Schlachtensplitter 22
Im Totbaumwald, auf der Roten Ebene.
Nacktalben fallen über eine verletzte Kriegerin her. Blut läuft ihr aus den Ohren. Eine Sirene. Die Kraft ihres schrecklichen Schreis hat die Frau voll erwischt. Ich will nicht ansehen, wie sie von den Nacktalben geschändet wird. Schlimm genug. Ich erschlage den Gehörnten, der zwischen mir und der Frau aufgetaucht ist. Vielleicht übertreibe ich ein wenig. Ich ramme ihm die Klinge in die Brust, reiße sie wieder zurück, spalte ihn den Schädel, treffe ihn direkt von oben exakt zwischen die Hörner. Dann mache ich die Nacktalben nieder. Sie haben es noch nicht geschafft, die Frau aus ihrer Kleidung herauszuschälen. Gut. Ihre Rüstung ist an vielen Stellen beschädigt. Ihre Augen blicken glasig in die meinen. Ich mache es kurz mit ihr. Durch ein Loch in ihrer Brustplatte stoße ich ihr meine Klinge tief ins Herz. Dann sehe ich mich umgeben von Kriegern. Aber das sind nur Trugbilder, die die Irrwische vor mir abhalten, denn so er hat sie beschworen. Es ist immer eine gute Sache, in der Gunst eines Magiers zu stehen.
Diesem hier habe ich vorhin das Leben gerettet, habe den Zorn eines Chaos-Elementars so lange auf mich gezogen, bis er es erledigen konnte. Eigentlich sollte ich mich jetzt gut fühlen. Ich könnte einen Moment verschnaufen im Schutz der Illusion, aber ich mag den Totbaumwald nicht. Irgendetwas ist hier passiert. Es fühlt sich seltsam an, hier zu sein. Noch seltsamer als ohnehin schon. Die Rote Ebene ... was für ein grandioser Witz, was für eine schreckliche Strafe die Ewigkeit doch ist. Eine Chaos-Hexerin zerstört die Illusion, hält mich von weiteren Nachdenken ab.
Tiermenschen stürmen auf mich ein, und Echsler. Ich drehe mich nach dem Magier um, ob er mir helfen kann, aber er befindet sich im Kampf mit einer Gruppe von Gehörnten. Sein Gesicht vor Konzentration verzerrt, als er seine Zauber wirkt. Geschosse, Flammenlanzen, Klingennebel. Ein Tigermann versucht, mich niederzuringen. Ich schüttle ihn ab, mache ihn zum Opfer meiner Klinge. Ein Schakalweibchen als Nächstes. Ich nehme ihr einen Arm und dann das Leben. Die Tiermenschen und die Echsler konkurrieren um das Privileg, mich töten zu dürfen. Das kommt mir zu Pass, sie behindern sich gegenseitig.
Ich muss einfach nur wild um mich schlagen. Irgendeinen Gegner treffe ich auf jeden Fall, wenn auch nicht tödlich. Meine Schläge verkrüppeln, lassen Blut spritzen. Aber ultimativ sind es doch zu viele. Ich weiche zurück. Sie treiben mich durch den Totbaumwald. Ihr Blutzoll ist hoch, natürlich. Dafür sorge ich. Ich schaffe es, am Leben zu bleiben. Meine Rüstung hilft mir dabei. Gefahr besteht eigentlich nur, wenn sie mich auf den Boden werfen können. Ihre Krallen kommen nicht durch das Metall. Die Frage ist, warum so viele es speziell auf mich abgesehen haben. Ich meine, neben mir gibt es hier noch tausend andere Blauröcke, die man töten könnte.
Irgendwann stoße ich auf zwei von ihnen. Sie stehen mir bei, werfen mir aufmunternde, kampfeslustige Blicke zu. Ein Schwertkämpfer und eine Speerträgerin. Nun wendet sich das Blatt für die Echsler und Tiermenschen. Die Speerträgerin durchstößt einen, und wenn er an ihrer Speerspitze hängt und zappelt, schlägt der Mann zu. Kein schlechtes Prinzip, ein sicheres Prinzip. Es funktioniert erstaunlich oft. Die Tiermenschen verstehen das System dahinter nicht. Ich mache einen Schritt und schreie auf. Ich habe es bis eben gar nicht bemerkt. Zu viel Adrenalin. In meinem rechten Bein die abgebrochene Spitze eines Speers. Ein Echsler-Speer. Knochenspitze. Frage mich, wie er es durch meine Rüstung geschafft hat. Aber er hat die Schwachstelle gefunden. So sieht es wohl aus. Ich reiße die Spitze heraus. Es blutet nicht zu stark. Aber jetzt, wo ich den Schmerz einmal gefühlt habe, das Pochen und all das ... ich entscheide mich, mir einen Bogen zu suchen, den Schwertkampf für eine Weile sein zu lassen, bis ich irgendwo einen Heiltrank entdeckt habe. Ich teile das meinen beiden Begleitern mit.
Sie beschützen mich, bis ich dann tatsächlich einen Bogen finde. Einen Heiltrank will mir aber keiner von ihnen abgeben. Jeder hat in diesem Punkt andere Prioritäten, schätze ich mal. Ich höre Katapultsteine, ich ducke mich, hebe den Schild. Dieser Beschuss kommt vom Norden, von den Chaos-Kreaturen. Ihre Katapulte reichen nicht so weit wie die unseren. Dafür können sie öfter schießen. Überall um uns herum krachen die Steine in die versteinerten Bäume des Totbaumwaldes. Krachen. Splitter. Als es vorbei ist, ist der Schwertkämpfer, der mich begleitet tot.
Zusammen mit der Speerträgerin hetze ich weiter. So gut es eben geht mit der Beinwunde. Irgendwann hat sie einen Vorsprung. Verdammt, ich habe vergessen, den Schwertkämpfer nach Heiltränken zu durchsuchen. Aber vielleicht hatte er wirklich keine. Die Speerträgerin verschwindet hinter einem Totbaum aus meinem Sichtfeld. Dann höre ich Schreie. Als ich an der Stelle ankomme, hat man sie in Stücke gehackt, die Augen sind offen, starren mich an. Der Mund so verzogen, dass sie einen recht dämlichen Gesichtsausdruck zur Schau stellt.
Die Orks, die dafür verantwortlich sind, sind noch immer angriffslustig. Zwei erwische ich mit Pfeilen, dann sind sie so nahe heran, dass ich mein Schwert ziehen muss. Ich lasse den Bogen fallen. Es ist Klingenzeit. Hiebe prasseln auf meinen Schild ein. Ich kriege wenig Gelegenheit, zurückzuschlagen. Erneut bewege ich mich nach hinten, zurück in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Ab und an gelingt es mir aber, aus der Deckung heraus zuzuschlagen. Auf diese Weise ziehe ich eine Spur toter Orks hinter mir her, so lange, dass die letzten beiden fliehen. Ich kann kaum verschnaufen. Ich sehe das Schimmern violetter Chaos-Energie. Die Chaos-Hexe hat es nicht auf mich abgesehen, aber sie führt Schlechtes im Schilde. Ich schleiche mich an.
Sie bemerkt mich nicht, mit einem einzigen Schlag trenne ich ihren Kopf von ihrem Hals. Das violette Schimmern vergeht, jetzt kann ich verschnaufen.
Durch die versteinerten Äste hindurch schaue ich zum Himmel hoch. Die grausamen höhnischen Wolken, die brennende Sonne, weiße und rote Drachen im Kampf über uns. Zwei Dutzend Harpyen, sie stürzen sich auf den weißen Drachen, reißen Stücke aus ihm heraus. Es regnet Drachenblut überm Totbaumwald.
Ich gehe weiter, den Geräuschen hinterher, zur lautesten Schlacht will ich. Ich stolpere über eine Ansammlung von Toten, die Körper zerfetzt, Gliedmaßen abgerissen, Köpfe zerdrückt. Es waren Reißer. Reißer und Oger vermutlich.
Dann kann ich steinerne Bäume bersten hören. Ein Bestienschrei, der mich vor Angst erstarren lässt. Ein Molloch wälzt sich durch den Totbaumwald. Ich kann ihn noch nicht sehen, nehme nur den Schatten wahr, die Welt wird dunkler. Ich muss hier weg, aber mit dem Bein ... ich durchsuche den Leichenhaufen. Hastig durchsuche ich ihn, beeile mich. Endlich finde ich einen Heiltrank. Ich stürze ihn hinunter und dann renne ich weg von dem Geräusch.
Dann sind es unsere Katapulte und Ballisten, die feuern. Sie feuern in Richtung des Molochs, da hat der Turmmeister gut aufgepasst. Erneut höre ich seine bestialischen Schreie. Die Salve scheint getroffen zu haben, aber noch immer kann ich Bäume bersten hören. Es wird wohl noch ein paar Salven mehr brauchen, aber das muss ich nicht sehen. Weiter geht es durch den Totbaumwald. Die versteinerten Bäume, bewegungslos, es sieht so falsch aus. Feindselig, feindlich, jeder Ast endet in einer harten Spitze. Man muss sich wegducken. Es gelingt aber nicht immer.
Meine Rüstung ist zerkratzt, mein Gesicht von Schnitten übersät. Keiner davon ist tief, keiner davon ist gefährlich, aber sie brennen, diese Schnitte. Hätte ich einen Kriegshammer oder einen Morgenstern, würde ich ein paar davon abschlagen, überlege ich. Aber mit dem Lärm würde ich nur Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Der Gedanke gefällt mir dennoch.
Bald raste ich erneut. Erneut schaue ich zum Himmel. Der Ausschnitt, den ich durch die Äste hindurch sehen kann, ist leer. Auch der Schlachtenlärm ist leiser geworden. Ich bin in die falsche Richtung gerannt. Ich ärgere mich. Eigentlich hatte ich auf einen schnellen Tod gehofft, an diesem Tag. Ich war in der ersten Welle, im ersten wilden Gemetzel, habe gegen Großknüppler gekämpft. Habe Klauen und Arme abgeschlagen hauptsächlich. Das Töten habe ich dann den Speerträgern überlassen. Keine besonders clevere Taktik eigentlich, aber wie gesagt, ich wollte es hinter mich bringen. Aber offenbar hat die Rote Ebene an diesem Tag ein anderes Los für mich bestimmt. Ich sehe Trelloch, den Sohn des Regmann. Er liegt tot auf dem Boden. Um ihn herum die toten Leiber von Sukuben, so viele von ihnen, aber eine hat ihn dann erwischt. Sein Unterleib ist entblößt, seine Züge ausgezehrt, die Wollustdämonin hat ihm die Lebenskraft genommen.
Trelloch, der Sohn des Regmann ist ein guter Mann, ein starker Krieger. Ich bedecke seine Blöße, nicht dass es eine Rolle spielt, nicht auf der Roten Ebene, aber trotzdem.
In seinen Besitztümern finde ich noch einen Heiltrank, den ich sofort in mich hineinschütte. Die vielen kleinen Kratzer hören auf zu brennen, sie schließen sich. Ich fühle mich etwas wohler. Einige Zeit später stolpere ich in eine Gruppe Irrwische hinein. Pervertierte, degenerierte Magier, die der Chaosmagie nicht standhalten konnten, die sie zu lenken suchen. Ich überrasche sie, springe mitten unter sie.
Vier von ihnen sind gefallen, bevor ich mich vor ihren Zaubern in Acht nehmen muss. Dem fünften und sechsten schlitze ich jeweils mit einem einzigen Schlag die Kehle auf, und der siebte … der siebte rennt weg. Ich werfe meine Klinge mit beiden Händen. Silbern blitzender Tod wirbelt durch die Luft und bohrt sich in seinen Rücken. Ich beeile mich, zu seiner Leiche zu kommen. Dann ziehe ich die Klinge aus ihm heraus und säubere sie an den Fetzen, die er trägt. Irgendetwas in mir kippt. Ich fange an, die Leiche zu zerstückeln.
Als ich wieder zu mir komme, steht da eine Kriegerin im blauen Wappenrock und sieht mir zu. Schwarze Haare, dunkle Haut, ausgeprägte Augenbrauen, aber ein hübsches Gesicht. Sie nippt an einem Heiltrank, stürzt ihn nicht hinunter, so wie ich es getan hätte. Sie sagt, dass es in der Nähe noch zwei Dutzend andere gibt. Wir gehen dorthin. In der Gruppe nehmen wir es mit Gehörnten auf. Wir besiegen die Dämonen mit geringen Verlusten, solange bis Würgeschatten auftauchen. Auch die besiegen wir, aber wir sind jetzt nur noch zu acht. Dann, einige Zeit später, erneut ein Zusammenstoß mit Tiermenschen. Sie werden von einem Minotaurus angeführt. Den mache ich zu meiner Aufgabe. Ein grässlicher, stierköpfiger Bastard.
Eine unserer Gefallenen trug ein Beil, ich nehme es an mich und werfe. Es spaltet den Stierkopf der Bestie. Ein letztes Brüllen und Schnauben. Die Kreatur fällt, die Tiermenschen, die noch leben, fliehen. Wir sind nur noch zu dritt. Die Frau ist heiß, sie wirft sich mir an den Hals, lässt mich ihre Zunge fühlen, aber ich stoße sie weg. Sie geht zu dem anderen Krieger, ein Axtkämpfer. Ich sehe ihnen zu. Ein wilder, schneller Akt. Animalisch, aber nichts, was mich heute interessiert.
Sie sind bald fertig. Ich erinnere mich, ich habe das auch einmal gemocht, vor der Roten Ebene. Das Gesicht einer Frau, deren Namen ich nicht mehr weiß. Sommersprossen, helle Augen. Eine Schönheit, vor der man knien möchte. Ich frage mich, was sie an mir gefunden hat.
Ob ich damals anders war als jetzt? Ich bezweifle es irgendwie. Irgendwann gehen wir weiter. Bald treffen wir auf weitere Blauröcke, denen wir uns anschließen. Sie werden von der Gazelle angeführt und ich grüße sie. Sie grüßt mich auch, aber sie weiß nicht, wer ich bin. Dennoch, ihr Lächeln ist echt. Dann ein vielstimmiges, klackerndes Schnarren. Scherer. Krabbenkreaturen. Die sind gut gepanzert, der Kampf dauerte lang. Die Gazelle überlebt ihnen nicht. Sie liegt neben ihrem abgetrennten Arm. Den Kopf hat man ihr zerschnitten.
Aber es ist nicht schlimm, denn morgen, morgen wird sie wieder kämpfen auf der Roten Ebene. Wie wir alle. Ich falle auf die Knie, als der Boden unter meinen Füßen bebt. Auch die anderen stürzen oder halten sich an Totbäumen fest. Aber es ist schnell vorbei. Es war weder der Turmmeister dafür verantwortlich, noch der Herr des Towers Gaarth. Keine Ahnung, was es war. Ich entdecke nirgends eine Erklärung dafür. Wir richten uns wieder auf, gehen weiter. Einige Zeit später treffen wir auf einen Magier, der von seinem Trupp getrennt wurde. Er schließt sich uns an, was die allgemeine Stimmung hebt. Bald wird sie noch besser. Eine Magierin stößt zu uns. Sie hat den anderen Magier gesucht. Jetzt haben wir zwei. Das ist immer gut. Der Boden bebt erneut, was die Stimmung wieder senkt.
Besonders die Gesichtszüge der Magierin sind angstverzerrt. Ich bin gerade nicht sicher, ob wir vorrücken oder ob wir uns auf dem Rückzug befinden, richtungsmäßig. Aber so oder so, wir steuern auf eine größere Schlacht zu. Als wir auf eine Lichtung kommen, sehe ich gerade, wie eine Schwertkämpferin es mit zwei Drakos aufnimmt. Sie ist gut. Die Mistviecher haben kaum eine Chance gegen ihre Klinge. In den nächsten dreißig Minuten bekämpfe ich Straußentreter und eine Goldassel. Warge und Orks fallen durch mich. Weitere Scherer tauchen auf.
Ich verliere zuerst meinen Schild, dann den Arm. Ein Magier verhindert, dass ich verblute, ich kämpfe einarmig weiter. Ich mache noch eine Handvoll Orks nieder, dann treffe ich auf einen Knochenbären. Den ersten Angriffen kann ich ausweichen. Ein Vierter schleudert mich zu Boden. Der Bär brüllt und bäumt sich auf. Bis zur letzten Sekunde hoffe ich, dass er bald von magischen Geschossen getroffen wird. Vielleicht auch von einem Katapultstein, doch das passiert nicht. Das grässliche Maul öffnet sich, senkt sich auf mich herab.
Er packt mich, ich kann fühlen, wie die Zähne in mich dringen. Mit Leichtigkeit schleudert er mich nach links und nach rechts, schleudert mich nach oben, und mit jeder Bewegung dringen die Zähne tiefer ein, zerreißen mein Fleisch. Ich schreie wie von Sinnen. Warum überhaupt? Das hat doch gar keinen Sinn. Ich weiß, dass es bald vorbei sein wird. Ich weiß, dass es nicht schlimm ist. Nein, es ist nicht schlimm. Mein Schrei wird zu einem irren Lachen. Wir alle sind gefangen auf der Roten Ebene.
Und morgen?
Ja, morgen.
Morgen werde ich hier wieder kämpfen.