Schlachtensplitter 13

In der Nähe von Ruhn, auf der Roten Ebene.

Überall um uns herum schlagen magisch verstärkte Geschosse ein. Viele von uns werden in kreischende, umherrennende Fackeln verwandelt.

Auch der Himmel steht in Flammen. Ich zähle etwa ein Dutzend weiße Drachen und mehr als doppelt so viele rote. Ihre Feuerstöße zeichnen chaotische, aber wunderschöne Bilder in die Wolken. Hinter mir schreit jemand. Es hört sich an, als habe er sehr große Schmerzen. Ich drehe mich nicht um. Eine Gruppe von Wargreitern kommt auf Angriffsdistanz heran. Ihre Anführerin, ein Orkweibchen, macht magische Gesten. Kurz ist sie in violette Chaosenergie gehüllt. Sie stärkt sich, bereitet sich vor. Dann hebt sie den Arm zum Angriff. Sie preschen los. Die Biester heulen, knurren und geifern. Das gilt für die Orks und für die Warge. Ich kann schwer atmen. Vorhin hat mich der Keulenschlag eines Ogers getroffen. Ich überlege, ob ich noch ein Heiltrank zu mir nehmen soll. Aber nein, ich will ihn nicht verschwenden. Es wird schon gehen. In wenigen Sekunden werden die Warge weiter in unsere Reihen krachen. Ich aktiviere meine Steinhaut. Der Kampf dauert nicht so lange, wie erwartet.

Das liegt vor allem daran, dass uns zwei Magier zur Hilfe kommen. Ihre Feuerbälle und magischen Wurfklingen, sie sind eine große Hilfe. Wir hatten nicht mehr allzu viel zu tun. Von hinten strömen neue Kämpfer heran. Wir schließen unsere Reihen wieder. Im Augenblick ist es in unserem Abschnitt ruhig. Aber von überall her dringt noch Schlachtenlärm an meine Ohren. Ich nutze die Zeit, betrachte das Spektakel, das noch immer am Himmel über uns tobt.

Drei rote Drachen jagen einen Weißen. Von hier unten kann ich ihre Taktik genau beobachten. Der weiße Drache allerdings kann das nicht. Zwei fliegen hoch hinauf in die Luft. Der Dritte bleibt auf einer moderaten Höhe. Er fliegt langsam. Die Flügelschläge sind kraftlos, wenn man dieses Wort auf Drachen überhaupt anwenden kann. Der Weiße, der wittert eine Chance, so wie es aussieht. Er will sich den kraftlosen, roten Drachen schnappen. Doch kurz bevor es soweit ist beschleunigt er. Den weißen Drachen hat jetzt das Jagdfieber gepackt.

Er verfolgt den Roten, versucht ihn mit einem Feuerstoß zu erwischen. Das Ganze zieht sich ein bisschen hin. Die anderen roten Drachen lassen sich Zeit. Vielleicht mögen sie den Artgenossen nicht besonders, der gerade den Köder spielen muss. Aber es dauert dann doch nicht so lange, bis sie eingreifen. Sie stoßen von oben auf den weißen Drachen herab. Die Geschwindigkeit ist atemberaubend. Während der ersten Sekunden ihres Kampfes verlieren sie alle an Höhe, trudeln ineinander verschlungen nach unten. Sie kommen dem Boden so nah, dass ich sehen kann, dass der weiße Drache schwer verletzt ist. Er blutet. Aber er gibt nicht auf, er kämpft, sie gewinnen wieder an Höhe. Einer der roten Drachen hat den Weißen am Hals erwischt, der andere hat sich in den Ansatz seines Flügels verbissen und reißt und kaut. Der weiße Drache ist erledigt, er weiß es, aber er kämpft trotzdem weiter. Einige andere Krieger und Kriegerinnen beobachten den Kampf zwischen den riesigen Wesen ebenfalls. In ihren Gesichtern kann ich sehen, dass manche inspiriert sind von so viel Tapferkeit. Naja, am Ende stürzt der weiße Drache viele tausend Schritt entfernt auf die rote Ebene.

Irgendwie fühle ich mich jetzt müde, schwach geradezu. Ich weiß überhaupt nicht wieso. Ich entschließe mich, meinen Heiltrank doch noch zu schlucken. Er wird mir helfen, mich besser zu fühlen. Auch die Schmerzen in meinem Brustkorb werden dann verschwunden sein. Ich hole die Phiole hervor, entkorke sie und trinke. Diese Entscheidung war gar nicht mal so dumm, stellt sich bald darauf heraus. Der Herr des Tores Gaarth schickt einen Trupp Narbengeißler in unseren Abschnitt. Sie werden von einer Chaos-Hexerin angeführt. Zuerst deckt sie uns mit Flammenlanzen ein. Sie erwischt ein paar. Wir stürmen vor. Auch unsere Bogenschützen greifen ein. Sie zielen gut, muss ich sagen. Ich bin schon fast beeindruckt von ihrer Treffsicherheit. Die Chaos-Hexe stirbt zuerst. Als wir dann die Narbengeißler erreichen, ist die Hälfte schon erledigt.

Trotzdem wird es ein harter Kampf. Ich trage einige oberflächliche Schnitte davon. Nichts Wildes. Nichts, was den Einsatz eines zweiten Heiltrankes rechtfertigen würde. Ein Dutzend unserer Krieger bleibt tot zurück. Wir stellen uns erneut in unsere Schlachtreihe und warten. Links neben mir eine Kriegerin. Auch sie kippt sich einen Heiltrank in den Hals. Ich kann sehen, wie ihre Wangen wieder etwas rosiger werden. Farbe bekommen. Dann fühle ich tatsächlich so etwas wie Schock. Denn so viele riesige Flederbiester wie jetzt gerade hab ich vorher noch nie an einem Ort versammelt gesehen. Grässliche, tödliche, groteske Kreaturen, grässlich.

Ein Magier nimmt die Flederbiester, die bereits auf uns zustürmen mit Feuerbällen unter Beschuss. Der andere hüllt unseren ganzen Abschnitt in eine blau-schimmernde Schutzwand ein. Bei dieser Größe wird der Schutzzauber nicht besonders stark sein. Ich sehe seine Konzentration, Schweiß auf seiner Stirn, seine Hände zittern. Der Schutzwall wird nur für den ersten Aufprall halten. So viel ist sicher. Die Flederbiester kreischen angriffslustig. Aber dann vibriert der Boden. Aus ihrer Angriffslust wird schrecken. Auch ich fühle es. Der Turmmeister greift einmal mehr ein. Ich hoffe nur, dass er mit seinem Zauber nicht mich oder die Kameraden neben mir trifft.

Das kommt öfter einmal vor. Von Süden her braust magische Energie über unsere Köpfe. Sie schlägt dort ein, wo sich die Flederbiester befinden. Die Schockwelle dehnt sich rasend schnell kreisförmig aus. Sowohl ich als auch die ersten fünf Reihen hinter mir werden von den Füßen gerissen. Ich spüre Hitze, aber ich verbrenne nicht. Keiner von uns tut das. Er hat gut gezielt, ausnahmsweise. Wo die Flederbiester waren, ist der Boden der Roten Ebene nun schwarz. Von den verdammten Mistviechern sind nur die Knochen übrig. Ich schaue nach links, nach rechts, nach hinten. Auch die anderen Krieger befinden sich wieder auf den Füßen. Keiner scheint durch den Zauber ernsthaft verletzt worden zu sein, was gut ist.

Aber unsere Bogenschützen scheinen etwas zu sehr beeindruckt von dem Spektakel. Sie haben den einzelnen Terrorbringer übersehen. Sie erwischen ihn zwar dann doch noch, aber bevor das passiert kann er zwei seiner Bomben werfen. Die Explosion zerrt an meinem Trommelfell. Splitter fliegen an mir vorbei. Einer ritzt mir die Stirn. Schreie werden laut. Ich sehe hin; zerfetzte Körper, abgetrennte Glieder, halbe Köpfe, aufgeplatzte Schädel ohne Augen. Im Süden antworten unsere Katapulte, die Ballisten ebenfalls.

Auf die Chaos-Kreaturen, die auf unseren Abschnitt zusteuern, regnet es Stein, Speer und Feuer. Das verschafft uns etwas Ruhe. Ein paar Reißer sind dort in Brand geraten. In seiner Panik rennt einer von ihnen brennend in unsere Richtung. Mit zwei Dutzend Pfeilen im Leib geht er zu Boden. Niemand mag Reißer. Eine unserer Axtkämpfer geht zu ihm hin. Er ist mutig heute an diesem Tag auf der Roten Ebene, so wie es aussieht. Er trennt den noch qualmenden Kopf des Reißers ab und hält ihn hoch. Er brüllt irgendwas, das ich nicht verstehe. Dann wirft er ihn in Richtung unserer Feinde. Kein guter Wurf, viel zu kurz, zu unspektakulär. Die Krieger und Kriegerinnen um mich herum johlen und applaudieren dennoch.

Mit einem Grinsen im Gesicht kehrt der Axtkämpfer zu seinem Platz in der Schlachtreihe zurück. Sollte sich freuen, solange er kann. Im Abschnitt neben unserem, auf der rechten Seite, prallen Kampfgruppen aufeinander. Einige Gehörnte und Großknüppler versuchen dort ihr Glück mit den Blauröcken. Es sieht halbwegs ausgewogen aus, denke ich. Am Ende greift auch noch der rechte Flügel meines Schlachtabschnitts ein. Das Züglein an der Waage sozusagen. Die Chaos-Kreaturen werden niedergemacht.

Die Kräfte des Chaos lassen uns allerdings keine Ruhe. Minotauren und Warge kommen angestürmt. Erneut sind es die beiden Zauberer und unsere Bogenschützen, die mich vom Kampfgeschehen fernhalten. Zusammen erlegen sie fast die ganze Angriffswelle. Im Anschluss sprechen die beiden Zauberer ihre Heilzauber für die Verletzten. Zweien der Minotauren ist die Flucht gelungen. Ich empfinde eine gewisse Befriedigung dabei, sie rennen zu sehen. Dann sirren Pfeile heran. Die Kriegerin neben mir wird getroffen, von dreien. Ich nehme mir ihre Heiltränke. Sie braucht sie jetzt nicht mehr. Aber das ist nicht schlimm. Morgen wird sie wieder kämpfen, auf der Roten Ebene. Dann schickt uns das Chaos seine Untoten, Skelette und Guhle. Es scheint, als wären unsere Zauberer erschöpft.

Pfeile helfen nicht viel bei Skeletten. Mit meiner Stoßwelle stoppe ich die erste Angriffswelle und gebe den Befehl zum Vorstürmen. Ich bekleide keinen Rang, trotzdem folgen sie mir. Nicht alle, aber auf jeden Fall genug, um mit den Untoten fertig zu werden. Meine Klinge zerteilt Knochen und fauliges Guhlfleisch. Der Kampf trägt uns dorthin, wo immer noch die Knochen der Flederbiester vor sich hinglühen. Der Gestank ist kaum auszuhalten. Noch dazu treten einige Nacktalbe auf den Plan und greifen ein. Der Kampf dauert recht lange. Ich verliere die Hälfte meiner Leute. Nachdem ich die letzte Nacktalbenfrau geköpft habe, sehe ich mich um. Ich atme schwer. Bin erschöpft, wie schon den ganzen Tag.

Eine Speerkämpferin hockt zitternd auf dem Boden, hat sich nass gemacht, ich kann es riechen. Ich strecke ihr meine Hand entgegen, will sie zurückbringen in unsere Schlachtreihe, aber sie schüttelt den Kopf, bleibt einfach sitzen. Ich hebe sie hoch und trage sie, sie wehrt sich nur schwach. Ich lasse sie zwischen ein paar Kriegern fallen und sage ihnen, sie sollen sich um sie kümmern. Sie sind nicht begeistert, aber sie gehorchen. Es reicht mir. Ich entdecke eine Wunde an meinem Unterschenkel. Ich könnte sie ignorieren, aber es ist noch nicht einmal Mittag, also muss ein weiterer Heiltrank herhalten. Eine ganze Weile haben wir Ruhe. Ich habe Zeit mich zu fragen, wo das Buch hingekommen ist, das, das ich gestern gefunden habe, das mit den leeren Seiten. Weg, nicht mehr da.

Seltsam, etwas später habe ich bereits gespürt, dass etwas im Gange ist. Wir erhalten das Kommando vorzurücken. Unser Abschnitt und zwei weitere rechts von uns. Es dauert nicht lange, bis ich erkenne warum. Mit ihren untoten Pferden verwachsene Todesritter, korrumpierte Menschen, Nacktalben und Oger - eine riesige Horde Chaos-Kreaturen eilt uns entgegen. Wir sollen sie abfangen, bevor sie zu tief in unsere Reihen geraten können. Damit bediene ich mich meiner Steinhaut. Auch meine Hast aktiviere ich. Es ist ein reines Zahlenspiel. Es gilt sie schnell zu töten, bevor sie Schaden anrichten können. So einfach ist es. Ich töte also so viele wie möglich, so schnell wie möglich. Ich gerate in eine Kriegstrance. Ich mag es nicht besonders, wenn das passiert, aber ich muss zugeben, es ist sehr effektiv. Als ich wieder zu mir komme, sind meine paar kleinen Zaubertricks, die Steinhaut und die Hast, schon lange abgeklungen. Ich bin völlig am Ende und über und über mit Blut beschmiert. Aber es hat sich gelohnt, wir haben gesiegt.

Glorie für den gewundenen Turm. Ich würde lachen, wenn ich in meiner Lunge noch Luft übrig hätte. Davon abgesehen ist mir ziemlich schwindelig. Ich bin sicher, dass ich Blut verloren habe. Das wiederum bedeutet, dass ich irgendwo eine Wunde habe, dass ein Loch in meinem Leib ist, wo es nicht hingehört. Ich sehe an mir herab, meine Brustplatte ist an drei Stellen durchbohrt.

Mit einem Rundumblick, langsam wohlgemerkt, versichere ich mich, dass keine Chaos-Kreatur in meiner Nähe noch am Leben ist. Ganz vorsichtig nehme ich die Brustplatte ab, dann den Rest meiner Oberbekleidung. Zwei Schnitte, die sind nicht so schlimm, aber ein Stich, der sieht tief aus. Ich mag ihn gar nicht ansehen und schaue weg.

Da bemerke ich, dass ich neben einem abgetrennten Bein stehe. Kameraden sehe ich hier noch fünf. Ich finde einen, der unverletzt ist und bitte ihn um einen Heiltrank. Ich bekomme ihn. Ausgezeichnet. Eine Weile später geht es mir schon wieder besser. Ich habe auch eine neue Brustplatte gefunden. Zusammen mit den anderen kehre ich in unsere Schlachtreihe zurück. Die ist ganz schön dünn geworden. Vielleicht sollten wir uns in eine andere integrieren, denke ich. Aber dann am Ende wird mir wieder bewusst, wie egal das alles ist. Aber dennoch, wäre es wichtig, was hier passiert auf der Roten Ebene, dann hätte ich diesen Vorschlag gemacht. Es hilft ja nichts. Ich mache ihn, und er wird abgelehnt. Unser alter Zugführer ist zwischenzeitlich gefallen. Einer der beiden Magier hat nun das Kommando inne. Wahrscheinlich sieht er, wie müde ich bin. Er fragt, ob ich mit einem Bogen umgehen kann und ich sage Ja. Und so schickt er mich zu den Bogenschützen. Nach hinten. Soll mir recht sein. Allerdings muss ich mir dazu erst einen Bogen suchen. Aber das ist nicht schwer. Inzwischen ist es tatsächlich Mittag geworden. Von unseren Bogenschützen sind zwischenzeitlich genug gefallen. Tatsächlich kann ich in meiner direkten Nähe gleich drei im Dreck liegen sehen. Ich hole mir den, den ich für am besten halte, dann suche ich mir noch ein paar Pfeile zusammen.

Bei den Bogenschützen empfängt man mich kommentarlos. Solche Wechsel sind nichts Neues und schon gar nicht um die Mittagszeit. Ich stehe mit den anderen in Reihe und Glied und wir schweigen. Ein kalter Wind weht von Norden her und er tut uns allen gut. Einige Zeit später bringt er den Geruch von Chaos-Magie mit sich. Ich hole schon mal einen Pfeil aus dem Köcher. Es sind Schwerthexer, die uns ans Leder wollen. Es sind auch noch ein paar Gathors bei ihnen. Die verheizen sie als Erste. Zumindest haben sie das vor. Aber bei uns weiß jeder, dass die Schwerthexer deutlich gefährlicher sind. Also zielen wir hoch, auf die Schwerthexer und nicht auf die heranstürmenden Gathors. Mit denen werden unsere Nahkämpfer schon fertig werden. Es war eine gute Entscheidung, so zu handeln. Unsere Pfeile setzen den Schwerthexern ganz schön zu. Deshalb sind sie abgelenkt, als Narbuk Kremlan über sie kommt. Der Mörder des Tyrannen von Trellhelm tötet fast die Hälfte von ihnen. Ein Schauspiel, keine Frage. Er ist schnell und geschickt. Aber das sind die Schwerthexer ebenfalls. Irgendwann ist sein Überraschungsvorteil aufgebraucht. Mit einer weiteren Pfeilsalve können wir verhindern, dass drei von ihnen ihn einkreisen. Einfach, indem wir zwei der drei erschießen. Narbuk Kremlan fällt trotzdem an diesem Tag auf der Roten Ebene. Und er fällt durch die Klinge eines Schwerthexers.

Ich kann den Triumph des Chaos-Kriegers spüren, der aber schwindet, als ihm klar wird, dass er nun ganz alleine ist. Von seinem Trupp ist keiner mehr übrig. Gerade als er die Flucht antreten will, trifft ihn mein Pfeil. Das war kein allzu einfacher Schuss, ich bin ein wenig stolz, fühle ich. Kurz darauf kommt mir dieses Gefühl unangemessen vor, falsch und hohl und leer, wie alles auf der Roten Ebene. Trotzdem ist es nett von manchen, wie sie mir auf die Schultern klopfen. Eine Kriegerin, eine hellhaarige Schönheit, lächelt mir zu. Aber keine Häuser hier. Ich will es nicht öffentlich tun, wie manche unserer Leute. Sie schaut enttäuscht. Ich muss lachen, sie denkt, ich lache sie aus, tue ich aber nicht, ich lache über mich. Nichts spielt eine Rolle hier und trotzdem habe ich diese Hemmungen. Es ist schon seltsam.

Etwa hundert Schritt im Norden sehe ich Sinara Finsterblick. Sie hat das Gemetzel überstanden. Jetzt schwingt sie ihr Großschwert gegen ein paar dunkle Schlachtenpriester. Unsere Pfeile richten nicht viel aus, die Rüstungen dieser Gattung sind zu dick. Aber einige finden dann doch ihren Weg durch die Visierschlitze. Sinara überlebt dennoch nicht. Ein schwerer Schlag reißt sie zu Boden. Es sind die vielen Schläge, die danach kommen, die sie schlussendlich töten. Ich bin sicher, sie hat keinen gesunden Knochen mehr im Leib. Aber das ist nicht schlimm, denn morgen wird sie wieder kämpfen auf der Roten Ebene.

Am Nachmittag gibt es einige Scharmützel. Irrwische, Blutkobolde, Orks und noch mehr Orks. Wargreiter, dann einmal mehr die Flederbiester. In den Kampfpausen sammeln wir unsere Pfeile wieder ein. Tatsächlich bin ich überrascht, dass wir unsere Schlachtreihe, unseren Abschnitt, so lange halten konnten.

Meist ist das Geschehen sehr viel hektischer. Gerade herrscht ein wenig Ruhe. Auch am Himmel ist es ruhig. Es ist erstaunlich, wie selten die Drachen in die Kämpfe am Boden eingreifen. Ich denke, da nahen Sulphurspinnen heran. Wir müssen sie erledigen, bevor sie so nahe herankommen, dass sie ihre Säurestrahlen auf uns spucken können. Die anderen haben sie auch gesehen. Es bedarf keines Kommandos. Unsere Pfeile fliegen. Die meisten treffen. Nur zwei der Spinnen schaffen es bis zu unserer ersten Reihe. Sie werden von unseren Speerträgern in Empfang genommen. Es dauert nicht lange, aber wir verlieren sieben Krieger. Aber für die anderen ist es gut.

Die Leiber der Sulfurspinnen dienen ihn jetzt als Deckung. Kurz vor Sonnenuntergang rückt dann das Chaos noch einmal mit all seiner Macht an. Begleitet wird der Großangriff von einem Zauber des Herren des Tores Gaarth. Feuer regnet aus dem Himmel auf uns herab. Ich lasse meinen Bogen fallen, suche mir einen Schild. Ich finde zwei. Ich packe sie übereinander, halte sie über mich. Blauröcke schreien, kreischen, brennen und sterben. In unserer Gesamtheit sind wir so mit brennen und sterben beschäftigt, dass es Wargreitern und Nacktalben gelingt, unsere Reihen zu sprengen.

Ab jetzt kämpft jeder für sich. So mag ich es ohnehin am liebsten. Nachdem der Feuerregen aufgehört hat und ich noch am Leben bin, ja, da suche ich mir eine Waffe, eine Streitaxt soll es sein, entscheide ich. Tatsächlich finde ich eine, die mir gefällt, als ob das wichtig wäre. Viele Duelle sind bereits in vollem Gang. Mancherorts haben sich auch kleine Gruppen unserer Krieger wieder zusammengeschlossen. Sie tun gemeinsam ihr Bestes. Ich aber bleibe alleine. Meist schleiche ich mich von hinten an eine Chaos-Kreatur heran, die sich bereits in einem anderen Kampf befindet. Dann hacke ich auf sie ein, meist auf ein Bein. Das funktioniert sehr zuverlässig. Die Schneide der Axt ist schön scharf.

Als ich bemerke, dass wir zu unterliegen drohen, aktiviere ich meine Hast. Sie sehen mich nicht kommen. Sie wissen erst, dass ich da bin, wenn meine Axt sie küsst, aber dann bin ich bereits wieder weg. Blutkobolde, Irrwische, Orks. Sogar einige Schwerthexer und Narbengeißler erledige ich. Dann bemerke ich etwas. Auf diesem Schlachtfeld ist noch jemand, der sich so schnell bewegt wie ich. Während alle um uns herum ihre Kämpfe sehr, sehr langsam, ja quälend langsam, austragen, da bewegt er sich in Normalgeschwindigkeit aus meiner Sicht der Dinge gesehen. Es ist einer, der Schwerthexer. Er hat mich auch entdeckt.

Ich will ihm eine Stoßwelle entgegen schicken. Das tue ich auch, aber die Magie ist nicht von der Hast beeinflusst. Die Stoßwelle ist so stark und schnell wie immer. Der Schwerthexer weicht ihr mühelos aus. Unter seiner schwarzen Kapuze kann ich sein Gesicht nicht sehen, aber ich bin sicher, dass er lacht. Na gut, denke ich mir. Der Sonnenuntergang ist ohnehin schon nah. Ich habe es relativ lange durchgehalten an diesem Tag auf der Roten Ebene. Und wenn ich ehrlich bin, bei den Bogenschützen habe ich es mir ziemlich bequem gemacht.

Warum also nicht ein letzter Kampf, meine letzte Dosis Schmerz für heute? Ich frage mich, ob die anderen Krieger und Chaos-Kreaturen von unserem Duell überhaupt etwas mitbekommen, oder sind wir schlicht zu schnell mit unseren Hieben, Kontern und Abwehrbewegungen? Am Ende ist es auf jeden Fall nicht Chaos-Magie, die mich zu Fall bringt. Wir sind ungefähr gleich stark, schätze ich, aber meine Axt ist schwerer als seine Klinge. Ich ermüde, das habe ich erwartet. Habe damit gerechnet. Noch einmal verdopple ich meine Anstrengung. Wider erwarten schaffe ich es tatsächlich dank einer Finte, ihm eine Hand abzuschlagen. Allerdings ist es nicht die Schwerthand. Ich versuche zurückzuweichen. Hoffe, dass er schlicht verblutet, bevor er mich töten kann. Aber es klappt nicht. Er hat seine Hast später aktiviert als ich oder sie hält länger. Auf jeden Fall ist er plötzlich weg. Und als ich einen Augenblick später an mir herunter sehe, steckt mir ein Schwert bis zum Heft in der Brust.

Ich spüre, dass er hinter mir steht. Er hat seine Hand auf meinen Kopf gelegt. Seine Schwerthand natürlich. Er übt keinen Druck aus, es ist einfach nur das Gewicht seiner Hand auf meinem Kopf. Die Geste wirkt seltsam väterlich. Naja, zumindest für einen kurzen, kurzen Augenblick. Dann greift er nach vorne und drückt mir ein Auge aus. Ich schreie, das ist selbstverständlich. Auch wenn mein Geist weiß, dass all das auf der Roten Ebene keine Rolle spielt, mein Körper weiß es nicht. Ich schreie auch, als er mir das andere Auge nimmt. Dann noch einmal, als er mir den Unterkiefer abreißt. Danach klingen meine Schreie seltsam. Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass er jetzt vor mir steht. Wahrscheinlich weil sich die Klinge in mir dreht.

Langsam, ich spüre jeden Millimeter, dann reißt er sie aus mir heraus. Ich bin fast sicher, er wird noch ein paar meiner Kameraden töten, bevor der Tag zu Ende ist, aber na ja, das macht ja nichts, weil es nicht wichtig ist. Ich bin zufrieden mit mir, mit dem, was ich an diesem Tag getan habe. Schon eine ganze Weile liege ich bäuchlings im Dreck der Roten Ebene. Ich würde gerne einmal wieder Gras riechen oder eine Blumenwiese. Ich weiß, dass es nie so kommen wird. Ich bedauere das.

Etwas läuft aus meinen Augenhöhlen, der Schlachtenlärm in meinen Ohren wird leiser und leiser und leiser, dann, bevor ich endlich sterben kann, erfasst mich Hitze, ich spüre, dass ich anfange zu brennen. Der Feuerball eines Hexers vielleicht, vielleicht sogar der Herr des Tores Gaarth, der es erneut regnen lässt. Vielleicht auch der Turmmeister, der einmal mehr seine eigenen Truppen opfert. Aber es ist egal, es spielt keine Rolle, denn morgen, morgen werde ich wieder kämpfen, hier auf der Roten Ebene, bis in alle Ewigkeit.