeit, deine kostbare Mór úcare zu verfolgen.« Er verfiel in eine weitere Runde würgenden, keuchenden Kicherns. »Der Bagger hat sich auf eine Vermutung hin auf den Weg gemacht. Selbst meine Vermutungen bringen mehr zustande als die Fäuste von diesem bescheuerten Kobold! Ich muss die Drow nicht verfolgen, du pelziges Stück Scheiße. Nach dieser Sache muss das auch niemand mehr. Sie ist zu nah!« Lex kreischte wieder und lehnte sich vor, um in seiner irren Freude mit dem Rücken gegen die Wand zu knallen. »Sie ist zu nah dran

Corian erhob sich geschmeidig aus seiner Hocke und schlich sich an den versammelten magischen Wesen vorbei in die Mitte des Raumes. Cheyenne drehte sich um, um ihn zu beobachten und bemerkte, dass die gegenüberliegende Wand keine Tür hatte. Die Finger des Nachtpirschers bewegten sich schnell und ein weiteres Portal öffnete sich vor ihm.

»Was machst du da?«, fragte Lumil und blickte finster auf Corians Rücken.

»Wir sind hier fertig.«

»Willst du mich verarschen? Er erzählt einen Haufen Blödsinn, nur um an dich ranzukommen. Gib mir noch fünf Minuten. Ich werde ihm den Verstand aus dem Leib prügeln.«

»Nicht jetzt !« Der geknurrte Befehl hallte durch den winzigen Betonraum und Corian trat durch das Portal, sobald es sich vollständig öffnete.

Lex’ kreischendes Gackern war zu einem gutturalen Ausbruch von Belustigung abgeklungen und er lehnte seinen Kopf wieder an die Wand, die Augen geschlossen. »Versuch du mal, das herauszufinden, nilsch úcat . Jetzt, wo sie es wissen, werden sie alle hinter ihr her sein. Denkst du, du kannst die O’gúl-Krone aufhalten? Ich werde noch vor Jahresende meinen Krug auf eure vertrockneten Schädel knallen!«

»Du verrücktes Stück Scheiße.« Lumil trat gegen die gespreizten Beine des Taratas. Er zuckte weg, gackerte erneut und lehnte sich zur Seite, bis sein angekettetes Handgelenk straff wurde und ihn daran hinderte, auf den Boden zu schlagen. »Komm schon.«

Beide Kobolde gingen auf das Portal zu und Cheyenne warf einen letzten Blick auf den Gefangenen. Er war zu weggetreten, um es mitzubekommen.