Schlachtensplitter 7

In den Ruinen von Hallmark, schon wieder.

Ich schaue mir meinen Truppführer an, halb so alt wie ich. Stark, sicher ein guter Krieger. Ich bin sicher, ich werd ihn heute noch flennen sehen. Er will siegen. Dabei gibt es hier keine Gewinner. Es gibt sie nie. Es gibt nie Gewinner auf der Roten Ebene. Der kleine Idiot hält seine Rede. Er spricht, als würde er Legionen kommandieren. Dabei sind wir gerade mal drei Dutzend.

Irgendwie ist er aber doch nicht so dumm, ihm ist klar, dass wir nur drei Dutzend sind, deswegen zaubert er eine Illusion herbei. Jede unserer Krieger und Kriegerinnen erhält ein Ebenbild, in der Marschordnung an anderer Stelle platziert, natürlich, damit es nicht so auffällt. Ich verkneife mir ein Kichern und denke mir, dass es vielleicht helfen könnte. Wir versammeln uns auf einem Platz vor einem Tempel eines toten Gottes. Die anderen versammeln sich auch, die Chaos-Kreaturen. Sie haben eine Schlachtenpriesterin bei sich. Die widerliche Hexe segnet ihre Streiter.

Wird ihr nicht helfen, ich hab heute super Laune. Dann passiert etwas ziemlich Unerwartetes. Ein Bolzen, Unterleib, direkt ins Gedärm, durch die Blase. Ich fühle es tröpfeln, aber ich habe Glück. Mein Tag auf der Roten Ebene ist noch nicht zu Ende. Neben mir eine Magierin. Zwei Krieger fangen mich auf, sie reißt den Pfeil aus mir heraus. Ich schreie. Dann heilt sie mich. Als ich widerstehe, sehe ich, dass die ersten Kämpfe im Gange sind. Zwei Todesritter stürmen vor, schnappen sich einen Lanzenträger. Es geht verdammt schnell, aber ich kann sehen, wie sie mit ihm spielen. Zweimal schlagen sie daneben, wecken Hoffnung in dem armen Schwein, dann ein Stich seitlich durch den Mund. Zähne fliegen und sie hacken ihn in Stücke.

Habt ihr schon genug? Verdammt nochmal, der Tag hat erst angefangen und ich bin schon müde. Und wenig später befinde ich mich an einem anderen Ort in Hallmark. Ich sehe, wie eine Gruppe von Garthors einen unserer Speerkämpfer auf der eigenen Waffe pfählt. Drei starke Krokodilwesen halten ihn hoch. Seinen Speer haben sie zwischen zwei Steinen festgeklemmt. Zwei weitere spreizen seine Beine. Sie bringen ihn in Position, dann lassen sie ihn fallen. Die Spitze bot sich durch seine Gedärme. Er schreit. Unter seinem Schlüsselbein tritt sie wieder aus, aber durchdringt nicht das Kettenhemd. Ich kann die Spitze also nicht sehen, nur die Beule, die sie verursacht. Ich aktiviere meine Hast. Als erstes schlage ich dem armen Schwein den Kopf herunter, dann sind die Gathors dran. Einem schlage ich die Schnauze ab. Zwei durchbohre ich, ganz ähnlich, wie sie es gerade mit dem Blaurock getan haben. Dem nächsten durchtrenne ich Adern in beiden Oberschenkeln, lasse ihn ausbluten. Dann ist da noch einer. Beide Hände, beide Füße. Denn ich glaube, das mit dem Pfählen war seine Idee. Ich überlege, ob ich ihm noch seine gelben, widerlichen Augen nehmen soll. Aber bevor ich das tun kann, taucht ein Dracoweibchen auf. Es schimmert vor magischer Energie, bewegt sich so schnell wie ich. Irgendein Chaos-Magier hat dem Biest ebenfalls Hast gegeben. Hast und eine Steinhaut. Die Steinhaut des Chaos ist eigentlich keine Steinhaut. Es sind magisch schimmernde, schwarz glänzende Schuppen. Als ob ein Draco nicht ohnehin schon genug Schuppen hätte. Ich schüttle innerlich den Kopf. Aber immerhin, der Kampf an sich ist interessant.

Mehrere Male werde ich zu Boden geworfen. Kiefer aus dem Urschleim der Zeit schnappen nach mir. Ich muss sogar meine eigene Steinhaut aktivieren, um diesen Kampf zu überstehen. Hinterher ist meine Rüstung nicht mehr die beste. Der gepfählte Blaurock ist mitsamt dem Speer zu Boden gefallen. Am Ende besiege ich die Draco nur, weil ich ihn aus dem Mann herausreiße. Brauner Schleim und Blut und Gekröse hängen an der Spitze. Noch immer geht der Draco blindlings auf mich los. Meine Rüstung hat Kratzer und Risse. Der Draco, er reißt sein Maul auf. Da drin hat er keine Schuppen, seien sie magisch oder von Natur aus sein Eigen. Und so stirbt die Bestie mit einem mit Scheiße und Blut beschmutzten Speer im Maul. Ist das Poesie?

Wie bin ich überhaupt hierhergekommen? Ich weiß, irgendetwas muss passiert sein, aber ich erinnere mich nicht. Natürlich, ganz am Anfang die Henkersklinge. Die ist unser aller Geburtsstunde hier auf der Roten Ebene. Ich überlege, mir neue Gegner zu suchen, solange meine Zauber noch wirken. Ich fühle nach. Lohnt sich nicht. Ich setze mich auf den Brustkorb des Draco, schlage zum Spaß nach dem Speer in seinem Maul. Er wippt ein wenig hin und her, aber nicht so federnd, wie ich es mir gewünscht hätte.

Selbst das ist frustrierend. Ich kontrolliere meine Rüstung mehr schlecht als recht, säubere mein Schwert. Das Schild wird es auch nicht mehr lange machen. Ich weiß, ich sollte aufstehen, aber ich bleibe sitzen und sitzen und sitzen. Die Sonne bewegt sich, wie sie es immer tut. Als ich wieder zu mir finde, ist sie schon viel weiter als ich. Ich sehe mich um, ich sitze noch immer auf dem Draco. Aber wieso?

Ah, der Schrei einer Blutsirene war es. Der und die Schrittgeräusche einiger Blauröcke, die vor ihr fliehen. Ihnen allen fließt bereits Blut aus den Ohren. Panik in ihren Gesichtern. Sie beachten mich gar nicht. Hinter ihnen eine Gestalt.

Eine schlanke Frau, nackt, wehendes rotes Haar, weißes Fleisch, viele blaue Adern schimmern hindurch. Sie hält sich aufrecht, die Beine geschlossen, die Fußknöchel berühren sich. Ihre Arme hat sie nach den Blauröcken ausgebreitet, so schwebt sie etwas über ihren Köpfen hinter ihnen her. Als ich die Blutsirene so sehe, regt sich Begehren in mir, dann Ekel. Ich reiße den verdreckten Speer aus dem Maul des Draco und werfe ihn. Ein guter Wurf, damit hätte ich fast nicht gerechnet. Überraschung im Gesicht der Chaos-Kreatur. Sie kann ihre Höhe nicht halten, sie fällt.

Der Speer ist unterhalb ihrer linken Brust eingedrungen. Ihr Leib und ihr Blut verzieren jetzt das Pflaster der Ruinenstadt. Leib und Speerschaft bilden ein Dreieck. Die Waffe hält sie halbwegs aufrecht in einem unmöglichen Winkel. Erinnert mich an die morbide Kunst des Orm.

Bin ich das? Bin ich ein Künstler des Todes? Na, wenn das zutreffen sollte, dann gilt das wohl für uns alle. Für einen der Blauröcke waren die Schreie der Blutsirene zu viel. Er stirbt mit Wahnsinn in den Augen. Die anderen beiden verschnaufen, nicken mir zu, sind froh, dass ihnen dieses Schicksal erspart bleibt.

Noch mehr nackte Blutsirenen schweben um die Ecke, wie betrachten kalt den Leib der ersten. Ihnen folgen zwei Ungetüme. Der Herr des Tores Gaarth, der die Chaos-Kreaturen nach Süden schickt, er hat seine üblichen Truppenzusammenstellungen geändert. Die Blutsirenen, wunderschön anzusehen allesamt, öffnen ihre Münder. Ich habe keine Wahl, ich darf sie nicht schreien lassen. Ich halte mir die Ohren zu für den Fall, dass ich nicht schnell genug sein werde. Dann beschwöre ich meinen Himmelssturm. Ich lege viel mentale Stärke hinein. Der Himmel über uns verdüstert sich. Es regnet kopfgroße Hagelkörner und Speere aus gefrorenem Wasser.

Ich kann nicht hinsehen, ich muss meinen Schild über meinen Kopf heben. In meiner Hast hab ich nicht gut genug gezielt. Wir alle sind im Wirkbereich dieses Zaubers. Am Ende sind alle Blutsirenen und Ungetüme tot. Die Blauröcke ebenfalls. Mein Schild hat gehalten, aber mein Arm tut jetzt weh. Ich hab mir auf die Zunge gebissen, blute aus dem Mund. Ein Ärgernis. Das Blut der Toten fließt über das Straßenpflaster und vermischt sich hier und da zu großen Lachen. Ich raffe mich wieder auf.

Habe keine Lust mehr hierzubleiben. Wenig später stoße ich auf drei Vampirfrauen. Zusammen mit einigen Meuchelkatzen haben sie es auf ein Dutzend meiner Leute abgesehen. Sie haben noch Kampfgeist, meine Leute. Mit Armbrüsten und Bögen machen sie die Meuchelkatzen zuerst nieder. Dann teilen sie sich auf, verteilen sich als Gegner auf die drei Vampirfrauen. Die fauchen, zwei kämpfen mit ihren Klauen. Die andere trägt eine kostbare Rüstung und ein eben solches Schwert. Die Herrin der beiden andern, so viel ist sicher.

Soll sie mein Feind sein für den Moment. Ein gutes Duell, eleganter als das sonstige Hauen und Stechen. Ein Schritt vor. Schlag von oben, die Vampirin kann ihn abwehren. Ich lasse ihr keine Zeit, meine Klinge beschreibt einen Bogen, kratzt über die Seite ihrer Rüstung. Funken, aber auch, um die zu bewundern, lasse ich mir nicht die Zeit, ich habe sie auch gar nicht. Die Vampirin geht zum Gegenangriff über, mit links stößt sie mich weg. Dann führt sie ihr Schwert mit beiden Händen, sie führt es von unten nach oben. Damit habe ich nicht gerechnet, wenn ich ehrlich bin. Ich kann nur zurückspringen. Ich antworte ihr mit einer Finte und dem Schlag mit dem Schild. Ein Wuchttreffer, der keinen Schaden anrichtet, aber sie zurücktreibt. Ich setze mit einer Reihe schneller Hiebe nach. Die Vampirin faucht, die Fangzähne gebleckt, die Augen rot. Sie hat ein schönes Gesicht, finde ich. Nun ja, nicht mehr lange.

Manche von uns tun das. Chaos-Kreaturen besteigen. Natürlich nicht, wenn sie noch neu sind auf der Roten Ebene. Nein, Jahrhunderte später kommen sie auf die Idee.

Meine Angriffe kommen ins Stocken, als die Vampirin einen Dolch nach mir wirft. Ein kraftvoller Wurf. Ich kann die Energie spüren, ein richtiger Schlag ist es, aber die Waffe prallt an meiner Rüstung ab. Die Vampirin lässt mir keine Zeit zur Ruhe oder mich zu sammeln. Ich pariere den ersten Schlag, den zweiten und den dritten. Für den vierten bin ich zu langsam. Zwischen Schulterplatte und Hals dringt er ein, der Biss der Klinge schmerzt. Aber sie hat nicht tief gebissen. Trotzdem fließt Blut. Ich kann spüren, wie es warm aus mir hervorquillt. Die Vampirin fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Eine laszive Geste, animalisch, unwillkürlich. Und da haben wir sie, die Schwäche der Vampire. Die Aussicht auf mein Blut lässt die Bestie unvorsichtig werden. Sie verliert die Kontrolle, aber noch nicht ganz. Ich weiß am liebsten würde die Vampirin trinken, sich mit ihren Klauen auf mich stürzen. Sie würde mich am liebsten anspringen und zur Boden drücken, während sie mir das Blut aussaugt. Ich sehe dieses Feuer in ihrem Blick auflodern. War schon die ganze Zeit da, aber jetzt brennt es heller. Ich nutze ihre Schwäche, gehe zum Gegenangriff über. Ich muss mich anstrengen, um die Serie meiner Schläge nicht abreißen zu lassen. Ich zähle sie nicht mehr, aber ich treibe die Vampirin durch die Straßen. Irgendwann verändert sich ihr Blick, sie bekommt jetzt Angst. Soll mir recht sein. Es dauert lange, bis ich den finalen Treffer anbringen kann. Vom Scheitel bis zum Nasenbein frisst sich meine Klinge in ihren Kopf.

Ich reiße sie unter Mühe wieder heraus, ein Rückschritt, eine Drehung, ein neuer Schlag, und der Kopf rollt. Die Untote fällt leblos zu Boden. Ich keuche, schwitze, brauche Zeit zum Atmen.

Wo bin ich? War ich hier schon einmal in diesem Teil der Ruinen? Die Gebäude sind aus Nordsteinmarmor. Natürlich, auch sie beschmutzt von altem Blut und der Zeit. Aber ich kann mich tatsächlich nicht erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein. Auch die Ruinen an den Torbögen und Türen sehen anders aus. Eine Schrift, die ich noch nicht kenne, ganz vergilbt. Manchmal glaube ich, die rote Ebene verändert sich. Sie wächst und verformt sich vielleicht, überlege ich. Ich verstecke mich vor drei Schmerzschwebern. Kopfgroße Kugeln, bewegen sich durch die Luft voran. Sie sind aus einem fremdartigen Metall. An manchen Stellen leuchten sie, es dringt falsches Licht hervor. Und die Geräusche, die sie machen, sind ebenfalls fremd und furchterregend. Sie verschießen Energiestrahlen, aber sie bemerken mich nicht.

Ich glaube, sie reagieren nur auf Bewegung. Das zumindest hat mir mal ein alter Krieger erzählt, den ich seitdem nicht mehr auf der Roten Ebene gesehen habe. Ich erinnere mich an den Rat, folge ihm. Ich verhalte mich mucksmäuschenstill, wage kaum zu atmen. Rein äußerlich sind das nicht die furchterregendsten Gegner, die das Chaos zu bieten hat. Aber sie sind sehr schwer zu treffen. Klingen und Pfeile können ihnen kaum etwas anhaben. Am besten kommt man ihnen mit Hämmern und Streitkolben bei. Ich bin froh, als sie vorbeigeschwebt sind. Sollen sie einem anderen Kameraden Schmerzen bringen an diesem Tag auf der Roten Ebene.

Wie den vier versprengten Orks, die mir im Anschluss über den Weg laufen. Naja, es ist fast entspannend, sie zu töten. Sie verkörpern alles, was wir an uns selbst hassen. Unsere Hässlichkeit, unsere Verschlagenheit. Vor allem aber unsere giergetriebene Dummheit. Aber sie haben einen Vorteil uns gegenüber. Sie sind einfach, wie sie sind. Orks hinterfragen ihre Motive nicht. Genaugenommen gilt das für alle Chaos-Kreaturen. Wo wir immer wieder hadern, leben sie einfach nur. Ich lasse die Leichen der vier hinter mir zurück. Sie suchen nicht nach irgendeinem Sinn in dem Ganzen hier. Ich komme an der Leiche einer Axtkämpferin vorbei, die Kleidung zerrissen. Wahrscheinlich haben diese vier sie erschlagen und geschändet oder wahrscheinlich sogar anders herum. Ich betrachte ihr Gesicht. Rund, wohlgenähert, hübsch. Er war auch noch nicht lange her, doch Pein ist in ihre Züge eingraviert, im Tode erstarrt.

Sie wird sich daran erinnern, morgen auf der Roten Ebene. Solche Erinnerungen sind der schlimmste Feind. Vielleicht sind sie der Grund, aus dem wir immer wieder kämpfen. Sie zu vermeiden, die Erinnerungen an schmerzhafte, würdelose Niederlagen. Sie zu ersetzen mit Triumphen und Siegen, und seien sie noch so klein. Vielleicht ... plötzlich spüre ich etwas. Hände, die sich um meinen Hals legen. Ein Würgeschatten hat sich an mich herangemacht. Einen Schemen, schwarz und halbstofflich, Ich zerre ihn mit mir, ich muss aus dem Schatten der Gebäude um mich herum heraus treten. Es ist gar nicht so einfach, in den Ruinen von Hallmark einen Platz zu finden, wo es keine Schatten gibt. Aber ich finde einen. Der Würgeschatten löst sich nicht auf oder so etwas. Er ist nicht plötzlich weg, noch immer bekomme ich keine Luft. Aber er wird schwächer, der Griff lockert sich ein wenig.

Gleichzeitig wird der Leib der Schattenkreatur fester. Jetzt macht es Sinn, mein Schwert fallen zu lassen und mein Dolch zu ziehen. Einmal steche ich nach hinten rechts an mir vorbei, dann steche ich nach hinten links an mir vorbei. Beide Male dringt die Klinge in etwas ein. Es fühlt sich seltsam an, als sie das tut. Der Würgeschatten macht kein Geräusch, aber sein Griff wird noch schwächer. Ein paar Male steche ich noch, dann gelingt es mir, mich loszureißen. Ich lasse den Dolch wieder fallen, greife nach meinem Schwert. Ich halte mich auf dem Sonnenflecken, der Würgeschatten umkreist mich langsam, aber stetig. Ich versuche, ihn im Blick zu behalten. Immer wieder verschwimmt er vor meinen Augen, doch plötzlich geht er in Flammen auf. Meine Augen verfolgen den Weg der Flammenlanze instinktiv zurück. Ein Zauberer in blauer Robe. Er wird von einer Handvoll Krieger begleitet.

Ich gehe zu ihnen, wir essen. Vielleicht hat jemand von ihnen ein Stück Wargschnauze für mich. Gespräche, wenn sie denn stattfinden, sind nicht erinnerungswürdig. Ich schließe mich ihnen an, ohne viel darüber nachzudenken. Trotte einfach hinterher, es rumort in meinen Eingeweiden. Das ist ungünstig. Ohne den anderen Bescheid zu geben, gehe ich in eines der Häuser. Eigentlich erstaunlich, dass ich noch das Bedürfnis habe, hierzu alleine zu sein. Als ich fertig bin und wieder nach draußen trete, sind sie weg. Ich bedauere, dass der Magier mich nicht geheilt hat.

Vielleicht wollte er das nicht. Vielleicht wollte er seine Heilzauber für die Kammeraden aufsparen, vielleicht konnte er auch gar kein Heilzauber wirken. Es ist egal, ich fühle mich zerschlagen. Ich seufze schwer, mit müden, langsamen Schritten schreite ich voran. Irgendwann finde ich mich vor dem Hinterhof einer ehemaligen und jetzt verfallenen Taverne wieder. Zwei Blauröcke treiben es miteinander. Sie sehen, dass ich sie sehe, aber es ist ihnen egal. In ihren Bewegungen liegen Wahnsinn und Todessehnsucht.

Ich drehe mich um. Ein Oger, drei Orks, sie stürmen auf mich zu. Ich bleibe in der engen Gasse, die zu dem Hinterhof führt. Plötzlich will ich, dass die beiden Blauröcke es weiter treiben können, ohne abgeschlachtet zu werden. Ich beschließe, keine Chaos-Kreatur zu ihnen durchzulassen. Ich bin wieder stark genug für meine Steinhaut und meine Hast. Wären es nur die Orks gewesen, hätte ich darauf verzichtet. Aber ein Oger kann manchmal problematisch sein. Am Ende glänze ich vor frischem Blut und meinen Schild ist zerstört.

Muss mir einen Neuen besorgen. Um die Gasse zu verlassen, muss ich beinahe über den Oger hinwegklettern. Der Leib der großen Chaos-Kreatur verstopft sie. Dann überlege ich es mir anders. Anstatt mir einen Schild zu suchen, nehme ich mir einen Ork-Säbel mit. Eine schwere, plumpe und hässliche Waffe. Aber damit passt sie ganz gut zu meiner linken Hand. Eine Weile kämpfe ich beidhändig. Irrwische und ein Ork-Schamane. Kurz nachdem ich einen Inkuben getötet habe, finde ich tatsächlich einen Schild, der mir gefällt.

Ich lasse den Orksäbel fallen und nehme ihn. Das stellt sich dann, eine halbe Stunde später, als eine gute Entscheidung heraus. Der Schild schützt mich vor dem Säurestrahl einer Sulphurspinne. Das Mistvieh ist von einem Dach gesprungen, hat dort gelauert. Ich frage mich, wie sie dort hochgekommen ist, denn Sulphurspinnen sind groß und schwer. Als ich mit dem Biest fertig bin, ist meine halbe Rüstung weggeätzt. Die Säure frisst sich durch meine Brustplatte. Ich lege sie ab. Aller Erfahrung nach werde ich es nun nicht mehr lange machen. Ich betrachte das Stück Metall. Ich zähle die größeren Kratzer und kleinen Löcher, die ich noch sehen kann. Alleine heute hat die Rüstung mein Leben unzählige Male gerettet. Jetzt steigt violetter Chaos-Dampf von ihr auf, ein Wind aus dem Norden verweht ihn, weht ihn von mir weg, was gut ist. Er trägt auch den Gesang der Schlacht an meine Ohren, Waffengeklirr, Todesschreie, gebrüllte Befehle, Chaos.

Aber hier ist es noch still, hier sind nur ich und die tote Sulphur-Spinne. Das ist mir sehr, sehr recht im Augenblick. Ich betrachte die Hunderten von gelblichen Augen dieser Bestie, die haarigen Chitinbeine, groß wie zwei Speere, nur mindestens genauso scharf und spitz und tödlich.

Ob sie wohl Eier legen wie richtige Spinnen? Ich glaube nicht. Ich glaube, an jedem Tag auf der Roten Ebene werden im Tore Gaarth aus einer Chaos-Ursuppe Monster geboren. Aber vielleicht irre ich mich auch. Erneut denke ich darüber nach, das Tor Gaarth einmal zu besuchen. Ich will es sehen. Vielleicht, wenn ich mich das nächste Mal im Vieksteingebirge befinde oder in Schwarzburg, dann könnte ich meinen Leuten den Rücken kehren. Natürlich gibt es keine Garantie, dass ich das jemals schaffen könnte. Aber wird es wohl nicht gehen. Auf meinem Weg dorthin würde ich unzähligen Chaos-Kreaturen begegnen. Leider habe ich keinen Tarnzauber. Die Hast wird auch keine große Hilfe sein. Dazu hält sie zu kurz an.

Sturmling Namenlos, die Geißel der Hyggensee, steht vor mir. Er sieht mich an, der junge Krieger. Ihm fehlt das linke Ohr. Er war ein Pirat, früher in einer anderen Welt. Er mustert mich und stellt fest, dass ich heute nicht mehr kämpfen will. Er dreht sich um und geht, ist mir recht.

Ihm folgt ein langer Tross von Kriegern. Es sind etwa dreißig Frauen und Männer. Es dauert eine Weile, bis sie an mir vorbeigezogen sind. Etwa eine Minute, nachdem sie aus meiner Sicht sind, nachdem sie in den Straßen und Gassen der Ruinen von Hallmark verschwunden sind, höre ich, dass sie kämpfen müssen.

Ich würde jetzt gern ein Lied hören, eines von früher, vielleicht eines, das meine Mutter immer gesungen hat. Manchmal trifft man hier jemanden, mit dem man alte Lieder singen kann. Hinterher ist man meist in schlechterer Stimmung als zuvor. Katapultsteine fliegen über mich hinweg.

Der Lärm weicht nicht. Hier kommt man nie zur Ruhe. Aber ein wenig Zeit bleibt mir noch vergönnt. Dann höre ich knöcherne Schritte.

Silberskelette, Augen aus Rubin, mächtig. Ich bin alleine. Es macht kaum Sinn, Gegenwehr zu leisten, und zu fliehen habe ich keine Lust. Ich werf einen Blick auf meine Brustplatte. Die Säure der Sulphurspinne hat sie fast zur Gänze aufgelöst. Ich seufze. Ich weiß nicht, ob ich schon wieder seufze, oder zum ersten Mal, es spielt auch keine Rolle. Ich lasse Schwert und Schild liegen und erhebe mich. Ich gehe den Silberskeletten entgegen. Sie werden mein Leib durchbohren und mich zerhacken, mit ihren Säbeln und Schwertern. Aber das spielt keine Rolle, denn danach werde ich wieder kämpfen. Auf der Roten Ebene.