Eine ziemliche Einsamkeit

Die Erfahrung zeigt, dass im Zweifelsfalle die Liebe sich eher dem Leiden als den Freuden zuneigt.

(Francisco de Osuna, S. 124)

Begegnung mit dem
Pater Gracián

Beas, den 12. Mai 1575

An die Mutter Inés de Jesús, Medina del Campo.

Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euer Ehrwürden, meine Tochter! Ich bin froh, Sie gesund zu wissen, und bitte den Herrn, dass es so bleibe.

O liebe Mutter, wie gern hätte ich Sie in diesen Tagen bei mir gehabt! Ich gestehe Ihnen ohne Übertreibung: Es waren, glaube ich, die schönsten meines Lebens! Der Pater Magister Gracián blieb mehr als zwanzig Tage. Je mehr ich mit diesem Manne umgehe, umso deutlicher wird mir sein unschätzbarer Wert. Er ist vollkommen, einen besseren hätten wir uns nicht von Gott erbitten können. Nun müssen Sie mit Ihren Nonnen beten, dass seine Majestät ihn uns zum Oberen gibt. Dann könnte ich die Leitung dieser Häuser ruhig niederlegen, denn noch nie sah ich eine derartige Vollkommenheit vereint mit solcher Milde. Gott schütze und geleite ihn! Für nichts würde ich diese Zeit wieder hergeben, da ich den Pater so häufig sehen und sprechen konnte. (Cta 79)

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Im April des Jahres 1575, als ich das Kloster in Beas gründete, konnte auch der Magister Pater Jerónimo von der Mutter Gottes Gracián dorthin kommen. Ich beichtete einige Male bei ihm, wenn ich auch meine bisherigen Beichtväter, die mich leiteten, nicht durch ihn ersetzen wollte. Als ich nun in diesen Tagen einmal beim Essen saß, ohne irgendeine innere Sammlung, begann meine Seele abwesend zu sein und sich zurückzuziehen, sodass ich schon dachte, es überkäme mich eine Ekstase. Stattdessen kam eine Vision von der üblichen blitzartigen Kürze: Ich sah mich an der Seite unseres Herrn Jesus Christus, so wie er sich mir darzustellen pflegte. Zu seiner Rechten stand eben jener Magister Gracián. Der Herr ergriff seine rechte Hand und legte sie in die meine. Dabei sagte er mir, es sei sein Wunsch, dass ich diesen mein Leben lang als seinen Stellvertreter annähme und dass wir deshalb in allem miteinander übereinstimmen sollten.

Ich war sicher, dass Gott in mir sprach, wenn mir auch das Befohlene schrecklich widerstrebte, denn ich dachte an meine beiden langjährigen Beichtväter, denen ich viel verdankte, besonders dem einen, dem ich sehr zugetan bin [dem P. Domingo Báñez O. P.]. Aber ich konnte mich nicht überzeugen, dass es sich bei dieser Vision um eine Täuschung gehandelt hätte, so stark war die innere Wirkung. Zudem sagte mir der Herr noch zweimal, ich solle mich nicht fürchten, es sei dieses sein Wunsch, wenn er es auch immer mit anderen Worten sagte. So war ich schließlich bereit, dem zu folgen, da ich darin den Willen des Herrn erkannte. Ich wollte nun dem Entschluss ein Leben lang treu bleiben. So hatte ich mich noch nie an jemanden gebunden, obwohl unter meinen Beichtvätern sehr gelehrte und heilige Männer waren, die meine Seele mit großer Sorgfalt behandelten. Aber wenn ich mich auch nicht band, wäre es mir doch auch nicht eingefallen, sie zu wechseln, denn ich hatte sie ja gewählt, weil wir einander entsprachen.

Als ich nun aber diesen Entschluss gefasst hatte, überkamen mich eine solche Erleichterung und so ein Frieden, dass ich tief beeindruckt und sicher war, den Willen des Herrn erkannt zu haben. Denn solchen Trost und Seelenfrieden vermag der Teufel meiner Ansicht nach nicht zu verleihen. So pries ich denn den Herrn, wobei mir der Psalmvers in den Sinn kam: »Qui posuit fines suos in pace.«[27] Ich hätte mich am liebsten aufgelöst in Lobpreisungen Gottes. (CC 29, Beas, April 1575)

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Eines Nachts war ich sehr in Sorge, weil ich lange nichts von meinem Pater [Gracián] gehört hatte. Es war ihm nicht gut gegangen, als er mir das letzte Mal geschrieben hatte, wenn es zuvor auch schon schlimmer gewesen war – kurz, ich konnte vor innerer Unruhe nicht recht beten. Aber plötzlich erschien mir – und ich weiß, dass es keine Einbildung war – in meinem Innern ein Licht, und ich sah, wie er heiter und mit jenem weiß leuchtenden Antlitz daherkam, wie es meiner Ansicht nach alle Himmelsbewohner haben, weil der weiße Glanz des Lichts unseres Herrn auf sie fällt. Und ich hörte die Worte: »Sag ihm, er möge furchtlos beginnen, denn sein ist der Sieg.«[28] (CC 45, Sevilla, November 1575)

Briefe an den Pater Gracián

Toledo, den 23. Oktober 1576

An den Pater Jerónimo Gracián, Sevilla.

Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Ihnen, mein Pater! Heute habe ich drei Briefe von Ihnen durch die Post erhalten und gestern jene, die mir der Pater Alonso überbrachte. Wie gut hat der Herr mein Warten belohnt? Er sei allezeit gepriesen, weil mein Pater bei guter Gesundheit ist.

Zuerst hatte ich ja einen großen Schrecken, denn als man mir die Umschläge der Priorin gab und ich Ihre Schrift nicht fand, weder im einen noch im anderen, können Sie sich wohl denken, wie mir zumute war. Aber das hat sich ja dann schnell geändert. Bitte schreiben Sie mir doch immer das Datum der letzten Briefe, die Sie von mir empfingen. Denn manchmal antworten Sie nur direkt auf etwas und vergessen dann das Datum des Tages anzugeben.

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Toledo, 18. Dezember 1576

An den Pater Jerónimo Gracián, Sevilla.

Mit der Zeit, mein Pater, werden Sie ein wenig von der Offenheit verlieren, die ich selbst zwar als Heiligkeit erkenne, doch bin ich böser, schlechter Mensch hier ein wenig wie der Teufel, der nicht alle heilig sehen will. Denn ich möchte jeden Anlass vermieden wissen, der Sie ins Gerede bringen könnte. Ich selbst kann es mir aus verschiedenen Gründen zwar leisten, im Umgang mit Ihnen viel Liebe zu zeigen, aber nicht alle Nonnen dürfen das. Und es würden auch nicht alle ihre Vorgesetzten sein wie Sie, mein Pater, mit Ihrem Freimut.

Auch ist es wahr, dass ich in meinem Verhalten sehr vorsichtig und zurückhaltend geworden bin, seit mir im Orden Töchter anvertraut sind. Ich muss ja daran denken, dass der Teufel sie durch mich versuchen könnte. Gott sei Dank glaube ich zwar, dass kaum schwere Vergehen an mir festzustellen waren, denn seine Majestät hat mich davor bewahrt. Aber ich gestehe, dass ich mich doch bemühen musste, meine vielen Unvollkommenheiten soweit es geht vor den Töchtern zu verbergen.

Dazu gehört auch die Liebe zu meinem Paulus [P. Gracián] und die Sorge um ihn. Ich muss ihm oft klarmachen, was er für den Orden bedeutet, wenn ich ihn auch lieber mit solchen Vorhaltungen verschonen würde.

Wie lästig bin ich doch! Mein Pater möge nicht Anstoß nehmen an dem, was ich hier schreiben muss; wir haben beide eine große Last zu tragen und Gott und der Welt Rechenschaft abzulegen. Sie wissen ja, mit welcher Liebe ich Ihnen dieses sage, und werden mir verzeihen, wenn ich Sie bitte, meine Briefe niemals öffentlich vorzulesen. Sie müssen bedenken, wie verschieden die Menschen die Dinge auffassen, und Geistliche dürfen manchmal nicht zu freimütig sein. Es ist ja doch ein großer Unterschied, mein Pater, ob ich zu Ihnen spreche, nämlich wie zu mir selber, oder mit anderen, und sei es die eigene Schwester. Schließlich möchte ich ja auch nicht, dass jemand zuhört, wenn ich mit Gott spreche, oder dass man mich stört, wenn ich mit ihm allein sein will. (Cta 162)

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Ávila, Oktober 1577

An den Pater Jerónimo Gracián.

Ich sage Ihnen, dass Josef [Jesus] recht hat, wenn er Sie schlafen lässt. Ich bin recht froh, denn seit Sie abgereist sind, habe ich ihn sehr innig darum gebeten und angefleht, weil es mir so notwendig erschien. Fast könnte man glauben, er tue es meinetwegen, ja, ich glaube das wirklich, denn ich habe ihn in dieser Sache sehr bedrängt. Nun hoffe ich, dass sich mit dem Schlaf auch Ihre Leiden bessern.

Vernachlässigen Sie ja nicht eine solche Kostbarkeit wie das Gebet, es sei denn, es nimmt Ihnen zu viel von dem Schlaf, den der Körper so nötig hat. Der Herr gibt große Gaben im Gebet, und es wundert mich nicht, wenn der Teufel versucht, jemanden davon abzubringen.

Ich sage aber auch, mein Pater, dass es Ihnen sehr notwendig ist zu schlafen. Sehen Sie, Sie haben so viel Arbeit, und man merkt oft nicht, wie einem das zusetzt, bis der Kopfschmerz zeigt, dass es zu spät ist; Sie wissen doch, wie wichtig Ihre Gesundheit ist.

Bei Gott, ändern Sie Ihre Meinung und nehmen Sie sich nicht zu viel vor! Bitte tun Sie mir den Gefallen! Denn oft benutzt der Teufel das leidenschaftliche Engagement, um dem Geiste vorzugaukeln, etwas sei sehr wichtig im Dienste Gottes. Das heißt, wenn er von der Seite des Bösen nicht an uns herankommt, versucht er es vom Guten aus. (Ctas 453–454, Fragmente)

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Ávila, den 10. Juni 1579

An den Pater Jerónimo Gracián, Alcalá.

Aus beiliegendem Schreiben werden Sie, mein Pater, ersehen, was man über die arme Alte [Teresa] beschlossen hat. Wenn der Anschein nicht trügt, ist es meinen beschuhten Brüdern wichtiger, mich möglichst weit von sich zu entfernen, als mich im Kloster von Malagón zu wissen. Das hat mich ein wenig verdrossen, obwohl ich im Übrigen keinerlei Abneigung dagegen habe, nach Malagón zu gehen. Allerdings fiele es mir schwer als Priorin, denn ich bin jetzt für dieses Amt nicht geeignet, sodass ich fürchte, dem Herrn damit schlecht zu dienen. Beten Sie doch bitte für mich, dass ich stets eine treue Dienerin bleibe. Aber letztlich möge kommen, was da wolle – je größer die Prüfungen, umso größer der Lohn. Bitte, lieber Pater, zerreißen Sie gleich diesen Brief.

Es ist mir tröstlich zu wissen, dass Sie bei guter Gesundheit sind, wenn ich Sie auch bei der Hitze nicht gern an diesem Ort sehe. Ach, ich fühle mich einsamer mit jedem Tag, den Sie so weit fort sind, wenn mir auch der Pater Josef [Jesus] immer nah zu sein scheint. So verbringe ich das Leben gebührend ohne weltlichen Trost und in ständigem innerem Schmerz. Sie selbst, mein Pater, scheinen schon gar nicht mehr auf dieser Erde zu weilen, so gründlich hat der Herr Sie von allen Versuchungen und Bindungen befreit und Ihnen mit vollen Händen gegeben, was man für den Himmel braucht.

Ich habe dem Pater Vikar geschrieben, dass ich ungeeignet für das Amt der Priorin sein würde, weil ich am Gemeinschaftsleben nicht teilnehmen kann. Sonst wäre es mir nicht schwer: Um des Gehorsams willen ginge ich bis ans Ende der Welt. Ich glaube sogar, je mehr man von mir fordert, umso größer ist auch meine Freude, wenigstens etwas für diesen großen Gott tun zu können, dem ich so viel verdanke. Vielleicht dient man ihm sogar am besten, wenn man es aus reinem Gehorsam tut. Darum war ich auch meinem Paulus [P. Gracián] mit Freuden gehorsam, was auch immer er mir befahl. Hier würde ich gern noch manches hinzufügen, aber ich will damit lieber vorsichtig sein in einem Brief, zumal es sich um sehr innere Dinge handelt. Gott schütze Sie, mein Pater, Amen, Amen.

Gestern war der zweite Pfingsttag. Der meine ist noch nicht gekommen.

Ihre unwürdige Dienerin Teresa de Jesús (Cta 280)

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Malagón, den 14. Jan. 1580

An Pater Jerónimo Gracián, Alcalá.

Das Buch, von dem Sie mir sagen, dass es der Pater Medina abschreiben ließ, muss meiner Ansicht nach das große sein [die Autobiografie]. Lassen Sie mich wissen, was Sie darüber erfahren, und vergessen Sie es nicht, denn es würde mich sehr freuen, wenn es nicht verloren ginge. Sonst gibt es ja nur noch das Exemplar, das die »Engel« [die Inquisitoren] in Händen haben. Noch besser scheint mir allerdings das Buch, das ich später geschrieben habe [die innere Burg], wenn auch der Pater Domingo Báñez es nicht für gut hält. Zumindest hatte ich mehr Erfahrung, als ich es schrieb.

Gott behüte Sie. Wenn er mir eine Freude machen wollte, würde er mich Paulus [P. Gracián] sehen lassen. Will Gott mir aber diese Freude nicht machen, so sei mir Kreuz über Kreuz willkommen.

Ihre unwürdige Dienerin und wahre Tochter

Teresa de Jesús (Cta 305)

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Valladolid, den 18. Juli 1579

An den Pater Jerónimo Gracián, Alcalá.

Ich möchte Ihnen von einer Anfechtung erzählen, die mich gestern wegen des Elisäus [P. Gracián] befiel und die immer noch andauert. Mir scheint, dass er manchmal etwas nachlässig ist, indem er nicht in allem die ganze Wahrheit sagt. Zwar sehe ich, dass er das nur bei Geringfügigkeiten tut, aber ich wollte doch lieber, dass er sich auch hierin sehr sorgfältig verhielte. Ich bitte Sie von Herzen, mein Pater, ein ernstes Wort mit ihm zu reden, denn wahre Vollkommenheit ist mit solchen Nachlässigkeiten unvereinbar.

Sie sehen, ich mische mich hier ein, als hätte ich nichts anderes zu tun. Bitte empfehlen Sie mich Gott, denn ich habe es sehr nötig.

Ihre unwürdige Dienerin

Teresa de Jesús (Cta 286)

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Salamanca, den 4. Oktober 1579

An den Pater Jerónimo Gracián, Alcalá.

Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Ihnen, mein Pater! Angela [Teresa] hat nach dem, was sie mir berichtet, harte Prüfungen zu erdulden. Ihre Natur ist schwach, darum betrübt sie sich, wenn sie merkt, dass man ihr schlecht vergilt. Um der Barmherzigkeit willen bitte ich Sie, Pater, diesem Herrn [dem P. Gracián] zu sagen, er möge doch eine gewisse Sorglosigkeit seines Naturells nicht auf sie anwenden. Denn wahre Liebe schläft nicht so lange.

Meine Gesundheit ist leidlich. Die hiesige Priorin und die Schwestern empfehlen sich Ihnen, lieber Pater. Gott schütze Sie und lasse mich Sie wiedersehen.

Es ist schon drei Uhr in der Nacht, und ich habe die Prim noch nicht gebetet.

Heute ist der Tag des Heiligen Franziskus.

Ihre unwürdige Dienerin und Tochter

Teresa de Jesús (Cta 294)

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Valladolid, den 4. Oktober 1580

An den Pater Jerónimo Gracián, Medina.

Ich fürchte, dieses kleine Maultier ist nicht das richtige für meinen Pater, und ich meine, er sollte sich ein besseres kaufen. Wenn Sie zustimmen, könnte Ihnen jemand das Geld leihen, und wenn ich hier etwas bekomme, werde ich es Ihnen schicken. Dass man mir nur kein Tier kauft, das meinen Pater abwirft! Bei dem jetzigen Maultier macht mir das weniger Sorgen, weil es nicht hoch ist.

Ihre unwürdige Tochter

Teresa de Jesús (Cta 334)

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Palencia, den 22. Mai 1581

An den Pater Jerónimo Gracián, Salamanca.

Der Heilige Geist sei mit Ihnen, mein Pater. Sehen Sie jetzt, wie kurz meine Freude war? Dabei hatte ich mir die Reise so sehr gewünscht, und ich mochte mir gar nicht vorstellen, dass sie ja auch ein Ende haben würde. Ich dachte jetzt daran, dass mir das auch früher so ging, wenn ich in Ihrer Gesellschaft reiste. Um Himmels willen! Mir scheint, ich fange an, verdrießlich zu werden! Ja, ich muss Ihnen sagen, Pater, mein Fleisch ist schwach, und so bin ich trauriger geworden, als mir lieb ist. Es war wirklich schlimm. Sie hätten doch Ihre Abreise wenigstens bis zu unserem Umzug verschieben können! Acht Tage mehr hätten doch nichts ausgemacht! Eine ziemliche Einsamkeit haben Sie hier zurückgelassen.

Es ist wahr, ich schreibe Ihnen wenig Erfreuliches. Ich bin dazu nicht aufgelegt. Mir gereicht alles zum Überdruss, denn schließlich hat meine Seele niemanden mehr, der sie tröstet und leitet. Möge Gott das alles als Opfer annehmen, dann gibt es auch keinen Grund mehr zur Klage, wie tief auch immer der Schmerz ist.

O mein Pater, preisen Sie Gott, der Sie so schuf, dass jeder Sie gern hat! Niemand vermag diese Leere auszufüllen, die Sie hinterließen, und der armen Lorencia [Teresa] wird alles zur Last. Sie bittet sehr um Ihr Gebet. Sie sagt, dass nichts ihr die Ruhe und den Frieden wiedergeben könne, es sei denn Gott und jemand, der sie so versteht wie Sie, mein Pater. Alles Übrige wird ihr zu einem so schweren Kreuz, wie sie es niemandem wünschen möchte.

Auch Ana de San Bartolomé ist sehr traurig. Sie empfiehlt sich Ihrem Gebet. Geben Sie uns bitte Ihren Segen und empfehlen Sie uns sehr seiner Majestät. Er behüte und geleite Sie, Amen.

Ihre unwürdige Dienerin und Tochter

Teresa de Jesús (Cta 366)

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Valladolid, den 1. September 1582

An den Pater Jerónimo Gracián, Sevilla.

Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Ihnen, mein Pater. Auch häufiges Schreiben reicht nicht mehr aus, um mir den Kummer zu nehmen, wenn es mich auch erleichtert zu wissen, dass es Ihnen gut geht und das Klima dort gesund ist. Wolle Gott, dass es so bleibe! Soviel ich übersehen kann, habe ich alle Ihre Briefe erhalten.

Die Gründe für Ihren Entschluss zur Reise haben mich nicht überzeugt, denn die Studienordnung, so wie die Anweisung, nicht mehr die Beichten der Beatinnen zu hören, hätten auch von hier aus ergehen können. Zwei Monate Wartezeit würden den Klöstern dort nichts ausmachen, wenn Sie inzwischen hier alles geordnet hätten. Ich verstehe den Grund Ihrer Abreise nicht, doch empfinde ich unter den gegenwärtigen Umständen Ihre Abwesenheit so sehr, dass mir die Lust vergangen ist, Ihnen zu schreiben. So unterließ ich es bis jetzt, wo ich dazu gezwungen bin. Heute ist Vollmond, ich hatte eine schlechte Nacht, doch denke ich morgen, wenn der Vollmond vorüber ist, wird auch meine Indisposition vergehen. Das Halsleiden hat sich gebessert, aber es verlässt mich nicht.

Nach meiner Ankunft hier hat man mir erzählt, dass Sie nicht gern einen Mann von Format an Ihrer Seite sehen [P. Nicolás Doria]. Ich weiß sehr wohl, dass Sie tun, was Sie können. Aber wenn demnächst das Kapitel zusammentritt, möchte ich nicht, dass man Ihnen einen Vorwurf machen kann. Bedenken Sie das um Gottes willen und auch, was Sie in Andalusien predigen! Es gefällt mir gar nicht, Sie lange dort zu wissen. Was Sie mir vor wenigen Tagen erzählten von dem, was einige dort durchmachen mussten, lässt mich bitten, Gott möge mir den Kummer ersparen, dass ich Sie in ähnlicher Situation sehen müsste. Und Sie sagten es ja selbst, der Teufel schläft nicht. Zumindest müssen Sie mir glauben, dass, solange Sie sich dort aufhalten, ich mich in Sorge verzehre.

Wenn Sie auch nicht oft predigen, flehe ich Sie doch an, sehr auf das zu achten, was Sie sagen.

Über den Gang der Dinge in Salamanca gibt es viel zu berichten. Ich darf wohl sagen, dass ich schlimme Stunden damit verbracht habe, und wolle Gott, dass alles gut endet.

Ich muss Ihnen gestehen, dass die Priorin mich ausgetrickst hat. Sie ist ein typisches Weib: handelt einfach und tut, als besäße sie bereits Ihre Erlaubnis. Dem Rektor dagegen erzählt sie, sie sei von mir beauftragt, obwohl ich von dem Verkauf weder etwas erfahre noch ihn für richtig halte, wie Sie ja wissen. Und mir sagt sie, der Rektor handele auf Anweisung meines Paters. Das alles ist ein Intrigenspiel des Teufels, und ich weiß nicht, auf was es sich stützt, denn die Priorin lügt nicht, sondern verliert ihre Vernunft an den großen Wunsch, dieses unselige Haus zu besitzen. Sie hat den Kauf mit solcher Eile durchgezogen, dass ich das für Absicht halte, damit ich nichts davon erfahre. Beiliegender Brief zeigt Ihnen, dass die Kosten sich mit den Gebühren auf 6000 Dukaten belaufen. Es sagen aber alle, das Haus sei nicht mehr als 2500 wert. Wie reimt sich das zusammen, dass arme Nonnen ein solches Verlustgeschäft machen! Und das Schlimmste ist, dass sie das Geld nicht einmal haben. Mir kommt es vor, als sei alles eine Manipulation des Teufels, um das Kloster zu verderben.

Mein Pater, um Gotteswillen, seien Sie vorsichtig in allem, was Sie tun. Und trauen Sie niemals Nonnen, die Ihnen – das kann ich wirklich sagen – tausend Dinge vorspiegeln, um eine Sache zu bekommen, die sie unbedingt haben wollen. Es wäre viel besser, sie würden sich ein kleines Haus kaufen, wie es Armen entspricht, und dort in Demut einziehen – später könnten sie sich ja vergrößern –, als dass sie sich derartig verschulden.

Wenn mich, mein Pater, gelegentlich an Ihrer Abreise auch etwas freuen kann, dann ist es, Sie von allen diesen Unannehmlichkeiten frei zu wissen, die ich viel lieber allein auf mich nehme.

In Alba [de Tormes] hat man es sich sehr zu Herzen genommen, dass ich schrieb, ich sei verärgert und würde bald dort hinkommen. Gut so!

Ach Pater, in welcher Bedrängnis sah ich mich in diesen letzten Tagen, aber nun ist alles wieder gut, weil ich weiß, dass Sie gesund sind. Gott mit Ihnen!

Meine Empfehlung an die Mutter Priorin und alle Schwestern. Ich schreibe ihnen nicht, weil sie ja durch diesen Brief von mir erfahren. Ich bin froh, die Schwestern gesund zu wissen, und bitte sie, meinen Pater zwar nicht zu verwöhnen, aber gut zu pflegen.

Bitte grüßen Sie den Pater Johannes vom Kreuz! Auch Schwester Ana empfiehlt sich Ihnen. Der Herr behüte Sie, ich bete sehr darum. Er bewahre Sie vor Gefahren, Amen.

Heute ist der erste September [1582!].

Ihre ergebene Dienerin und Untertanin

Teresa de Jesús (Cta 438)

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Ich weiß nicht, woher ich die Zeit genommen habe, um alle diese Briefe zu schreiben. Ich muss doch auch immer noch Zeit für Josef [Jesus] übrig behalten, denn von ihm bekomme ich Kraft für alles. (Cta 134)

Gedicht

Nichts soll dich verwirren

nichts soll dich beirren

alles vergeht.

 

Gott wird sich stets gleichen

Geduld kann erreichen,

was nicht verweht.

 

Wer Gott kann erwählen,

nichts wird solchem fehlen:

Gott nur besteht.

 

(P. Nada te turbe bzw. Sólo dios basta aus: P. Silverio de Santa Teresa C. D., Obras de Sta. Teresa de Jesús, VI, Burgos 1919)