Kapitel 27

D ieses Zeug bringt einen dazu, jemanden umbringen zu wollen.« Cheyenne lag auf der Couch, das Bein gerade vor sich ausgestreckt und alle Muskeln angespannt, während sie sich zwang, trotz des Schmerzes ruhig zu atmen.

»Das ist so cool.« Ember beugte sich vor und beobachtete, wie sich die Wunde an Cheyennes Fuß von innen nach außen schloss.

»Welcher Teil?«

»Der Teil mit der Sofortheilung.« Ember schüttelte den Kopf. »Bitte töte niemanden. Ich meine, es sei denn, du musst es.«

Corian hielt sich sein Handy ans Ohr und beobachtete die Mädchen, während er darauf wartete, dass Persh’al abnahm. »Wenn wir die Sache jetzt richtig angehen, wirst du diese Entscheidung nicht so bald treffen müssen.«

Cheyenne sog einen weiteren scharfen Atemzug durch ihre Zähne ein, dann ließ das unerträgliche Brennen in ihrem Fuß nach. »Wie geht man damit um?«

Er zeigte ihr mit dem Finger, dass sie warten sollte und wandte sich ab. »Hey. Ja, wir haben etwas gefunden, alles klar. Nö. Alles gut. Wir müssen uns hier nur erst einmal stationieren. Ja, klar. Was ist mit Lumil? Weiß sie, wie man etwas wirkt, ohne dabei etwas in die Luft zu jagen?«

Ember und Cheyenne tauschten verwirrte Blicke aus und die Halbdrow flüsterte: »Ich habe keine Ahnung.«

»Gut«, fuhr Corian fort. »Nein, das kann nicht bis morgen warten. Wenn sie ihren Arsch nicht durch das nächste Portal im Lagerhaus bewegt, werde ich sie vom Verhördienst abziehen. Ja, das habe ich mir auch gedacht. Sei einfach bereit.« Er legte auf und steckte das Handy zurück in seine Tasche.

»Jetzt kommen also alle zu mir rüber, was?«

»Nicht alle.« Corian ließ seinen Blick über die hohen Decken der Wohnung schweifen. »Offensichtlich wird einer von uns das Lagerhaus nicht verlassen, um irgendwohin zu gehen. Zumindest so lange, wie seine Geduld reicht.«

»Du meinst L’zar«, murmelte Ember.

Er sah zu ihr hinunter und verengte seine glühenden, silbernen Augen. »Genau. Er hat erwähnt, dass er dich schon getroffen hat.«

Sie schenkte ihm ein dünnes Lächeln und breitete ihre Arme aus. »Du musst nicht um das Fae-Mädchen herumreden. Ich weiß jetzt schon so ziemlich alles, was Cheyenne weiß.«

»Ich verstehe. Darüber reden wir gleich mehr.« Der Nachtpirscher öffnete ein Portal und betrat seine Kellerwohnung.

Ember betrachtete fasziniert den dunklen Kreis aus Licht und das magische Wesen, das darin verschwand. »Das wird nicht alt.«

»Man gewöhnt sich ziemlich schnell daran.« Cheyenne zog ihren geheilten Fuß ein, um sich selbst davon zu überzeugen. »Zumindest, wenn ein Nachtpirscher in der Nähe ist, der nicht genug davon bekommen kann, sie auftauchen zu lassen. Apropos, warum kommen Persh’al und Lumil hierher?«

Corian wühlte sich durch das Gerümpel in seinen Regalen. Er zog einen offenen Karton heraus, kippte dessen Inhalt auf den Boden und benutzte ihn, um seine sorgfältig ausgewählten Gegenstände darin zu verstauen. »Cheyenne, ich kann die Art von Schutzwällen, die du und Ember zu Hause brauchen, nicht allein schaffen. Persh’al wirkt vielleicht, als hätte er nur ein Auge für Computerkram, genau wie du.«

Die Halbdrow schnaubte. »Ja. Ich liebe Computerkram.«

»Aber er hat ein breites Spektrum an Zaubererfahrung und praktische Anwendung, wenn er aus dem Stuhl aufsteht, um sie zu benutzen.« Weitere Gegenstände klapperten in die Kiste unter seinem Arm und er trat zurück, um die Regale nach dem nächsten versteckten Gegenstand zu durchsuchen, den er suchte. »Und Lumil ist, nun ja, zumindest ist sie eine verdammt gute Unterstützung.«

»Byrd hat also den Kürzeren gezogen und darf zurückbleiben, um auf L’zar aufzupassen?«

»Nicht wirklich.« Corian beugte sich vor, um ein dünnes, quadratisches Stück aus einem Haufen kleinerer Gegenstände im unteren Regal zu ziehen. »Byrd kann genauso gut zaubern wie du.«

»Oh.«

Ember schaute stirnrunzelnd durch das Portal. »Warum habe ich das Gefühl, dass der Typ deine Zauberei schlechtredet?«

»Wahrscheinlich, weil er das tut.« Cheyenne schlug die Beine unter sich auf der Couch übereinander und zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, der Kobold und ich sind beide nutzlos in diesem Bereich.«

»Nein, bist du nicht. Du hast mir diesen Ring gemacht.«

Corian trat durch das Portal zurück, die halb volle Kiste unter einen Arm geklemmt und das dünne, viereckige Stück gehärtetes Leder in der anderen Hand geballt. »Ich dachte, du hättest den für dich selbst gemacht?«

»Das Herz der Mitternacht ist jetzt nutzlos, also wurde es zu einem Geschenk.«

»Und es funktioniert?«

»Oh, ja.« Ember grinste. »Perfekt.«

»Hm.«

Cheyenne warf Ember einen verärgerten Blick zu und zeigte auf den Nachtpirscher. »Siehst du das? Das ist die Art von Reaktion, die ich für so ziemlich alles bekomme.«

»Wenn wir die Zeit haben, eine Party für dich zu schmeißen, Cheyenne, werde ich mich sofort darum kümmern.« Corian stellte die Schachtel auf den Couchtisch und hob das Quadrat aus hartem Leder an. »Erinnerst du dich daran?«

»Du meinst das Hornissennetz aus O’gúl, das ich dem schrulligen Zaubertrankmeister abgekauft habe, der so getan hat, als würde ich eine Macht missbrauchen, von der ich nicht wusste, dass ich sie habe?« Cheyenne verschränkte die Arme. »Ja, ich glaube schon.«

»Heute Abend können wir es benutzen.« Er legte das Leder vorsichtig auf den Tisch neben der Kiste und trat zurück. »Fass es nicht an.«

»Darf ich wenigstens lernen, wie man Schutzzauber wirkt?«

»Dafür haben wir auch keine Zeit.« Corian warf ihr einen scharfen Blick zu und legte den Kopf schief. »Bevor du mich ausschimpfst: Ich weiß, dass ich gesagt habe, dass ich es dir beibringen werde und du dir den Rest selbst erarbeiten musst.«

»Seitdem hat sich aber viel verändert. Ja, ich verstehe schon.«

»Das dachte ich mir schon.« Der Nachtpirscher öffnete ein weiteres Portal zwischen den Sesseln und der nördlichen Fensterwand. Als es seine volle ovale Größe erreicht hatte, nickte er und trat zur Seite.

Persh’al kam als erster herein, eine große, schwarze Reisetasche in der einen und einen Energydrink in der anderen Hand. Er nickte langsam und sah sich in der Wohnung um. »Nette Bude, Kleine.«

»Danke.«

Lumil stapfte mit einem finsteren Blick hinter ihm her, aber ihre miese Laune verblasste schnell, als sie ihre neue Umgebung wahrnahm. Sie stieß einen leisen Pfiff aus. »Nicht übel, Halbdrow. Nicht so viele Zimmer, wie ich erwartet hatte, aber ich bin mir sicher, dass du irgendwann etwas Größeres finden wirst.«

Cheyenne setzte sich zurück auf die Couch. »Ein tolles Kompliment.«

»Gern geschehen.«

»Okay.« Persh’al ließ die schwere Tasche mit einem dumpfen Aufprall fallen und nahm einen großen Schluck von seinem Energydrink. »Was sehen wir uns an?«

»Das Schlafzimmer ist auf der anderen Seite der Küche.« Corian deutete mit einem Nicken in die Richtung und der blaue Troll machte sich auf den Weg zur offenen Tür.

»Also, das braucht ihr im Lagerhaus.« Lumil ließ sich in den nächstgelegenen Sessel fallen, legte beide Füße auf den Couchtisch neben Corians Kiste und drückte den Hebel so schnell nach oben, dass der Sessel nach hinten kippte, als die Fußstütze hochklappte. »Oh, ja. Ich meine, wie schwer ist es, neue Möbel zu kaufen, wenn es fast keine gibt? Die Couch hat wie lange gehalten? Dreißig Jahre?«

Corian schaute sie stirnrunzelnd an, während er vor den Liegestühlen vorbeiging, um sich in den anderen zu setzen. »Was ist mit der Couch los?«

»L’zar hat sie kaputt gemacht, gleich nachdem du gegangen bist.«

Das Licht in Embers Schlafzimmer ging an. »Ach du heiliger Bimbam.«

Lumil reckte ihren Hals, um über Embers Kopf hinweg zu schauen. »Das klingt lustig.«

»Du hast gesagt, du hättest du dich darum gekümmert, Corian«, rief Persh’al aus dem Schlafzimmer. »Nicht, dass du es komplett zerstört hast.«

Cheyenne schaute über die Rückenlehne der Couch. »Ich dachte, das wäre das Gleiche.«

Kopfschüttelnd kam der Troll wieder zu ihnen ins Wohnzimmer und öffnete die Reisetasche. »Ich brauche einen Moment, um den Eingang zu finden und um herauszufinden, welche Tricks sie benutzt haben, um reinzukommen. Wie groß waren die Dinger?«

Corian hielt seinen Zeigefinger und seinen Daumen mit fünf Zentimetern Abstand dazwischen hoch.

Persh’al rümpfte die Nase. »Zu groß für Löcher in der Isolierung. Klein genug, um einen Tunnel zu graben.«

»Oh, toll.« Ember saß aufrecht in ihrem Stuhl, hielt sich verkrampft an den Armlehnen fest und nickte langsam und bedächtig. »Winzige, grabende Käfer, die mich im Schlaf töten wollten.«

Persh’al beugte sich vor, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. »Wer bist du?«

Langsam drehte sie ihren Kopf und sah ihn mit einem leeren, schockierten Blick an. »Ember.«

»Hm.« Er schnupperte und nickte. »Ja, ich dachte, ich rieche hier Fae. Schön, dich kennenzulernen. Gut, dass du nicht im Schlaf getötet wurdest.«

Ember lachte zögerlich, als der Troll eine kleine, schwarze Kordeltasche und etwas, das wie ein Teleskop aussah, mit in ihr Zimmer nahm.

»Bist du sicher, dass er weiß, was er da drin macht?«, fragte Cheyenne.

Corian schlug ein Bein über das andere und lehnte sich im Sessel zurück. »Ich bin mir sicher. Ich werde zu ihm gehen, wenn er herausgefunden hat, welche Art von Schutzmaßnahmen am effektivsten sind. Bis dahin müssen wir über etwas anderes reden. Über uns alle drei.« Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er zwischen Cheyenne und Ember hin und her.

Sie starrten direkt zurück.

Ember lehnte sich an die Couch, machte sich aber nicht die Mühe, ihre Stimme zu senken. »Fühlt sich das für dich auch so an, als ob du ins Büro des Schuldirektors gerufen wurdest?«

»Ich wurde nie zum Direktor gerufen, Em. Ich hatte nie einen Rektor.« Cheyenne blinzelte den Nachtpirscher an. »Aber rein hypothetisch, ja. Irgendwie schon.« Dann lachte sie. »Wie oft wurdest du schon vorgeladen?«

Ember zuckte mit den Schultern. »Ich erzähle es dir später. Mich interessiert mehr, warum uns der Nachtpirscher so unheimlich anstarrt.«

»Aha.« Cheyenne verschränkte die Arme. »Ich hoffe, du versuchst, die Sache interessant zu machen.«

Corian blinzelte langsam. »Nun, hier geht es darum, wie ihr beide von nun an vorgehen müsst, wenn ihr diesen Albtraum lebend überstehen wollt. Ist das interessant genug für dich?«

Cheyenne winkte mit ihrer Hand in einer langsamen, ausladenden Bewegung und ahmte damit perfekt Bianca Summerlins gastfreundliche Geste der Erlaubnis nach. »Auf jeden Fall. Mach weiter.«