Kapitel 26

D as Einzige, was Cheyenne in ihrer Wohnung hörte, war das leise Knacken des Portals, das sich hinter Corian schloss. »Em?«

»Sie ist hier, richtig?«

»Ja. Sie ist ins Bett gegangen, kurz, bevor du meine Glühbirne kaputt gemacht hast.«

Corian ignorierte die Bemerkung, während er sich langsam im Kreis drehte und die hohen Decken und die breite Fensterwand im Norden betrachtete. »Also behalten wir den Ort im Auge.«

»Pst. Warte mal.« Cheyenne legte den Kopf schief, als sie das leise Rauschen hörte, das von der anderen Seite der Küche kam. Es hätte auch der Kühlschrank oder der Ventilator in Embers Zimmer sein können, bis sie das schnelle Klicken und das Klopfen von Metall gegen Glas hörte. »Hier ist etwas.«

Sie stürmte durch die Küche, dicht gefolgt von dem Nachtpirscher. »Ein Bagger wird nicht einfach so auftauchen und versuchen, sich hier reinzuschleichen, während sie schläft.«

»Was zum Teufel!«

Embers Schrei spornte Cheyenne zum Handeln an. Hätte sie sich die Mühe gemacht, den Türknauf zu drehen, wäre er verschlossen gewesen, aber stattdessen schlug sie mit der Faust gegen die Tür. Das Holz splitterte und flog in alle Richtungen und die Halbdrow hatte genügend Zeit, um mindestens drei Dutzend winzige, glitzernde Gestalten wahrzunehmen, die durch das Schlafzimmer schwirrten, bevor sich zwei von ihnen auf sie stürzten.

»Ah!« Sie schlug die fliegenden, schwarzen Dinger von ihrem Gesicht weg. Diese prallten mit einem dumpfen Knall auf dem Boden auf und drehten sich sofort wieder auf ihre spindeldürren Beine, um sich ihr zuzuwenden. »Winzige Käfer dieses Mal? Ist das deren Ernst?«

Der nächstgelegene Maschinenkäfer gab ein metallisches Knarren von sich und schoss einen Schwall hellgrüner Kugeln ab. Die ersten Kugeln trafen Cheyenne in die Rippen, bevor sie zur Seite sprang, um den restlichen auszuweichen. Sie knurrte vor Schmerz und drückte ihren Fuß auf den zwei Zentimeter großen, mechanischen Käfer, bevor er etwas anderes tun konnte.

»Cheyenne!« Ember blickte erschrocken auf die ganzen kleinen Maschinen, die an den Wänden und an der Decke hochkletterten und einen Baldachin über der Fae und ihrem Bett bildeten.

Cheyenne beschwor eine knisternde, schwarze Kugel in einer Hand und zielte.

Corian packte ihr Handgelenk und hielt sie zurück. »Gib ihnen nichts, was sie gegen dich verwenden können.«

»Ernsthaft?«

Der Nachtpirscher verschwand in einem silbrig glänzenden Licht. Die Käfer, die sich an der Decke über Ember versammelt hatten, kreischten, als sie von der Decke geschabt und wie eine Handvoll Kieselsteine durch den Raum geschleudert wurden.

»Oh mein Gott.« Ember beugte sich vor und zog die Bettdecke bis zu ihrem Kinn hoch.

Die Käfer schlugen mit einem dumpfen Aufprall auf den Boden, die Kommode und den kleinen Schreibtisch, dann sprangen sie wieder auf ihre winzigen, klickenden Füße und krabbelten zurück in Richtung Bett.

Cheyenne trampelte auf so vielen von ihnen herum, wie sie konnte, während Corian eine Handvoll nach der anderen mit seiner erhöhten Geschwindigkeit von den Wänden fegte. Die mechanischen Kreaturen benötigten etwa zehn Sekunden, um zu begreifen, was geschah. Als sie das taten, geschah die Veränderung auf einmal.

Die winzigen Krabbeltiere hörten auf, Ember anzugreifen und konzentrierten sich auf ihre neuen Ziele. Cheyenne hob ihren Fuß, um auf den nächsten krabbelnden Käfer zu stampfen. Das Ding schnappte nach ihr und eines seiner Vorderbeine drehte sich so, dass es senkrecht in die Luft ragte.

Ihr Fuß kam herunter, bevor sie sich stoppen konnte. »Scheiße!«

Sie zuckte nach hinten und taumelte gegen die Wand. Der Maschinenkäfer baumelte von der Unterseite ihres Schuhs, sein umgedrehtes Anhängsel steckte sowohl in der Gummisohle als auch in Cheyennes Fuß.

Die Halbdrow beschoss es mit einem schwarzen Energieball und verbrannte es sofort.

Corian schlüpfte direkt vor ihr aus seiner erhöhten Geschwindigkeit. »Ich habe dir gesagt, du sollst das nicht tun!«

»Es hat mich in den Fuß gestochen! Ich fasse diese Dinger nicht mit meinen Händen an.« Ohne ihm Zeit zu geben, weiter zu argumentieren, ließ Cheyenne ihre lilaschwarzen Funkenattacken auf die Metallkäfer los, die über den Holzboden auf sie zuhüpften.

Winzige Zahnräder und zerbrochene Metallsplitter spritzten durch Embers Zimmer. Die Fae starrte hinter ihrer hochgezogenen Bettdecke auf das Ganze, während das violettschwarze Licht von Cheyennes Magie auf ihrem Gesicht reflektierte und sich in ihren Augen spiegelte.

Als Cheyenne damit fertig war, den Schwarm der O’gúl-Insektenmaschinen zu dezimieren, war der Raum mit Rauch und dem bitteren Geruch von heißem Metall erfüllt. Keiner bewegte sich.

»Keines dieser Dinge hat den ersten Schuss überlebt.« Sie drehte sich zu Corian um und hob einen Finger. »Nichts zum Festhalten. Nichts zum Zurückmelden.«

Ein hohes Kreischen und ein metallisches Surren ertönte von der Oberseite des Kopfteils, bevor zwei größere, grüne Kügelchen aus magischem Schlamm aus dem überlebenden Metallkäfer spuckten. Die erste spritzte auf ihre angehobene Hand und jagte einen stechenden Schmerz durch ihre Finger und ihr Handgelenk hinauf. Die Halbdrow schrie auf und schleuderte eine schwarze, Funken sprühende Energiekugel zurück. Der zweite Angriff mit grünem Schlamm verfehlte sie nur um Zentimeter und segelte an ihr vorbei in die Küche, während sich die letzte Spionagemaschine über Embers Bettkante auflöste.

Die Fae hyperventilierte fast, als sie ausdruckslos durch die offene Tür starrte. Ihre Hand hob sich langsam und berührte sanft die Seite ihres Kopfes, um sich zu beruhigen. »Das war viel zu knapp.«

»Komm schon, Em. Ich würde dich nie treffen.« Cheyenne holte scharf Luft und streckte ihre Hand aus. »Ah! Was war das für Zeug?«

Corian warf ihrer Hand einen Seitenblick zu. »Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, etwas, das dir noch ein ganzes Weilchen Freude bereiten wird.«

»Weißt du, mir wurde ein Zaubertrank aus schwarzer Magie über die Schulter geschüttet und ich musste tagelang mit offenen Wunden rumlaufen. Das hier fühlt sich an, als hätte ich einen mit Glasscherben gefütterten Handschuh angezogen.«

»Aber Glas schneidet dich doch nicht, richtig?«

Cheyenne sah ihn genervt an und ignorierte die rhetorische Frage.

»Du hast doch noch die Schwarzzungensalbe, oder?«

»Ja, ich habe sie noch.«

»Ich würde sie an deiner Stelle holen. Auch für deinen Fuß.«

»Sollten wir uns nicht darauf konzentrieren, was gerade passiert ist und wie diese Dinger reingekommen sind?«

Corian drehte sich zu ihr um und blinzelte langsam. »Wir werden uns darauf konzentrieren, sobald du dich um diese Wunden gekümmert hast. Je länger wir hier stehen und darüber streiten, desto mehr Zeit hat es, mögliche Nebenwirkungen zu entwickeln. Und zwar die der unangenehmen Art.«

Cheyenne sah Ember an und nickte. »Geht es dir gut?«

»Äh, vielleicht?« Die Fae ließ ihren Blick langsam über die Metallfragmente, die zermahlenen Stahlkäfer und die verkohlten Dellen der Zauber schweifen, die jede Oberfläche ihres Zimmers bedeckten. »Ich bin mir nicht sicher, ob das hier nicht ein extrem verrückter Traum ist.«

»Das wird schon noch früh genug klar werden.«

Cheyenne warf Corian einen warnenden Blick zu und schüttelte den Kopf. »Das ist nicht hilfreich. Ich bin gleich wieder da, Em. Ich muss nur den magischen Erste-Hilfe-Koffer holen.«

Als sie das Schlafzimmer verließ, nickte Corian Ember zu und wandte sich der Tür zu. »Ich lasse dir etwas Privatsphäre.«

»Nein! Bitte nicht.« Ember verkroch sich unter ihrer Bettdecke und suchte den Raum erneut ab. »Nur für den Fall.«

»In Ordnung.« Der Nachtpirscher blieb unbeholfen an der Tür stehen und sah sich unsicher überall im Raum um, wobei er alles außer das Fae-Mädchen anschaute, das sich in ihrem Pyjama-Top wie ein Kind vor dem Monster unterm Bett versteckte.

Cheyenne hob ihren Rucksack vom Boden neben der Couch auf und griff nach dem Reißverschluss. »Verdammt!«

Sie schüttelte ihre brennende Hand und öffnete mit der anderen Hand den Reißverschluss der Haupttasche. Als sie das braune Glasgefäß mit der Schwarzzungensalbe aus ihrem Rucksack holte und versuchte, es zu öffnen, knurrte sie allein wegen des Drucks ihrer gequälten Finger auf das Gefäß.

Okay. Vielleicht gibt es tatsächlich unangenehme Nebenwirkungen, die sich schnell zeigen.

Sie nahm die Salbe mit, humpelte zu Embers Zimmer und hielt sie Corian hin. »Ich brauche etwas Hilfe.«

Er nahm sie ihr wortlos ab, schraubte den Deckel ab und schöpfte einen riesigen Klumpen der klebrigen, weißen Substanz heraus.

Cheyennes Augen wurden groß. »Hey, das ist teures Zeug, hat man mir gesagt.«

»Aha.« Er bedeutete ihr mit seinen klebrigen Fingern, näherzukommen.

»Du kannst etwas zurücktun. Es braucht nur ein bisschen.«

»Nicht nach so einem Angriff. Das ist für die ganze Hand.«

»Ach, wirklich?« Cheyenne betrachtete den großen Haufen Salbe auf den Fingern des Nachtpirschers und verzog das Gesicht. »Alles auf einmal?«

»Genau, alles auf einmal.« Corian grinste. »Mach dir keine Sorgen. Ich werde es dir einmassieren.«

»Du genießt das hier.«

»Ein bisschen.« Er winkte sie wieder zu sich und sie streckte ihm langsam ihre Hand entgegen. »Vor allem, weil ich dir gesagt habe, dass du keine Angriffszauber benutzen sollst. Ich nenne das einen fairen Austausch.«

»Weißt du, ich mochte es lieber, als wir uns gegenseitig ins Gesicht geschlagen und es Training genannt haben.« Cheyenne zog ihre Hand zurück, bevor er die Salbe auftragen konnte. »Sollte meine Haut das machen?«

»Nenn mir ein Beispiel, wo eine Drow, die wie radioaktiver Abfall leuchtet, eine gute Sache ist.«

»Gut.« Sie streckte ihre Hand ganz aus und sah Ember an. »Hey. Du bist ziemlich still.«

»Findest du?« Die Fae schnaubte, aber das holte sie aus ihrem fast katatonischen Zustand heraus und sie schaute ihre Freundin an. »Ich weiß gar nicht, was hier gerade los ist.«

»Mach dir keine Sorgen. Wir werden dich über alles aufklären! Verdammt noch mal! Du Arschloch

Corian umklammerte ihre verletzte Hand mit beiden Händen und schmierte ihr die Heilsalbe auf die Hand. »Mit der kann man nicht sanft umgehen, Mädchen. Nur zu, lass es raus. Ich werde versuchen, nicht beleidigt zu sein.«

Cheyennes Augen zuckten, als ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Ich nehme es zurück. Das ist viel schlimmer als die Löcher in meiner Schulter.«

Ihr Mund klappte auf und sie keuchte, taumelte zurück gegen die Wand und umklammerte ihren Bauch mit einem stummen Schrei. Corians Griff um ihre Hand war so fest wie eh und je und er rieb die Salbe weiter ein.

»Ich habe schon viel größere Typen als dich gesehen, die ohnmächtig geworden sind, obwohl sie viel kleinere Oberflächen mit diesem Zeug eingerieben haben.« Corian kicherte. »Ich schätze, ich sollte nicht überrascht sein.«

Die Halbdrow grunzte und sagte: »Anscheinend muss ich erst keine Ahnung haben, was ich tue und eine Kugel in der Hüfte haben, damit ich ohnmächtig werde. Das eine Mal, als ich ein ganzes FRoE-Team vor dem Tod bewahrt habe. Ich glaube, das war’s.«

»Nun, es sieht so aus, als würdest du das Sprengen von O’gúl-Käfer-Spionen nicht zu dieser sehr kurzen Liste hinzufügen.« Er ließ ihre Hand los und hob seine beiden Hände, um ihr etwas Raum zu geben. »Warte einen Moment.«

Sie blinzelte durch ihre tränenden Augen und öffnete vorsichtig ihre Hand. Das grüne Glühen, das durch ihre Haut aufstieg, war verschwunden. »Es fühlt sich an, als sei meine Hand eingeschlafen.«

»Sie wäre fast abgefallen.«

»Was?«

Corian zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich. Du wolltest diese Theorie doch nicht testen, oder?«

»Du bist heute voll von dummen rhetorischen Fragen.« Cheyenne schüttelte ihre Hand aus und wackelte mit den Fingern. »Ich kann sie aber benutzen.«

»Willst du deinen Schuh ausziehen?«

»Hey, wenn du versuchst, das Zeug auf das riesige Nadelloch in meinem Fuß zu reiben, verspreche ich dir, dass du am Ende einen Tritt ins Gesicht bekommst.«

»Dann überlasse ich dir das.«

»Heilt das Zeug alles?« Ember betrachtete das braune Glas in Corians Hand, bevor Cheyenne es ihm wegschnappte.

»Außer einer Messerwunde, ja. Ich hatte schon viele Gelegenheiten, es zu testen.« Die Halbdrow ging in die Hocke und biss schmerzerfüllt die Zähne zusammen.

»Warte.« Ember bündelte die Bettdecke unter ihrem Kinn und schluckte. »Können wir erst mal aus meinem Zimmer verschwinden?«

Corian zeigte in die Küche. »Für mich ist es nach wie vor in Ordnung, rauszugehen und euch etwas Zeit zu geben.«

»Geh nicht. Mir ist gerade klar geworden, dass ich auch gerne einen Nachtpirscher um mich habe. Es ist nur so, dass ich mich nach diesem Durcheinander hier einfach nicht mehr wohlfühle.«

Mit einem Schnauben erhob sich Cheyenne aus ihrer Hocke und nickte. »Brauchst du Hilfe?«

»Nein, ich kann mit dem Stuhl umgehen.« Ember warf die Bettdecke von ihrem Schoß und schob sich an den Rand des Bettes. »Sieh einfach zu.«

»So beruhigend das auch für dich sein mag, Ember, wir können nicht die ganze Nacht hier bleiben, nur weil vielleicht noch etwas anderes in deinem Schlafzimmer auftaucht.«

Ember knurrte frustriert und sah zu ihm auf, stützte sich auf ihre Hände und hielt kurz davor inne, sich in den Stuhl zu setzen. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass du fünf gottverdammte Minuten entbehren kannst.«

Cheyenne hob die Augenbrauen und blickte auf den Boden, um ihr Grinsen zu verbergen.

Corian brummte und warf der Halbdrow einen Seitenblick zu. »Langsam verstehe ich, warum diese Fae deine beste Freundin ist.«

»Ja, vielleicht färbe ich ein bisschen auf sie ab.«