Kapitel 32

Z wei Stunden später setzte Cheyenne sich hinter das Lenkrad ihres Autos und schloss die Tür hinter sich. »Wie ist es gelaufen?«

»Gut, denke ich.« Ember betrachtete ihre Beine und zuckte mit den Schultern. »Ich habe es immer noch nicht geschafft, meine Beine noch mal zu bewegen. Ich schätze, das ist so eine ›Gelähmte Gliedmaßen werden nur unter Zwang aktiviert‹-Ding.«

»Aber du hast es schon einmal gemacht.« Cheyenne schnallte sich an, ließ den Motor an und fuhr vom Parkplatz der Klinik weg. »Es wird wieder passieren, Em. Bis es so weit ist, hast du eine der besten Physiotherapeuten in Virginia, die dich auf die altmodische Art und Weise wieder auf die Beine bringt.«

»Du meinst, auf die menschliche Art.« Die Fae kicherte. »Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Haufen O’gúleesh auf der anderen Seite Schlange steht, um sich mit westlicher Medizin zu versorgen.«

»Ja. Da ist wahrscheinlich viel mehr Magie im Spiel.«

»Wahrscheinlich.«

Sie fuhren die erste Hälfte der Fahrt schweigend zurück zur Wohnung, dann warf Cheyenne ihrer Freundin einen kurzen Blick zu. »Worüber hast du mit Corian gesprochen, während ihr darauf gewartet habt, dass ich ins Fettnäpfchen trete und merke, dass mich tatsächlich nicht alle anlügen?«

»Ein paar Dinge.« Ember ballte die Fäuste in ihrem Schoß und öffnete sie langsam wieder. »Über die ich auch mit dir reden möchte.«

»Sicher. Corian meinte, ich soll ihn anrufen, wenn wir zu Hause sind, was wahrscheinlich bedeutet, dass er eine andere seltsame Mission für mich hat, die ich nicht vermasseln darf. Er hat mich gefragt, ob ich den Rest des Tages freihabe, also was auch immer es ist, ich schätze, es wird eine Weile dauern. Aber wenn ich zurückkomme?«

»Eigentlich«, sagte Ember, »glaube ich nicht, dass du darauf warten willst.«

Cheyenne runzelte die Stirn. »Was hat er getan?«

»Was?«

»Ich meine, er ist manchmal ein totales Arschloch, aber ich hätte nicht gedacht, dass er dich verwirrt.«

»Hat er nicht. Er war ganz normal und höflich. Denke ich. Hat nur ein paar Witze gemacht.«

»Okay, was ist also passiert?«

»Er hat mir ein bisschen mehr über diese ganze Nós Aní -Sache erzählt.«

»Oh.« Cheyenne lehnte sich auf dem Fahrersitz zurück und lockerte ihren Griff um das Lenkrad, als sie an eine rote Ampel heranrollten. »Was, so wie er schon seit Ewigkeiten zu L’zar gehört? Und das sollte ausreichen, um dich davon zu überzeugen, dass der meistgesuchte Drow auf beiden Seiten der Grenze kein schlechter Kerl ist, sondern nur missverstanden wird?«

Ember lachte laut auf. »So ungefähr. Er sagte, er würde L’zar wahrscheinlich eines Tages den Hals umdrehen.«

Die Halbdrow lächelte breit. »Ich wette, das war cool zu hören.«

»Ich meine, ich verstehe es und ich habe den Kerl nur einmal getroffen.«

»Da ist aber noch mehr, oder? Komm schon, Em. Spuck es aus.«

»Gut. Okay.« Ember richtete ihren Blick noch immer auf ihren Schoß. »Im Grunde bin ich fast deine Nós Aní und er wollte mir sagen, dass wir durch eine Drowzeremonie lebenslang aneinander gebunden sein könnten, damit wir beide über magische Superkräfte verfügen und wenn ich mich dafür entscheide, kann ich es nicht rückgängig machen, es sei denn, einer von uns stirbt.«

»Was zum Teufel?«

Ember warf einen Blick auf die Ampel und zeigte auf sie. »Die Ampel ist grün.«

»Was hast du danach zu ihm gesagt?«

Ein Auto hupte zweimal hinter ihnen. »Cheyenne, die Ampel!«

»Wenn ich jetzt weiterfahre, fahre ich dieses nagelneue Auto zu Schrott.« Cheyenne schaltete in den Parkmodus und drehte sich zu ihrer Freundin um. »Hat er versucht, dich dazu zu überreden?«

»Nein, er hat nicht versucht, mich zu etwas zu zwingen. Er sagte, es sei allein meine Entscheidung.«

Zwei weitere Autos hupten, dieses Mal energischer.

»Vielleicht solltest du einfach an der nächsten Straße anhalten.«

Ohne den Blick von ihrer Freundin abzuwenden, kurbelte Cheyenne das Beifahrerfenster herunter und streckte ihre Hand aus, um allen Autofahrern hinter ihnen den Mittelfinger zu zeigen. Dann betätigte sie die Standbeleuchtung und zog die Augenbrauen hoch. »Bitte sag mir, dass du ihm keine Antwort gegeben hast, bevor du mir davon erzählst.«

»Nun, nichts ist offiziell , bis das mit der Zeremonie passiert.«

»Ember.«

»Ja, ich habe ihm eine Antwort auf die Frage gegeben, ob ich bereit bin, deine Nós Aní zu sein. Sie lautete: ›Natürlich bin ich das‹, also lass es uns tun.«

»Nein. Auf keinen Fall.«

Ember drehte sich um und sah die Halbdrow leicht irritiert an. »Siehst du? Ich wusste schon vorher, dass du dagegen sein würdest, wenn ich dir alles erzähle. Das macht mich perfekt dafür.«

»Ich wollte nicht, dass du in all das hineingezogen wirst.« Cheyenne fuhr sich mit der Hand über die Wangen und schloss die Augen. »Deshalb haben wir die Sache mit der Wohnung gemacht, Em. Um dich in Sicherheit zu bringen und nicht, um dich in den Mittelpunkt dieser ganzen O’gúl-Rebellion zu stellen.«

»Du hast mich nirgendwo hereingezogen, Cheyenne.« Ember beugte sich vor und versuchte, den Blick ihrer Freundin zu erhaschen. »Ich entscheide das.«

»Das kann ich nicht zulassen.« Cheyenne schüttelte den Kopf und kaute auf der Innenseite ihrer Wange, unfähig, dem anderen Mädchen in die Augen zu sehen. »Ich habe dich einmal im Stich gelassen, weil ich nicht aufgestanden bin, als es darauf ankam und ich werde das nicht noch einmal zulassen.«

»Oh mein Gott. Komm schon!« Ember haute ihr leicht auf den Oberschenkel. »Das ist passiert, weil ich von einem Ork angeschossen wurde, nicht weil du versagt hast. Aber wenn du dir Sorgen machst, mich zu enttäuschen , kann ich dir sagen, dass es eine andere Form des Weglaufens ist, wenn du mich nicht für dich da sein lässt, wenn ich es will. Vielleicht sogar noch schlimmer. Du kannst das alles nicht allein schaffen, Halbdrow. Ich kann dir besser helfen als jeder andere. Ich meine, ja, das hat Corian gesagt, aber ich weiß, dass es wahr ist. Ich kann es fühlen.«

Cheyenne schaute ausdruckslos durch die Windschutzscheibe, als die irritierten Autofahrer hinter ihr die Spur wechselten und über die Kreuzung fuhren, hupten und ihr den Vogel zeigten. »Das ist eine große Entscheidung, die anscheinend ewig dauert.«

»Ja. Lass es uns tun.«

Langsam drehte sich die Halbdrow um, um ihre beste Freundin anzusehen und schluckte. »Bist du sicher? Ich meine, so richtig, richtig sicher?«

»Du hast mehr für mich getan als jeder andere in meinem ganzen Leben.« Ember nickte. »Ich stehe hundertprozentig hinter dir. Ich mache das.«

Cheyenne fuhr sich mit der Hand durch die Haare und sah sich erneut auf der Kreuzung um. »Scheiße.«

»Ja, es ist hart, wenn jemand anderes genauso stur ist wie du, was?«

»Das heißt, ich habe keine Wahl.«

»Aber sicher doch.« Ember lehnte sich gegen den Sitz und grinste. »Du kannst die durchgedrehte Halbdrow spielen und dich zum Affen machen oder du kannst dich zusammenreißen und aufhören, so zu tun, als ob du das nicht toll findest.«

»Okay, Em. Ich werde mich zusammenreißen.«

»Toll.« Die Fae zeigte auf die Kreuzung und erstarrte. »Oh. Du meintest ›Scheiße, die Ampel ist schon wieder rot‹, oder?«

»Es war eine Doppelbedeutung, ganz sicher.« Cheyenne versuchte, ein ernstes Gesicht zu bewahren, bis sie Ember einen Seitenblick zuwarf. Sie lachten beide und warteten darauf, dass die Ampel wieder grün wurde, bevor Cheyenne daran dachte, die Standbeleuchtung auszuschalten.

* * *

Als sie wieder in ihrer Wohnung waren, rief Cheyenne Corian an, um ihm zu sagen, dass sie zu Hause war.

»Toll. Gib mir zwei Minuten.«

»Klar. Dann kannst du mir zwei Minuten Zeit geben, um über ein paar andere Dinge zu reden, bevor wir das tun, was du vorhast.« Sie warf einen Blick auf Ember, die die Augen verdrehte und in die Küche zum Kühlschrank fuhr.

»Willst du es mir jetzt einfach sagen?«

»Nein, das ist schon okay. Persönlich ist es besser.«

»In Ordnung. Ich bin gleich da.«

Cheyenne steckte ihr Handy in die Tasche, drehte sich zur Küche und verschränkte die Arme. »Hat er irgendetwas darüber gesagt, was diese ganze Nós Aní -Zeremonie beinhaltet?«

Ember durchsuchte den Kühlschrank und hielt inne, um nach einem Glas saure Gurken zu greifen, das sie in ihren Schoß stellte. »Nur, dass ich mich weder schneiden noch Opfer bringen muss. ›Nichts Groteskes oder Schmerzhaftes‹, hat er gesagt.«

»Toll. Das heißt aber noch lange nicht, dass es Spaß machen wird. Oder gar sicher.«

»Ja, denn Corian und L’zar sind nicht im Entferntesten um deine Sicherheit besorgt.«

Cheyenne legte ihren Kopf schief. »Okay, gutes Argument.«

»Wir schaffen das schon. Was auch immer es ist, wir werden es tun, es hinter uns bringen und dann gemeinsam kämpfen. Im übertragenen Sinne für mich. Ich bin sicher, du hast das schon oft im wörtlichen Sinne gemacht.«

Kichernd holte die Halbdrow tief Luft und zuckte zusammen, als Corian durch sein Portal in ihr Wohnzimmer trat. »Verdammt. Hört das denn nie auf, eine Überraschung zu sein?«

»Ich dachte, du hättest gesagt, du hättest dich daran gewöhnt?«, rief Ember aus der Küche.

»Ja, ich glaube, daran arbeite ich noch.«

Corian neigte seinen Kopf zu ihr und ließ einen Fuß auf der anderen Seite des Portals. »Zeit zu gehen. Bring die Salbe mit.«

Sie runzelte die Stirn. »Okay.«

Der Nachtpirscher nickte Ember zu, als Cheyenne sich ihren Rucksack schnappte und ihn sich über die Schulter warf. Ember nickte ebenfalls und schraubte den Deckel des Gurkenglases ab.

Cheyenne schritt auf das Portal zu und hob eine Augenbraue. »Gibt es einen bestimmten Grund, warum ich alles davon mitbringen muss?«

»Es ist einfach gut, vorbereitet zu sein. Komm schon.«

»Bis später, Em.«

»Tschüss. Viel Spaß.« Die Fae knabberte an einer knackigen sauren Gurke und sah zu, wie Cheyenne und Corian durch das Portal verschwanden, wobei ihr Lächeln breiter wurde.

Sie betraten Persh’als Lagerhaus und Cheyenne packte den Nachtpirscher am Arm, um ihn davon abzuhalten, loszustürmen. »Warte mal. Ich habe zwei Minuten Zeit, schon vergessen?«

Er warf einen Blick auf das Lagerhaus, bevor er ihr widerwillig in die Augen sah. »Okay. Was gibt’s?«

»Du hättest wegen der Nós Aní -Sache zuerst zu mir kommen sollen.«

Corian verlagerte sein Gewicht. »Das sollte nicht so rüberkommen, als würde ich dir in den Rücken fallen.«

»Genau so fühlt es sich aber an. Sie hat mir alles darüber erzählt, was es ist und was sie tun muss, zumindest in groben Zügen. Fandest du es nicht wichtig, dass ich das weiß?«

Er blinzelte, biss sich auf die Unterlippe und hob sein Kinn an. »Das war ein Gespräch zwischen zwei Nós Aní , Mädchen und die sind so schon selten genug. Das Wichtigste ist, dass sie keine Sekunde vergeudet hat, bevor sie dir alles gesagt hat, was du hören musstest und genau deshalb ist sie diejenige, die du für diese Sache brauchst.«

»Das wusste ich schon. Aber mach so einen Scheiß nicht noch mal, ja?« Cheyenne folgte seinem Blick zum Lagerhaus und schüttelte den Kopf. »Wenn wir einen Krieg führen und mindestens eine dieser Welten retten wollen, muss ich dir vertrauen können.«

»Das kannst du.« Die silbernen Augen des Nachtpirscher richteten sich auf ihr Gesicht und sein Blick wurde weicher. »Es wird nicht wieder vorkommen.«

»Okay. Danke.« Sie konnte nicht anders, als die Stirn zu runzeln, als sie ihn dabei beobachtete, wie er an Persh’als leeren Arbeitstischen vorbei in die Mitte des Lagers ging. Das war erstaunlich einfach .

»Sind wir jetzt bereit oder nicht?« Persh’al stand bereits in der Mitte des Lagerhauses, rieb seine Hände aneinander und trat von einem Fuß auf den anderen.

»Frag ihn.« Corian nickte L’zar zu, der im Schneidersitz auf dem Betonboden saß, die Augen geschlossen und die Hände vor sich zu einem offenen Kreis erhoben.

»Ja, das habe ich schon versucht. Er steckt tief drin.« Als Persh’al blinzelte, sah es aus wie ein Tick im Gesicht.

Vielleicht haben ihn die ganzen Energydrinks endlich eingeholt .

»Nun, Cheyenne ist hier.« Corian winkte sie nach vorne. »Wir warten also nur noch auf den letzten Teil und dann könnt ihr loslegen.«

»Scheiße.« Der blaue Troll rieb sich energisch seinen kahlen Kopf, wobei sein orangefarbener Irokesenschnitt zitterte und ging neben dem meditierenden L’zar auf und ab. »Das Warten bringt mich noch um.«

»Du schaffst das schon.« Corian steckte die Hände in die Taschen und schaute L’zar noch einmal kurz an. »Du weißt, was du tust.«

»Es ist schon lange her, Mann.« Persh’al bemerkte, dass Cheyenne sich zu ihnen gesellt hatte und schaute weg, bevor er sich wieder umdrehte und weiterging. »Lange her.«

Der Nachtpirscher lächelte breit. »Es ist genau wie beim Fahrradfahren, so wie ich es in Erinnerung habe.«

»Deine Witze sind nicht lustig, weißt du das?«

Cheyenne lehnte sich zur Seite, um einen besseren Blick auf L’zars Profil zu bekommen. »Was ist hier los?«

»Nur eine kleine Vorbereitung.«

»Worauf?«

Corian nickte dem im Schneidersitz sitzenden Drow zu.

Ein violettfarbenes Licht blitzte auf und wurde immer heller in dem Raum zwischen L’zars gebogenen Handflächen. Die Blitze beschleunigten sich zu einem violetten Stroboskop und als das Licht in der nächsten Sekunde verschwand, erschien dort stattdessen etwas Rundes und Silbernes. Es fiel mit einem Klirren auf den Boden, dann riss L’zar seine goldenen Augen auf und atmete tief aus.

Corian trat einen Schritt zurück. »Ist das alles?«

L’zar blickte auf den dicken, silbernen Armreif vor seinen gekreuzten Beinen hinunter. »Ja. Das war’s.«

»Verrückt, Mann.« Persh’al schüttelte den Kopf und ging wieder auf und ab. »Ich weiß nicht, wie du so lange durchhältst und nicht den Verstand verlierst.«

Als er das Armband aufhob, schmunzelte L’zar. »Vielleicht habe ich schon vor langer Zeit meinen Verstand verloren. Hast du schon mal daran gedacht?«

Persh’al blieb stehen und warf dem Drow einen amüsierten Blick zu. »Das habe ich schon mal gehört. Heutzutage ist alles ein Gerücht, nicht wahr?«

»Nicht alles.« L’zar stand ruhig auf und bemerkte seine Tochter, die etwas hinter ihm stand. Er wandte sich ihr mit einem breiten Lächeln zu, doch seine goldenen Augen verengten sich. »Gut. Du bist schon da.«

»Sicher.« Cheyenne breitete ihre Arme aus und blickte auf die um sie herum stehenden magischen Wesen. »Ich frage mich allerdings immer noch, warum.«

»Hier.« L’zar reichte ihr den Armreif und nickte. »Das ist für dich.«

»Nicht mein Stil, aber ich weiß die Geste zu schätzen. Denke ich.«

»Das ist kein Modestatement, Cheyenne. Nimm es.«

Stirnrunzelnd nahm die Halbdrow das kalte, schwere Metallarmband entgegen und drehte es in ihren Händen um. »Was ist das?«

»Zieh es an und behalte es an.« L’zar starrte auf das Armband. »Jetzt. Ich will sehen, wie du es machst, damit ich weiß, dass es funktioniert.«

Corian nickte. »Mach schon.«

»Als Drow, wenn’s geht«, fügte L’zar hinzu, ohne ihren Blick zu erwidern.

Cheyenne setzte ihre Drowmagie ein und verwandelte sich im Bruchteil einer Sekunde, dann legte sie das Armband um ihr Handgelenk neben die umwickelten Silberketten. Eine Welle eisiger Energie kribbelte ihren Arm hinauf und das war’s.

L’zar schürzte die Lippen, schaute sie aufmerksam an und nickte. »Das wird reichen.«

»Fantastisch.« Persh’al rieb sich wieder den Kopf. »Gut zu wissen, dass du nicht so viel Energie darauf verschwendet hast, einen Blindgänger zu beschwören.«

Corian warf ihm einen warnenden Blick zu und der Troll zischte verärgert, bevor er sich abwandte und in einem engen Kreis zwischen L’zar und der Hintertür lief.

»Was macht es?« Cheyenne drehte ihr Handgelenk um und musterte das schlichte Silberband.

»Da habe ich mich verbessert.« L’zar verschränkte die Hände hinter seinem Rücken. »So wird es fast unmöglich sein, deine Halbdrow-Identität zu erkennen. Sie werden nicht sehen können, was du wirklich bist.«

»Ich habe meine Magie schon im Griff. Dafür brauche ich keinen Zauber.«

»Ich rede nicht davon, dein Drowgesicht vor den Menschen zu verstecken, die nicht erkennen würden, was sie sehen.« Mit einem tiefen Einatmen hob L’zar die Augenbrauen und schenkte ihr ein dünnes Lächeln. »Und das ist kein Zauber. Ich würde es einen Schild nennen. Äußerlich deutet nichts darauf hin, dass die Hälfte von dir ein Mensch ist.«

»Was?« Cheyenne schaute Corian an, um eine Erklärung zu erhalten. »Warum sollte ich Hilfe brauchen, um zu verbergen, dass ich eine Halbdrow bin?«

»Weil es viel schwieriger ist, das allein zu machen, wo du hingehst.«

»Wo soll ich hin?« Ihre Augen weiteten sich, als sie von dem Nachtpirscher zu L’zar blickte.

Persh’al klatschte erneut in die Hände und schüttelte sie dann aus, bevor er wieder seinen Kreis fortführte. »Dann ist ja alles in Ordnung und ich fange an, nervös zu werden.«

»Einen Moment.« L’zar hob einen Finger in Richtung seines Trollfreundes, richtete seinen Blick aber weiter auf Cheyenne. »Wenn die Zeit reif ist, werden wir beide das gemeinsam tun. Leider kann ich nicht der Erste sein, der dich mitnimmt, denn die Krone behält mich schon sehr lange mehr oder weniger im Auge. Ich habe es bisher geschafft, unter ihrem Radar zu bleiben und wir wollen das nicht auffliegen lassen.« Er sah Corian an, presste die Lippen aufeinander und nickte einmal. »Corian und ich arbeiten an etwas, das uns in dieser Hinsicht helfen soll, aber das wird einige Zeit dauern. Bis dahin musst du wissen, worauf du dich einlässt.«

»Ja.« Sie konnte sich nicht von den goldenen Augen losreißen, die sich in ihre bohrten. Das wird nicht gut sein. »Ich würde gerne wissen, was das ist.«

»Ja.« L’zars Lippen zuckten und sein Lächeln verschwand. »Bevor du mit deinem Marandúr nach Ambar’ogúl gehst, um dein Erbe und deine Rechte als Drow, die ihre Prüfungen bestanden hat, einzufordern, musst du wissen, was dich erwartet. Die Lage des Landes erkunden, sozusagen.«

Cheyenne versuchte, Persh’als nervöses Auf und Ab zu ignorieren und schaute Corian an. »Ich versteh das nicht.« Das kann doch nicht sein Ernst sein.

»Doch, tust du.« Corian nickte ihr zu, während L’zar sich entfernte, die Hände immer noch hinter seinem Rücken verschränkt. »Du machst deine erste Reise über die Grenze, Cheyenne und Persh’al ist dein Begleiter.«

Ein Lachen brach aus ihr heraus und sie blickte auf die magischen Wesen, die sie gespannt ansahen. »Der war gut. Ich kann nicht über die Grenze gehen. Ich gehöre nicht dorthin. Was ist hier wirklich los?«

»Du kannst und du wirst.« L’zar zeigte auf das silberne Armband an ihrem Handgelenk. »Und was die anderen angeht: Solange du das trägst, gehörst du genauso nach Ambar’ogúl wie alle anderen auch.«

»Ihr meint es ernst.«

»Vollkommen.« Corian nickte Persh’al zu, der sich räusperte und quer durch die Lagerhalle zu seinen Computertischen verschwand. »Das ist wichtig, Cheyenne. Die Dinge kommen jetzt schnell zusammen und wir waren uns alle einig, dass dies der nächste Schritt sein muss. Um vorbereitet zu sein.«

»Was ist mit den Kriegsmaschinen?« Sie schüttelte den Kopf und spürte, wie ein weiteres ungläubiges Lachen aus ihr herausbrach, das sie irgendwie nicht unterdrücken konnte. Das muss ein Scherz sein. »Wir wissen immer noch nicht, woher sie kommen.«

»Wir haben vor etwa einer Stunde einen Tipp bekommen. Byrd und Lumil sind gerade dabei, sich darum zu kümmern. Ember ist vorerst sicher, dank der Schutzwälle um eure Wohnung. Ich kann gerne nach ihr sehen, wenn du das möchtest.«

»Nein, ist schon okay. Ich gehe nach Hause und sage ihr, was sie erwarten kann.«

»Dafür hast du keine Zeit«, entgegnete L’zar, der zwei Meter entfernt stocksteif stand. »Corian wird dafür sorgen, dass sie weiß, was los ist. Jetzt solltest du gehen.«

»Was? Wie viel Zeit habe ich?« Cheyenne schaute ihren Drowvater an, aber er antwortete nicht.

Persh’al gesellte sich mit einem Grunzen wieder zu ihnen in die Mitte des Lagerhauses und hob einen vollgepackten Trekkingrucksack auf seine Schultern. »Keine. Es ist Zeit zu gehen.«

»Jetzt sofort?«

»Komm schon, Kleine. Ich trage das Ding nicht nur zum Spaß. Mein Auto steht vor der Tür.«

Cheyenne schluckte und sah Corian an, immer noch in der Hoffnung, er würde lächeln und ihr sagen, sie solle sich entspannen. Stattdessen hob er eine Augenbraue und schnippte mit einem Finger in Richtung der Eingangstür, als Persh’al sie öffnete.

»Scheiße.« Ein kleines, ersticktes, ungläubiges Lachen entwich ihr und sie breitete die Arme aus. »Ich gehe nach Ambar’ogúl.«

ENDE

Die Geschichte von Cheyenne Summerlin wird in
›Entfesselte Goth-Drow – Buch 8‹ fortgesetzt.

Wie hat Dir das Buch gefallen? Schreib uns eine Rezension oder bewerte uns mit Sternen bei Amazon. Dafür musst Du einfach ganz bis zum Ende dieses Buches gehen, dann sollte Dich Dein Kindle nach einer Bewertung fragen.

Als Indie-Verlag, der den Ertrag weitestgehend in die Übersetzung neuer Serien steckt, haben wir von LMBPN International nicht die Möglichkeit große Werbekampagnen zu starten. Daher sind konstruktive Rezensionen und Sterne-Bewertungen bei Amazon für uns sehr wertvoll, denn damit kannst Du die Sichtbarkeit dieses Buches massiv für neue Leser, die unsere Buchreihen noch nicht kennen, erhöhen. Du ermöglichst uns damit, weitere neue Serien parallel in die deutsche Übersetzung zu nehmen.

Am Ende dieses Buches findest Du eine Liste aller unserer Bücher. Vielleicht ist ja noch eine andere Serie für Dich dabei. Ebenso findest Du da die Adresse unseres Newsletters und unserer Facebook-Seite und Fangruppe – dann verpasst Du kein neues, deutsches Buch von LMBPN International mehr.

Autorinnennotizen von Martha Carr

Wenn es um Trends geht, neige ich dazu, sehr durchschnittlich-amerikanisch zu sein. Es wird nie eine Rolle spielen, ob ich viel Geld habe oder gar keins. Was ich gerne anziehe, was ich gerne mache, was ich gerne esse - das ganze Drumherum - wird nie der äußere Rand dessen sein, was kommen wird, sondern ein verlässliches Barometer für das, was die Massen der Mittelschicht jetzt lieben.

Daher weiß ich, dass mein Kleiderschrank, der aus drei verschiedenen Größen besteht, wahrscheinlich ziemlich typisch ist. Es gab eine kurze Zeit um 2010 herum, als ich nur eine Größe hatte, die mir gefiel. Mann, das waren noch Zeiten. Ich ging an den Schaufenstern vorbei und warf einen Blick darauf, um zu sehen, ob ich mich vielleicht geirrt hatte und plötzlich war ich nicht mehr die Größe, die ich immer haben wollte. Das Nirwana. Wie es sich für meine Mittelklasse-Seele gehörte, war es keine winzige Größe, sondern einfach perfekt für mich.

Kurz vor der Quarantäne habe ich wie wild gebacken. Bei einem Trend war ich wohl ein bisschen zu früh dran. Die vielen Kostproben, die ich gemacht habe, führten zu einer Menge zusätzlicher Pfunde und dazu, dass ich den größten Satz Kleidung herausholen musste. Als ich zu Hause Schutz suchte, wurde ich irgendwie wach und besann mich auf das, was ich getan hatte. Und ich wollte, dass etwas Gutes aus den Wochen, vielleicht Monaten dieses lebensverändernden Ereignisses herauskommt. Außerdem hatte ich gelesen, dass Fettleibigkeit das Überleben mit dem Virus erschweren kann. Es gab so vieles, gegen das ich nichts tun konnte, aber es gab zumindest eine Sache, die ich ändern konnte - ändern sollte - und vielleicht wieder zu diesem einen Kleiderschrank zurückkehren konnte.

Bis jetzt habe ich acht Pfund abgenommen, hart erkämpft und es fühlt sich gut an. Ich mache lange Spaziergänge, die einem 5-Kilometer-Lauf entsprechen (3,1 Meilen). Das bringt mich nach draußen, macht den Kopf frei und hilft mir, mein Ziel zu erreichen. Ich bin noch nicht auf Stufe zwei, aber ich bin kurz davor und vielleicht bin ich sogar schon auf Stufe eins, wenn die Welt wieder in Ordnung ist. Ich kann es kaum erwarten, in meinem Kleiderschrank einkaufen zu gehen. Das Ziel wird die Welt nicht in Brand setzen und im Großen und Ganzen wird es mein Leben auch nicht großartig verändern. Aber es lohnt sich trotzdem und macht die Dinge einfacher. Ich werde es annehmen. Weitere Abenteuer werden folgen.

Autorennotizen von Michael Anderle

Ich gehe in meinem Kleiderschrank einkaufen.

Ok, DAS ist eine interessante Aussage und nicht etwas, das ich gut kann oder mache. Vor ein paar Jahren (eher vier) hatte ich eine Phase, in der ich jeden Tag dieselbe Art von Kleidung trug.

Ich habe die Idee (in abgewandelter Form) von Steve Jobs übernommen, der für seinen schwarzen Rollkragenpullover, seine Blue Jeans und seine ›New Balance‹-Schuhe bekannt war. In der Tat tragen viele erfolgreiche Menschen die gleiche Kleidung.

Warum ist das so? Der Konsens ist die Entscheidungsmüdigkeit. Wenn du zur gleichen Zeit aufstehst, das gleiche Essen isst und die gleiche Kleidung trägst (du kaufst einfach viele der gleichen Produkte), dann wirst du nicht jeden Tag mit Entscheidungsmüdigkeit beginnen.

Mir war es egal, wie ich jeden Tag aussah, also wählte ich ein schwarzes T-Shirt (um den Autorenbauch-Look zu reduzieren), eine Jeans und die Schuhe, die ich wollte, als normales Outfit.

Dann wurde ich "größer" und die T-Shirts wurden ein bisschen ausgeleiert. Ich ging auf die Suche nach größeren schwarzen T-Shirts und kaufte sie im Paket, bis ich herausfand, dass das keine gute Sache war. Sie waren billig und bekamen oft nach ein paar Wäschen Löcher.

Jetzt war meine schwarze T-Shirt-Schublade voll mit verschiedenen Stilen von schwarzen T-Shirts. So ein Mist! Nicht einmal "jeden Tag die gleichen Klamotten tragen" hat bei mir funktioniert.

Frag mich nicht einmal nach Jeans. Wenn du nachrechnest, wurden mein schwarzes T-Shirt, meine Jeans und ein Paar Turnschuhe zu einer von zweiundsiebzig verschiedenen Entscheidungen (sechs Marken von T-Shirts, vier Arten von Jeans und drei Turnschuhe).

Dann ging LMBPN los und kaufte ein paar ›Under Armour‹-Poloshirts mit Kragen und ich verliebte mich in sie. Sie kaschierten nicht nur das Autorenbauchproblem, sondern waren auch aus einem tollen Stoff, trugen unsere Marke und waren leicht auszuwählen.

Bis meine Frau es leid war, dass ich sie die ganze Zeit trug.

Es scheint, dass mein Ehepartner einen Ehemann mit ein bisschen Modebewusstsein sehen wollte (ich habe sehr wenig) und jahrelanges Schwarz, Blau und Turnschuhe nicht gutheißen konnte.

Sie fand heraus, dass ich Old-School-Metal- und Rockband-T-Shirts mochte und kaufte mir einmal etwa fünf davon. Ich wusste sofort, dass ich mein einziges schwarzes Motiv ein wenig aufgeben musste, wenn sie mir altmodische Rock-T-Shirts schenken wollte.

Das habe ich getan.

Ich trage jetzt ein weißes ›Under Armour LMBPN Publishing‹-Poloshirt.

Babyschritte, Leute, Babyschritte.

Wie immer gilt: DANKE, dass du unsere Geschichten liest. Ohne Leserinnen und Leser wie dich, die uns unterstützen, könnten wir diese wunderbaren Geschichten nicht schreiben!

Ad Aeternitatem,

Michael Anderle