8

Tut es.

Das hatte sie tatsächlich gesagt. Mit der Kraft eines NFL-Linebackers hatte sie ihm den Ball ins Gesicht geknallt – ohne zu blinzeln.

Er berührte seine geschwollene, ziemlich empfindliche Nase. Wer war sie eigentlich?

Im Flugzeug hatte sie so süß gewirkt mit dem Strebertussen-Pferdeschwanz, den großen grauen Augen und dieser Unbeholfenheit, beim Versuch, mit dem weinenden kleinen Jungen auf der anderen Seite des Ganges zurechtzukommen.

Okay, er war schon platt gewesen, als er erfahren hatte, dass sie Addie Emerson war. Sein Schuldgefühl war dadurch stärker geworden, denn jetzt hatte er sie persönlich kennengelernt, aber … gut. Er kam damit klar.

Nur hatte er gestern in Dr. Brooks Büro, als Dex geflüstert hatte, dass Kris Karas Freund war, den Eindruck gehabt, ihm wäre vergeben worden. Es war definitiv eine Erwärmung der Beziehungen zu spüren gewesen. Und dann hämmerte sie ihm vier Stunden später einen Volleyball auf den Schädel. Mann, hatte das wehgetan. Vielleicht hatte sie ihm ja irgendwelche Knorpel zertrümmert.

»Alter?« Mit gezücktem Stift und hochgezogenen Augenbrauen beugte Addie sich über ihn.

»Siebzehn. Achtzehn im Oktober«, antwortete er und widerstand dem Drang, schon wieder seine Nase anzufassen.

Sie hakte das auf ihrer Liste ab, ganz sachlich und effizient.

»Ursprünglicher Herkunftsort?«

»Was soll das heißen?«

»Mach es ihm nicht so schwer«, sagte Lauren. Ihre Lippen zuckten belustigt. »Sieht aus, als hätte er sich gestern Abend mit einem mächtig wütenden Typen angelegt.«

Kris und Addie wechselten schuldbewusste Blicke.

»Ich möchte nur, dass du weißt«, sagte er zu Lauren, »dass der Typ hundertfünfzig Kilo wog, Schwarzgurtträger war und du wahrscheinlich noch nie einen hässlicheren Menschen gesehen hast – er liegt jetzt im Streckverband.«

»Ach was?« Lauren zog eine Augenbraue hoch.

»Nein«, sagte Addie. »Nichts davon ist wahr.«

Immer noch keine Entschuldigung, stellte er fest.

Es war der erste Tag des Versuchs, und er war mit Lauren Lowes (die offenbar seine Partnerin werden würde) und Dexter (der eindeutig einen Stock im Arsch hatte) im Labor. Das Aushängeschild des Modelabels Vineyard Vines verfolgte das Ausfüllen des Eingangsfragebogens mit missbilligend geschürzten Lippen und Augenverdrehen.

»Mit Ursprungsort meint Addie Heimatstadt.«

Dexter verdrehte wieder mal die Augen.

»Farmington, Connecticut«, antwortete Kris.

»Ich wette, du bist ein mittleres Kind«, sagte Dexter.

»Das ist tatsächlich so«, sagte Kris.

»Interessant.« Addie machte sich schnell eine Notiz. »Wie viele Geschwister?«

»Zwei. Schwestern.«

Grace und Elena. Grace war es gewesen, die ihm vorgeschlagen hatte, die Academy 355 auszuprobieren, an der die Schüler nicht so eingebildet und irgendwie weltzugewandter waren als an der Andover. Sie hatte ihren Eltern beigebracht, dass Kris nicht wieder an seine alte Schule zurückgehen würde, und ihn verteidigt, als seine Mutter Weihnachten einen irren Kreischanfall bekommen hatte. Dafür stand er nun auf ewig in ihrer Schuld – und würde es hinnehmen müssen, wenn sie sich in den Ferien ständig das Auto unter den Nagel riss.

Er und sie allein gegen den Rest der Welt, so ging das schon ziemlich lange, denn Grace war zwei Jahre älter als Kris – und ihre Eltern waren praktisch nie da. Arbeit. Reisen. Es gab immer eine Ausrede. Manchmal dachte er, seine Eltern hätten einen Fehler gemacht. Warum hatten sie überhaupt Kinder, wenn sie sich gerade mal die Hälfte des Jahres blicken ließen?

Dabei rausgekommen war, dass er und Grace, die ihn dazu bekehrt hatte, Vegetarier zu werden, das Grillkäse-Dillgurkensandwich perfektioniert hatten, ihr bewährtes Standard-Abendessen.

Dann war Elena gekommen und hatte ihre Welt durcheinandergebracht. Sie war mit einer defekten Herzklappe geboren worden, die mehrfach operiert werden musste – und eine Zeit lang waren die Ärzte nicht sicher gewesen, ob sie durchkommen würde. Da hatte seine Mutter einen Teilzeitjob angenommen und sein Vater hatte eine Arbeit gefunden, die keine Geschäftsreisen erforderte.

Sie hatten die Villa in Greenwich verkauft und einen Bungalow in Farmington erworben, damit das Geld zum Leben reichte. Trotz allem hatten seine Eltern darauf bestanden, dass Grace ans Smith ging und Kris teure Reisen machte, um Erdbebenopfern in China zu helfen. Über den Tellerrand zu gucken stand bei Familie Condos nämlich ganz oben auf der Prioritätenliste. Wenn man allerdings ihre finanzielle Situation vor Elenas Geburt mit der danach verglich, waren sie jetzt praktisch pleite.

Elena besuchte die erste Klasse der öffentlichen Grundschule der Stadt und schrieb ihm mit Buntstift auf Zeichenblockblättern: Ich vermiss dich, großer Bruder. Dazu malte sie Strichmännchen, die sich an den Händen hielten. Elena würde nie von zu Hause weggeschickt werden wie Grace und er. Sie hatte Glück.

»O mein Gott. Können wir weitermachen?« Lauren wippte ungeduldig mit dem Bein. »Noch zwanzig Minuten bis zu meinem Nachmittagskurs und wir hatten noch kein Mittagessen.«

»Kommt sofort«, sagte Dex, um ein flirtendes Lächeln bemüht.

Lauren ignorierte ihn.

Sie erinnerte Kris an eine ehemalige Klassenkameradin in Andover, Alyssa Reynolds, eine Stabhochspringerin mit ellenlangen Beinen, die in einem physisch schier unmöglichen Bogen über die Latte schnellen konnte. Jeder in der Mannschaft war in sie verschossen gewesen. Sogar er. Früher mal.

Viel Erfahrung mit Mädchen hatte er nicht. War vielleicht zu introvertiert. Zu sehr an Büchern interessiert. Jedenfalls war das Grace’ Analyse, er bevorzugte die These, dass bisher noch kein Mädchen ihn so beeindruckt hatte, dass er sich binden wollte.

Kara zählte nicht. Ja, er hatte sie gut gefunden – so wie ein Entführungsopfer mit Stockholmsyndrom. Mack war auf diesen genialen Spruch gekommen.

Kara hatte diesen Effekt auf Menschen. Wenn sie nicht wollte, dass man ging, schmollte und weinte sie, bis man zu allem bereit war, nur damit sie aufhörte. Wenn sie hingegen ihn loswerden wollte, schützte sie eine plötzliche Krankheit vor und bestand darauf, sofort allein gelassen zu werden. Kris hatte feststellen müssen, dass er seine eigenen Hausaufgaben vernachlässigte, um ihr bei ihren zu helfen. Seine Zensuren litten und Mack bezeichnete ihn als Volltrottel.

Aber Mack hatte noch keine zwei Monate mit ihnen abgehangen, da hatte Kara auch ihn so weit, dass er ihr aus der Hand fraß.

Sie war hübsch, das half. Umwerfend, genauer gesagt. Lange, glänzende Haare, die ihr über die Schultern fielen. Hohe Wangenknochen. Leuchtend tiefblaue, fast schon violette Augen. Und eine so starke Persönlichkeit, dass sie sogar, als Kris die Beziehung beenden wollte – was er mehrfach versucht hatte –, ihre Klauen in ihn schlagen und ihn wieder zu sich zurückzerren konnte.

Addie reichte Kris ein Blatt Papier, ein X markierte die Zeile, in die er seine Unterschrift setzen sollte. »Das ist deine Verzichtserklärung. Bitte lesen, unterschreiben und zurückgeben.«

»Verkaufe ich damit meine Seele?«, fragte Kris und wunderte sich über so viel Kleingedrucktes.

»Ausgeschlossen, da es so etwas wie eine Seele nämlich nicht gibt«, antwortete Addie. »Deshalb wäre es unmöglich, dergleichen vertraglich zu regeln.«

Ooookay. »Dann hat Goethe dieses Memo wohl nicht gekriegt.«

Er kritzelte seinen Namen auf die Linie. Addie scannte die Verzichtserklärung mit ihrem Handy und steckte das Blatt in eine Akte. Dann stellte sie einen Digitalrekorder auf den Tisch und gab Kris und Lauren je ein kleines Fläschchen Augentropfen.

Dex reichte ihnen zwei linierte Blätter und Bleistifte.

»Zuerst bitten wir euch darum, in fünf Worten eure ersten Eindrücke voneinander aufzuschreiben. Vollständige Sätze sind dabei nicht nötig. Keiner von euch wird die Antwort des anderen sehen, ihr könnt also ganz ehrlich sein.«

Lauren nahm den Stift und zögerte. »Aber ich kenne ihn doch gar nicht.«

»Genau.« Dex stellte die Eieruhr. »Ihr habt dreißig Sekunden Zeit. Fangt an.«

Kris schrieb schnell fünf Wörter auf, die ihm in den Kopf kamen.

Hübsch.

Athletisch.

Stab.

Flexibel.

Nett.

Das waren Beschreibungen von Alyssa Reynolds, nicht Lauren, ging ihm auf.

»Danke!« Addie schnappte ihm das Blatt aus der Hand.

»Ich bin mir nicht sicher, dass es richtig war«, sagte er. »Darf ich es noch mal versuchen?«

»Du wirst viele Gelegenheiten bekommen, es noch mal zu versuchen. Denn das hier macht ihr am Anfang und Ende eines jeden Versuchs.«

Lauren sagte: »Ich dachte, das war der Versuch.«

»Nein, das hier ist der Versuch.« Addie stellte die Fläschchen mit Augentropfen vor beide hin. »Die sind vielleicht hilfreich für euch. So, nun möchte ich, dass ihr beide euch fünf Minuten lang in die Augen schaut.«

»Aber er ist total verschwollen«, sagte Lauren.

»Irrelevant«, sagte Addie. »Und versucht euch daran zu erinnern, welche Gefühle ihr für sie oder ihn oder euch selbst hattet, während ihr in die Augen eures Partners schaut. Nach Ablauf der Zeit geht ihr zu euren vorherigen Worten zurück und streicht, ändert oder lasst sie so, wie sie sind.«

»Erinnert mich an die Partyspiele meiner Schwester«, sagte Kris. »Ich hab das Gefühl, wir sollten Elektroden am Kopf haben oder so was.« Er befingerte seinen Schopf und zupfte an seinen Haaren, bis sie zu Berge standen.

Lauren lachte.

»Schön wär’s«, seufzte Addie.

»Wir dürfen in die Schädel unserer Forschungsobjekte keine elektronischen Hilfsmittel einpflanzen, da hat die Schule uns Grenzen gesetzt«, sagte Dexter. »Das ist ein wunder Punkt.«

Lauren träufelte sich Tropfen ins Auge und blinzelte schnell. Sie legte den Kopf zurück, damit ihre Wimperntusche nicht verlief. Ein Tropfen rollte über ihre Wange, und ohne nachzudenken, beugte Kris sich vor und wischte ihn mit dem Daumen weg.

»Du bist süß«, sagte Lauren lächelnd. »Aber du solltest lernen, wie man ausweicht.«

»Jetzt!« Addie stellte die Eieruhr ein.

Kris richtete den Blick auf Laurens Augen und ließ ihn verschwimmen, um auszuprobieren, ob das länger auszuhalten war. Lauren sah ihn mit stählernem Blick an, so als ob sie im Wettstreit wären. Und – wer weiß? – vielleicht waren sie das ja. Vielleicht testete Addie aus, ob Mädchen länger starren konnten als Jungen. Aber in welchem Zusammenhang stand das zum Gehirn?

Gold und braun. Das waren Laurens Augen. Und noch ein bisschen grün. Oder nannte man das Haselnussbraun? Nein, das war grün-braun, oder?

Addies Augen waren grau. Oder blau? Er wendete den Blick von Lauren ab, um sich zu vergewissern. Graublau waren sie, so wie der Sandstein, den er im Himalaja gesehen hatte. Faszinierend.

»Erwischt!« Lauren stieß die Faust in die Luft. »Du hast den Blickkontakt unterbrochen. Ich hab gewonnen!«

»Die Zeit ist sowieso abgelaufen«, sagte Addie mit einem Lächeln.

Da war es wieder. Dieses Süße. Als Nächstes streckte sie ihn wahrscheinlich mit einer ätzenden Bemerkung nieder. Oder bloß mit einer Ohrfeige.

Dex knallte zwei Teller auf den Tisch, Sandwiches mit Erdnussbutter und Banane, Granny-Smith-Apfelschnitze und kleine Karotten. »Mittagessen.«

Lauren hob die obere Brotscheibe an und inspizierte den Belag. »Wo sind wir denn? Im Kindergarten?«

»Erdnussbutter ist eine ausgezeichnete Proteinquelle, enthält Vitamin B und Zink, besonders in Verbindung mit Vollkornweizenbrot«, sagte Addie. »Das Gelee haben wir durch Bananen ersetzt, um die Zuckeraufnahme zu reduzieren. Und der Fettgehalt der Erdnussbutter ist exzellenter Brennstoff für das Zerebellum.«

»Willst du damit sagen, dass ich blöd bin?« Lauren war angefressen. »Oder einen fetten Kopf habe?«

Addie schüttelte den Kopf. »Weder noch.«

»Danke«, warf Kris ein, ehe die Sache ungemütlich werden konnte. »Ich hab gerade richtig Hunger gekriegt.« Er nahm einen großen Bissen vom Sandwich und versuchte sich nicht darum zu scheren, dass Dexter jede seiner Kaubewegungen mit einem geradezu unheimlichen Interesse beobachtete.

Lauren schob ihren Teller zur Seite. »Nein danke. Mir ist der Appetit vergangen. Sind wir fertig?«

»Nur noch eine Sache.« Dex gab ihnen die Liste mit den fünf Eigenschaften zurück, die sie am Anfang des Versuchs notiert hatten. »Jetzt habt ihr die Chance, das noch mal zu überarbeiten.«

Lauren schenkte ihrem Zettel kaum einen Blick. »Alles gut.«

»Bei mir auch«, sagte Kris, obwohl das nicht stimmte.

Irgendwas an der Art, wie Lauren sich über das Sandwich beschwert hatte, fand er abstoßend. Okay, Erdnussbutter war auch nicht sein Lieblingsessen, aber das war noch lange kein Grund, unhöflich zu werden.

Vielleicht ging aber auch etwas anderes in ihm vor, das nichts mit Lauren oder diesem sinnlosen Versuch zu tun hatte und viel mit diesen seltsamen neuen Gefühlen für … ausgerechnet Adelaide Emerson.

»Du musst für sie arbeiten?«, kreischte Kara ins Telefon.

Kris nahm einen Schluck aus der Wasserflasche und lehnte sich an den Stamm einer großen Eiche, dankbar für den Schutz gegen die sommerliche Hitze und Feuchtigkeit, den sie bot. Zwei Tage hatte er Karas SMSs ignoriert, bis sie drohte, zur Schule zu kommen und ihn zu suchen.

Er hielt es für eine gute Idee, das zu vermeiden.

»Ist nicht schlimm.« Er atmete den süßen Duft von frisch gemähtem Gras ein und beglückwünschte sich dazu, dass er seine Arbeit so gut gemacht hatte.

»Das kann nicht gut sein. Die stoßen dich mit der Nase rein, indem sie dich dazu zwingen, im Labor zu sein, Condor.«

Condor. Für Kara war es unmöglich, irgendjemanden bei seinem richtigen Namen zu nennen. Nachdem sie Mack kennengelernt hatte, hatte sie ihn Slack genannt, bevor Kris ganz höflich vorgeschlagen hatte, das doch bleiben zu lassen.

»Tut nicht weh.« Mit dem Arm wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Und ich arbeite nicht für sie. Ich helfe ihr eher bei einem Experiment.«

»Klar«, sagte Kara skeptisch. »Aber die lassen dich die Springmauskäfige reinigen, damit du diese hilflosen, armen, gefangenen Tiere jeden Tag sehen musst.« Sie stöhnte. »Das ist so, als würden sie das verhöhnen, woran du mit Inbrunst glaubst. Nun sag mir, dass das nicht pervers ist.«

Bis jetzt hatten ihm die Wüstenspringmäuse oder die Krebse noch nicht leidgetan. Und Frösche hatte er gar nicht gesehen. »Die Wüstenspringmäuse sind glücklich.«

»Woher weißt du das? Hast du sie gefragt?«

Er lachte.

»Das ist nicht witzig. Du solltest aus Protest in den Streik treten. Dann machst du Foys Bootcamp eben nicht mit. Was kann dir schon Schlimmes passieren?«

»Öh, die Militärschule?«, erinnerte er sie. »Wecken um drei Uhr morgens. Uniformen. Nur Männer? Du weißt, wie das läuft, wenn’s autoritär wird. Ich bin darin grottenschlecht.«

»Und deshalb liebe ich dich.«

Die Worte hingen im Äther und bettelten um eine entsprechende Antwort. Kris nahm noch einen Schluck Wasser und ließ sie hängen. Wenn er nicht ansprang, müsste Kara den Wink doch früher oder später verstehen.

»Die Sache ist die«, fuhr Kara fort, »es gibt haufenweise Alternativen zur Akademie und Militärschule. Sieh mich an. Im nächsten Halbjahr nehme ich mir ein unabhängiges Studiensemester, in dem ich mir die fehlenden Leistungsnachweise beschaffe, und im Frühling fahre ich dann nach Florenz!«

»Ist schön, wenn man reich ist.« Er warf einen Blick aufs Handy. Noch zwei Minuten bis zum Ende seiner Pause.

»Du solltest mitkommen!«, sagte sie.

»Wohin?« Als ob er das nicht wüsste!

»Nach Florenz, du Blödmann. Stell dir das doch mal vor. Wir beide in der Dämmerung am Arno, die Tage verbringen wir in Museen und vertiefen uns in die großartigsten Gemälde der Welt, und in den Nächten schaffen wir unsere eigene Kunst.«

Er schnaubte verächtlich. »Zurzeit habe ich fünfzig Kröten auf dem Konto.«

»Macht nichts. Ich habe genug Geld für uns beide.«

Seine Wangen wurden heiß, als die kantige Gestalt eines Mannes im grünen Overall und Arbeitsschuhen mit Stahlkappen aus einem Golfwagen stieg. Buster, die Nummer zwei des Gelände- und Gebäudedienstes der Academy und Kris’ selbst ernannter Aufseher kam kontrollieren, ob er auch nicht herumtrödelte.

Was er gerade tat.

»Muss Schluss machen«, sagte er und stand auf.

»Du hast ernsthaft Probleme, dich festzulegen, Condor.«

Kris stellte sich vor, wie sie am Pool auf dem Dach des elterlichen Penthouses mit Blick über Boston lag und etwas Kühles, Fruchtiges nippte, atemberaubend wie immer in einem Bikini, der nicht mehr bedeckte als ein Strang Zahnseide.

»Und du hast nie einen Job gehabt.«

»Wenn’s nach mir geht, werde ich auch nie einen haben. Dienstverhältnisse sind was für Mädchen, die nicht schlau genug sind, das System für sich zu nutzen.«

Buster forderte ihn per Handzeichen auf, den Anruf zu beenden, aber Kris sah eine Chance, die er sich nicht entgehen lassen wollte.

»Ich hab nicht vor, jemals reich zu werden, Kara. Sobald ich mit der Schule fertig bin, gehe ich nämlich zurück nach Nepal, wo es kein fließendes Wasser gibt und wo mein Bett eine Matte auf dem Boden ist. Also …«

»Entspann dich! Ich hab kein Interesse daran zu heiraten«, sagte sie mit einem perlenden Lachen. »Ich will nur Spaß haben. Mit dir.«

»Und ich meine, dass du mit einem anderen besser dran bist.«

Eine lange, wütende Pause entstand. »Sag das nie wieder, nicht mal im Scherz. Kapiert, Condor?«

Er schloss die Augen und wünschte, Buster würde ihm nur noch fünf Minuten gönnen. »Ich war nur ehrlich.«

»Du bist nicht ehrlich, du bist ein Arsch«, erwiderte sie prompt, ihre Stimme klang gepresst, so als wäre sie den Tränen nahe. »Manchmal hab ich das Gefühl, du genießt es richtig, das Messer in der Wunde umzudrehen.«

Er schluckte panisch. »Sag nicht so was.«

»Warum denn nicht? Dir ist das doch ganz egal.« Sie schniefte.

Buster ließ die Muskeln seines fleischigen Armes spielen und signalisierte ihm damit, endlich aufzuhören.

»Okay, Kara. Ich muss wieder an die Arbeit.«

»Rufst du mich heute Abend an?«

Dazu hatte er überhaupt keine Lust. Aber wenn er es nicht tat, war nicht vorherzusagen, wie Kara reagieren würde. Sie würde vielleicht den Abend weinend in der Wohnung ihrer Eltern verbringen oder ein irre teures Taxi nehmen und ihn besuchen oder auf eine Party gehen … oder … keine Ahnung …

»Okay«, sagte er.

»Wäre besser für dich«, sagte sie schmollend. »Du schuldest mir was.«

Wofür? Das war ihm nie so ganz klar.