Mein Geliebter ist mein

Das Äußerste, das Gott für seinen Freund tun kann, ist, sich ihm zu schenken. Und das Äußerste, was der Mensch vermag, ist, sich Gott zu schenken. Doch können wir Letzteres nicht vollkommen tun ohne seine Hilfe. Sagte doch die Braut zuerst: »Mein Geliebter ist mein« und nicht »ich bin sein«.

(Francisco de Osuna, S. 42)

Das Gebet der Ruhe

Man verspürt im Innern der Seele eine so liebliche Sanftheit, dass man daran die Einwohnung des Herrn erkennt. Es ist mehr als jene bekannte Andacht, bei der uns die Passion des Herrn oder unsere Sünden zu Tränen bewegen, so wohltuend diese Tränen auch sind. Ich nenne es Gebet der Ruhe, weil es den ganzen äußeren und inneren Menschen in Ruhe und stillen Frieden versenkt. Und er fühlt sich davon innerlich und äußerlich so gestärkt, als habe man ihm ein duftendes Öl ins innerste Mark gegossen. Es ist, als seien wir plötzlich an einen Ort versetzt, der allenthalben einen solchen Wohlgeruch ausströmt, dass dieser uns ganz durchdringt, ohne dass wir zu sagen vermögen, woher er kommt.

So dringt bei diesem Gebet die Liebe Gottes lieblich in uns ein. Die Braut – die Seele – möchte dann weder sprechen noch etwas sehen noch sich bewegen, damit der Geliebte bei ihr bleibe, denn ganz deutlich spürt sie seine Gegenwart. Zwar kann sie ihn nicht erblicken, doch teilt er ihr große Wahrheiten mit. In seinem Lichte, das sie nicht versteht, erkennt sie die Eitelkeit der Welt. Sie wird so gut gestärkt und unterwiesen, dass sie sich hinterher nicht wiedererkennt und nichts anderes mehr tun möchte, als den Herrn zu preisen. Aber während sie die Erfahrung des Gebets der Ruhe macht, ist sie so abwesend und versunken, als sei sie nicht mehr bei sich in einer Art Trunkenheit, in der sie nichts von dem weiß, was sie wünscht, sagt oder bittet. Dennoch ist sie nicht so außer sich, dass sie nicht wahrnähme, wie ihr geschieht. (MC 4, 2–3)

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Ich möchte dem, was ich über das Gebet der Ruhe sagte, noch Folgendes hinzufügen: Wenn die Seele ganz in Ruhe versenkt ist, kann der Verstand so unruhig werden, als geschehe das alles nicht im eigenen Hause. Er fühlt sich als Gast, als Fremdling, und geht sogar auf die Suche nach weiteren Unterkünften, denn es gefällt ihm nicht, still sein zu müssen. Ich berichte das von mir, die ich manchmal gern gestorben wäre, weil ich mir nicht mehr zu helfen wusste. Es muss aber nicht jedem so ergehen. Es kann auch sein, dass der Verstand zu Hause bleibt, weil er die Voluntas [den Willen] bei sich hat und mit ihr übereinstimmt, dass es eine Pracht ist! Die beiden sind dann wie ein glücklich verheiratetes Paar, das sich liebt, sodass der eine wünscht, was die andere möchte.

Noch ein weiteres Gleichnis möchte ich euch geben. Der Herr schenkte es mir im Gebet und es gefällt mir sehr: Im Gebet der Ruhe ist die Seele wie ein Säugling, dem seine Mutter eine Freude machen möchte, indem sie ihm die Milch in den Mund träufelt, sodass er sich gar nicht anstrengen muss. So dringt auch der Herr ohne Verstandesbemühen in die Seele. Sie soll nur seine Anwesenheit erfassen, die Milch schlucken, die er ihr einflößt, und wissen, dass er sie schenkt aus lauter Liebe. (CE 53, 4–5)

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Bei diesem spirituellen Geschehen tut derjenige mehr, der weniger denkt und weniger tätig ist. Wenn uns Gott auf seinen geheimen Wegen zu verstehen gibt, dass er uns hört, ist es gut zu schweigen. Wenn er nahe ist, ist es nicht schlecht, so meine ich, das Denken, wenn wir können, einzustellen. Gab uns aber dieser König noch nicht zu verstehen, dass er uns hört oder sieht, so sollen wir uns nicht zu Toren machen, indem wir versuchen, das Denken aufzuheben. Unsere Imagination wird dürrer und vielleicht auch unruhiger sein, wenn wir uns zwingen wollen, nicht zu denken. Der Herr wünscht, dass wir uns seine Gegenwart bewusst machen und ihn bitten, denn er weiß, was wir brauchen. Ich jedenfalls halte nichts von menschlichen Bemühungen in Dingen, in denen seine Majestät uns Grenzen setzte, deren Aufhebung er sich selbst vorbehielt. Er ließ uns ja genug übrig, wofür wir uns mit seiner Hilfe aktiv bemühen dürfen; so Werke der Buße oder das Gebet, soweit unsere Armseligkeit es zulässt. Zudem erzeugt das Bemühen, nichts denken zu wollen, sehr leicht ein Übermaß an Gedanken. Gott möchte doch auch ganz wesentlich, dass wir ihn ehren und seiner Herrlichkeit gedenken, wobei wir uns selbst und unseren Vorteil und Nutzen vergessen müssen. Wie aber können wir uns vergessen, wenn wir uns so sehr bemühen, uns nicht zu regen, und auch dem Verstand und Wollen nicht gestatten, zum größeren Ruhme Gottes tätig zu sein, ja, nicht einmal Freude daran zu empfinden?

Wenn seine Majestät will, dass der Verstand seine Tätigkeit einstellt, beschäftigt er ihn auf andere Weise, indem er unser Verstehen so erleuchtet, wie wir es niemals erreichen könnten. In diesem Licht geht dann der Verstand ganz auf und wir werden ohne sein Zutun besser belehrt, als wir es mit unseren Anstrengungen vermöchten, die ihn nur verwirren. Gott hat uns doch unsere Fähigkeiten gegeben, damit wir sie gebrauchen – eine jede zu ihrem Zweck. Darum ist es sinnlos, sie außer Kraft zu setzen; man muss sie vielmehr ihres Amtes walten lassen, bis Gott sie zu einer höheren Tätigkeit erhebt.

Nach meinem Verständnis ist es recht, wenn eine Seele, die der Herr in diesen Zustand versetzt hat, ganz still und gewaltlos versucht, den Gedankenstrom versiegen zu lassen. Aber sie darf weder den Verstand noch das Denken überhaupt aufgeben. Stattdessen sollte sie sich daran erinnern, dass sie vor Gott steht und wer dieser Gott ist. Wenn sie durch diese Empfindung in einen Versenkungszustand gerät, umso besser! Aber sie versuche nicht, Gott zu erkennen, denn das ist der Liebe vorbehalten. Sie lasse diese genießen und trage nichts weiter bei als einige liebevolle Worte. Auch wenn wir uns bei diesem Geschehen gar nicht um das Nichtdenken bemühen, stellt es sich doch oft ohne unser Zutun ein, wenn auch nur für kurze Zeit. (4 M 3, 5–8)

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Man suche möglichst tiefe Einsamkeit, um dem Herrn Raum zu geben und seine Majestät walten zu lassen wie in ihrem Eigentum. Sonst nur ein Wort von Zeit zu Zeit, wie jemand, der eine Kerze, die zu erlöschen droht, leicht anbläst, damit sie wieder aufflamme. Aber wenn sie wieder voll brennt, würde das Blasen sie nur auslöschen, wie mir scheint. Ich betone, dass sehr sanft geblasen werden muss, denn der Wille [die Liebe] verträgt es nicht, wenn der Verstand wortreich mit ihr in Wettstreit tritt.

Sieht sich der Wille in dieser Ruhe, so kümmere er sich um den Verstand nicht mehr als um einen Narren, denn wenn er ihn nachziehen wollte, würde dieser ihn zwangsläufig beschäftigen und beunruhigen. Dann wäre das Gebet eine einzige Anstrengung, wobei der Wille nichts gewinnen, sondern auch das verlieren würde, was er ohne Gegenleistung vom Herrn erhält. (CV 31, 7–8)

Gebet der Vereinigung und Menschheit Christi

Vom Gebet der Ruhe unterscheidet sich das kontemplative, gotteinende Gebet dadurch, dass die Seele auch die passive Aufnahme nicht mehr leisten muss. War sie zuvor wie ein Säugling, der die Milch noch zu schlucken hatte, erzeugt der Herr diese Nahrung nun direkt in ihrem Innern, ohne dass sie erfährt, wie. Im Gebet der Ruhe dagegen musste sie noch eine ganz winzige Leistung vollbringen, wenn sie auch so gering war, dass sie es fast nicht merkte. Was sie dabei plagte, war ihr Verstand. Im Gebet der Unio aber sind auch die drei Grundkräfte der Seele [Verstand, Wille, Gedächtnis] vereint, weil ihr Schöpfer ihre Eigentätigkeit aufhob. Sie sind ganz und gar beschäftigt mit der Seligkeit, die er schenkt, ohne dass sie verstehen, wie. (CV 31, 10)

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Ich möchte, dass ihr nur dieses eine begreift: Es geht auf diesem geistlichen Wege nicht darum, viel zu denken, sondern viel zu lieben. Was am meisten Liebe in euch weckt, das tut. (4 M 1, 7)

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Vor allem möchte ich die Kontemplativen vor Täuschungen und Illusionen warnen, denen sie häufig erliegen. Ist ihr kontemplatives Gebet echt, so haben sie auch große Liebe; wenn nicht, sind sie keine Kontemplativen. Diese Liebe kann sich in vielen Formen äußern, aber ein großes Feuer wird immer stark leuchten. Haben sie dieses Feuer der Liebe nicht, so ist das Grund zu Furcht und Sorge. Sie müssen versuchen herauszufinden, woran es liegt. Dem sollten sie dann begegnen durch Gebete, durch sehr demütiges Verhalten und durch flehende Bitten an den Herrn, er möge sie nicht in Versuchung führen. (CV 40, 4)

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Seine Majestät begann mir sehr häufig das Gebet der Ruhe zu verleihen und manchmal auch schon ein Gebet der Vereinigung, das sich über längere Zeit erstreckte. (V 23, 2)

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Ich will euch ein Zeichen sagen, an dem ihr das Gebet der vorübergehenden Vereinigung erkennen könnt: Wenn Gott die Seele ganz unwissend gemacht hat und sie weder sieht noch hört noch versteht – ein Zustand, der immer nur von kurzer Dauer ist und ihr manchmal noch kürzer erscheinen mag –, weil er ihr das Siegel seiner Weisheit einprägen will, dann lässt sich Gott auf eine Weise in der Seele nieder, dass diese, wenn sie wieder zu sich kommt, überhaupt nicht zweifeln kann, dass sie in Gott war und Gott in ihr. Sie ist dieser Wahrheit so sicher, dass sie auch nach Jahren und wenn ihr Gott gar keine weiteren Gnaden mehr mitteilte, nicht daran zweifeln kann, dass es so war. Hinzu kommen ja noch die Wirkungen dieser Gnade, wovon ich später sprechen will. Ihr werdet mich fragen: Wie konnte denn die Seele solche Gewissheit erhalten, wenn sie doch nichts sah und verstand? Ich habe hier aber nicht gesagt, dass sie das im Augenblick der Erfahrung verstand, sondern hinterher, und nicht als Vision, sondern als eine Gewissheit, die Gott ihr in die Seele legte. Ich kenne jemanden [Teresa], dem es noch nicht zu Ohren gekommen war, dass Gott in allem ist durch seine Gegenwart, Macht und Wesenheit. Doch durch eine solche Gnade, die Gott ihr erwies, gelangte sie zu diesem Glauben. (5 M 1, 9–10)

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Es kann für das kontemplative Gebet gut sein, wenn man dabei nicht an körperliche Dinge denkt. Ich möchte aber sehr hervorheben, dass hierzu nicht die heiligste Menschheit Christi gehört. Dieser Punkt ist wichtig; ich will versuchen, ihn darzulegen:

Wenn Gott alle Seelenkräfte aufheben will, wie in einigen der Gebetsarten, die ich schon erklärte, so kann er uns natürlich auch die leibhafte Vergegenwärtigung Christi nehmen. So weit ist das in Ordnung. Es ist ein glücklicher Verlust, weil uns dann mehr gegeben wird, als wir verlieren, da die Seele ganz in Liebe aufgeht zu dem, den der Verstand sich vorzustellen vergebens mühte. Aber dass wir selbst absichtlich und methodisch nicht immer – und wolle Gott, dass immer – die heiligste Menschheit Christi vor Augen haben wollen, das scheint mir gar nicht gut. Es ist für die Seele, wie man so sagt, ein Schlag ins Wasser, denn es fehlt ihr die Basis, so gotterfüllt sie auch scheinen mag. (V 22, 9)

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Vielleicht denkt ihr auch, dass, wer schon sehr hohe Gebetsgaben erfuhr, nicht mehr über die Geheimnisse der heiligsten Menschheit unseres Herrn Jesus Christus meditieren solle, weil er ja schon ganz von Liebe getragen ist. Hierüber habe ich anderenorts schon ausführlich geschrieben, und wenn man mir auch widersprochen und gesagt hat, ich verstünde nichts davon, wird mich niemand dazu bringen, auszusagen, dies sei ein guter Weg. Zwar kann ich mich täuschen und sind wir uns vielleicht schon einig, aber ich möchte doch wiederholen und euch bitten, niemandem zu glauben, der etwas anderes sagt.

Ich kann solchen Gedankengängen nicht folgen, denn es kommt nur den himmlischen, liebeflammenden Geistern zu, vom Körperhaften ganz abzusehen. Uns aber, die wir im sterblichen Leibe leben, ist es nötig, dass wir an jene denken und uns von ihnen begleiten lassen, die unter gleichen Bedingungen Großes für Gott taten. Erst recht sollten wir uns dann nicht absichtlich entfernen von all den Hilfs- und Heilsmöglichkeiten, die uns durch die heiligste Menschheit unseres Herrn Jesus Christus zuteilwerden. Ich kann nur meinen, dass, wer so spricht, nicht weiß, was er sagt, und sich und anderen Schaden zufügt. Zumindest kann ich allen versichern, dass sie nicht in die letzten Wohnungen [der inneren Burg] eintreten werden, wenn sie auf ihren Führer, unseren Herrn Jesus, verzichten. Sie werden dann den Weg verfehlen; sagte doch der Herr selbst, er sei der Weg. Er fügte auch hinzu, er sei das Licht, und niemand könne zum Vater kommen, wenn nicht durch ihn, und wer ihn sähe, sähe den Vater. (6 M, 7, 5–6)

Kreuz an allen Wegen

Wenn auch der Fahnenträger in den Schlachten nicht kämpft, ist er doch nicht in geringerer Gefahr und hat es innerlich schwerer als alle. Er kann sich ja nicht verteidigen, weil er das Banner hält, das er nicht aus den Händen lassen darf, auch wenn man ihn in Stücke haut.

So ist es auch die Pflicht der Kontemplativen, die Fahne der Demut voranzutragen und alle Streiche hinzunehmen, ohne einen einzigen zu erwidern. Es ist ja ihr Amt, gleich Christus zu leiden, das Kreuzesbanner hoch erhoben. Sie dürfen es nicht aus den Händen lassen, welche Gefahren auch immer drohen, und keine Schwäche zeigen, denn dafür erhielten sie ihr ehrenvolles Amt. Der Kontemplative gebe acht, denn wenn er das Banner loslässt, ist die Schlacht verloren. (CV 18, 6)

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Der Herr weiß, was jeder tragen kann. An dem Starken wird er ohne Zaudern seinen Willen erfüllen. Ich möchte euch diesen Willen näher erläutern. Habt keine Angst, dass er euch Reichtümer geben wird oder irdische Freuden und Ehren, so wenig liebt er euch nicht. Er weiß sehr zu schätzen, was ihr ihm gebt, und möchte es euch zurückzahlen, sodass sein Reich zu euch komme, während ihr noch auf Erden lebt. Wollt ihr wissen, was er denen gibt, die wirklich seinen Willen tun möchten? Dann fragt seinen glorreichen Sohn, der im Garten von Getsemani betete. Was er entschlossen und von ganzem Herzen erbat, seht, wie es ihm erfüllt wurde durch Leiden und Schmerzen, Schmähungen und Verfolgung, kurz, bis zum Tod am Kreuze!

Da ihr seht, meine Töchter, was er dem gab, den er am meisten liebte, so wisst ihr auch, was sein Wille ist. Solcher Art sind seine Gaben in dieser Welt. Sie entsprechen seiner Liebe zu uns: Je mehr er jemanden liebt, umso mehr derartige Gaben schenkt er ihm; und umgekehrt, immer entsprechend der Entschlossenheit und Liebe, die seine Majestät erkennt. Wer ihn sehr liebt, wird auch viel für ihn leiden können, und wer ihn wenig liebt, nur wenig. Meines Erachtens ist die Liebe das Maß für die Größe des Kreuzes, das jemand tragen kann. Wenn ihr also, Schwestern, Liebe zu unserem Herrn habt, so solltet ihr ihm nicht leere Worte sagen, sondern bereit sein, zu durchleiden, was seine Majestät euch schicken will. Wolltet ihr anders seinen Willen erfüllen, so wäre das, als hieltet ihr ihm einen Edelstein hin, aber wenn er die Hand danach ausstreckt, zieht ihr ihn zurück, um ihn gut zu verwahren. (CV 32, 6–7)

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Manchmal scheint es, als gehe die Seele in großer Not umher mit dem an sich selbst gerichteten Sagen und Fragen: »Wo ist dein Gott?« [Ps 42,4]. Ich muss gestehen, dass ich anfangs die Bedeutung dieses Psalms auch in meiner Muttersprache nicht recht verstand. Später aber, als ich ihn verstanden hatte, freute es mich zu wissen, dass der Herr mir die Verse ins Gedächtnis rief, ohne dass ich dazu beitrug. Auch erinnerte er mich an das Wort des Heiligen Paulus, er sei der Welt gekreuzigt [Gal 6,14]. Ich will damit nicht behaupten, dass es auch mit mir so war, das ist mir bewusst. Aber es scheint doch, dass die Seele sich in einem Zustand befinden kann, in dem sie weder im Himmel noch auf der Erde weilt und von beiden keinen Trost empfängt, sondern gleichsam gekreuzigt zwischen Erde und Himmel leidet, ohne von irgendeiner Seite Hilfe erwarten zu können. (V 20, 11)

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Mein Gott, was für innere und äußere Leiden muss doch die Seele auf sich nehmen, ehe sie in die siebente Wohnung [in die Unio mystica] eintreten darf! Ich überlege und befürchte manchmal, dass, wenn man alles vorher wüsste, man sich aufgrund der natürlichen Schwäche kaum dazu entschließen würde, trotz all der dadurch zu erringenden Herrlichkeit. Ich will diese Leiden hier nicht in systematischer Ordnung aufzählen, sondern so, wie sie mir einfallen. Um mit den geringsten anzufangen: Da erhebt sich Kritik bei Personen, mit denen wir umgehen, und bei solchen, mit denen wir nicht umgehen und von denen wir nie geglaubt hätten, dass sie sich um uns kümmern könnten: »Sie spielt die Heilige! Sie übertreibt, um die Welt zu täuschen und andere herabzusetzen, die bessere Christen sind ohne solche Vorführungen.« Und dabei ist wohl festzuhalten, dass sie nichts dergleichen tut, sondern nur bemüht ist, gewissenhaft ihre Pflichten zu erfüllen. Die ihre Freunde waren, kehren sich von ihr ab und geben ihr größte Bitterkeit zu schlucken, indem sie mit tiefem Bedauern von ihr sprechen: dass sie nun ganz verloren und offensichtlich den Täuschungen des Teufels erlegen sei, dass es ihr wie dieser und jener heillosen Person ergehen wird [und dergleichen mehr]. Auch schickt der Herr oft schwere Krankheiten. Solche Leiden sind weit schlimmer, zumal wenn sie mit starken Schmerzen verbunden sind. Ja, sehr heftige Schmerzen, die sich einstellen, wann sie wollen, sind meiner Meinung nach im äußeren Leben das Schlimmste, was einem in dieser Welt geschehen kann, denn sie bringen den Menschen äußerlich und innerlich ganz aus der Fassung, sodass eine Seele in ihrer Bedrängnis weder aus noch ein weiß und gern sofort irgendeinen Märtyrertod erleiden würde, um diese Schmerzen nicht mehr ertragen zu müssen.

Ich kenne eine Person [Teresa], die, seit der Herr ihr vor vierzig Jahren die erwähnte Gnade erwies, von sich sagen kann, dass sie wahrhaftig keinen Tag ohne Schmerzen und Leiden aller Art verbracht hat. Ich spreche hier vom Mangel an Gesundheit, nicht von anderen Beschwernissen.

Jedoch erscheinen gegen die seelischen Leiden die körperlichen nur klein. Es ist aber unmöglich, die ersteren genau verständlich zu machen. Beginnen wir mit der Qual, wenn wir an einen Beichtvater geraten, der ebenso klug wie unerfahren ist und darum gar nichts für sicher hält. Er ist voller Befürchtungen, er bezweifelt alles, was ein wenig vom Üblichen abweicht, besonders wenn es einer Seele begegnet, an der er irgendeine Unvollkommenheit bemerkt. Solche Beichtväter meinen, Gott könne diese Gnaden nur Engeln mitteilen, und man könne sie unmöglich erfahren, solange man noch in diesem Körper weilt. Darum verdammen sie alles und schieben es dem Teufel oder der Melancholie zu. Und davon ist die Welt ja so voll, dass es mich nicht wundert. Ganz unerträglich wird es, wenn auch noch Trockenheiten hinzukommen [seelische Dürre beim Gebet], sodass die Seele meint, sie habe noch nie Gottes wirklich gedacht, noch werde sie je seiner gedenken. Und wenn man von seiner Majestät spricht, so ist ihr, als rede man von einer Person, von der sie nur ganz entfernt einmal hörte.

Ihr Verstand ist so verdunkelt, dass sie die Wahrheit nicht mehr sehen kann, sondern glaubt, was die sie nun ganz beherrschende Einbildungskraft ihr vorgaukelt. So ist sie den unsinnigen Einflüsterungen des Teufels ausgeliefert, dem unser Herr Erlaubnis gab, sie zu prüfen, sodass sie zu wissen meint, Gott habe sie verworfen. Kein Trost ist in diesen Stürmen zugelassen, und wenn sie sich zu ihrem Beichtvater retten will, scheint er mit allen Teufeln im Bunde, um sie noch mehr zu quälen.

Kurz, man kann in diesem Sturm nichts anderes tun, als auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen, der plötzlich mit einem einzigen Wort oder einem unvermuteten Anlass die Wolken so schnell vertreibt, als habe es sie nie gegeben. Dann ist die Seele sonnendurchflutet und tief getröstet. (6 M, 1, 2–10)

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Wie lange, Herr, wie lange? Was tue ich nur, Du mein Alles? Soll ich vielleicht ersehnen, mich nicht nach Dir zu sehnen? O mein Gott und mein Schöpfer! Du verletzt[24] und verweigerst die Medizin: Du schlägst heimliche Wunden; Du vermehrst tötend das Leben; kurz, mein Herr, Du tust, was Dir in Deiner Allmacht beliebt. Und lässt, mein Gott, mich armen Wurm all diese Widersprüche ertragen. So sei es Herr, denn Du willst es, und ich will nichts, als Dich lieben. (E 6)

Mein Geliebter ist mein!

[Bericht:] Es war im zweiten Jahr meines Priorats im Menschwerdungskloster, eine Woche nach dem St. Martinstag. Als ich zur Heiligen Kommunion ging, zerbrach der Pater Johannes vom Kreuz die Hostie und teilte sie zwischen mir und einer anderen Schwester. Ich dachte, er tue das nicht aus Mangel an Hostien, sondern um mich zu erziehen, denn ich hatte ihm erzählt, wie gern ich möglichst große Hostien erhielt, obwohl mir natürlich klar war, dass ich immer den ganzen Herrn empfing, selbst in dem kleinsten Stück. Da sagte seine Majestät zu mir: »Fürchte dich nicht, Tochter, niemand vermag dich von mir zu trennen.« Damit gab er mir zu verstehen, dass ich mir nichts aus der Teilung der Hostie machen solle. Und dann ließ er mich, wie schon öfter, ganz tief im Innern eine bildhafte Vision erfahren: Er reichte mir seine rechte Hand und sprach: »Sieh in meiner Hand den Nagel. Er ist das Zeichen, dass ich mich heute mit dir vermähle. Bis jetzt hattest du es noch nicht verdient. Von nun an aber bin ich nicht nur dein Schöpfer, dein Gott und dein König, zu dessen Ehre du lebst, sondern du bist nun meine wahre, mir angetraute Gemahlin. Meine Ehre ist deine Ehre und deine Ehre ist meine Ehre.« Diese Gnade tat eine solche Wirkung in mir, dass ich völlig außer mir und wie von Sinnen war und ihn bat, er möge entweder meine Niedrigkeit erheben oder mir nicht eine solche Gnade erweisen. Denn ich hatte das sichere Gefühl, dass meine natürlichen Kräfte dem nicht gewachsen waren. Ich blieb so den ganzen Tag in tiefer Versunkenheit, wie abwesend. Hinterher spürte ich dann, welch ein Geschenk ich empfangen hatte, aber noch größer waren meine Verwirrung und Betrübnis, weil ich doch sehe, dass ich so großen Gnaden in keiner Weise zu entsprechen vermag. (CC 25, Ávila, den 18. November 1572)

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O Du wahrhaft Liebender! Mit wie viel Erbarmen, mit welch sanfter und zärtlicher Beglückung heilst Du uns die Wunde, die Du selbst mit deinem Pfeil verursachtest. O mein Gott, Du Stiller aller Leiden, wie ungereimt rede ich doch! Wie könnten denn menschliche Mittel die Wunden des göttlichen Feuers heilen? Wer kennt die Ursache und Tiefe dieser Wunden? Wer weiß diese glückselige Qual zu lindern? Es wäre widersinnig, die kostbare göttliche Wunde mit den geringen Mitteln der Sterblichen heilen zu wollen. Mit wie viel Recht sagt die Braut im Hohen Lied: »Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein.« Denn eine solche Liebe kann unmöglich von einer Unzulänglichkeit wie der meinen ihren Ausgang nehmen.

Wieso dann aber, geliebter Bräutigam, bleibt diese Unzulänglichkeit nicht bei den geschaffenen Dingen stehen, sondern schwingt sich zu ihrem Schöpfer auf? O mein Gott, warum kann ich sagen, ich bin Dein? Du, mein wahrhaft Liebender, hast diesen Liebeskrieg begonnen, der nichts anderes ist als eine Beunruhigung und ein Ausgesetztsein aller Sinne und Seelenkräfte, die gleich der Braut im Hohen Lied hinausgehen auf die Straßen und Plätze, um die Töchter Jerusalems zu beschwören, ihr zu sagen, wo sie Gott finde. Denn, Herr, wenn diese Schlacht begonnen hat – wer ist ihr Gegner, wenn nicht JENER, der die Burg besetzt hat, die sie bewohnten, das heißt den höchsten Teil der Seele, und der sie von dort vertrieb, damit sie umkehrten, ihren Eroberer zu erobern. Ohne ihn sind sie schnell ermüdet und je mehr sie ihren Widerstand aufgeben, umso besser kämpfen sie. Schließlich erklären sie sich für besiegt und besiegen so ihren Besieger.

Ach, meine Seele, welch wunderbare Schlacht hast du in diesen Kämpfen geschlagen und wie buchstäblich erfüllt es sich so! Denn mein Geliebter ist mein, und ich bin sein: Wer vermöchte zwei so flammende Feuer zu trennen oder zu löschen? Vergeblich wäre das Bemühen, denn beide sind eins geworden. (E 16)

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Wie armselig ist die Weisheit der Sterblichen und wie unsicher ihre Vorsorge! Gebe doch, Herr, Deine Vorsehung meiner Seele, wessen sie bedarf, um mehr Deinen Wünschen als ihren eigenen zu dienen. Straf mich nicht, indem Du mir gibst, was ich will und wünsche, wenn es Deiner Liebe, die immer in mir leben möge, nicht entspricht. Möge doch dieses mein Ich sterben, auf dass ein neues, größeres und besseres in mir lebe, dem mein kleines Ich zu dienen vermag: Dieses große Ich lebe in mir und gebe mir Leben. Es herrsche, und ich sei seine Gefangene, denn meine Seele will keine Freiheit mehr. Wie wäre denn frei, wer sich vom höchsten Gut entfernte? Gibt es denn für die Seele eine elendere Gefangenschaft, als wenn sie sich aus der Hand des Herrn löste? Glücklich, die sich durch starke Gitter und Ketten des göttlichen Erbarmens gefangen sehen und sich nicht daraus befreien können. Stark wie der Tod ist die Liebe und hart wie die Hölle. O hätten mich doch die Hände Deiner Liebe schon getötet und in diese göttliche Hölle geworfen, aus der es keinen Ausgang geben möge, oder besser gesagt, dass man nicht mehr fürchten müsse, sie zu verlassen! Denn, ach mein Herr, solange dieses irdische Leben dauert, besteht auch die Gefahr, dass wir das ewige verlieren!

Wenn ich es recht überdenke, ach Du mein Herr, so ist meine Verbannung lang. Kurz aber ist die Zeit, die uns gegeben wurde, um uns Ewigkeit zu erwirken. Lang ist ein einziger Tag, eine einzige Stunde für den, der fürchtet, Dich beleidigt zu haben. O freier Wille, welch Sklave deiner Freiheit bist du doch, solange dich nicht Furcht und Liebe an den Schöpfer binden. Wann werde ich ihn sehen, den glückseligen Tag, da du verschlungen bist vom unendlichen Meer der höchsten Wahrheit! Da du nicht mehr frei bist zu sündigen, noch frei sein möchtest, weil du, vor allem Elend sicher, ganz eingingst in das Leben deines Gottes. (E 17)

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Alle Ratschläge, die ich euch in diesem Buch gegeben habe, zielen auf einen einzigen Punkt: dass wir uns ganz dem Schöpfer schenken und unseren Willen in den seinen fügen. Dann wird der Weg kurz, auf dem wir zum Quell lebendigen Wassers gelangen. Aber nur der wird daraus trinken, der seinen Willen so dem Herrn übergibt, dass dieser ihn mit dem seinen in Übereinstimmung bringe. Das ist die vollkommene Kontemplation, meine Töchter, nach der ihr mich gefragt hattet.

Wir selbst, das schrieb ich schon, können dabei gar nichts tun. Jede Anstrengung hindert uns, nichts anderes zu sagen als: Dein Wille geschehe. Ja, Herr, mir geschehe Dein Wille, alles, was Du möchtest und wie Du es wünschst. Mögen Leiden über mich kommen mit der Kraft, sie zu ertragen; sind es Verfolgungen, Krankheiten, Entehrungen und Not – hier bin ich, Vater, ich wanke nicht und sehe keinen Grund zur Flucht. Denn Dein Sohn gab im Namen aller auch meinen Willen zur Liebe, wie sollte ich mich da verweigern.

Meine Schwestern, welche Kraft hat dieses Geschenk! Wenn wir es entschlossen geben, so ist es tatsächlich fähig, den Allmächtigen zu bewegen, dass er in unsere Niedrigkeit eingeht und uns in sich verwandelt. So wird der Schöpfer eins mit dem Geschöpf.

Und je mehr man durch seine Lebenswirklichkeit erweist, dass es sich nicht um leere Worte handelt, umso enger und enger vereint sich uns der Herr und hilft uns, alles Geschaffene wie uns selbst zu übersteigen, um seine großen Gnaden zu empfangen, die er denen, die ihm in diesem Leben dienen, unaufhörlich schenkt. So reich sind seine Gaben, dass wir gar nicht mehr wissen, um was wir noch bitten sollen, und seine Majestät wird niemals müde zu geben. Ja, es genügt ihm noch nicht, dass er unsere Seele mit sich vereinte, er beginnt auch, sich an ihr zu erfreuen, ihr Geheimnisse mitzuteilen und zu sehen, wie sie durch ihr Verstehen vorankommt und zu ahnen beginnt, was er zu schenken vermag. Er lässt sie den Gebrauch ihrer äußeren Sinne verlieren, damit sie nichts anderes mehr wahrnehme. Das nennt man Ekstase [arrobamiento]. Und er beginnt ihr solche Freundschaft zu bezeugen, dass er ihr nicht nur ihren Willen zurückgibt, sondern noch den seinen dazu. Denn es freut den Herrn in dieser liebevollen Freundschaft, dass er sich den Wünschen der Seele unterwirft, so wie sie sich den seinen, nur viel vollkommener, denn er ist allmächtig und vollbringt, was er wünscht, so, dass nichts zu wünschen übrig bleibt.

Die arme Seele aber kann nicht alles, was sie wünscht, vollbringen, sie vermag gar nichts, wenn er es ihr nicht schenkt: Das ist ihr größter Reichtum. Ich möchte euch eines raten: Meint nie, ihr könntet aus eigener Kraft und durch eigenes Bemühen zu diesem Gebet gelangen. Wenn ihr es versucht, werdet ihr scheitern und nur Kälte und Trockenheit empfinden. Ihr könnt nichts anderes tun, als in Schlichtheit und mit allumfassender Demut sagen: Dein Wille geschehe. (CV 32, 9–14)

Die Heilige Dreifaltigkeit

Große Barmherzigkeit hat uns Gott erwiesen, da er diese größten Gnaden jemandem mitteilte, durch den wir davon erfahren können. Denn je deutlicher wir wissen, dass er sich seinen Geschöpfen verbindet, umso mehr können wir seine Größe preisen und uns ermutigen, die Seele nicht gering zu schätzen, die dem Herrn so viel bedeutet. Jede von uns hat eine solche Seele, aber da wir oft vergessen, dass sie nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde, übersehen wir auch die großen Geheimnisse, die sie in sich birgt. Möge seine Majestät mir die Feder führen und mir die Fähigkeit schenken, euch ein wenig zu sagen von dem vielen, das hier zu erklären wäre. Mein Gott, ich zittere bei dem Gedanken, dass ich elende Kreatur hier über Dinge sprechen will, die zu verstehen ich nicht würdig bin. Ich war in großem Konflikt, ob ich diese Wohnung [die siebente] nicht lieber mit wenigen Worten übergehen sollte, weil man sonst meinen könnte, ich kenne sie aus Erfahrung. Das würde mich tief beschämen, da es in schlimmem Gegensatz steht zu dem, was ich bin.[25] Andererseits möchte ich doch alles tun, damit Gott ein wenig mehr verstanden und gepriesen werde, möge sich auch die ganze Welt über mich aufregen, zumal ich vielleicht längst tot bin, wenn man dieses liest.

Wir dürfen nicht meinen, unsere Seele sei etwas Winkeliges und Begrenztes. Sie ist eine innere Welt mit vielen und schönen Wohnungen und vor allem mit einer Wohnung für Gott. Wenn es nun seiner Majestät gefällt, dass er ihr die Gnade der geistlichen Vermählung erweisen will, so holt er sie zunächst in diese seine Wohnung. Zwar glaube ich wohl, dass er sie bei den Ekstasen und in der Erfahrung, die man Gebet der Einung nennt, schon mit sich vereinte. Aber die Seele hatte dabei nicht, wie jetzt in dieser Wohnung, den Eindruck, in ihre Mitte gerufen zu werden, sondern in ihren höheren Teil. Doch sei dem, wie dem sei, hier geschieht nun etwas ganz Neues: Gott nimmt der Seele die Schuppen von den Augen und zeigt ihr in einer geistigen, bildlosen Vision wahrhaftig die göttliche Trinität: Alle drei Personen in einem Lodern der Liebe, das ihren Geist zunächst wie eine lichte Wolke überlagert. So macht die Seele die wunderbare Erfahrung, dass diese drei Personen verschieden und doch nur eine Wesenheit sind, eine Macht und ein Wissen und ein einziger Gott. Was wir durch den Glauben kennen, versteht hier die Seele, so dürfen wir sagen, in einer Schauung, wenn auch in keiner bildhaften: Denn weder die Augen des Körpers noch die der Seele sind hier beteiligt. Alle drei göttlichen Personen teilen sich ihr mit, sprechen zu ihr und lassen sie die Worte des Evangeliums verstehen, mit denen der Herr sagte, er werde kommen mit dem Vater und dem Heiligen Geiste, um Wohnung zu nehmen in der Seele, die ihn liebt und seine Gebote hält [Joh 14,23]. (7 M 1, 1–7)

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Diese drei Personen befanden sich, so schien es mir, in meiner Seele, und ich sah, wie sie sich allen Geschöpfen mitteilten, keines ausließen und doch mein Inneres nicht verließen. (CC 15)

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Gott behüte, welch ein Unterschied besteht zwischen dem Glauben und der Erfahrung! Diejenige [Teresa], von der ich hier erzähle, gerät mit jedem Tag in größeres Staunen, dass die drei Personen der göttlichen Trinität sie nicht mehr verlassen, dass sie in ihrem Innern, im innersten Innern bleiben; sie spürt diese göttliche Gesellschaft in einer solchen Tiefe, dass sie nichts darüber zu sagen vermag, zumal sie keine Gelehrsamkeit besitzt. Ihr dürft mich aber nicht missverstehen, als erfahre die Seele diese göttliche Gegenwart ständig in so voller Klarheit wie beim ersten Mal. Wäre dem so, könnte sie sich mit nichts anderem beschäftigen und kein normales Leben mehr führen. Aber wenn auch nicht mit voller Klarheit, ist ihr doch immer bewusst, dass sie sich in dieser Gesellschaft befindet. Es geht ihr wie jemandem, der sich mit mehreren in einem Zimmer aufhält, und man schließt die Fensterläden, sodass alle im Dunkeln bleiben. Wenn sie auch durch das fehlende Licht niemanden mehr sehen kann, weiß sie doch, dass sie sich noch in der Gesellschaft befindet. Bei diesem Gleichnis muss man allerdings fragen, ob es der Seele freisteht, das Licht nach ihrem Willen wieder einzulassen, um zu sehen. Nein, das liegt nicht in ihrer Hand, sondern geschieht nur, wenn es dem Herrn gefällt, das Fenster ihrer Erkenntnis zu öffnen. Es ist ja schon barmherzig genug, dass er sie niemals mehr verlässt und dafür sorgt, dass sie dies sehr verständig verstehe. (7 M 1, 8–11)

Unio auf Erden

Die mystische Vermählung, von der wir hier sprechen, kann sich, solange wir leben, nie so vollkommen erfüllen, dass es uns nicht noch möglich wäre, uns selbst von Gott zu trennen und damit alles zu verlieren. Darum erweist Gott der Seele zu Anfang die Gnade, dass er sich ihr in einer geistigen Vision in seiner heiligen Menschheit zeigt, damit sie alles gut verstehe und nicht in Unwissenheit bleibe über die größte aller Gaben. Denn darin unterscheidet sich die mystische Vermählung von der geistlichen Verlobung: Die geistliche Verlobung besteht in einem Wechsel von Vereinigungen und Trennungen; in der mystischen Vermählung dagegen bleiben Gott und die Seele immer im tiefsten Zentrum geeint.

Es könnte scheinen, als wolle ich hiermit sagen, die Seele sei ihres Heils mit dieser Gottesgnade gewiss und könne nicht mehr fallen. Ich sage nichts dergleichen. Wenn ich Aussagen mache, die so klingen, als befände sich die Seele in absoluter Sicherheit, so meine ich damit nur, solange seine Majestät sie in seiner Hand hält und sie ihn nicht beleidigt. Ich weiß bestimmt, dass auch nach vielen Jahren die Seele sich nicht in Sicherheit wiegt, sondern dass vielmehr die Furcht in ihr wächst, Gott eine, wenn auch noch so geringfügige, Kränkung zufügen zu können. Auch ist ihr Wunsch, ihm zu dienen, so ungestüm, dass sie ständig darunter leidet, so wenig für ihn tun zu können in Anbetracht dessen, was sie für ihn tun möchte und sollte. Das ist kein kleines Kreuz, sondern harte Buße.

Man glaube nicht, dass in der Unio mystica die Seelenkräfte und Sinne und Leidenschaften immer in Frieden bleiben. Die Seele selbst dagegen, ihr Zentrum, ja. Es ist schwer, von diesem Zentrum unserer Seele oder unseres Geistes zu sprechen. Und ihr könntet versucht sein, meine Schwestern, mir nicht zu glauben, denn ich scheine mir ja zu widersprechen, indem ich sage, dass man in diesem Zentrum oder dieser mystischen Vermählung einerseits Mühen und Leiden hat und andererseits die Seele ganz in ihrem Frieden verbleibt. (7 M 2, 1, 5, 12–14)

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Ihr dürft auch nicht annehmen, dass der große Wunsch und feste Entschluss, bei sich selbst um keinen Preis mehr Verfehlungen oder gar Sünden zu dulden, diese ganz oder auch nur in hohem Maße ausschlössen. Gewiss begeht man sie nicht absichtlich, da man doch auch vom Herrn besondere Hilfen erhält – ich spreche hier sowieso von den lässlichen Sünden, nicht von den Todsünden, denn von Letzteren ist man, sofern sie einem bewusst werden, frei. Sicher ist man allerdings auch vor ihnen nicht, und die Möglichkeit, ungewollt gesündigt zu haben, bedeutet keine kleine Qual.

Wir haben immer wieder gesehen, dass diejenigen, die Christus in ihrem Leben besonders nahe sind, auch die größten Leiden durchzumachen haben. Das erkennen wir ja schon am Beispiel seiner Mutter und der seligen Apostel. Was meint ihr, gab dem Paulus die Kraft, so große Leiden auf sich zu nehmen? An ihm können wir die wahren Wirkungen der Kontemplation und der Visionen erkennen, wenn unser Herr sie schenkt und sie keine Irreführungen des Teufels sind. Hat sich vielleicht Paulus mit seinen Gebetsgnaden verborgen, um sie zu genießen und sich für sonst nichts zu interessieren? Ihr wisst schon, dass er keinen Tag Ruhe hatte, soviel wir sehen können. Und selbst nachts musste er arbeiten, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. (7 M 4, 3–5)

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Was diese [siebente] Wohnung von den vorhergehenden unterscheidet, ist Folgendes: Es gibt fast nie mehr geistige Dürre und keine inneren Beunruhigungen, wie sie sonst den ganzen Weg begleiteten, sondern die Seele ist fast immer in Ruhe. (7 M 3, 10)

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Diese Seelen empfangen die Ruhe in ihrem Innern nur, um sie im äußeren Leben umso weniger zu haben. (7 M 4, 11)

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Alles, was der Herr hier für die Seele tut und was er sie lehrt, vollzieht sich in einem so lautlosen Schweigen, dass es mich an den Bau des Tempels Salomons erinnert, von dem nicht das geringste Geräusch zu hören war. So ist ja auch die siebente Wohnung ein Tempel Gottes, darin er und die Seele einander in tiefstem Schweigen liebend begegnen.

Mich wundert es, dass auf dieser Stufe die Ekstasen fast völlig aufhören. Und was früher Anlass zu tiefer Andacht war, wie Bilder oder Predigten und dergleichen, hat kaum noch Bedeutung. Die Seele bewahrt wohl ihren Gleichmut entweder, weil sie im Herrn ihre Ruhe fand oder weil sie in dieser Wohnung so viel erfuhr, dass ihr gar nichts mehr ungewöhnlich erscheint, oder weil sie aus ihrer Einsamkeit heraustrat: Kurz, liebe Schwestern, ich kann es nicht erklären. (7 M 3, 11–12)

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Ich sage euch, dass es diesen Seelen [in der siebenten Wohnung] nicht am Kreuz fehlt, aber es beunruhigt sie nicht und lässt sie nicht den Frieden verlieren. Die Leiden gehen schnell vorüber, wie eine Welle, wie ein scharfer Wind, gefolgt von Meeresstille. Das macht die Gegenwart des Herrn, in der rasch alles Widrige vergessen ist. Ihn mögen preisen alle Kreaturen in Ewigkeit, Amen. (7 M 3, 15)

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Abschließend, meine Schwestern, möchte ich euch sagen: Wir wollen keine Türme bauen ohne Fundament, denn der Herr sieht nicht so sehr auf die Größe der Werke, sondern auf die Liebe, mit der sie vollbracht werden. Wenn wir tun, was in unseren Kräften steht, so wird der Herr uns von Tag zu Tag mehr Kraft geben, sodass wir nicht ermüden, sondern in unserem kurzen Leben – das vielleicht noch kürzer ist, als wir denken – unserem Herrn das Opfer darbringen, zu dem wir fähig sind. Seine Majestät wird es dem Opfer vereinen, das er für uns am Kreuze dem Vater anbot. So erhält schon unser guter Wille seinen Wert, auch wenn wir nichts Großes vollbringen. (7 M 4, 18)

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Manchmal muss ich an die Klage der Marta im Evangelium denken. Ich halte es für sicher, dass sie weniger ihrer Schwester galt als vielmehr dem Eindruck, dass Du, Herr, all ihre Mühe für Dich geringschätztest und es Dir nichts bedeutete, sie bei Dir zu haben. Vermutlich kam es ihr vor, als liebest Du sie nicht wie ihre Schwester. Das musste ihr schwerer fallen als alle Dienste, die sie Dir erwies, denn Arbeit für den, den wir so sehr lieben, ist uns wie Erholung. Man erkennt das daran, dass sie sich nicht an ihre Schwester wandte, sondern sich bei Dir, o Herr, beklagte, da die Liebe sie kühn machte.

Ich aber, Herr, stimme ich ein in die Klage dieser heiligen Frau? Oh, dazu habe ich nicht den geringsten Grund, denn mein Gott hat mir größere und stets wachsende Liebesbeweise gegeben, die alles übertreffen, was ich mir hätte wünschen oder vorstellen können. Ich beklage nur, wie lange Deine Güte mich schon ertragen musste, sonst nichts. Um was sollte ich elendes Ding Dich bitten? Gib mir, Herr, dass ich Dir, wie der Heilige Augustinus, ein wenig von dem vielen zurückgeben kann, was ich Dir schulde: Gedenke, dass Du mich erschaffen hast, und gib, dass ich Dich als meinen Schöpfer erkenne, um Dich zu lieben. (E 5)

Gedicht

IHM schenk ich mein ganzes Streben,

alles, was ich bin, ist sein.

So ist mein Geliebter mein,

und ich bin ihm hingegeben.

 

Ja, sein Pfeil hat mich gefunden,

und sein Lieben traf mein Leben.

Ewig bin ich so verbunden meinem Schöpfer,

dass daneben andre Liebe ganz entschwunden,

er erfüllt mein ganzes Sein:

So ist mein Geliebter mein,

und ich bin ihm hingegeben.

 

(P. Mi Amado para mi)