George Wilson hatte nur einen Wunsch: Er wollte nie wieder nach Bournemouth. Seit über 31 Jahren fuhren seine Frau Maggie und er regelmäßig in dieses kleine Küstenstädtchen. Die beiden stiegen immer im Graynard Owl ab und nahmen immer dasselbe Zimmer im vierten Stock. Dabei ging es schon lange um keinen erholsamen Urlaub mehr. Denn vor über drei Jahrzehnten war ihr gemeinsamer Sohn Eric nicht mehr vom Spielen am Strand zurückgekehrt. Wahrscheinlich hatte den Achtjährigen die Flut überrascht und auf das offene Meer hinausgetrieben. Wegen der starken Strömung wurde seine Leiche nie gefunden. Für das Verschwinden des Jungen hatte es keinerlei Zeugen gegeben, deshalb weigerte sich Maggie bis heute, den Verlust zu akzeptieren. Nur darum kehrten sie Jahr um Jahr an diesen furchtbaren Unglücksort zurück. Seufzend umklammerte George das Lenkrad des alten Volvos und sah zu Maggie hinüber. Ihr Kopf lehnte gegen das Fenster und ihre geschwollenen Hände klammerten sich an die braune, abgegriffene Tasche. Seine Frau litt an starkem Rheuma und Bluthochdruck. Aber auch bei ihm hatte das Alter mit Übergewicht und gelegentlichen Herzproblemen seine Spuren hinterlassen. So plagte ihn seit Kurzem seine Blase. Nichts Dramatisches, aber sehr lästig. Immerhin machte Maggie ihm keine Vorhaltungen, wenn er deswegen bei jeder Gelegenheit anhalten musste.
Am Nachmittag erreichte der Volvo den überfüllten Hotelparkplatz. George kurvte so lange vergeblich um die anderen Wagen herum, bis er schließlich Maggie mit den Koffern am Haupteingang des Graynard Owl aussteigen ließ. Kurz darauf fand er auf der Rückseite des Grandhotels eine freie Lücke in der Nähe der Müllcontainer. Während er allein über den Kiesweg schritt, betrachtete er missmutig das weiße Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Dieser schauerliche Kasten mit seinen länglichen Fenstern und verspielten Erkern stellte wieder für die nächsten sieben Tage ihr persönliches Gefängnis dar. George hätte alles dafür gegeben, um auf die ewig gleichen Prozeduren der letzten Jahre zu verzichten: Jeden Morgen müsste er Maggie noch vor dem Frühstück an den Strand begleiten, damit sie ihn nicht alleine mit dem Fernglas absuchte. Dazu kamen die Nachmittage in der Kirche mit Entzünden einer Kerze und stummen Gebeten. Und auch ihre Dinnerabende gerieten dann zur Qual: Wieder und wieder würde Maggie die gleichen Anekdoten und Geschichten über ihren Sohn erzählen, bis er am Ende den kleinen, lustigen Jungen mit den feuerroten Ohren direkt vor sich sah und keinen Bissen mehr herunterbekam. Aber es gab keinen erkennbaren Ausweg aus dieser traurigen Tradition, er würde sich fügen.
Immerhin war das Essen im Graynard Owl ganz ordentlich, dachte George und freute sich bereits auf die zum Tee gereichten Gurkensandwichs. Doch schon allein beim Gedanken an eine schöne Tasse Tee spürte er erneut dieses unangenehme Ziehen seiner Blase.