Ich bin ein Weib –
und obendrein kein gutes

Demut ist die Grundlage geistlichen Wachstums. Der heiligste Mensch hat sie am nötigsten, denn je höher ein Baum wächst, oder je mächtiger ein Haus ist, umso tiefer müssen die Wurzeln oder die Baugrube sein. Daher kommt es, dass du bei genauem Hinsehen erkennst, dass die Heiligsten auch die Demütigsten waren.

(Francisco de Osuna, S. 103)

Selbsterkenntnis –
Selbstverständnis

Wenn ich auch weiß, dass niemand Freude daran haben wird, wenn ich hier meine Schlechtigkeit ausbreite, möchte ich doch, dass alle, die es lesen, meine Halsstarrigkeit und Undankbarkeit gegenüber den Gnaden, die Gott mir schenkte, verabscheuen. Wäre es mir doch erlaubt zu berichten, wie oft ich in dieser Zeit Gott gegenüber versagte.

Fest an den starken Mastbaum[22] des Gebets geklammert, fiel ich auf diesem stürmischen Meer des Lebens fast zwanzig Jahre lang von Wellental zu Wellental; und wenn ich mich erhob, so nur, um neu zu fallen. Mein Leben war aller Vollkommenheit fern, weil ich nicht auf lässliche Sünden achtete. Und wenn ich die Todsünden auch fürchtete, doch nicht so, wie ich es hätte sollen, denn ich hielt mich Gefährdungen nicht fern. Ich kann wohl sagen, dass es das unerfreulichste Leben war, das man sich vorstellen kann. Denn weder Gott noch die Welt machten mich glücklich. Mitten im weltlichen Vergnügen fiel mir ein, was ich Gott schuldete, und betrübte mich; war ich innerlich bei Gott, so beunruhigten mich die weltlichen Neigungen. Ich weiß nicht, wie ich einen derart mühsamen Krieg länger als einen Monat, ja, sogar viele Jahre aushalten konnte.

All dieses lässt mich klar die Barmherzigkeit erkennen, die mir der Herr erwies, da ich trotz des vielen weltlichen Umgangs doch die Kühnheit zum Gebet besaß. Ich sage Kühnheit, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass man sie mehr braucht, als wenn man seinen König ständig verrät und weiß, dass er es weiß, und man doch immer wieder vor ihm erscheint.

Es ist wahr, dass ich in diesen Jahren mehrere Monate lang, vielleicht sogar ein ganzes Jahr mich hütete, den Herrn zu kränken, und mich sehr dem Gebet ergab. Ja, ich gab mir wirklich Mühe, ihn nicht zu beleidigen. Ich sage das, weil ich hier die Wahrheit niederschreiben will. Aber ich erinnere mich doch, wie wenige solcher guten Tage ich hatte im Vergleich zu den vielen schlechten. Doch verbrachte ich täglich lange Zeit im Gebet, außer ich war schwer krank oder sehr beschäftigt. Krank war ich Gott näher. Ich versuchte dann auch, die Menschen meiner Umgebung für ihn zu gewinnen, und bat den Herrn für sie. Ich sprach viel von ihm.

So vergingen achtundzwanzig Jahre – das eine Jahr, das ich erwähnte, ausgenommen –, seit ich mit dem inneren Gebet begonnen hatte.[23] Und mehr als achtzehn Jahre lag ich in dem Kampf und Widerstreit, zugleich Gott und der Welt dienen zu wollen. In den übrigen Jahren führte ich inneren Krieg aus anderen, wenn auch nicht geringeren Ursachen. Seit ich aber, wie ich meine, wirklich im Dienste Gottes stand und die Eitelkeit der Welt durchschaute, ist mir alles leicht geworden, wie ich noch berichten will. (V 8, 2–3)

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Ich helfe mir manchmal, indem ich allerlei Ungereimtes rede. Das geschieht besonders, wenn ich Gnaden von Gott empfangen habe. Ich sage dann: Herr, sieh doch was Du tust, und vergiss nicht so rasch all meine großen Übel. Es ist ja gut, dass Du sie vergessen hast, um sie mir zu verzeihen. Um aber Deinen Gnaden ein Maß zu setzen, bitte ich Dich, dass Du Dich daran erinnern mögest. Fülle doch, Du mein Schöpfer, keine so kostbare Flüssigkeit in solch zerbrechliches Gefäß! Du hast doch gesehen, dass ich sie immer wieder verschütte. Vertrau einen solchen Schatz nicht jemandem an, der ihn vergeuden wird, weil er noch nicht lernte, auf oberflächliche Befriedigungen des Lebens zu verzichten. Du kannst doch auch die Sicherheit einer Stadt und die Schlüssel zu ihrer Festung nicht einem feigen Bürgermeister anvertrauen, der schon beim ersten Ansturm den Feind einlässt.

O ewiger König, mäßige Deine Liebe! Gefährde nicht so kostbare Juwelen! Es könnte sein, mein Herr, dass man sie schlecht behütet, wenn Du sie einem so schlechten, niedrigen, elenden und geringfügigen Ding anvertraust. Ich würde mich zwar bemühen, sie mit Deiner so bitternotwendigen Hilfe nicht zu verlieren, aber ich kann auch keinem damit nützen. Kurz, ich bin ein Weib – und obendrein kein gutes, sondern ein schlechtes.

So und ähnlich redete ich oft. Erst später sah ich meine Torheit und geringe Demut, denn der Herr weiß sehr gut, was notwendig ist, und dass meine Seele nicht fähig wäre, sich zu retten, versähe sie seine Majestät nicht mit so vielen Gnaden. (V 18, 4–5)

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Die Seele war mir schon müde geworden, aber mein oberflächliches Leben ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Da geschah es, als ich eines Tages das Oratorium betrat, dass ich ein Bildnis erblickte, das man in Erwartung eines bestimmten Festes schon dorthin gebracht hatte. Es war ein wundenbedeckter Christus, so ausdrucksvoll und ergreifend, dass mir sein Anblick die Seele erschütterte, denn man sah, was er für uns gelitten hatte. Ich empfand den Schmerz seiner Wunden derart, dass es mir fast das Herz brach. Da warf ich mich tränenüberströmt vor ihm nieder und flehte ihn an, dass er mir Kraft gebe, ihn nie mehr zu verletzen.

Ich verehrte schon immer die Heilige Maria Magdalena und hatte oft über ihre Bekehrung nachgedacht, besonders bei der Kommunion. Ich stellte mir dann vor, dass ja nun gewiss der Herr in mir sei, und so warf ich mich ihm innerlich zu Füßen in der Meinung, er könne meine Tränen nicht von sich weisen.

Aber dieses eine Mal, von dem ich erzählte, vor diesem Bild, schien mir die innere Wirkung größer zu sein, denn ich setzte mein Vertrauen nicht mehr in mich, sondern in Gott. Ich glaube allerdings, ich sagte ihm, ich würde mich nicht wieder erheben, wenn er mein Flehen nicht erhöre. Und ich bin sicher, dass mir das half, denn von diesem Augenblick an ging es rasch aufwärts mit mir.

Damals [1554] gab man mir die »Bekenntnisse« des Augustinus zu lesen. Und es scheint, als habe der Herr es so gefügt, denn ich habe mich in keiner Weise bemüht, dieses Buch, das ich nie sah, zu erhalten. Allerdings bin ich eine große Verehrerin des Heiligen Augustinus, da ich ja, als ich noch im Laienstand war, eine Zeit in einem seiner Klöster verbrachte. Zudem war er ein Sünder gewesen, und der Gedanke an Heilige, die Gott trotz ihrer Sünden an sich zog, tröstete mich sehr, denn ich dachte, sie könnten mir helfen und dass der Herr, der ihnen verziehen hatte, auch mir verzeihen würde. Eines allerdings betrübte mich, nämlich dass bei ihnen ein einziger Ruf des Herrn genügt hatte, damit sie nicht mehr fehlten, während mich der Herr immer wieder rufen musste. Wenn ich dann aber die Liebe betrachtete, die er mir erwiesen hatte, fasste ich Mut, denn an seiner Barmherzigkeit zweifelte ich nie, an mir dagegen häufig.

Als ich nun begann, die »Bekenntnisse« zu lesen, meinte ich mich selbst darin zu erblicken, weshalb ich diesen großen Heiligen sehr um seine Hilfe bat, und als ich an die Schilderung seiner Bekehrung gelangte und las, wie er im Garten jene Stimme vernahm, da meinte ich, diese Stimme des Herrn erklinge auch mir in meinem Herzen. Ich war lange Zeit ganz in Tränen aufgelöst und außer mir vor Schmerz über mich selbst. Gepriesen sei Gott, der mich lebendig Tote ins wirkliche Leben rief. (V 9, 1–3, 6–8)

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Es ist sehr notwendig, einen erfahrenen Meister zu haben, der die Seele zu führen versteht. Denn mit ihrem Fortschreiten macht sie Erfahrungen, über die sie sich besprechen muss. Wenn sie aber keinen Meister findet, so wird der Herr ihr helfen, so wie er auch mir nicht gefehlt hat, obwohl ich die bin, die ich bin. Denn ich glaube, es gibt nur wenige Seelenführer, die große Erfahrung in diesen Dingen haben. Ohne diese Erfahrung aber sollten sie lieber nicht beunruhigen und betrüben. Wenn auch der Herr solche Betrübnis der Seele anrechnet, ist es doch besser, über die Erfahrungen zu sprechen, wie ich schon sagte und jetzt noch einmal wiederhole, da es sehr wichtig ist, besonders, wenn es sich um Frauen handelt.

Es sind nämlich viel häufiger die Frauen als die Männer, denen der Herr seine Gnade mitteilt. Ich habe das selbst beobachtet und hörte es auch den Heiligen Fray Pedro de Alcántara sagen, dass Frauen auf diesem inneren Weg weiter kommen als Männer. Und er gab dafür ausgezeichnete Gründe an, die ich hier nicht aufzählen kann, alle zugunsten der Frauen.

Einmal, als ich ins Gebet versenkt war, verstand ich in einem Augenblick, ohne etwas Bestimmtes zu sehen – aber es war eine ganz klare Erkenntnis –, dass man in Gott alle Dinge schaut, weil er alle in sich enthält. Ich kann das nicht beschreiben, aber es blieb tief in meine Seele eingeprägt. Es war eine der großen Gnaden, die ich vom Herrn empfing, und die mich beschämen, wenn ich an meine Sünden denke. Ich könnte die Gottheit mit einem ganz klaren Diamanten vergleichen, viel größer als die ganze Welt, und dass man wie in einem Spiegel all unser Tun in diesem Diamanten erblickt, da er alles umschließt; denn es gibt nichts, was seine Größe übersteigt. Es schien mir unfasslich, alle Dinge in diesem lichten Diamanten zusammenzusehen, und es schmerzte mich, daran zu denken, dass auch so hässliche Dinge wie meine Sünden sich in dieser klaren Reinheit spiegelten. (V 40, 8–10)

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Herr meiner Seele! Als Du noch in dieser Welt wandeltest, hast Du den Frauen immer Deine besondere Zuneigung bewiesen. Fandest Du doch in ihnen nicht weniger Liebe und mehr Glauben als bei den Männern. Auch befand sich ja unter ihnen Deine Heilige Mutter, deren Verdienste uns zukommen und deren Habit wir tragen. Die Welt irrt, wenn sie von uns verlangt, dass wir nicht öffentlich für Dich wirken dürfen noch Wahrheiten aussprechen, um derentwillen wir im Geheimen weinen, und dass Du, Herr, unsere gerechten Bitten nicht erhören würdest. Ich glaube das nicht, Herr, denn ich kenne Deine Güte und Gerechtigkeit, der Du kein Richter bist wie die Richter dieser Welt, die als Söhne Adams, kurz, als Männer jede gute Fähigkeit bei einer Frau verdächtigen. Ich weiß, mein König, dass der Tag kommen wird, da man einander erkennt. Ich spreche hier nicht für mich selbst, denn die Welt kennt meine Schlechtigkeit, und das ist mir lieb. Aber ich halte es in diesen Zeiten für unrecht, wenn man starke und zum Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt. (CE 4,1)

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[An den Ordensgeneral P. Rubeo:]

Bedenken Sie doch bitte, Wohlehrwürden, dass es Sache der Kinder ist, Fehler zu machen, und Sache der Eltern, das zu verzeihen und zu vergessen. Bei der Liebe unseres Herrn bitte ich Sie, Milde walten zu lassen. Verstehen Sie doch, dass das aus verschiedenen Gründen richtig sein kann, die Sie nicht kennen, die aber mir, die ich hier am Orte bin, vertraut sind. Und wenn wir Frauenspersonen uns auch zum Ratgeben nicht eignen, treffen wir doch manchmal das Rechte. Im Angesichte Gottes werden Euer Wohlehrwürden dereinst erkennen, wie viel Sie mir verdanken. Teresa de Jesús. (Cta 99, 7, 9 und 19, Sevilla, Ende Januar 1576)

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Es ist kein kleines Kreuz, seinen Verstand dem zu unterwerfen, der keinen hat. Ich habe das nie vermocht, und es scheint mir auch nicht richtig zu sein. (V 13, 19)

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Richten wir den Blick auf eigene Fehler und nicht auf die anderer; es ist immer eine Gefahr sehr rechtschaffener Personen, dass sie an allem Anstoß nehmen. Dabei könnten wir oft in wichtigen Dingen viel von dem lernen, über den wir uns aufhalten, mögen wir ihm auch in Haltung und Umgangsformen überlegen sein. Vor allem dürfen wir nicht alle zu unserem Weg bekehren wollen und sie geistlich unterweisen, obwohl wir selbst vielleicht noch gar nicht wissen, wovon wir sprechen. Gott gibt uns den Wunsch ein, meine Schwestern, zum Heile der Seelen wirken zu wollen, aber wir können dabei große Fehler machen. Halten wir uns darum an das, was unsere Ordensregel sagt: »Man soll sich stets bemühen, in Hoffnung und Schweigen zu leben.« Der Herr wird Sorge tragen für seine Seelen. Wenn wir nicht nachlassen, für sie zu beten, können wir viel für sie tun. Seine Majestät sei gelobt in Ewigkeit. (3 M 2, 13)

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Ich kenne eine Nonne [Teresa selbst], die viele Jahre in großer Furcht lebte und die nichts beruhigen konnte, bis der Herr sie einige Verse aus dem Hohen Lied hören ließ, woran sie erkannte, dass sie sich auf gutem Wege befand. Sie sah, dass es keine Täuschung ist, wenn die in ihren Bräutigam verliebte Seele alle diese Beglückungen und Ohnmachten und Tode und Traurigkeiten und Seligkeiten und Freuden durch ihn erfährt, sofern sie sich um seiner Liebe willen von allem Weltlichen löst und sich ganz in seine Hand gibt. Und nicht mit schönen Worten, wie man das bei einigen findet, sondern mit der wahren Wirklichkeit ihres Handelns. (MC 1, 1–2, 6)

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[Die »Wohnungen der inneren Burg«:]

Weil ich weder wusste, wie das mir aufgetragene Werk beginnen, noch überhaupt, was ich sagen sollte, bat ich inständig unseren Herrn, dass er durch mich sprechen möge. Da fiel mir ein guter Ausgangspunkt ein, nämlich dass wir uns die Seele vorstellen als eine kristallene oder diamantene Burg mit vielen Wohnungen, so wie ja auch der Himmel viele Wohnungen hat. Recht betrachtet, liebe Schwestern, ist ja auch die Seele im Gnadenstand nichts anderes als ein Paradies, in dem der Herr, wie er selbst sagte, seine Freude hat. Wie meint ihr wohl, muss eine Wohnung beschaffen sein, an der ein so mächtiger, weiser, reiner und alles Gute in Fülle besitzender König sich erfreut? Ich finde nichts, womit ich die große Schönheit und Weite der Seele vergleichen könnte, reicht doch auch unser noch so scharfer Verstand nicht aus, sie zu begreifen – so wie ja auch Gott unerkennbar ist. Sagte er doch, dass er uns schuf nach seinem Bild und Gleichnis.

Es wäre aber kein geringer Schaden und höchst bedauerlich, wenn wir versäumten, uns selbst zu erkennen, und nicht wüssten, wer wir sind. Was sollte man denn von jemandem halten, meine Töchter, der befragt nicht angeben könnte, wer sein Vater und seine Mutter sind und aus welcher Heimat er kommt? Wenn das schon menschenunwürdig wäre, wie viel mehr dann unsere Einstellung, wenn wir uns nicht um Selbsterkenntnis bemühen, sondern einzig an unserem leiblichen Wohl interessiert sind; wenn wir nur vom Hörensagen und durch die Übereinkunft des Glaubens wüssten, dass wir eine Seele haben, sodass uns weder ihr Wert bewusst ist, noch WEN sie im Innersten birgt. – Erinnern wir uns also der vielen Wohnungen dieser Burg, einige oben, einige unten, andere seitlich. Ganz in der Mitte aber, in ihrem Zentrum liegt die Wohnung, auf die alles ankommt und wo höchst geheimnisvolle Dinge zwischen Gott und der Seele geschehen. Dieses Gleichnis müsst ihr euch gut merken. (1 M 1, 1–3)

Die Biene Demut

Geht in euch, meine Töchter, tretet ein in euer Herz, bringt eure guten Werke voran; ihr müsst sie ja als gute Christen tun, und noch viel mehr; und seid zufrieden, Vasallen Gottes zu sein. Verlangt nicht zu viel, sonst bleibt ihr mit leeren Händen zurück. Seht auf die Heiligen, die in das Gemach des Königs eintraten, und erkennt den Abstand zwischen ihnen und euch. O Demut, Demut! Ich kann der Versuchung nicht widerstehen zu glauben, dass, wer zu viel hermacht von seinen »Trockenheiten«, damit einen Mangel an Demut beweist. (3 M 1, 5–6)

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Es ist wichtig, dass man eine Seele in ihrem Gebetsleben weder einenge noch bedränge. Sie muss alle Wohnungen [der inneren Burg] frei durchschreiten können, nach oben und nach unten und nach allen Seiten. Angesichts der großen Würde, die Gott ihr verliehen hat, darf man sie nicht zwingen, lang in einem Raume zu verweilen, und sei es auch in dem der Selbsterkenntnis. Diese, man verstehe mich recht, ist allerdings so wichtig, dass wir niemals, auch nicht im höchsten Entwicklungsstadium, auf sie verzichten können. Sogar jene haben sie noch nötig, die der Herr schon in sein innerstes Gemach eingelassen hat. Die Demut gleicht der Biene, die im Bienenstock den Honig bereitet; ohne sie ist alles verloren. Aber vergessen wir nicht, dass die Biene auch ausschwärmt, um Blüten zu suchen. So soll sich auch die Seele immer wieder von der Selbsterkenntnis zur Betrachtung der Größe und Majestät Gottes erheben. (1 M 2, 8)

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Wenn man zu beten beginnt, fliegen die Bienen zu ihrem Korb und kommen hinein, um darin den Honig zu bereiten. (CV 28, 7)

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Ich dachte einmal darüber nach, warum wohl unser Herr die Demut so liebe. Da kam mir – ganz plötzlich und ungewollt – dieser Gedanke: Gott ist die höchste Wahrheit, und Demut ist Wandeln in der Wahrheit. Denn es bedeutet viel zu erkennen, dass wir aus uns selbst nichts Gutes haben, sondern Elend und Nichts sind. Und wer das nicht versteht, wandelt in der Unwahrheit. Je mehr es aber jemand versteht, umso besser weiß er der höchsten Wahrheit zu entsprechen, denn er bewegt sich ja in ihr. Wollte Gott, meine Schwestern, dass wir aus dieser wichtigen Einsicht und Erkenntnis unserer selbst nie herausfallen. (6 M 10, 8)

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Richtet eure Augen auf den Gekreuzigten, und alles wird euch leicht werden. Wenn seine Majestät uns seine Liebe in so furchtbarem Einsatz und Leiden bewies, wie wollt ihr ihn dann mit bloßen Worten abspeisen? Wisst ihr, was es heißt, ein wahrhaft geistliches Leben zu führen? Es heißt, sich zu Sklaven Gottes zu machen, gezeichnet mit dem glühenden Eisen des Kreuzes. So ganz ihm übereignet, kann er sie als Sklaven der ganzen Welt verkaufen, nicht anders, als er es mit sich selber tat. Er tut ihnen damit kein Unrecht, sondern erweist ihnen eine nicht geringe Gnade. Wer sich dazu nicht entschließt, braucht keinen Fortschritt zu fürchten, denn, wie ich schon sagte, Demut ist das Fundament des ganzen Gebäudes. Wo sie fehlt, wird der Herr zu eurer eigenen Schonung nichts Hohes aufbauen, weil sonst alles zusammenbricht. Legt also, meine Schwestern, ein gutes Fundament, indem ihr die Geringsten und Sklavinnen aller sein wollt. Gebt acht, wo und wann immer ihr Gefallen erweisen und dienen könnt. Denn was ihr in solcher Weise tut, das tut ihr in erster Linie für euch selbst, da ihr feste Grundsteine setzt, auf dass euer Schloss nicht einstürze.

Ich wiederhole: Ihr könnt euer Fundament nicht durch Gebet und Kontemplation allein bauen. Wenn ihr euch nicht um den Erwerb von Tugenden und ihre Einübung bemüht, werdet ihr immer Zwerginnen bleiben. Selbst wenn Gott euch nur im Nichtmehrwachsen belässt, müsst ihr doch wissen, dass schrumpft, wer nicht wächst. Denn ich meine, dass es der Liebe nicht möglich ist, irgendwo stehenzubleiben. (7 M 4, 9–10)

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Demut und Selbstverleugnung sind Schwestern, die man nicht trennen sollte. Mit ihnen kann man gegen die Welt und ihre Fallstricke, ja, gegen die ganze Hölle zum Kampfe antreten. Dennoch ist es wahr, dass niemand, der diese Tugenden besitzt, das weiß. Sie verbergen sich ihm derart, dass, selbst wenn man ihn auf ihren Besitz aufmerksam machte, er es nicht glauben würde. Er meint, keine dieser Tugenden zu besitzen. Doch schätzt er sie so sehr, dass er sich ständig um sie bemüht, und so wird er, ohne es zu wissen, in ihnen immer vollkommener. (CV 10, 3)

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Es gibt Leute, die schon durch die Worte »Visionen« oder »Offenbarungen« in Schrecken versetzt werden. Ich verstehe nicht, warum sie einen Weg, den Gott die Seele führt, für so gefährlich halten, und was sie daran so entsetzt. Ich kenne eine Person [Teresa], der ihre Beichtväter wegen solcher Dinge gewaltig zusetzten, obwohl sich hinterher an den großen Wirkungen und guten Werken zeigte, dass diese Visionen von Gott kamen; es fiel ihr schwer, dass sie sich um eine Erscheinung Christi nicht kümmern und sich bekreuzigen sollte. Als sie sich später mit einem berühmten thomistischen Gelehrten, dem Magister Fray Domingo Bañez O. P. darüber unterhielt, meinte dieser auch, das sei eine schlechte Anweisung, der man nicht folgen solle. Denn wo und wie auch immer wir das Bild unseres Herrn erblicken, sollten wir es verehren, selbst wenn der Teufel es gemalt hat, der ein großer Maler ist. Er schafft ja Gutes, wenn er auch das Schlechte will, indem er uns den Gekreuzigten oder ein anderes Christusbild so lebendig vorstellt, dass es sich unserem Herzen tief einprägt. – Diese Beweisführung gefiel mir sehr, da wir ja auch sonst im Leben ein gutes Bild schätzen, obwohl wir wissen, dass der Maler ein schlechter Mensch ist. Der Nutzen oder Schaden einer Vision liegt also im Betrachter. Ist er ohne Demut, so wird sie ihm schaden; hat er aber Demut, wird ihn die Vision innerlich fördern, auch wenn sie vom Teufel kommt. Umgekehrt wird auch Gott seine Vision vergeblich senden, wenn der Mensch ihr undemütig begegnet. Wenn er nämlich nicht sieht, dass er solche Gnaden nicht verdient, sondern sich gar etwas darauf einbildet, gleicht er einer Spinne, die alles, was sie aufnimmt, in Gift verwandelt, während der demütige Mensch der Biene gleich ist, die alles zu Honig macht. (F 8, 1–3)

Gedicht

O Seele, suche dich in Mir,

und, Seele, suche Mich in dir.

 

Die Liebe hat in Meinem Wesen

dich abgebildet treu und klar:

kein Maler lässt so wunderbar,

o Seele, deine Züge lesen.

Hat doch die Liebe dich erkoren

als meines Herzens schönste Zier:

bist du verirrt, bist du verloren,

o Seele, suche dich in Mir.

 

In meines Herzen Tiefe trage

Ich dein Porträt, so echt gemalt;

sähst du, wie es vor Leben strahlt,

verstummte jede bange Frage.

Und wenn dein Sehnen Mich nicht findet

dann such nicht dort und such nicht hier:

gedenk, was dich im Tiefsten bindet,

und, Seele, suche Mich in dir.

 

Du bist mein Haus und meine Bleibe,

bist meine Heimat für und für:

Ich klopfe stets an deine Tür,

dass dich kein Trachten von Mir treibe.

Und meinst du, Ich sei fern von hier,

dann ruf Mich, und du wirst erfassen,

dass Ich dich keinen Schritt verlassen:

und, Seele, suche Mich in dir.

 

(P. Alma, buscarte has en Mi)