»Chekov?« Sulus Stimme klang in dem engen Schacht so blechern, als käme sie aus einem Interkom. »Lass ihn nicht entkommen!«
Die Erleichterung überfiel den Sicherheitschef so überraschend, dass er beinahe zu Boden gesunken wäre. »Der geht nirgendwohin.« Er richtete das Gewehr auf den unförmigen Schimmer reflektierter Hitze über ihm. »Also schön, du da oben – komm jetzt runter. Aber langsam!«
Der Gefangene zögerte nur einen kurzen Moment, dann löste er sich ungeschickt von der Leiter und schlurfte auf den Gang hinaus. Chekov war völlig klar, dass dies nicht sein Saboteur sein konnte – die Hitzestrahlung war nicht annähernd hoch genug, selbst wenn man den Schutzanzug berücksichtigte. Die einzigen stärkeren Hitzequellen an der Gestalt waren die Energiezellen des Anzugs und ein hellleuchtender Fleck oben auf dem Helm. Chekov erkannte, dass es sich dabei um die Helmlampe handeln musste, als Sulu den Schacht verließ und das Visorbild einen ganz gleichartigen Fleck über seinem Kopf zeigte.
»Was machst du denn hier unten?«, fragte Chekov und senkte das Gewehr, so dass er die Mündung auf dem Boden abstützen konnte.
»Ich habe diesen Burschen dabei erwischt, wie er in meine Kabine eingebrochen ist!« Sulu deutete mit einer heftigen Bewegung, die seine Anzuggelenke zum Knirschen brachte, auf die Gestalt zwischen ihnen. »Ich wollte ihn gerade festnehmen, als er durch den Wartungsschacht geflüchtet ist.« Er bemerkte eine Veränderung in Chekovs Gesichtsausdruck und fragte: »Wieso? Was ist denn los?«
»Ich habe den Saboteur gejagt.«
Sulu richtete sich überrascht auf, und das Licht seiner Helmlampe brach sich an der gegenüberliegenden Wand. »Hast du ihn gesehen?«
»Ich habe ihn angeschossen.« Chekov deutete mit dem Lauf des Gewehrs auf die Blutspur am Boden und fragte sich, ob sie es schaffen würden, das alles zu reinigen, bevor die erste Schicht ihren Dienst antrat. Im Moment wusste er nur, dass seine Socken nass waren, und der Ärmel seiner Jacke fühlte sich klamm an, weil sich das Blut in dem vollgesogenen Stoff langsam abkühlte. »Er muss diesen Schacht benutzt haben, bevor ihr die Atmosphäre habt ausströmen lassen. Verdammt – im Vakuum muss das Blut verkocht sein, und damit ist auch die Spur verloren.« Er versuchte wieder, seine Hand zu bewegen, doch diesmal krümmten sich die Finger nur noch langsam und schwerfällig. »Eines kann ich dir aber sagen – wer immer es ist, ein Mensch ist es nicht.«
Der überraschte Ausruf des Gefangenen klang über den Helmkommunikator eher wie ein Quietschen. Er wich stolpernd vor Sulu zurück, versuchte sich umzudrehen und wegzulaufen. Sein Helmlicht verschwand von Chekovs Visorbild, sobald er die Drehung vollendet hatte. Chekov wechselte das Gewehr in die rechte Hand, und mit zwei schnellen Schritten hatte er den Fremden erreicht, die Aufhängevorrichtung am Rücken des Anzugs gepackt und ihn von den Füßen gerissen. Brennender Schmerz flammte bei dieser Anstrengung in Schulter und Rücken auf, und er stand dicht vor dem Zusammenbruch, als er dem Unbekannten den Gewehrlauf mit Nachdruck auf die Brust setzte. »Versuch es nicht einmal.« Er bemühte sich, trotz der Schmerzen klar zu sprechen, hatte aber nicht den Eindruck, als wäre er dabei besonders erfolgreich. »Wer ist dieser Kerl?«, fragte er Sulu und blinzelte, um seine Sicht zu klären.
Sulu hob die Hände, das Äquivalent eines Schulterzuckens, wenn man in einem Schutzanzug steckte, und trat ein paar Schritte näher. »Ich habe ihn nur verjagt. Deine Vermutung ist so gut wie meine.«
Chekov warf einen finsteren Blick auf den liegenden Mann. »Ich mag Vermutungen nicht.«
»Bitte …« Die Stimme im Innern des Anzugs klang zwar dünn, aber keineswegs schwach. »Meine Herren, wir können doch sicher zu einem Kompromiss finden?«
»Der Sicherheitschef steht neben mir«, erklärte Sulu. »Da muss ich keine Kompromisse machen.« Er trat neben Chekov und zog die Handschuhe seines Schutzanzugs aus. »Was wollten Sie in meinem Zimmer?«
»Ich … ich hatte mich verirrt.« Der Fremde krümmte sich unter dem Druck des Gewehrlaufs, doch Chekov ließ nicht locker, weil er keineswegs überzeugt war, dass er den Mann ein zweites Mal zu Boden werfen könnte. »Ich versuchte irgendeinen Hinweis zu finden. Als das Leck auftrat, hatte ich die Orientierung verloren – ich wollte niemandem Schwierigkeiten bereiten.«
Chekov war keineswegs überzeugt, dass ihr Gefangener die Wahrheit sagte. »Ihren Namen und Ihren Rang?«
Ein leises Zischen, bei dem es sich um ein heiseres Lachen handeln mochte, drang aus dem Außenlautsprecher des Anzugs. Der Helm des Gefangenen stieß gegen den Boden, als er sich bewegte. »Ich fürchte, das ist nicht ganz so leicht zu erklären …«
Plötzlich ging die Beleuchtung an. Neue Hitzequellen und reflektierte langwellige Strahlung trübten die klaren Bilder des Visors. Chekov trat einen Schritt von ihrem Gefangenen zurück und klemmte das Gewehr unter den linken Ellbogen, so dass er das Visor absetzen konnte, ohne den verletzten Arm zu bewegen. Doch selbst diese winzige Anstrengung jagte heftige Schmerzen durch seine Schultern und ließ seine Sicht verschwimmen.
Mittlerweile hatte er sich so sehr auf die infrarote Darstellung eingestellt, dass ihm das staubblaue Gesicht, das zu ihm hochblickte, gar nicht ungewöhnlich erschien, bis Sulu verblüfft aufkeuchte. Dann erst begriff er, was das flachsgelbe Haar und die blassen Antennen bedeuteten. »Sie sind ein Andorianer!« Sulu trat rasch vor, um ihn zu stützen, als er ins Stolpern geriet, und Chekov musste sich zur Seite beugen, um den Gefangenen weiterhin im Blick zu behalten. »Wer, zum Teufel, sind Sie?«
»Mein Gott, was ist passiert?« Die Stimme des Steuermanns klang plötzlich klar und deutlich, als er die Verschlüsse seines Anzugs löste und den Helm zu Boden fallen ließ. »Dein Gewehr ist ja voller Blut!«
Chekov versuchte ärgerlich, den Steuermann beiseite zu schieben, während ein Übelkeitsanfall ihn leicht schwanken ließ. Sulu hatte recht – ein kleines Rinnsal aus Blut war über den Lauf des Gewehrs auf den Anzug des Andorianers getropft. »Ich …« Er tastete nach dem kalten, feuchten Stoff seines Ärmels und runzelte die Stirn. »… es geht schon …«
Dann spürte Chekov, wie sich das Deck unter ihm drehte, und er griff nach Sulu, um sich zu stützen. Dass er stürzte, merkte er erst, als er mit der Schulter gegen den Steuermann stieß und beide zu Boden gingen.
»O Gott, Pavel, stirb jetzt nicht.« Sulu zwängte sich unter Chekovs reglosem Körper hervor, wobei er sich bemühte, ihn nicht auf den Rücken zu drehen. Der Gestank nach verbrannter Kleidung und Haut haftete dem Korridor an, und ein dünner Rauchfaden verschwand gerade in der Ventilation. Der Boden unter ihnen war schlüpfrig vor Blut, und Sulu versuchte kurz, Chekov aus der Lache herauszuziehen, bevor er merkte, dass noch immer Blut aus der verletzten Schulter des Sicherheitschefs rann. Doch trotz seiner erschreckenden Blässe hob und senkte sich Chekovs Brust in gleichmäßigen Atemzügen. Sulus Augen wanderten über den schrecklichen Anblick verbrannter Knochen unter dem blutigen Fleisch und fielen auf den Andorianer, der versuchte, sich fortzuschleichen.
»He!« Mit der Kraft der gesamten in ihm aufgestauten Wut und Frustration stieß Sulu den Mann gegen die Wand, drehte ihm einen Arm auf den Rücken und griff mit der freien Hand nach Chekovs blutbeflecktem Gewehr. Dann rammte er ihm den Lauf in den Nacken und rief: »Keine Bewegung!«
Der Alien erstarrte und drehte nur den Kopf weit genug, um Sulu einen listigen Blick zuzuwerfen. »Sollten Sie sich nicht besser um Ihren Freund kümmern, statt mich anzugreifen?«, fragte er mit unschuldsvoller Stimme.
»Sie anzugreifen ist genau das, was er von mir erwartet.« Sulu stieß ihn mit dem Gewehr an. »Vorwärts. Ein Stück den Gang hinunter befindet sich ein Interkom. Dort werden Sie erst die Krankenstation anrufen, und dann den Captain.«
Die Antennen des Andorianers krümmten sich unter dem transparenten Helm. »Oh, nein, ich glaube nicht …«
Sich nähernde Schritte unterbrachen ihn. Sulu drehte den Kopf und seufzte vor Erleichterung, als er eine vertraute, sehnige Gestalt um die Ecke biegen sah. »Dr. McCoy, hierher!«
Der Doktor lief durch den Gang auf sie zu. »Lieber Himmel, was ist denn hier los?« Er kniete neben Chekov nieder und wühlte in seiner Arzttasche. Gleich hinter McCoy tauchte Aaron Kelly auf, dessen dunkles Gesicht einen entsetzten Ausdruck trug. »Wer, zum Teufel, hat auf Chekov geschossen?«
»Der Kerl, der die Bombe gelegt hat.« Sulu drehte sich um und zwang den Andorianer, diese Bewegung mitzumachen, indem er ihm weiterhin den Gewehrlauf ins Genick drückte. Der Alien stöhnte theatralisch auf, leistete jedoch keinen Widerstand. »Kommt Chekov wieder auf die Beine?«
»Er wird es überleben.« McCoy öffnete den Verschluss einer Sprühflasche, und bleicher, anästhesierender Schaum verbreitete sich zischend über Chekovs verbrannte Schulter. »Aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass er darüber nicht sehr glücklich sein wird.«
Bevor Sulu antworten konnte, öffneten sich die Türen des Turbolifts am Ende des Gangs. Eine schlanke Gestalt in einem roten Schutzanzug trat heraus, gefolgt von einer Gruppe schwarzgekleideter Sicherheitsleute. »Was ist passiert?« Kirk kam durch den Korridor auf sie zu, seine Augen wanderten zwischen Sulu und dem Andorianer hin und her. Der Alien zuckte sichtlich unter dem prüfenden Blick des Captains zusammen. »Ist das der Saboteur?«
Sulu schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Das ist der Bursche, den ich aus meinem Raum und durch den Wartungsschacht gejagt habe.« Er deutete mit dem Kinn zum Korridor der Sicherheitsabteilung, wobei ihm der scharfe Geruch von verbranntem Plastik und Metall beißend in die Kehle stieg. Als er den darunterliegenden Geruch von verbranntem Fleisch wahrnahm, musste Sulu die Zähne zusammenbeißen, um die in ihm aufsteigende Übelkeit zu bekämpfen. »Der Kerl, der die Bombe gelegt hat, war hier unten und hat Chekov niedergeschossen.«
»Und zwei andere Wachen«, fügte Aaron Kelly leise hinzu. »Er hätte mich auch erschossen, wenn Lieutenant Chekov ihn nicht aufgehalten hätte.«
Kirk ließ die Riegel seines Helms aufschnappen und hob ihn über das schweißnasse Haar. »Haben Sie gesehen, wer geschossen hat?«, fragte er den Inspektor.
Kelly schüttelte den Kopf. »Die Lichter gingen aus, bevor ich die ersten Schüsse hörte.« Sulu bemerkte, wie er schwer schluckte. »Sobald das Kraftfeld vor meiner Zelle erlosch, bin ich losgerannt. Einfach gerannt, um mich zu verstecken.«
»Das war vermutlich das Effizienteste, was Sie in dem Moment tun konnten, Mr. Kelly«, meinte Kirk trocken.
McCoy sprühte die letzte Lage synthetischer Haut über Chekovs Rücken und sah dann zum Captain auf. »Falls du keine weiteren Fragen an ihn hast, Jim, würde ich ihn gern zur Krankenstation schicken, um eine Bahre für Chekov zu holen.«
»Er kann gehen.« Kirk reichte seinen Helm einem der Sicherheitsleute und ließ sich dann auf ein Knie nieder, um die doppelte Blutspur auf dem Boden zu untersuchen. »Pille, sieht dieses Blut für deinen Geschmack menschlich aus?«
Der Doktor warf einen Blick auf die Blutspritzer. »Dieses orangefarbene Zeug jedenfalls nicht.« Er zog einen Scanner aus seinem Koffer und führte ihn über einen der hellen Flecken.
Sulu blinzelte, als ihm ein paar unangenehme Erinnerungen an Kneipenschlägereien durch den Kopf schossen. »Für mich sieht es wie orionisches Blut aus, Captain.«
»Ja, das dachte ich mir schon.« Kirk erhob sich und wandte sich den Wachen zu, ohne McCoys bestätigendes Nicken abzuwarten. »Starten Sie eine schiffsweite Suche nach einem verletzten Orioner, der wahrscheinlich bewaffnet und gefährlich ist. Schließen Sie in die Suche alle Wartungsschächte und Notzugänge ein, angefangen mit diesem hier. Wir wissen, dass er diesen Weg genommen hat.«
»Aye, Sir.« Fähnrich Lemieux nahm den Helm ab und wandte sich den übrigen Wachen zu. »Hrdina und Samuelsson, Sie übernehmen die Wartungsschächte. Die anderen verteilen sich über dieses Deck.« Sie zögerte und sah zu dem Andorianer hinüber, während sich ihre Leute verteilten. »Soll ich den Gefangenen einsperren, bevor ich gehe, Sir?«
»Nein.« Kirk bedeutete ihr zu gehen, und seine Stimme nahm einen harten Klang an. »Es gibt noch ein paar Fragen, die ich ihm stellen möchte.«
Der Kopf des Andorianers fuhr herum. »Ich habe nichts damit zu tun, das schwöre ich!«
»Womit zu tun?« Kirk trat vor und bedachte den blauhäutigen Humanoiden mit einem eisigen Blick. Der Alien zuckte zurück und blieb nur stehen, weil ihm Sulu das Gewehr fest gegen den Nacken drückte.
»Mit der Bombe auf Ihrem Schiff.« Der Helmkommunikator verwandelte den nasalen Akzent des Andorianers in eine Art Jammern. »Ich habe es nicht getan, Captain. Tatsächlich war ich sogar derjenige, der Ihrem Sicherheitschef mitgeteilt hat, wo sie sich befindet!«
»Ich glaube Ihnen, dass Sie die Bombe nicht gelegt haben.« Kirk trat noch einen Schritt näher, löste die Verschlüsse am Helm des Andorianers und nahm ihn ab. »Aber ich glaube nicht, dass Sie gar nichts damit zu tun hatten … Muav Haslev.«
Der Andorianer zuckte so heftig zurück, dass der Helm aus Kirks Händen gerissen wurde und scheppernd zu Boden fiel. Sulu wurde plötzlich gegen die Wand gedrückt, das Phasergewehr war zwischen seiner Brust und dem Rücken des Alien eingeklemmt. Er knurrte und stieß den Andorianer vorwärts, wobei er fürchtete, versehentlich den Abzug auszulösen. Der Geruch von essigsaurem Alienschweiß stieg ihm in die Nase.
»Woher wussten Sie, wer ich bin?«, fragte Haslev. Seine Stimme klang jetzt – nicht mehr durch die Anzuganlage verzerrt – tiefer als vorher, aber noch genauso ängstlich. Die Antennen bewegten sich nervös über dem schweißnassen, gelben Haar.
Kirk stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Wenn sich zwei orionische Schiffe zusammentun, um uns aufzuhalten, und anschließend ein orionischer blinder Passagier das Schiff sabotiert, damit wir nicht weiterfliegen können, dann dämmert mir langsam, ich könnte etwas an Bord haben, an dem die Orioner sehr interessiert sind.« Er beugte sich vor und tippte dem Andorianer auf die Brust. »In diesem Moment, Mr. Haslev, haben Sie die Ehre, in den Augen der Orioner der meistgesuchte Mann des Universums zu sein: ein verschwundener andorianischer Waffenspezialist, erst kürzlich bei einem hochgeheimen militärischen Forschungsprojekt beschäftigt.«
»Ich war nicht dort beschäftigt«, berichtigte Haslev indigniert. »Ich hatte die Leitung! Ohne mich hätten sie diese Forschungen gar nicht durchführen können.«
McCoy stand auf und zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Wenn Sie Muav Haslev sind, was, zum Teufel, machen Sie dann an Bord der Enterprise? Ich dachte, die Orioner hätten Sie gekidnappt.«
»Gekidnappt? Wird das jetzt behauptet?« Haslev verzog abschätzig das Gesicht. »Ich bin aus eigenem Antrieb gegangen. Die andorianische Regierung hat meinen Beitrag zu dem Forschungsprojekt viel zu gering eingestuft, deshalb bin ich gegangen, um jemand zu suchen, der mir das bezahlt, was ich wert bin.«
Kirk streckte beide Arme aus, und Sulu sprang klugerweise beiseite, bevor der Captain den Andorianer gegen die Wand stieß. »Sie haben Militärtechnologie der Föderation an die Orioner verkauft?«
»Warum nicht?« Haslev versuchte sich zu befreien und gab erst Ruhe, als Sulu ihm warnend den Gewehrlauf in die Rippen stieß. Seine Stimme klang gekränkt. »Deren Geld kann man ebenso gut ausgeben wie das von anderen.«
Sulu musste sich zwingen, ihm nicht das Gewehr über den Schädel zu schlagen, während Kirk mit angewiderter Miene zurücktrat. »Militärtechnologie an ein neutrales Sternsystem zu verkaufen, ist eine eindeutige Verletzung der Föderationsgesetze, Mr. Haslev«, sagte der Captain kühl. »Wir werden Sie einsperren müssen.«
»Aber niemand innerhalb der Föderation hatte diese Sachen haben wollen!« Haslevs violette Augen weiteten sich angstvoll. »Es hat doch niemand auch nur geglaubt, es könnte funktionieren – sie meinten, wenn wir noch mehr Zeit darauf verschwendeten, würden sie die Mittel streichen! Ich musste zu den Orionern gehen. Sie waren die einzigen, die an mich geglaubt haben.«
McCoy schnaubte und trat einen Schritt zur Seite, als Aaron Kelly mit einer Antigrav-Bahre im Gang auftauchte. »Wenn die Orioner so großartige Leute sind, warum verstecken Sie sich dann auf einem Föderationsschiff?«
»Es gab eine Unstimmigkeit wegen eines Punktes in meinem Vertrag«, gab der Andorianer zu, während sich seine Wangen verfärbten. »Sie wollten mich töten; aber ich wollte nicht sterben.«
Das schien einleuchtend zu sein, ganz gleich, von welcher Seite Sulu es auch betrachtete. Kirks Mundwinkel zuckten leicht, als wäre er der gleichen Ansicht. »Orioner sind mitunter so«, meinte er. »Welche Technologie haben Sie ihnen verkauft, Mr. Haslev?«
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen das sagen sollte«, erklärte der Wissenschaftler nach einer kurzen Denkpause. »Es sei denn natürlich, Sie versprechen, mich nicht einzusperren.«
Sulu sah, wie Kirk die Fäuste ballte. »Ich kann Ihnen nur eines versprechen, Mr. Haslev«, sagte der Captain mit zusammengebissenen Zähnen. »Dass ich Sie so bald wie möglich zu den Andorianern zurückschicke.«
Haslev seufzte. »Ihr Leute von Starfleet seid alle so kurzsichtig«, klagte er. »Ihr erkennt einfach kein wahres Genie. Ich wusste, dass es so sein würde, als ich an Bord kam.«
»Wie sind Sie überhaupt an Bord gekommen?«, fragte McCoy, der Chekov gerade auf die Bahre hob. »Ich kann mich nicht erinnern, einen Alarm wegen unbefugten Eindringens gehört zu haben.«
»Doch, es gab einen«, sagte Sulu plötzlich. Erinnerungen an verschiedene Notsituationen durchzuckten seinen Kopf, doch es dauerte einen Moment, bis er die richtige nennen konnte. »Direkt nachdem wir Sigma Eins verlassen hatten, während dieses Strahlungsausbruchs.«
»Aber Chekov sagte doch, einer der Inspektoren hätte den Alarm ausgelöst.« Kirk drehte sich um und sah Aaron Kelly an, der wie ein dunkler, schuldbewusster Schatten hinter McCoy stand. »Waren Sie das nicht?«
Kelly nickte betreten. »Ich weiß eigentlich gar nicht, was für einen Alarm ich ausgelöst habe, Sir – ich habe einfach so lange gegen die nächstbeste Sicherheitskonsole geschlagen, bis ein Alarm losging.«
»Wie angenehm«, meinte Haslev. Er bemerkte Kirks Blick und fügte eilig hinzu: »Für mich, natürlich. Ich hatte mich schon gefragt, wieso niemand nach mir gesucht hat.«
»Und wo haben Sie sich versteckt?«, fragte Kirk.
Der Andorianer sah ihn blinzelnd an. »Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob ich Ihnen das erzählen soll.«
Sulu warf Kirk einen bedeutungsvollen Blick über Haslevs Schulter zu. »Wir könnten ihn immer noch als Köder für den Orioner benutzen«, schlug der Steuermann vor.
»Keine schlechte Idee«, stimmte Kirk zu. Haslev richtete sich hoch auf, seine Antennen zitterten vor Empörung.
»Das würden Sie nicht wagen!« Er blickte von Kirks grimmigem Gesicht zu Sulus ausdrucksloser Miene. »Also gut. Wenn Sie es unbedingt wissen müssen. Ich habe mich in den Schächten der Turbolifte versteckt.«
»Hat es etwa deswegen all diese lästigen Verzögerungen gegeben?«, knurrte McCoy ungehalten. »Wieso sind Sie nicht zerquetscht worden?«
Ein leises Lächeln zeigte sich auf Haslevs blassen Lippen. »Ich habe festgestellt, dass sämtliche Computercodes an Bord dieses Schiffes geradezu lächerlich einfach zu manipulieren sind. Sie sollten sich wirklich überlegen, jemanden wie mich anzuheuern, um sie auf den neuesten Stand zu bringen.«
McCoy stieß ein Schnauben aus. »Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, Jim, aber ich habe jetzt genug von diesem Kerl gehört. Wenn du nichts dagegen hast, bringe ich deinen Sicherheitschef jetzt in die Krankenstation.«
Kirk rieb sich müde über das Gesicht und drehte sich von Haslev weg. »Wie geht es ihm, Pille?«
»Recht gut«, antwortete der Doktor prompt. »Zum Glück für ihn braucht ein Phaser mehr als nur ein paar Sekunden, um sich durch ein menschliches Schulterblatt zu brennen. Die Haut wird sich regenerieren müssen, wahrscheinlich braucht er ein Knochenimplantat, und ein paar Bänder werden auch genäht werden müssen.«
»Kümmere dich darum«, sagte Kirk. »Ich will mit ihm reden, sobald er wach ist.«
»Ich bin … wach, Sir.« Die zitternde Stimme war im Grunde nur noch an ihrem Akzent zu erkennen. Sulu warf einen besorgten Blick auf die Bahre, konnte aber nicht mehr sehen als einen dunklen Hinterkopf. Kirk eilte zur Antigrav-Bahre und beugte sich über den verwundeten Offizier. »Sir, der Saboteur …«
»… ist ein Orioner. Ja, das wissen wir.« Kirk legte eine Hand auf Chekovs gesunde Schulter. »Hat er irgend etwas gesagt, während er hier unten war?«
»Nein, Sir.« Der Russe holte tief Luft. »Er ist bewaffnet – mit mindestens einem Phaser. Er ist auf Hitzestrahlung eingestellt, damit er die Waffendetektoren nicht auslösen kann … so hat er auch Davidson und Tate erwischt …« Chekov hob den Kopf leicht an. »Er ist geflohen … über den Wartungsschacht …«
»Wir haben bereits eine Suchaktion gestartet. Keine Sorge, wir werden ihn schnappen.« Die Sicherheit in Kirks Stimme schien Chekov mindestens ebenso zu beruhigen wie die Worte. Der Sicherheitsoffizier ließ sich seufzend wieder auf die Bahre sinken, und McCoy zog ihn den Korridor hinunter. Sulu sah ihnen hinterher und riss dann erstaunt die Augen auf, als eine vertraute, schlanke Gestalt den Lift verließ und einen vorsichtigen Bogen um die Bahre schlug.
»Spock.« Kirk hob beunruhigt den Kopf. »Was gibt es für ein Problem?«
»Keine Probleme, Captain. Ich habe lediglich ein paar Informationen, die ich Ihnen nicht über die Schiffskanäle mitteilen wollte.« Der Vulkanier blieb ein paar Schritte vor Haslev stehen und musterte ihn ruhig. »Muav Haslev, nehme ich an?«
Die Antennen des Andorianers krümmten sich vor Ärger. »Weiß denn jeder im Universum, wer ich bin?«, fragte er mürrisch.
»Das sind eben die Risiken des Verrats, Mr. Haslev.« Kirk sah Spock fragend an. »Können Sie mir diese Informationen in Gegenwart unseres … äh … Gastes geben?«
»Ich denke schon, Captain.« Wie üblich verzog der Vulkanier keine Miene, doch Sulu hatte trotzdem den Eindruck, dass es um eine dringende Angelegenheit ging. »Ich habe die vermutliche Ankunftszeit der orionischen Schiffe Umyfymu und Mecufi berechnet. Von unserem letzten Kontakt ausgehend, dürften sie unsere gegenwärtige Position in etwa drei Stunden und dreizehn Minuten erreichen.«
Kirk rieb sich nachdenklich mit dem Daumen über die Lippen. »Und wie lange wird Mr. Scott noch für die Reparatur der Hülle brauchen?«
»Auf keinen Fall weniger als fünf Stunden, Captain, selbst wenn alle verfügbaren Techniker eingesetzt werden.«
»Hm.« Kirk drehte sich wieder zu Muav Haslev um, dessen blaues Gesicht sich jetzt dunkelviolett verfärbt hatte. »Nun, das entscheidet die Angelegenheit, Mr. Haslev. Wir werden Sie aus dem Schiff werfen.«
»Was?« Haslevs Antennen zuckten vor Schreck. »Das können Sie doch nicht tun!«
»An Bord der Enterprise kann ich alles tun, was ich will.« Kirk sah Sulu an, wobei sich einer seiner Mundwinkel amüsiert hob. »Mr. Sulu, ich möchte, dass Sie ein interstellares Shuttle für den Rückflug nach Sigma Eins bereitmachen. Geben Sie einen Kurs ein, der Sie in weitem Bogen an den Orionern vorbeiführt.« Der Captain warf Haslev einen letzten ironischen Blick zu. »Wir schicken unsere goldene Gans fort, bevor die Füchse hier auftauchen, um darum zu kämpfen.«