Kapitel 11

 

Die Lichter des Turbolifts leuchteten auf, und Chekov blickte automatisch zur Decke hoch, bevor ihm klar wurde, dass er sich damit nur selbst blendete. Blinzelnd und eine Hand schützend über die Augen gelegt, taumelte er gegen die geschlossenen Lifttüren, als die Antigrav-Generatoren summend zum Leben erwachten und die Kabine nach unten sank.

»Jetzt wird niemand erfahren, dass ich hier drin bin.« Chekovs Stimme wurde hohl von den geschwungenen Wänden zurückgeworfen. Sein Zittern rührte nicht nur von der durch das Vakuum bedingten Kälte her, als er daran dachte, wie wenig gefehlt hätte, und er wäre nicht mehr lebend aus dem Lift herausgekommen. Vielleicht sollte er einfach dankbar sein, dass er den Bereich der Zerstörung überhaupt verlassen konnte. »Sicherheitsabteilung«, sagte er dem Computer und rieb sich die Arme, um die Kälte zu vertreiben. »Deck sieben.«

Nachdem er die letzte Lage Plastikschaum über die Bombe im Quartier der Inspektoren gesprüht hatte, hatte er selbst nicht mehr daran geglaubt, den Explosionsbereich noch rechtzeitig verlassen zu können. Er war zu dem Turbolift gelaufen, der in der entgegengesetzten Richtung lag, die Sulu genommen hatte, weil er nicht glaubte, dass sich dort eine Kabine in Reichweite befand, wenn er sie brauchte. Die Türen seines Liftes hatten sich einen Sekundenbruchteil vor der Explosion geschlossen – einem kurzen, trockenen Knall, der den eigenen Klang zusammen mit der Atmosphäre des Schiffes fortriss. Chekov hatte gespürt, wie der Lift heftig erschüttert wurde. Dann war die Beleuchtung ausgefallen, und Chekov hatte, zum tatenlosen Warten verdammt, damit angefangen, ruhelos in seinem vakuumversiegelten Sarg auf und ab zu gehen. Schließlich hatte er begonnen, seinen Namen wieder und wieder gegen die geschlossenen Lifttüren zu hämmern, weil er nicht wusste, was er sonst zu seiner eigenen Rettung hätte beitragen können. Und selbst jetzt hatte er den Verdacht, dass dies allein nicht ausgereicht hätte.

Seine Kabine glitt sanft zur Seite und kam dann zum Stillstand. Chekov trat vor die Türen und wartete darauf, dass sie sich öffneten. Er musste unbedingt herausfinden, wer ihm jene Nachricht hinterlassen hatte, und er wollte die Laborresultate von allem sehen, was die Suchteams am Ort der Explosion entdeckt hatten. Außerdem musste er Sulu und dem Captain mitteilen, dass er noch lebte. Doch als sich die Türen auf den Korridor der Sicherheitsabteilung öffneten, enthüllten sie nur eine undurchdringliche Dunkelheit wie jene, die oben im Vakuumbereich herrschte. Chekov hielt die Tür mit einer Hand offen, während er nervös auf den Gang blickte. Hoffentlich hatten Davidson und Tate den Maschinenraum schon wegen des Stromausfalls alarmiert; er war nicht gerade erpicht darauf, sich seinen Weg durch die Finsternis suchen zu müssen.

»Fähnrich Davidson?«

Er lauschte konzentriert in die Dunkelheit, vernahm jedoch nichts als die üblichen Schiffsgeräusche. Verdammt, der Turbolift verfügte doch über Energie, und das Leck befand sich auf der Steuerbordseite des Schiffs. Was also war in der Sicherheitsabteilung passiert?

»Tate?«

Nichts.

Doch Davidson und Tate, die beiden Diensthabenden, würden ihren Posten nicht freiwillig verlassen, dessen war er sich sicher. Nicht entgegen seinen Befehlen, und schon gar nicht, solange Kelly in der Arrestzelle saß. Die Vorahnung einer Katastrophe ließ seine Haut kribbeln, und er schlich auf den Korridor hinaus. Die Luft war sauber und warm. Also kein Leck. Vielleicht ein Schaden in der Energieversorgung. Aber einer, der die gesamte Abteilung betraf? Mit vorsichtigen Schritten bewegte er sich durch die Dunkelheit vorwärts.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er ein gelbweißes Aufblitzen, und sein Instinkt reagierte schon, bevor der Verstand ihm sagte, worum es sich handelte. Chekov warf sich zu Boden, als der knisternde Phaserschuss in die Wand neben ihm einschlug.

In der nachfolgenden Stille hielt Chekov den Atem an; außer dem Knistern des auskühlenden Metalls war nichts zu hören. Dieser Phaser war eindeutig auf Hitzestrahlung eingestellt gewesen, nicht auf Betäubung. Er stützte sich vorsichtig auf die Ellbogen und strengte die Augen an in der Hoffnung, irgendwo einen Lichtschimmer wahrzunehmen, doch die völlige Dunkelheit verwandelte den Korridor der Sicherheitsabteilung in ein undurchdringliches schwarzes Etwas. Er versuchte sich zu erinnern, wie viel Zeit seit der Bombenwarnung und der Explosion verstrichen war. Himmel, dieser Saboteur kam vielleicht herum. Aber was mochte er jetzt in der Sicherheitsabteilung vorhaben? Und was hatte er mit den diensthabenden Fähnrichen gemacht?

Es spielt keine Rolle, was er vorhat, dachte Chekov. Wenn er hier raus will, muss er an mir vorbei. Auf Hilfe von Davidson und Tate konnte er nicht rechnen – er musste sich ganz darauf konzentrieren, den Eindringling bis hinter das Kraftfeld der Arrestzellen zu treiben, wo er hoffen konnte, ihn so lange festzuhalten, bis Hilfe kam. Im Kopf zählte er bereits die Schritte bis zum Eingang seines Büros, und von dort aus die zum Ausrüstungsschrank an der Rückwand, als er sich vorsichtig wieder aufrichtete.

Für einen Moment blieb er reglos lauschend stehen. Doch nichts war in der Finsternis zu vernehmen außer dem leisen Rascheln seiner Kleidung, wenn er Luft holte, und dem hellen Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Jetzt, da seine Sinne auf Hören und Fühlen reduziert waren und die Orientierung durch die Augen fehlte, wurde ihm schwindelig. Er stützte sich gegen die Wand, um das Gleichgewicht wiederzufinden, und spürte das kühle, gemusterte Metall unter seiner Hand.

Er widerstand der Versuchung, sich an der Wand entlangzutasten, als er sich in Bewegung setzte. Das schwache Geräusch seiner Haut auf dem Metall wirkte in der Dunkelheit geradezu obszön laut. Sobald er sich bewegte, verschwand das Schwindelgefühl, und der Grundriss der Abteilung wurde vor seinem inneren Auge sichtbar wie die Grafiken der Simulatorspiele auf Sigma Eins – stark vereinfacht, aber zutreffend, wobei sich die wichtigen Türen und Zielpunkte mit geradezu übernatürlicher Deutlichkeit in seinen Gedanken abzeichneten. Er wich vor der Wand zurück und hielt sich in der Mitte des Korridors, während er durch die Dunkelheit auf seine Bürotür zuschlich. In dem Ausrüstungsschrank hinter seinem Schreibtisch befanden sich Phaser, und die wären leichter zu erreichen als jene, die im Gemeinschaftsraum untergebracht waren. Wenn er es schaffte, sich eine Waffe zu besorgen und den Eindringling zu betäuben, wäre er seine Sorgen los.

Seine Augen versuchten ständig, ihn zu täuschen, spiegelten ihm Bewegungen und Lichtblitze vor, von denen er genau wusste, dass sie nicht real waren. Trotzdem war es schwer, sie zu ignorieren – jedes Mal, wenn so ein Phantombild seine Nerven strapazierte, bewegte er unwillkürlich die Hände in dem Wunsch, endlich etwas tun zu können. Schließlich ballte er sie zu Fäusten, um sie ruhig zu halten. Trotzdem war kein Atmen zu hören. Kein Klicken von Stiefeln auf dem Boden, und auch nicht das leise Geräusch von Kleidung, die die Bewegungen ihres Trägers verraten hätte. Zweimal hielt er inne, um an der Wand nach den Umrissen einer Tür zu tasten und zu lauschen. Einmal glaubte er die Wärme eines anderen Körpers sehr dicht neben sich zu spüren. Dann verschwand dieses Gefühl wieder, und er erschauerte unter der Vorstellung. Hoffentlich hieß das nicht, dass der Eindringling es irgendwie geschafft hatte, an ihm vorbeizuschleichen.

Chekov erreichte die Tür zum Büro schneller, als er erwartet hatte. Er streckte den Arm aus, um nach der Wand zu tasten, und erkannte seinen Irrtum erst, als er das Gleichgewicht verlor und durch die Öffnung in den Raum hineinstolperte. Er schlug hart auf dem Boden auf und rollte sich sofort zur Seite, verlor dabei aber völlig die Orientierung. Das Krachen und Scheppern von herabfallenden Ausrüstungsgegenständen und klappernden Schranktüren erfüllte den in Finsternis liegenden Sektor mit lauten Geräuschen. Mehr unbewusst registrierte Chekov, dass der Lärm ungefähr aus der Richtung des Gemeinschaftsraums stammte.

Die Stimme eines Mannes schrie voller Angst auf, gefolgt vom wespenähnlichen Sirren eines Phasers.

Davidson? Tate? Doch er durfte nicht nach ihnen rufen, so sehr ihn das auch schmerzte.

Chekov kroch auf allen vieren zur Tür des inneren Büros, spürte ihre Nähe aber erst einen Sekundenbruchteil, bevor er dagegen stieß. Die Tür glitt zur Seite, sobald er sich aufgerichtet hatte; sieben rasche Schritte führten ihn um den Schreibtisch herum und nahe genug an den Schrank, dass er ihn mit beiden Händen ertasten konnte. Wahrscheinlich werde ich dabei umkommen, dachte er, als er den Daumen auf den Auslöser des Schlosses legte. Aber er wusste nicht, wie er sonst mit dem Eindringling fertig werden sollte, und er konnte auch nicht zulassen, dass der Saboteur entkam.

Er drückte den Auslöser, und das Schloss erwachte mit grünem Licht und einem ohrenbetäubenden Glockenklang zum Leben. Die auf normale Lautstärke eingestellte Computerstimme hallte wie Mörserfeuer von den grünerleuchteten Bürowänden wieder: »Retina-Scan einleiten.«

Chekov war gezwungen, die Augen offenzuhalten, obwohl er sie am liebsten vor dem verdammten Lärm verschlossen hätte. Er wühlte in der Tasche nach dem Schlüssel, während ihn der Scannerstrahl kurzfristig blendete, und drückte ihn gegen das Schloss, als der Computer erklärte: »Stimmerkennung erforderlich.«

Er bereitete sich darauf vor, die Türen im gleichen Moment aufzureißen, in dem sich das Schloss öffnete. »Chekov«, flüsterte er, »Lieutenant Pavel A.«

»Bitte sprechen Sie in normaler Lautstärke.«

Lieber Himmel, wenn er jemals hier herauskam, würde er an jede einzelne Sicherheitsabteilung von Starfleet Memos mit der Forderung schicken, dieses verdammte Sicherheitssystem komplett umzugestalten. »Chekov, Lieutenant Pavel …«

Ein Phaserschuss überflutete den Raum mit weißem Licht, und eine Kraft wie eine lichtschnelle Rakete traf seine Schulter und schleuderte ihn gegen den Schrank. Der Gestank von verbranntem Fleisch und verkochtem Blut erfüllte die Luft, und Chekov erkannte an der schrecklichen Hitze in seiner Schulter, dass er nicht von einem auf Betäubung gestellten Phaser getroffen worden war. Die Schranktüren öffneten sich, als er stürzte, und einige Phaser und andere Ausrüstungsgegenstände landeten klappernd neben ihm auf dem Boden. Schritte erklangen in der Nähe der Tür, und Chekov schob sich die rechte Hand in den Mund, um seinen keuchenden Atem zu dämpfen, während er nach einem Phaser oder einem Gewehr tastete.

Seine Hand schloss sich um ein schmales, gebogenes Metallstück, und die Hoffnung, die ihn plötzlich durchzuckte, ließ ihn unwillkürlich aufstöhnen. Es war eines der Infrarotsichtgeräte, die er erst gestern aus dem Maschinenraum mitgebracht hatte. Er richtete sich halb auf, biss sich in die Hand, um den plötzlichen Schmerz zu unterdrücken, und brach keuchend über dem Schreibtischsessel zusammen. Der Schütze wusste, wo er sich befand – Chekov hörte, wie jemand den Besucherstuhl in der Ecke zur Seite stieß. Er schob sich das Sichtgerät über den Kopf und sah sich rasch im Büro um, obwohl er wusste, dass ihm kein Fluchtweg blieb.

Die Phaser, die die gleiche Temperatur aufwiesen wie der Boden und der Rest des Raumes, hoben sich wie dunkelgraue Puzzlestücke vom Untergrund ab, dünne Umrisslinien vor der tieferen Schwärze. Unter dem Schreibtisch ließ sich der Kolben eines Phasergewehrs kaum von den Beinen seines Sessels unterscheiden. Die von Chekovs Körper ausgehende Wärme zeigte sich durch das Infrarotvisor als warmes Gelb, während ein sich langsam abkühlender Handabdruck mit seinem eigenen Blut in düsterem Orange auf dem Boden leuchtete.

Nur der Schütze strahlte außerhalb des üblichen Spektrums – seine Gestalt zeichnete sich in Silber und Weiß ab, extrem hohen Temperaturen, die kein menschliches Wesen überleben konnte. Selbst der Phaser in seiner Hand hatte sich auf dem Visorbild infolge der Körperwärme kirschrot verfärbt.

Nicht menschlich, wiederholte Chekovs Verstand drängend. Er versuchte, den großen, stämmigen Körper einer bestimmten Rasse zuzuordnen, als der Saboteur langsam den Phaser hob und über den Tisch hinweg zielte, unter den sich Chekov im gleichen Moment warf, nach dem Gewehr griff und einen Schuss auslöste, noch bevor er die Waffe ganz vom Boden gehoben hatte.

Der Schuss riss die Vorderseite des Schreibtischs weg. Chekov hörte den Eindringling aufschreien und auf den Flur zurückstolpern, doch Schmerz und Blutverlust hinderten ihn daran, sofort unter dem Tisch hervorzukriechen und ihm zu folgen. Als er es endlich geschafft hatte, schien sich vor Schmerz alles um ihn zu drehen. Statt durch die Türöffnung zu laufen, stolperte er gegen den Rahmen, drückte das Gewehr mit einer Hand an seine Brust und versuchte trotz des Schwindelgefühls, das ihn wellenartig überkam, auf den Beinen zu bleiben.

Eine Spur aus strahlendgelben Spritzern zog sich über den Korridor. Ich habe ihn getroffen, begriff Chekov mit Erleichterung. Er kann nicht sehr weit kommen.

Chekov selbst allerdings auch nicht.

Ein leises Geräusch, kaum vernehmbar, löste einen Adrenalinstoß in ihm aus. So schnell er konnte, fuhr er herum und richtete das Gewehr auf die als schlanker Umriss sichtbare Gestalt hinter ihm.

»Davidson?«, fragte er, als er die Mischung aus Orange und Gelb als menschlich erkannte, auch wenn das Infrarotbild es ihm nicht erlaubte, eine bestimmte Person zu identifizieren.

»Lieutenant?« Die schwache Stimme, die durch die Dunkelheit zu ihm drang, gehörte zu keinem von Chekovs vermissten Wachposten. »Ich habe …« Aaron Kelly holte zitternd Luft und ließ sich zu Boden sinken. »Sind Sie allein hier?«

Chekov senkte das Gewehr und versuchte das konstante Geräusch zu ignorieren, mit dem sein eigenes Blut auf das Deck tropfte. »Sie haben Ihre Zelle verlassen?«

Kellys Umriss nickte, dann schien sich der Inspektor zu erinnern, dass Chekov ihn in der Dunkelheit eigentlich nicht sehen konnte, und er antwortete: »J … Ja. Ich glaube, er hat den Generator zerstört …«

»Ich folge ihm«, unterbrach ihn Chekov und stieß sich von der Wand ab. »Sehen Sie zu, ob Sie die Beleuchtung wieder einschalten können. Die Hauptschalter befinden sich in der Nähe des Turbolifts, ein Stück diesen Gang hinunter. Werden Sie sie finden?«

Kelly suchte nach einem Halt an der Wand hinter ihm und nickte erneut. »Ich will es versuchen.«

Von einem Inspektor konnte Chekov wohl kaum mehr verlangen.

Das Blut des Saboteurs bildete eine unregelmäßige Spur, die den Korridor entlangführte. Die glühenden Spritzer, die bereits von strahlendhellem Gelb zu dunklem Grün verblassten, waren groß und zeigten sich in unregelmäßigen Abständen: Der Saboteur bewegte sich also recht schnell, blutete aber auch stark. Soviel hatten sie immerhin miteinander gemein, dachte Chekov grimmig. Der Lieutenant versuchte seine rechte Hand zu bewegen und empfand eine gewisse Befriedigung, als sich die Finger tatsächlich krümmten und gegen die blutige Handfläche drückten. Es schmerzte zwar schon, wenn er nur daran dachte, den rechten Arm zu heben, aber wenigstens wusste er jetzt, dass er es schaffen konnte, wenn es notwendig sein sollte.

Blutspritzer zeigten sich am Rahmen des Sicherheitsschotts, führten um die Ecke und endeten schließlich in einem größeren Fleck vor der Tür zu einer Wartungsleiter. Ein verschmierter Handabdruck zeigte, wo der Saboteur die Luke aufgerissen hatte, um hindurchzuklettern.

Chekov wurde langsamer. Sein Schwindelgefühl drohte ihn zu überwältigen und hätte ihn beinahe in die Knie gezwungen. Er zwang sich, tief durchzuatmen, um sein Keuchen zu unterdrücken, und sah sich dann sorgfältig nach allen Seiten um, damit ihm kein Stück dieses infraroten Puzzles entging. Nein, die Spur des Saboteurs endete tatsächlich hier – es war kein heimtückischer Trick. Er trat neben die Tür, wechselte das Gewehr in die rechte, vom Blut schlüpfrige Hand und balancierte den Lauf auf dem linken Unterarm, als er sich vorbeugte, um die Tür aufzureißen. Wenn der Saboteur noch dort kauerte, bereit, auf jeden zu schießen, der in sein Versteck eindrang, dann stand Chekov zumindest nicht direkt vor dem Eingang, wo er ein kaum zu verfehlendes Ziel abgegeben hätte.

Doch im gleichen Moment, in dem er die Luke zur Seite stieß, wurde er von der Luft, die um ihn herum in das Vakuum strömte, direkt vor die Öffnung gerissen.

 

Sulu hieb frustriert mit der Faust gegen die äußere Tür des Turbolifts, spürte den Schlag dank der gepolsterten Handschuhe seines Schutzanzugs jedoch kaum. »Die Energieversorgung funktioniert wieder«, erklärte er Uhura über sein Helmkom. »Der Lift ist verschwunden, bevor ich mit Chekov sprechen konnte.«

Es gab eine längere Pause. »Das Interkom im Lift reagiert nicht«, erwiderte Uhura schließlich. »Aber Mr. Spock sagt, die Kabine wäre direkt zur Sicherheitsabteilung auf Deck sieben gefahren.«

»Das passt.« Ein feiner Nebel schlug sich bei Sulus Schnauben auf der Sichtscheibe des Helms nieder. »Wie ich Chekov kenne, ist er wahrscheinlich gleich wieder an die Arbeit gegangen.«

Ein scharfer Schlagschatten glitt über ihn hinweg. Sulu drehte sich um und sah zwei weißgekleidete Ingenieure, die eine transportable Schleuse den Zentralkorridor entlangschleppten. »Sieht so aus, als bereiteten sie sich darauf vor, das Leck in der Hülle zu isolieren. Ich melde mich besser bei Captain Kirk, bevor sie alle Schleusen dichtmachen.«

»Verstanden. Ich gebe ihm Bescheid, dass Sie unterwegs sind.«

»Danke.« Sulu bog hinter den Ingenieuren um die Ecke und eilte den Gang entlang, wobei ihm seine lautlosen Schritte jetzt, da die übliche Deckenbeleuchtung wieder funktionierte, noch unheimlicher erschienen. Seine Erleichterung darüber, Chekov lebend gefunden zu haben, wurde nur durch die nagende Sorge gedämpft, der Sicherheitsoffizier könnte verletzt sein. Er war immerhin gesund genug, um seinen Namen zu morsen, sagte sich Sulu selbst. Und wenn er verletzt gewesen wäre, hätte er den Lift zur Krankenstation schicken können

Eine undeutliche Bewegung spiegelte sich in der gekrümmten Scheibe seines Helmvisiers wieder, und Sulu fuhr instinktiv herum. Er versuchte, auf einem Bein zu balancieren, um mit dem anderen Fuß notfalls zutreten zu können, doch die dicken Metallfasern seiner Stiefel verhinderten dieses Manöver. Fluchend trat er einen Schritt zurück und erkannte dann, dass die Bewegung lediglich von einer Kabinentür herrührte, die sich geschlossen hatte. Erleichtert wollte er schon aufatmen, als er die Zimmernummer bemerkte.

»He!« Sulu stürmte über den Gang und schlug mit der Faust auf die Schalttafel neben der Tür. Auf dem kleinen dort eingebetteten Display leuchtete das goldfarbene Bitte nicht stören-Symbol auf, was bedeutete, dass sich jemand im Innern aufhielt. »He, das ist meine Kabine!«

Die Erinnerung an zerfetzte Pflanzen und verstreute Kleider drängte sich in seine Gedanken, während er versuchte, den Zugangscode in das Ziffernfeld einzutippen. Wie, zum Teufel, lautete die neue Nummer, die Chekov ihm gegeben hatte? 4729?

»Mr. Sulu, stimmt etwas nicht?« Kirks Stimme neben seinem Ohr ließ ihn zusammenfahren, bis er begriff, dass der Captain über den Anzugkommunikator sprach.

»In meiner Kabine ist ein Eindringling, Sir.« Das Display an der Tür flammte plötzlich rot auf, um ihn zu warnen, dass er einen falschen Zugangscode benutzt hatte. »Ich versuche hineinzukommen, um zu sehen, wer es ist.«

Kirks Stimme fragte scharf: »Position?«

»Korridor C, Sektor neununddreißig, Kabine neunzehn.« Sulu zermarterte sein Hirn wegen des richtigen Codes und versuchte gleichzeitig, nicht an die unzähligen kleinen Schätze in seiner Kabine zu denken, die ein Vandale zerstören mochte. War es 4279? Nein, das schien nicht richtig zu sein – er war ziemlich sicher, dass die Sieben und die Neun nicht direkt nebeneinander gestanden hatten. Und wie wäre es mit 7429?

»Wir sind schon unterwegs«, sagte Kirk grimmig. »Gehen Sie vorsichtig vor, Mr. Sulu. Kirk Ende.«

Wieder tauchte eine rot leuchtende Warnung auf dem Display auf. Diesmal informierte sie Sulu, dass er nur noch eine einzige Chance hatte, den richtigen Code einzugeben, bevor sich die Tür automatisch verriegelte. Sein Helmvisier beschlug, als er aufstöhnte. Er wusste, dass die Stille im Innern seiner Kabine nichts zu besagen hatte, da das Vakuum keine Geräusche übertragen konnte. Genau in diesem Moment mochte der Eindringling alles zerschlagen, was er besaß. Ob 7249 stimmte?

Etwas Besseres würde ihm doch nicht einfallen, entschied Sulu und tippte die Zahlen hastig ein. Das Display leuchtete in dem vertrauten Blau auf, während die Türen zur Seite glitten. Sulu stürzte ohne nachzudenken in den Raum und fand sich in völliger Dunkelheit wieder, als sich die Tür hinter ihm schloss.

Verdammt, dachte er wütend, ich benehme mich schon wie Chekov! Der Lichtkegel seiner Helmlampe tanzte über die Konturen seiner Kabine, die wie eine fremdartige Landschaft unter einer glitzernden Eisschicht wirkte. Nichts rührte sich.

»Sulu.« Der Steuermann zuckte zusammen, als Kirks Stimme plötzlich in seinem Helm ertönte. »Wir kommen nicht an Mr. Scotts transportablen Schotten vorbei und müssen einen Umweg nehmen. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«

»Bis jetzt ja. Ich habe nichts gesehen …« Etwas Großes, Bleiches schoss aus den Schatten auf ihn zu, und Sulu sprang ihm aus dem Weg. Er erkannte das weiße Schimmern eines Ingenieursanzugs, fluchte, ließ sich von der Wand abprallen und nutzte den Rückstoß, um sich auf den Eindringling zu werfen.

Der Zusammenprall ließ beide gegen die Wand stolpern. Gefrorene Pflanzen stürzten in einer lautlosen Kaskade rings um sie zu Boden. Sulu krümmte sich im Innern seines Schutzanzugs und versuchte die wuchtige weiße Gestalt zu packen, die drohend über ihm aufragte. Er wusste, dass die zwei Lagen vakuumsicheren Stoffs, die sich zwischen ihnen befanden, jeden Schlag abmildern würden, ganz gleich wie gut er zielte. Seine einzige Chance bestand in einem Ringergriff.

Der Angreifer ignorierte seine Anstrengungen jedoch ganz einfach, hob ihn vom Boden, als würde er gar nichts wiegen, und schmetterte ihn auf den Arbeitstisch. Es war nicht der Schmerz des Aufpralls, der Sulus Energien mobilisierte – es war das traurige Schicksal seiner eisverkrusteten Pflanzen, die unter ihm zerschmettert wurden. Wütend über diesen letzten Anschlag auf seine Besitztümer rollte er sich wieder auf die Füße und stürzte sich auf den Angreifer.

Sie krachten in einem Gewirr aus Armen und Beinen auf den Boden, wobei Sulu oben lag. Er versuchte, diese Position auszunutzen, um den Gegner festzunageln, doch der Körper unter ihm explodierte regelrecht in einem verzweifelten Ausbruch roher Kraft. Der erste Schlag brach Sulus Haltegriff, der zweite schleuderte ihn quer über den von Pflanzen bedeckten Boden, bis er gegen den auf dem Kopf stehenden Lilienteich prallte. Er drehte sich gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie der Eindringling auf die Füße kam und zur Tür rannte.

»Verdammt!« Sulu befreite sich von dem Marmorteich und rappelte sich schwer atmend auf, um dem Gegner zu folgen.

»Sulu, Meldung!« Kirk Stimme drang so ungeduldig aus dem Helmlautsprecher, als hätte er den Befehl schon mehrmals wiederholen müssen. Aber Sulu konnte sich nicht erinnern, etwas gehört zu haben. »Was ist passiert?«

»Ich habe den Eindringling gefunden, Sir«, keuchte Sulu und stürzte gerade noch rechtzeitig auf den Flur, um zu sehen, dass die weißgekleidete Gestalt in Richtung des Turbolifts lief. Sulu rannte hinterher. »Er bewegt sich jetzt auf Turbolift acht zu.«

»Die Lifttüren sollten verschlossen sein.« Die Stimme des Captains klang fast ebenso atemlos wie die Sulus. Es war auch nicht gerade leicht, in einem unförmigen Schutzanzug zu rennen. »Auf dem Weg wird er nicht hinauskommen.«

»Nein, Sir.« Sulu rannte durch die unheimliche Stille des Korridors und rückte seinem Gegner langsam näher. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, brannte in seinen Augen und nahm ihm für einen Moment die Sicht. Als er wieder deutlich sehen konnte, dachte er im ersten Moment, die weißgekleidete Gestalt sei verschwunden. Dann entdeckte er sie wieder – sie hockte an der dem Lift gegenüberliegenden Wand neben der rotumrandeten Klappe, die den Zugang zu den Wartungsschächten öffnete.

Sulu stieß ein erschrecktes Keuchen aus. »Captain, er versucht in den Wartungsschacht zu gelangen.«

»Halt ihn auf, Junge!« Scotts Stimme mischte sich ein. »Die Schächte stehen noch unter atmosphärischem Druck – wenn sie geöffnet werden, entweicht die Luft aus dem gesamten Notzugangssystem!«

»Kirk an Brücke, Prioritätsanweisung!« Der Ruf des Captains dröhnte aus Sulus Helmlautsprechern, als er quer durch den Gang auf den Eindringling zustürzte und darum betete, ihn noch rechtzeitig zu erreichen. »Alle Reparaturschächte ober- und unterhalb von Deck sechs versiegeln. Ich wiederhole, alle Reparaturschächte versiegeln …«

Ein hämmernder Windstoß traf Sulu mitten in der Bewegung und schleuderte ihn so hart gegen die Korridorwand, dass die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde. Er hustete und sog gerade genug Atem ein, dass er gegen den Strom frostglitzernder Luft ankämpfen konnte. Er warf sich durch die Öffnung und landete auf dem Rücken des Eindringlings. Sie stürzten gegen die Sprossen der Leiter und suchten beide nach Halt gegen den wütenden Luftstrom. Irgend etwas strich hinten über Sulus Nacken und zerrte sanft an den Metallfasern seines Anzugs. Schließlich wurde der Wind schwächer und erstarb endlich in einem letzten Wirbel von Eiskristallen, die den schwach erleuchteten Schacht herabfielen.

Sulu atmete erleichtert auf. Jemand auf der Brücke hatte die Vakuumbarrieren in dieser Sektion der Wartungsschächte geschlossen und damit den Luftstrom unterbrochen. Er wischte sich den Eisfilm vom Helmvisier und hob dann den Kopf, um herauszufinden, wohin der weißgekleidete Eindringling verschwunden war. Prompt stieß er dabei mit dem Helm gegen etwas Hartes. Er schaute hoch, entdeckte direkt über sich eine metallisch schimmernde Schottwand und begriff, wie knapp er einer Enthauptung entgangen war.

Er holte noch einmal tief Luft und kletterte dann den spärlich erleuchteten Schacht hinab, wobei sich die klobigen Anzugstiefel als nicht sehr geeignet für die Benutzung von Leitersprossen herausstellten. Der schmale Schacht knickte scharf zur Seite, als er sich Deck sieben näherte. Sulu konnte wegen der vorstehenden Kontrolleinheit auf seiner Brust nicht direkt nach unten sehen, und hören konnte er natürlich auch nichts außer seinem eigenen, rasselnden Atem. Er wusste, dass irgendwo unter ihm ein weiteres Schott den Schacht verschloss. Und irgendwo dazwischen befand sich der Eindringling.

Als der Schlag von unten kam, reagierten Sulus mit Adrenalin vollgepumpten Muskeln automatisch und traten nach dem Angreifer. Erst nach dem dritten Tritt ins Leere wurde ihm klar, dass er nur gegen die Luft kämpfte, die den Schacht hinaufgerissen wurde. Irgendwo weiter unten war eine Notluke geöffnet worden.

Jetzt, da die Atmosphäre zurückkehrte, konnte er auch wieder Geräusche vernehmen, schwach zuerst, doch dann zunehmend lauter, als sich der Druck stabilisierte. Neben den schnellen Schritten und dem metallischen Rascheln eines Schutzanzugs hörte Sulu auch das unverkennbare Sirren eines Phasergewehrs, das schussbereit gemacht wird.

Der Steuermann erstarrte auf der Leiter und schloss aus dem plötzlichen Verstummen der Schritte, dass sein Gegner sich genauso verhielt. In der drohenden Stille klang Chekovs Stimme sonderbar grimmig.

»Stehenbleiben! Niemand bewegt sich«, knurrte der Sicherheitsoffizier. »Selbst wenn mein erster Schuss fehlgeht, werden die Querschläger auf jeden Fall treffen.«