Schlachtensplitter 18
Am Turm des Schwarzen Hexers, auf der Roten Ebene.
Ich schütte mir etwas in den Hals, einen Helltrank, und der Kriegerin neben mir läuft etwas heraus. Sie hat Angst vor den Großknüpplern, die uns gegenüberstehen. Die Armbrustschützin auf meiner anderen Seite nicht, sie zielt und schießt. Der Bolzen fliegt. Er trifft diese übergroße Perversion eines Menschen am Hals, an der Seite links des Kehlkopfes. Der Bolzen dringt tief ein, ich kann keine Fiederung mehr sehen. Zunächst scheint der Großknüppler nichts davon zu bemerken. Er steht da inmitten seiner Kameraden, aber vier oder fünf Sekunden später, da zeigt das Geschoss dann endlich Wirkung. Von jetzt auf nachher, ohne dass vorher irgendwelche Anzeichen zu sehen gewesen wären, fällt er um. Gleich wird es losgehen. Ich aktiviere meine Steinhaut. Über unseren Köpfen zuckt Chaos-Energie. Auch unsere Arkanisten tun ihr Übriges. Einer der Großknüppler brennt. Er kreischt. Mit wedelnden Armen rennt er aus seiner Formation, rennt zurück nach Norden, wo er hergekommen ist. Über dieser Szenerie steht der Turm des Hexers oder was davon noch übrig ist.
Eine Ruine nur. Niemand versteht, warum wir sie erobern sollen. Nur ein weiterer alter und toter Ort im westlichen Gebirge. Ja, etwas nördlich des Totbaumbaldes. Ich frage mich, wann ich den zu sehen bekomme. Ich bin neugierig, aber erst mal ... erst mal will ich kämpfen. Als es losgeht, unser fünftes Scharmützel für heute, ändert sich das allerdings. Es stellt sich heraus, dass die Großknüppler Verstärkung erhalten. Würgeschatten und ein Knochenbär. Schneller, sehr viel schneller, als es mir und uns Liebe ist, werden wir zurückgedrängt.
Ich kann die Würgeschatten meiden, zwei Großknüppler erschlagen, aber es hilft nicht. Als dann der Herr des Tores Gaarth noch einen seiner Zauber zu uns schickt, es regnet brennende Gesteinsbrocken, die wie Bomben auf dem Boden der Roten Ebene einschlagen, ergreifen wir die Flucht. Meine Kampfgruppe rettet sich unter einen großen Felsüberhang. Ich habe Glück, denn zwei unserer Magier schaffen es auch dorthin. Glück deshalb, wenn meine rechte Schulter zertrümmert und verbrannt ist. Meinen Dank an den Herrn des Tores Gaarth. Mein besonderer Dank aber gilt dem Magier, der mich mit einem Heilzauber wieder kampfbereit macht. Dass er mir dabei auch die Schmerzen nimmt, ist ein netter Nebeneffekt. Unter dem Überhang suche ich mir eine Stelle, wo sich schon andere vor mir erleichtert haben und tue dasselbe. Es macht den Geruch hier weder besser noch schlechter.
Eine unserer Axtkämpfer ist hier an seinen Verletzungen gestorben. Ich durchsuche seinen Leib. Zwei der drei Phiolen sind zerbrochen, aber immerhin einen Heiltrank kann ich finden. Mein Blick bleibt an einem Paladin hängen. Sie hat den Helm abgenommen, hat ein hübsches Gesicht mit klarem, kühnen Blick. Ich will es mir etwas genauer ansehen, vielleicht mit ihr sprechen. Aber orkische Lanzenträger und Todesritter machen uns das Leben schwer. Erneut müssen wir kämpfen. Ja, das müssen wir und das tun wir auch.
Zum Glück diesmal etwas erfolgreicher. Diejenigen Chaos-Kreaturen, die das Scharmützel überleben, es sind nicht allzu viele, ergreifen die Flucht. Gerade will ich durchatmen, da spüre ich den Boden zittern. Irgendwo ist mächtige Magie im Einsatz. Glücklicherweise diesmal nicht in unserer Nähe, das Zittern ist schwach. Aber irgendwo auf der Roten Ebene kommen Hunderte und Tausende zu Tode in dieser Sekunde. Aber das ist nicht schlimm, denn morgen werden sie wieder kämpfen. Es kommt mir alles sehr, sehr sinnlos vor. Außerdem habe ich, seit ich hier bin das Gefühl, etwas verloren zu haben. Ich weiß aber nicht was. Es macht mich wütend. Fast schon wünsche ich mir den nächsten Kampf herbei. Mein unausgesprochener Wunsch wird mir etwas später erfüllt.
Oger, Golems, Orkschamanen. Unsere Magier und Schützen konzentrieren sich auf die Schamanen. Wir anderen, das Fußvolk, wir stürmen vor. Grässliches Geschrei liegt bald in der Luft. Der Geruch von Blut und offenen Bauchhöhlen. Bald liegen überall Leichen. Die der Chaos-Kreaturen und die der Unseren. Dieses Gemetzel entscheiden wir aber am Ende für uns. In Formation treten wir unter dem Felsüberhang hervor. Wir blicken auf ein apokalyptisches Schlachtfeld.
Hier und da zucken noch schwache, ungerichtete Magieblitze. Reste sozusagen. Leichen überall, verbrannt, hier und da noch einzelne Duelle. Erneut vibriert der Boden unter meinen Füßen, eine Schwertkämpferin neben mir beginnt zu weinen. Ich brülle einen Schlachtruf übers Feld, hebe mein Schwert, damit die Chaos-Kreaturen mich sehen. Einige ergreifen die Flucht, es gefällt mir. Ich stecke mein Schwert weg, greife mir Pfeile und einen Bogen vom Boden, von einem unserer Toten. Ich schieße den Köcher leer. Manche der Pfeile verfehlen, aber einige treffen, es freut mich. Irgend ein Kerl steht hinter mir, er kommentiert jeden Schuss.
Ein Troll-Biest-Weibchen fällt mir auf. Ihr fehlt bereits ein Auge, beim dritten Versuch nehm ich ihr das andere. War der letzte Pfeil. Ein Glückstreffer. Ich lasse den Bogen wieder fallen. Katapultgeschosse und Ballistenspeere surren plötzlich durch die Luft, von Süden her. Großartig, denke ich mir, unsere Leute beschießen ein fast leeres Schlachtfeld. Was für eine verdammte Verschwendung. Bald aber sehe ich die hunderte von Tiermenschen. Sie müssen es auf die abgesehen haben. Auch wir müssen uns wappnen. Sind uns zwei zu eins überlegen und sie kommen her. Wir sortieren unsere Waffengattungen.
Die Bogen- und Armbrustschützen tun, was sie sollen. Lassen die Tiermenschen uns erreichen, als sie uns nicht mehr zwei zu eins überlegen sind. Die Hälfte liegt im Dreck der Roten Ebene. Einer unserer Magier beschwört ein Trugbild herauf, lässt unsere Gruppe doppelt so mannstark aussehen, wie sie ist. Perfekt. Ich köpfe einen Löwenmann und schlitze eine Schakalfrau auf. Einem großen Tiermann, einem Bären, schlage ich beide Arme ab, lasse ihn zu Grunde gehen. Ein Löwenweibchen erwischt mich mit der Tatze im Gesicht. Meine halbe Nase fehlt. Es schmerzt. Der Schmerz stachelt mich an. Ich und meine Kameraden, wir schlachten uns geradezu durch die Tierwesen.
Irgendwo auf meiner linken Seite explodiert ein Feuerball. Tierwesen kreischen. Ich erinnere mich an den Heiltrank. Trinke ihn. Pfeile schlagen in meinen Schild ein. Die Chaos-Kreaturen haben Verstärkung bekommen. Weitere Pfeile. Ich halte meinen Schild höher, ducke mich dahinter. Ein Schakalmann springt mich an. Irgendwann gelingt es mir, ihn abzuschütteln. Meine Rüstung hat mir zum Glück gute Dienste getan. Ich wirble herum, nutze meine Hast.
Ich suche die orkischen Bogenschützen und finde sie. Sie haben mir nichts entgegenzusetzen. Alle, bis auf einen oder vielleicht zwei, mache ich nieder. Als meine Hast verfliegt, bin ich von innen schweißnass und von außen nass vom Blut. So wie es aussieht, ist diese Angriffswelle für den Moment abgeebbt. Wir haben etwas Boden gut gemacht. Jetzt sind wir wieder näher am Turm des Schwarzen Hexers. Aber wir hatten Verluste. Irgendwo mitten auf dem Schlachtfeld steht eine einsame Gestalt. Sie hält die Standarte des gewundenen Turmes hoch. Etwa eine Meile von mir entfernt.
Ich erkenne das charakteristische Blau, dann sehe ich auch die unterschwellige Bewegung auf dem riesigen Schlachtfeld. Jeder von uns, der noch auf den Füßen ist, geht dorthin, man strömt auf die Standarte zu. Am Himmel ist es ruhig, wenn man von den gehässigen Wolkenfratzen absehen möchte. Auch ich gehe dorthin, aber im Moment besteht kein Grund zur Eile. Unterwegs finde ich noch ein paar andere Heiltränke. Ich tausche mein Schwert gegen ein besseres. Wir versammeln uns. Ich erkenne hier niemanden wieder. Mit einem Mal fühle ich mich leer und ausgelaugt. Irgendetwas stimmt hier nicht, alles verschwimmt vor meinem Blick. Ich weiß, irgendetwas, irgendwer, irgendeine Chaos-Kreatur hat mich gerade getötet.
Ich weiß nicht wie, und es spielt auch keine Rolle, denn morgen, morgen werde ich wieder kämpfen, auf der Roten Ebene.