»Ich weiß genau das Richtige für Sie, damit Sie Ihre Arbeit noch besser erledigen können. Haben Sie eine Ahnung, was ein Mark IV Defense Com auf dem freien Markt kostet? Ich kann es Ihnen für den Einkaufspreis beschaffen.«
Chekov versuchte die Schultern seiner Jacke zurechtzurücken, damit sie nicht so unangenehm über dem Druckverband spannten, den McCoy ihm angelegt hatte. Er fragte sich, ob Haslev überhaupt ahnte, wie froh er sein konnte, dass Chekov keine Hand frei hatte, um ihm auf dem Weg zum Shuttle-Hangar den Mund zuzuhalten.
»Nun kommen Sie schon – nehmen Sie mir die Handschellen ab.«
»Halten Sie den Mund«, sagte Chekov, ohne seinen Gefangenen anzusehen, »oder ich schieße Sie nieder.«
»Pavel …« Der Vorwurf in Uhuras Stimme war trotz des Heulens, das der Lift auf dem Weg zur sekundären Sektion verursachte, unüberhörbar. In der neuen, etwas zu großen Uniform und ohne den gewohnt eleganten Goldschmuck an Hals und Ohren wirkte sie noch kleiner und zierlicher als sonst. »Vielleicht sollten Sie jemand anderen Mr. Haslev nach Sigma Eins eskortieren lassen.«
»Es gibt keinen anderen.« Chekov machte Platz, damit sie sich vor ihn stellen konnte. An der Art, wie sie an seiner Jacke zerrte, merkte er, dass sie es schließlich leid geworden war zuzusehen, wie er versuchte, seine Kleidung selbst in Ordnung zu bringen. »Der Captain braucht alle einsatzfähigen Wachen, um den Saboteur aufzuspüren, und Dr. McCoy würde mich überhaupt nichts tun lassen, wenn ich auf dem Schiff bliebe. Also kann ich ebenso gut die nächsten vier Tage an Bord eines Shuttles sitzen und den Phaser auf ihn richten …« Er deutete mit dem Kinn zu Haslev hinüber.
Uhura schnitt eine spöttische Grimasse, während sie ihm den Gürtel abnahm und zusammenrollte. »Wenn ich Dr. McCoy anrufe, wird er mir also sagen, dass Sie aus der Krankenstation entlassen sind und zum aktiven Dienst zurückkehren können?«
Nein. Es bedeutete, Chekov wäre entlassen und sollte die nächsten fünf Tage in seiner Kabine verbringen, ohne irgend etwas zu tun. Chekov argwöhnte, dass Uhura das auch schon längst wusste. »Er hat mich entlassen«, seufzte er und kam sich wie ein kleiner Junge vor, als sie das Revers seiner Jacke nur teilweise schloss. »Wenn ich die Anweisungen des Doktors wirklich ignorieren wollte, würde ich an Bord bleiben und den Orioner suchen. Aber ob ich nun in einem Shuttle sitze oder in meiner Kabine, macht keinen Unterschied. Bitte …« Er zerrte wieder an seiner Jacke und fand sich resigniert damit ab, dass sie erst wieder richtig sitzen würde, wenn er den Verband los war. »Überlassen Sie das einfach mir.«
Die Lifttüren öffneten sich auf den weitläufigen Hangar. Haslev fragte mit sanfter Stimme: »Würde es helfen, wenn ich erkläre, dass ich diese Reise auch allein unternehmen könnte?«
Chekov schob Uhura vor sich aus der Tür. »Nein.«
Zwei Reihen von Shuttles standen wie schimmernde Metallschoten über die freie Fläche verteilt. Chekov schaute sich um und entdeckte dann die Hawking unter den großen interstellaren Shuttles in der Nähe der Hangartore. Uhura ging ohne zu warten auf das Schiff zu, und ihre Schritte hallten vor Chekov durch den Hangar. »Wäre ich ein guter Offizier«, meinte sie, »würde ich Captain Kirk mitteilen, dass Sie sich selbst für diesen Job eingeteilt haben, und sicherstellen, dass er das verhindert.«
Das hieß offenbar, dass sie sich entschlossen hatte, lieber ein guter Freund als ein guter Offizier zu sein. »Vielen Dank.«
Sie umrundeten die stumpfe Nase der Hawking und stellten fest, dass die schmale Seitentür bereits offen stand. Ein Versorgungsschlitten schwankte unter dem Gewicht von zwei Technikern, die Wasser und Lebensmittel für die viertägige Reise nach Sigma Eins in den Laderaum packten. Chekov zog Haslev auf die Rampe zu, als der Andorianer versuchte, einfach in der anderen Richtung weiterzugehen, und zwang ihn einzusteigen, indem er ihm eine Hand auf den Rücken legte und schob.
»Sie sind nicht gerade ein besonders umgänglicher Typ, was?«
Chekov stieß ihn in einen Sessel. »Setzen Sie sich.«
»He!« Sulu streckte den Kopf aus dem offenen Cockpit. Seine Uniform wirkte zu glatt und neu, um schon jemals getragen worden zu sein. Chekov begriff, dass sein Freund praktisch all seine Besitztümer durch das Leck in der Hülle verloren haben musste. »Chekov, was machst du denn hier? Wer kümmert sich um meine Eidechsen?«
Der Lieutenant schaute nicht hoch, während er Haslevs Handschellen an den Armstützen des Sessels befestigte. Allein der Gedanke an den Riss in der Hülle bereitete ihm Herzklopfen. »Niemand.«
»Das ist aber nicht sehr lustig.« Sulu machte eine trübsinnige Miene. »Ich habe eine Menge Geld für diese Burschen bezahlt.«
Und zweifellos hatte jemand auch dem orionischen Saboteur eine Menge Geld bezahlt. »Wenn das Schiff in die Luft gejagt wird, bevor wir zurück sind, spielt es keine Rolle, ob jemand auf die Echsen aufgepasst hat oder nicht.«
»So kann man es natürlich auch sehen.« Sulu beugte sich zu Uhura hinab, die gerade in ihrem Sessel Platz genommen hatte, und flüsterte: »Was hat ihn denn in diese prächtige Laune versetzt?«
»Der Grund, weshalb wir Haslev fortbringen«, erklärte Uhura Chekov, statt Sulu zu antworten, »besteht darin, dass der Saboteur dann keinen Grund mehr hat, die Enterprise weiterhin zu beschädigen.«
Haslev rollte stöhnend seine Antennen ein. »Heißt das, er wird statt dessen hinter uns her sein?«
»Wahrscheinlich.« Chekov bedeutete den Technikern mit einem Kopfnicken, die äußere Luke zu schließen, und ließ sich auf einen Sitz in der ersten Reihe gleiten. »Aber wenn wir in die Luft gejagt werden, bevor wir zurück sind, spielt das für die Eidechsen ebenfalls keine Rolle.«
Sulu stieß einen leisen Pfiff aus und zog sich ins Cockpit zurück, um den Start vorzubereiten. »Ich mag es, wenn du dich so richtig russisch benimmst.« Er ignorierte Chekovs Stirnrunzeln und warf Uhura einen Blick zu. »Heißt das, er wird vorne bei mir sitzen, um das Shuttle zu steuern?«
»Bitte, nehmen Sie ihn.« Haslev krümmte sich nur leicht zusammen, als Chekov ihn scharf ansah. »Wenigstens um meinetwillen – ich habe Angst, was passiert, wenn er in meiner Nähe bleibt.«
Die mächtigen Hangartore der Enterprise öffneten sich in majestätischer Stille. Chekov saß neben Sulu auf dem Platz des Navigators und rieb geistesabwesend mit dem Daumen über eine Kontrolllampe, während ihr Shuttle abhob, um von Dunkelheit und fernen Sternen eingehüllt zu werden. Es kam ihm sonderbar vor, bei dieser Reise keine richtige Aufgabe zu haben. Sulu hatte alle nötigen Daten aus dem Hauptcomputer der Enterprise kopiert, und Haslev konnte kaum als ernsthafte Bedrohung angesehen werden. Tatsächlich kam sich Chekov mit seiner schmerzenden Schulter und dem Arm in der Schlinge eher wie ein zusätzliches Gepäckstück vor. Er seufzte, zog den Phaser aus dem Gürtel und legte ihn auf die Konsole vor ihm.
Sulu warf ihm einen lächelnden Seitenblick zu. »Du bist derjenige, der unbedingt mitkommen wollte.«
Chekov schnaubte. »Ich wollte nur, ich wäre mit zwei einsatzfähigen Armen hier.«
»Nein, das stimmt nicht.« Triebwerkdaten huschten über den Schirm, als Sulu das Shuttle ausrichtete und Fahrt aufnahm. »Wenn du beide Arme benutzen könntest, würdest du dir jetzt wünschen, auf der Enterprise zu sein, um den Saboteur zu jagen. Ich kenne dich.«
Das stimmte. »Kümmere dich nicht um mich«, knurrte Chekov und drehte sich in seinem Sessel, um das Schiff zu beobachten, das langsam unter ihnen vorbeizog. »Ich fühle mich einfach nutzlos, das ist alles.«
Sulu widersprach dieser Feststellung nicht, was die Laune des Lieutenants auch nicht gerade verbesserte. Chekov saß weiterhin zur Seite gewandt da und versuchte ihre Geschwindigkeit abzuschätzen, indem er die Sekunden zählte, die sie von einer der äußeren Schweißnähte bis zur nächsten brauchten. Dann tauchte der Rand der Untertassensektion mit der klaffenden Öffnung auf, und Chekovs Hand ballte sich zur Faust. »Ich dachte, sie wären mit der Reparatur schon weiter.«
»Mr. Scott auch. Sie reißen aber noch immer die Sektionen raus, die durch die Erschütterung beschädigt worden sind. Er meint, sie könnten wieder auf Warpgeschwindigkeit gehen, wenn wir zurück sind.«
Ingenieure samt ihrer Ausrüstung krochen wie Milben im Zeitlupentempo an den Rändern des Lecks entlang und hinterließen dort, wo sie ihre Reparaturen erledigt hatten, helles, neues Metall. Chekov zählte die dunklen Sichtluken auf beiden Seiten und schätzte, dass noch drei Wohnsektoren ohne Energie waren. Er fragte sich, wo Kirk all diese Menschen unterbringen würde.
»Da wir gerade von der Rückkehr sprechen …« Sulu nahm ein paar kleinere Justierungen auf seiner Konsole vor. »Du hast meine Eidechsen doch nicht wirklich allein gelassen, oder?«
»Nein.« Aber genau genommen doch. Allerdings hatte er ihnen eine Suppenschüssel voller Fischfutter aus dem Biolabor, eine Badewanne voll klaren Wassers und einen Schwamm zum spielen dagelassen. Wahrscheinlich würden sie die nächsten vier Tage wesentlich komfortabler verbringen als Chekov selbst.
»Danke«, sagte Sulu mit einem raschen, automatischen Lächeln. Er kümmerte sich eine Weile um die Steuerung und fragte dann: »Wie lange musst du die Schlinge tragen?«
Chekov warf einen Blick auf Sulu, der sich auf seine Arbeit konzentrierte, und wandte sich wieder der Sichtluke zu. Mittlerweile war die beschädigte Enterprise hinter ihnen verschwunden. »Zwei Wochen.«
»Hat Dr. McCoy viel Arbeit mit dir gehabt?«
»Sieht so aus.« Knochen- und Muskelimplantate, und außerdem noch etwas Komplizierteres, bei dem es um Nervenbahnen ging und über das Chekov gar nicht so genau Bescheid wissen wollte.
»Wirst du jemals wieder Klavier spielen können?«
Chekov warf Sulu einen finsteren Blick zu, den der Steuermann mit gespielter Überraschung erwiderte. »Nun?«, fragte Sulu und lachte leise. »Ein wenig musst du mir schon helfen – es ist ziemlich schwierig, ein Gespräch in Gang zu bringen, wenn deine Beiträge lediglich den Eindruck erwecken, man würde dich beim Trübsalblasen stören.«
Chekov unterdrückte eine unangemessen scharfe Antwort, als er hörte, wie Uhura ins Cockpit kam. »Wer bläst Trübsal?«, fragte sie mit dem unschuldigen Interesse eines Menschen, der nicht genau überblickt, in was er hineingeraten ist.
Sulu nickte in Chekovs Richtung. »Wer sonst?«
Es gab nichts Schlimmeres, als von den eigenen Freunden aufgezogen zu werden. Chekov drehte sich so weit wie möglich im Sessel und versuchte das Gespräch zu unterbrechen, indem er in die Passagierabteilung hinübersah. »Können wir Haslev wirklich allein lassen?«
Uhura drehte sich unwillkürlich um, doch dort war nichts Bedrohliches zu bemerken. »Warum nicht?« Ein strahlendes Lächeln huschte über ihre dunklen Züge. »Vielleicht schleicht sich ja der Saboteur herein und tötet ihn, während wir nicht hinsehen.«
Furcht und Ärger durchzuckten ihn gleichermaßen, und Chekov lehnte sich zurück und starrte an die Decke.
Uhura klopfte mit den Handknöcheln gegen die Rücklehne seines Sessels. »Lassen Sie das.«
Chekov sah sie verwundert an. »Was soll ich lassen?«
»Schließen Sie uns nicht jedes Mal aus, wenn irgend etwas schiefgeht.« Die plötzliche Eindringlichkeit in ihrem Blick ließ in ihm den Wunsch wach werden, sich zu verkriechen. »Pavel, was ist los mit Ihnen?«
Er sah zu Sulu hinüber und bemerkte, dass der Steuermann ihn aus den Augenwinkeln beobachtete, und er versuchte, genug Zorn in sich zu sammeln, um ihre Absichten zu durchkreuzen. »Ich habe drei Wachen in ebenso vielen Tagen verloren«, sagte er und klang dabei völlig erschöpft. »Es kommt mir so vor, als würde ich desertieren, weil ich das Schiff verlasse, während sich ein Saboteur an Bord befindet, aber es gibt auch absolut nichts, was ich tun könnte, wenn ich dort geblieben wäre. Wenn man dann noch bedenkt, dass der Präsident des Rechnungshofs mich schon jetzt für das traurige Beispiel eines Kommando-Offiziers hält, hat mich wohl all das zusammen in eine ziemlich schlechte Laune versetzt.« Er versuchte, die Schlinge in seinem Nacken geradezurücken, und dachte dabei, dieses Problem wäre so offensichtlich, dass er es nicht extra erwähnen müsste.
Sulu hatte das Shuttle mittlerweile auf Warpgeschwindigkeit gebracht und wandte sich jetzt von seiner Konsole ab. »Das war es nicht, was sie gemeint hat.«
»Sie haben sich schon merkwürdig benommen, noch bevor irgend etwas an Bord schiefging«, sagte Uhura. »Genau genommen sind Sie nicht mehr Sie selbst, seit wir von Sigma Eins zurück sind. Ist irgend etwas in diesem Gefängnis geschehen, was Sie uns nicht erzählt haben?«
Wäre es doch nur so einfach. »Was ist denn los? Habt ihr beiden nichts Besseres zu tun, als hier herumzusitzen und euch Sorgen um mich zu machen?«
Uhura lächelte, jenes ruhige, freundliche Lächeln, bei dem Chekov sich immer fragte, ob es so sein mochte, wenn man in einer Familie mit erheblich älteren Geschwistern aufwuchs. »Manchmal machen Sie uns eine Menge Sorgen.« Sie berührte ihn an seiner gesunden Schulter. »Was ist los?«
Das Schnurren der Warptriebwerke erschien in der erwartungsvollen Stille lauter als sonst. Chekov ertappte sich dabei, wie er die Lamellen in den Bodenplatten betrachtete, brachte es aber nicht fertig, den Blick zu heben. »Habt ihr von der Kongo gehört?«
Sulu rückte sich in seinem Sessel zurecht. »Dort gab es ein Versagen der Isolationsfelder«, sagte er schließlich. »Dem Bericht zufolge haben sie einen kosmischen String nahe Perseus gestreift.« Sein Verstummen ließ vermuten, dass er noch mehr wusste, aber nicht sicher war, wie viel er sagen sollte.
»Sie haben den gesamten Heckbereich des Schiffes verloren«, ergänzte Chekov an seiner Stelle und vermied es noch immer hochzusehen. Von Trauer gezeichnete Erinnerungen tauchten vor seinem inneren Auge auf, und er versuchte, die Worte nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen. »Als das Feld zusammenbrach, wurden dreizehn Ingenieure in den Jefferies-Röhren eingeschlossen, und weitere dreißig im Hauptraum darunter. Der String riss die Stützblöcke weg, und als die Brücke versuchte, die Antriebsgondeln abzuwerfen …« Seine Stimme versagte plötzlich und er verstummte, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte.
Uhura überraschte ihn, indem sie sich vorbeugte und ihm über die Wange strich. »Sie kannten jemand an Bord«, sagte sie leise. »Stimmt's?«
Chekov nickte, und diesmal fiel es ihm schwer, den Zorn aus seiner Stimme herauszuhalten. »Den Wissenschaftsoffizier. Er war mein Freund an der Akademie.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und runzelte verlegen die Stirn, als er sah, dass sie feucht wurde. »Er und ein anderer Offizier gingen nach draußen, um die Gondeln von Hand zu lösen. Sie wussten, dass die Strahlung sie töten würde, aber sie dachten, sie hätten keine Zeit mehr, um ein abgeschirmtes Shuttle zu nehmen – sie wollten die Maschinen abwerfen, bevor die Triebwerke anfingen zu arbeiten und jeden innerhalb der Röhren töteten.«
Sulu nickte langsam, und Uhura rieb sich die Arme, als wäre es im Shuttle plötzlich kalt geworden. »Das war unglaublich tapfer von ihnen«, sagte sie.
»Es war auch unglaublich sinnlos!« Chekov sprang aus seinem Sessel. Er wollte fortgehen, fort von alledem, was er in den letzten zwei Tagen gefühlt hatte, doch er konnte nur zwei Schritte machen, dann hielt ihn die geschlossene Cockpittür auf. »Eine Antimateriewelle aus dem Warpkern tötete die Besatzung des Maschinenraums und vernichtete den größten Teil der Ausrüstung. Die Brücke konnte nicht wissen, was dort unten vor sich ging, aber …« Er legte den Kopf gegen die Tür und schloss die Augen. »Die Maschinen hatten schon gearbeitet, als sie den String zum ersten Mal berührten. Es war niemand mehr da, niemand, den sie hätten retten können. Sie gingen nach draußen und starben für nichts.«
»Es war nicht umsonst.«
Chekov drehte sich zu Sulu um. »Was haben sie denn erreicht?«, fragte er. »Sie haben ja nicht mal die verdammten Gondeln lösen können! Ihr Schiff ist jetzt wahrscheinlich irreparabel, mehr als hundert Besatzungsmitglieder sind tot … Mein Gott! Die Hitze des Kerns hat sie verdampft, bevor sie auch nur in die Nähe der Schleuse kamen! Sag mir doch, was sie erreicht haben!«
Uhura legte eine Hand auf Sulus Arm, als der Steuermann den Mund öffnete. Die tiefe Falte zwischen ihren Brauen weckte in Chekov ein Schuldgefühl, das beinahe stark genug war, um seinen Zorn zu überwinden. »Wäre es Ihnen lieber, sie hätten es gar nicht erst versucht?«, fragte sie. »Wenn sie glaubten, es wären noch Menschen dort drin, wäre es Ihnen dann lieber, sie hätten den sicheren Weg gewählt und gewartet, bis das Shuttle bereit war?«
»Es wäre mir lieber, sie wären überhaupt nicht gestorben.« Schon während er das sagte, wusste er, dass es dumm war.
Doch die beiden anderen lachten nicht. Sulu senkte den Kopf in stillem Mitgefühl, und Uhura fragte: »Was wäre, wenn sie die Gondeln abgekoppelt und diese Menschen gerettet hätten? Ihr Freund wäre trotzdem gestorben, nicht wahr?«
So dicht bei einem arbeitenden Triebwerk? Ohne jeden Zweifel. Chekov nickte.
»Und hätte das einen Unterschied gemacht? Würden Sie sich besser fühlen, wenn Sie wüssten, dass er bei dem, was er getan hat, irgend etwas erreicht hätte?«
Chekov starrte sie an, während eine Reihe einander widersprechender Antworten in ihm auftauchten. Es war die Nutzlosigkeit, ja; und auch die schreckliche Plötzlichkeit. Aber tief darunter lag die quälende Furcht vor einem jämmerlichen Tod, die Angst, an einer Karriere festzuhalten, in der sein eigenes Leben ebenso schnell enden konnte.
Er öffnete den Mund, ohne genau zu wissen, welche Antwort er geben wollte, als plötzliche Dunkelheit den kleinen Raum erfüllte und das Singen des Warpantriebs erstarb.
»Was ist denn jetzt los?«, stöhnte Sulu.
Wie eine Antwort erklang ein splitterndes Krachen vom Heck des Shuttles her, erschütterte das kleine Schiff und schleuderte alle zu Boden.
»Kann ich irgendwie helfen?«
»Nein, Mr. Kelly.« Kirk warf einen Blick auf den Inspektor, der geduldig im hinteren Teil des Turbolifts wartete. »Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber im Moment helfen Sie uns am besten, indem Sie niemandem im Weg stehen.« Außerdem sollten Sie mir nicht auf die Brücke folgen, fügte er in Gedanken hinzu. Aber ich weiß auch nicht, wo ich Sie sonst hinschicken sollte.
Kirk hatte den Morgen damit verbracht, Chekovs Arbeit als Sicherheitschef zu übernehmen. Er war nicht bereit, einer Gruppe von Fähnrichen die Aufgabe zu überlassen, einen Saboteur zu fangen. Der Captain hatte gehofft, diese Arbeit wäre rasch erledigt. Statt dessen waren sie in einer Sackgasse nach der anderen gelandet, und schließlich hatte er Deck sieben verlassen müssen, um sich auf die Brücke zu begeben. Wenigstens dort konnte er etwas ausrichten, Dinge in Bewegung setzen.
»Ich weiß, dass ich allen Grund habe, dankbar zu sein«, sagte Kelly, als sich der Lift in Bewegung setzte und zur Kommandozentrale emporstieg. »Wenn Lieutenant Chekov nicht im richtigen Moment aufgetaucht wäre, hätte mich der Saboteur getötet – er hat den Lieutenant ja auch beinahe umgebracht. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich das zu schätzen weiß.«
Die Frustration lockerte ihren eisernen Griff ein wenig. Offenbar wurden einem Föderationsinspektor nicht sämtliche menschlichen Regungen ausgetrieben. »Danke, Mr. Kelly.« Kirk nickte einigermaßen freundlich, brachte aber noch immer kein Lächeln zustande. »Warum sehen Sie nicht einfach mal nach, ob die Umquartierungsteams auf Deck drei Hilfe brauchen können? Wir müssen für eine Menge Besatzungsmitglieder neue Unterkünfte finden.« Außerdem schien das eine Arbeit zu sein, die auch ein Inspektor verrichten konnte, ohne Probleme zu verursachen.
Kelly ließ ein jungenhaftes Grinsen aufblitzen. »Danke, Captain.« Er zog sich wieder zur hinteren Wand zurück, als die Lifttüren aufglitten. »Das werde ich machen.«
Kirk hoffte, jemand auf Deck drei würde Kellys Hilfe zu schätzen wissen. »Lieutenant Bhutto«, rief er, während er den Lift verließ und die Stufen hinabging. »Etwas Neues von unseren orionischen Freunden?«
Bhutto sah von der Navigationskonsole hoch und schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Keinerlei Schiffe in Sensorreichweite.«
Kirk stülpte die Lippen vor. »Dann sind sie langsamer, als ich dachte.« Er blieb neben dem Kommandosessel stehen und betrachtete den leeren Schirm, als könnten seine Augen einen Gegner noch vor den Sensoren entdecken. »Spock, haben die internen Schiffssysteme zur Suche nach dem Saboteur beitragen können?«
»Negativ, Captain.« Spock richtete sich auf und drehte seinen Sessel halb herum, um den Captain anzusehen. »Ich vermute, der Saboteur hat in einem Bereich des Schiffes Zuflucht gesucht, in dem starke Hitzestrahlung auftritt, um seine eigene Körperwärme vor unseren Instrumenten zu verbergen.«
Kirk wollte sich auf seinem Sessel niederlassen, hielt jedoch inne und schaute zu Scott hinüber. »Heißt das, er versteckt sich in der Nähe des Warptriebwerks?«
Der Ingenieur lehnte sich in seinem Sitz zurück, verschränkte die Arme und hob das Kinn. »Captain, wir haben im Maschinenraum jede Ecke und jeden Winkel abgesucht – nach Bomben und nach Saboteuren.« Er schüttelte energisch den Kopf. »Ich garantiere Ihnen, er befindet sich nicht in meinem Maschinenraum.«
»Die Hitzestrahlung, die nötig ist, um den Unterschied von zehn Grad zwischen einem menschlichen und einem orionischen Körper zu verschleiern, muss nicht sehr groß sein, Captain.« Spock zog nachdenklich eine Augenbraue hoch. »Jedes Gerät an Bord des Schiffes, das eine gewisse Menge an Energie verbraucht – eine meiner Sensoreinheiten beispielsweise –, würde schon in ausreichendem Maße Wärme abstrahlen.«
Mitunter stellten Spocks Erklärungen eine ähnliche Herausforderung dar wie das Problem selbst. »Demnach könnte er sich also überall auf dem Schiff verbergen«, meinte Kirk und ließ sich in den Sessel sinken. Als Spock nickte, stützte der Captain nachdenklich sein Kinn in die Hand. »Aber wo immer er steckt, er befindet sich in der Nähe einer Kraftquelle?«
»Davon würde ich ausgehen.«
Das war wenigstens etwas. Kirk drückte den Knopf des Interkoms. »Kirk an Sicherheitsabteilung.«
»Sicherheit. Lemieux hier.«
»Fähnrich Lemieux, konzentrieren Sie Ihre Suchtrupps auf alle Schiffssektoren, deren Energieverbrauch …« Er sah zu Spock hinüber und breitete fragend die Hände aus.
»Fünfzehn Kilojoule«, erklärte der Vulkanier.
»… fünfzehn Kilojoule übersteigt«, fuhr Kirk fort und nickte dem Wissenschaftsoffizier dankend zu. »Nehmen Sie Verbindung zum Maschinenraum auf, um die genauen Punkte zu erfahren.«
»Aye, aye, Sir. Lemieux Ende.«
»Captain!« Die Stimme des Kommunikationsoffiziers ließ Kirk herumfahren. »Ich habe die stehende Verbindung zur Hawking verloren.«
Kirks Hände umklammerten die Lehnen des Sessels. »Wird das Signal von einem orionischen Schiff gestört?«, fragte er.
Der junge Lieutenant ließ seinen Blick nervös über die Anzeigen huschen und rief mit schnellen Handbewegungen einige Daten auf. »Nein, Sir. Es scheint an einem Ausfall der Anlage des Shuttles zu liegen.« Er sah besorgt zu Kirk hinüber. »Es könnte eine simple Fehlfunktion sein, Sir.«
»Könnte es, Fähnrich.« Kirk konnte nicht länger passiv im Sessel sitzen und sprang auf. »Aber wenn man bedenkt, wie ausgefuchst unser Saboteur ist, würde ich nicht darauf wetten. Scotty …« Er eilte am Geländer entlang, bis er sich zu dem Ingenieur hinüberbeugen konnte. »Können wir den Warpantrieb schon benutzen?«
»Nein, Sir«, sagte Scott mit Nachdruck. »Wir haben bisher nicht einmal das Loch in der Hülle geschlossen, ganz zu schweigen von der Verstärkung gegen die Belastung beim Warp.«
»Und wie steht es mit dem Impulsantrieb? Wie schnell können wir fliegen?«
Scott runzelte nachdenklich die Stirn, und Kirk wusste, dass der Ingenieur seine Absichten so genau erkannte, als hätte er sie laut geäußert. »Mit der unvollständigen Abschirmung rings um das Leck sind wir auf zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschränkt. Wenn wir schneller fliegen, könnte das Schiff durch Einschläge von Mikrometeoriten beschädigt werden, die möglicherweise alles zerstören, was wir bisher repariert haben.«
Zehn Prozent. Kirk trommelte mit den Fingern auf das Geländer und setzte diese Geschwindigkeit in Beziehung zu der Zeit, die das Shuttle schon unterwegs war. »Achtundsiebzig Minuten, bis wir sie erreichen«, sagte er laut. Er drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer. »Verdammt, das ist zu lang. Wenn die Orioner bis jetzt noch nicht hier aufgetaucht sind, muss sie irgend etwas abgelenkt haben.« Er starrte auf den leeren Schirm, während sich ein unangenehmes Gefühl in seinem Magen breitmachte. »Und ich fürchte, ich weiß, was dieses Etwas ist.«