Kapitel 14

 

»Was war denn das?«, fragte Uhuras Stimme aus der Dunkelheit. Noch während sie sprach, hörte Sulu das Zischen von Gas, das durch einen Riss nach außen entwich.

»Es klang wie eine Explosion.« Der Steuermann stemmte sich in dem engen Raum zwischen seinem Sessel und der Instrumentenkonsole hoch und spürte dabei das typische, markerschütternde Zittern, mit dem sie in den Normalraum zurückstürzten. Ein rascher Blick auf den Monitor des Warpfeldes zeigte das rote Flackern der Fehlfunktionswarnungen. »O Gott, nicht die magnetische Abschirmung …«

»Verlieren wir die Kontrolle über den Kern?«, fragte Chekov.

»Ich weiß nicht.« Sulu fand den Schalter für die Notbeleuchtung und drückte ihn mit erheblich mehr Kraft, als nötig gewesen wäre. Im trüben Glühen der mit eigener Energieversorgung ausgestatteten Punktstrahler wurde Uhura sichtbar, die sich bereits über das Kommunikationspult beugte, während Chekov sich bemühte, seine Jacke von einem Schalthebel zu befreien, an dem sie sich verfangen hatte. »Ich werde nach hinten gehen und nachschauen«, sagte Sulu.

»Das mache ich schon.« Der Sicherheitsoffizier riss die Jacke mit einem kräftigen Ruck los und erhob sich.

»Nein, das wirst du nicht.« Sulu packte Chekovs gesunden Arm, um ihn aufzuhalten. »Du brauchst zwei Arme, um in dem Zugangstunnel …«

»Ich schaffe das schon …«

»Die Subraumkommunikation ist ausgefallen«, unterbrach Uhura ihre Auseinandersetzung und schaute stirnrunzelnd von ihren Instrumenten hoch. »Ich habe die Notrufbake aktiviert, aber selbst bei Lichtgeschwindigkeit wird die Enterprise unser Signal frühestens in einer Stunde erhalten.«

Sulu fluchte und schob Chekov auf den Pilotensitz. »Unsere Impulstriebwerke sollten immer noch funktionieren. Ändere den Kurs und bring uns mit maximaler Impulskraft zurück zur Enterprise.«

Ausnahmsweise widersprach Chekov nicht, sondern tippte die Befehle mit grimmiger Entschlossenheit einhändig in den Computer.

Sulu quetschte sich an Uhura vorbei und lief zum Heck des Shuttles.

Sobald er das Cockpit verlassen hatte, empfing ihn eiskalter Nebel, der von kristallenen Nitrogenadern aufstieg, die sich über den Boden ausbreiteten. Sulu spürte, wie seine Stiefel steif wurden, als er durch die Kühlflüssigkeit lief. Hochspritzende Tropfen brannten sich durch den Stoff seiner Hose. Das All ist rund zweihundert Grad kälter als das hier, schoss es ihm durch den Kopf. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken.

Der Nitrogennebel wurde am hinteren Ende des Passagierabteils dünner, wo er durch die dunklen Rauchwolken verdrängt wurde, die aus dem offenen Notfallschrank in der Heckwand hervorkrochen. Sulu kam schlitternd zum Stehen und starrte Muav Haslev an. Der Andorianer hatte es irgendwie geschafft, sich von seinen Fesseln zu befreien und zog sich gerade einen der orangegrauen Schutzanzüge an.

»Wurde auch Zeit, dass Sie kommen«, meinte Haslev und schrie erschrocken auf, als Sulu ihn zur Seite schob und die Tür zum Maschinenraum aufriss. Noch mehr Nitrogennebel wallte heraus und trug den Gestank von verbranntem Metall mit sich. »He, tun Sie das nicht! Wenn die Strahlungsabschirmung zerstört ist, könnten wir sterben!«

»Halten Sie den Mund!« Sulu schwang sich in den engen Wartungsschacht, der zu ihrem Miniatur-Warpkern führte, und hustete, als der Geruch von heißem Metall und verschmorten Drähten in seine Kehle drang. Die schwache Notbeleuchtung zeigte ihm die dunkle Wölbung der ringförmigen Magnetlinse, die den Warpkern umgab, um den Antimaterieantrieb auszurichten. Als Sulu näher kroch, konnte er die Auswirkungen der Explosion erkennen: Ein faustgroßes Loch in der dicken äußeren Wand der Hülle, umgeben von zerrissenem, verdrehtem Metall, das sternförmig vom Explosionszentrum wegragte. Scharten in den Tunnelwänden zeigten, wohin der Rest des explodierten Stahls geflogen war. Eine Kaskade flüssigen Nitrogens ergoss sich aus geborstenen Kühlschlangen im Innern des Magneten, sammelte sich in der Mitte des Tunnels und zwang ihn, mit gespreizten Beinen weiterzugehen, um nicht hineinzutreten.

Sulus Herz pochte bis zum Hals, als er sich vorbeugte und durch das Loch spähte, um zu sehen, ob die Abschirmung des Kerns ebenfalls durch die Explosion zerstört worden war. Das schwache Schimmern transparenten Aluminiums war durch den silbrigen Nebel kaum auszumachen, doch das phosphoreszierende Feuer auf der Innenseite verriet ihm, dass die Hülle noch intakt war. Erleichtert ließ er sich gegen die Tunnelwand sinken und fluchte, als etwas Stumpfes gegen seinen Rücken stieß.

»He!« Chekovs wütende Stimme hallte aus dem Passagierabteil bis in den Wartungstunnel hinunter. »Was soll das denn werden?«

»Ich mache mich zur Evakuierung bereit.« Der dünne Klang von Haslevs Antwort verriet Sulu, dass der Andorianer bereits den Helm aufgesetzt hatte. »Als ich den Phaser hörte …«

»Phaser? Was für ein Phaser?« Chekovs Stimme dröhnte durch den Tunnel. »Sulu, siehst du dort unten irgendwo einen Phaser?«

»Ich glaube, ich habe ihn gerade gefunden.« Sulu drehte sich um und zerrte an dem Objekt, das sich in seinen Rücken gebohrt hatte. Klebeband löste sich von der geriffelten Metalloberfläche, und die wohlvertraute Form einer Phaserpistole landete in seiner Hand. Die von einem durchsichtigen Eisfilm überzogene Energieanzeige war schwarz. Sulu schob die leergeschossene Waffe in seinen Gürtel und krabbelte zum Passagierabteil zurück.

Als er herauskam, entdeckte er Chekov und Uhura, die ihn mit dem gleichen besorgten Gesichtsausdruck ansahen. »Kein Grund zur Unruhe«, meinte er. »Die Abschirmung ist noch intakt. Es tritt keinerlei Strahlung aus.«

Die Falten um Uhuras Augen glätteten sich, als sie erleichtert aufseufzte, doch Chekovs Miene änderte sich nicht. »Was ist mit der äußeren Hülle?«

Sulu schüttelte den Kopf und hielt ihm den Phaser hin. »Der Saboteur hat das hier benutzt. Sämtliche Kühlleitungen im Torus sind zerstört. Die Stärke des Magnetfeldes lässt vermutlich schon jetzt nach.« Er schloss die Tür zum Wartungsschacht und wünschte sich, er könnte die dahinter lauernde Gefahr ebenso leicht aussperren. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Warpfeld außer Kontrolle gerät.« Er sah Chekov durch den feinen Nebel hindurch in die Augen und erkannte, dass der Sicherheitsoffizier die Situation begriffen hatte. »Ich glaube nicht, dass wir es rechtzeitig bis zur Enterprise schaffen. Wir werden aussteigen müssen.«

»Schön, ich bin bereit.« Haslev zuckte zurück, als Chekov herumfuhr und ihn anstarrte. »Was ist nun wieder los?«

»Ist Ihnen auch nur der Gedanke gekommen, uns zu rufen, als Sie den Phaser gehört haben?«, fragte der Russe hitzig. »Wir hätten ihn abschalten können, bevor er die Hülle zerstört hätte!«

Haslev schnitt eine Grimasse. »Und dann hätten wir die Reise nach Sigma Eins fortgesetzt. Nein, vielen Dank. Ich bin mit der Situation, so wie sie jetzt ist, sehr viel glücklicher.«

»Wir werden ja sehen, wie glücklich Sie sind, wenn die Explosion uns erwischt, bevor wir außer Reichweite sind.« Sulu ignorierte den ungläubigen Ausruf des Außerirdischen und drängte sich an ihm vorbei zum Notfallschrank. Uhura stand bereits dort und überprüfte die Schutzanzüge. »Wie haben Sie sich überhaupt befreien können?«

Die Stimme des Andorianers klang jetzt verdrießlich. »Man muss nicht gerade ein technisches Genie sein, um hinter die Geheimnisse eines mechanischen Schlosses zu kommen«, erklärte er. »Technische Genies schaffen das nur etwas schneller als andere.«

Chekov schnaubte angewidert. »Gewöhnliche Kriminelle auch.«

»Ich begreife allerdings nicht«, sagte Sulu, während er darauf wartete, dass Uhura ihm einen der orangegrauen Schutzanzüge reichte, »woher der Saboteur wusste, dass wir ausgerechnet dieses Shuttle nehmen würden.«

»Ich glaube nicht, dass er es gewusst hat«, meinte Chekov grimmig. »Ich vermute, er versuchte einfach nur, so viel Schaden wie möglich auf der Enterprise anzurichten. Vielleicht hat er sogar jedes einzelne Shuttle an Bord entsprechend präpariert.« Der Sicherheitsoffizier kam durch den nebelerfüllten Mittelgang auf sie zu. »Ein Zusammenbruch der Abschirmung bei einem Kern dieser Größe könnte ausreichen, um das gesamte Schiff lahmzulegen, sofern die Explosion im Innern des Hangars stattfindet.«

»Wir müssen so schnell wie möglich zur Enterprise zurückkehren.« Sulu warf einen Blick auf die Kommunikationsoffizierin, deren plötzliche Reglosigkeit ihn beunruhigte. »Uhura, was ist los?«

»Das hier.« Uhura trat mit ungläubiger Miene vom Schrank zurück und streckte Sulu ein scharfkantiges Stück Metall hin.

»Sieht aus wie ein Schrapnell aus der Umhüllung des Kerns.« Ein unangenehmes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Hinter ihm fluchte Chekov leise auf russisch. »Lieber Himmel, das ganze Zeug ist doch nicht etwa im Anzugschrank gelandet, oder?«

»Es sieht aber ganz so aus. Bisher habe ich solche Splitter in jedem einzelnen Anzug gefunden.« Uhuras Finger schlossen sich um das Metallstück und spannten sich trotz der scharfen Bruchkanten. »Soweit ich das sagen kann, ist kein einziger von ihnen raumtauglich.«

 

Chekov griff an Uhura vorbei und zog einen der Anzüge aus dem Schrank. Gezackte Metallstücke lösten sich aus dem durchbohrten Stoff und landeten in den Nitrogenpfützen am Boden. Er warf den Anzug hinter sich und griff nach dem nächsten. »Holt sie alle heraus!«

Uhura ließ den Anzug fallen, den sie in der Hand hielt, um Chekovs Anweisung zu folgen, während Sulu Haslev zur Seite stieß, um mehr Platz vor dem Schrank zu schaffen. »Was haben Sie vor?«, fragte der Andorianer Chekov.

»Die Explosion kann nicht alles demoliert haben.« Der Sicherheitsoffizier löste einen unbeschädigten Ärmel und warf ihn hinter sich auf den Sitz. »Wenn wir die intakten Teile der Anzüge heraussuchen, können wir daraus funktionsfähige zusammensetzen.« Er ließ ein weiteres beschädigtes Teil zu Boden fallen. »Sie haben zwei gesunde Hände – kommen Sie her und helfen Sie uns!«

Die Teile türmten sich zu unregelmäßigen Haufen auf dem Deck, auch wenn derjenige mit den beschädigten Stücken schneller wuchs, als Chekov lieb war. Trotzdem zählte er in Gedanken mit und konnte nicht verhindern, dass seine Hoffnung mit jedem unbrauchbaren Teil, das er aussortierte, wieder etwas sank. Noch bevor sich Uhura daran machte, die Stücke zu zählen, wusste Chekov, dass sie nur über fünf Ärmel, zwei Hosen, acht Brustteile und zehn Helme verfügten.

Die Kommunikationsoffizierin blickte mit bekümmerter Miene von ihrer Arbeit auf. »Das hier reicht nur für zwei Anzüge.«

»Drei«, korrigierte Chekov sie. Er konnte selbst kaum begreifen, wie ruhig und sicher seine Stimme klang. »Wenn man Haslevs Anzug mitzählt.«

Sulu blickte den Andorianer, der nervös neben der Schleuse stand, finster an. »Und was sollen wir nun tun?«

Chekov nahm einen der Anzüge und drückte ihn Sulu in die Arme. »Du ziehst ihn an und gehst nach draußen.« Als der Steuermann ihn anstarrte, beugte sich Chekov vor und reichte Uhura den anderen Anzug, damit er seinen Freund nicht ansehen musste.

»Chekov …«

Uhuras große, ängstliche Augen waren allerdings auch nicht leichter zu ertragen. »Nein«, sagte sie leise.

Chekov nahm ihre Hand und schloss sie sanft um den Anzug, so dass sie ihn festhalten musste. »Sie haben gar keine Wahl.«

»Natürlich haben wir die.« Sulu drängte sich zwischen die beiden und hielt den Anzug wie einen Schild vor sich. »Wir können darüber diskutieren, wer von uns hier bleibt.«

»Und damit Zeit verschwenden, die wir gar nicht haben.« Chekov zerrte an seiner Schlinge, um Sulu daran zu erinnern. »Ich kann meinen Arm nicht gebrauchen«, sagte er und versuchte das Zittern in seiner Stimme zu verbergen. »Ich werde zu lange brauchen, um ihn anzuziehen, und die Kontrollen kann ich auch nicht bedienen …«

Sulu warf seinen Anzug auf den Boden. »Blödsinn. Man braucht keine Kraft, um sich zu bewegen, sobald man einmal draußen ist.« Der Ärger in seiner Stimme und Haltung verrieten so deutlich seinen Kummer, dass Chekov die Sorge seines Freundes fast körperlich wahrnahm. »Ich könnte dir beim Anziehen helfen«, flehte Sulu. »Ich bin sicher …«

»Nicht, Sulu.« Chekov hob die Hand, um ihm den Mund zu verschließen, packte dann aber statt dessen die Schulter seines Freundes. »Jemand muss hierbleiben, und es gibt keinen einfachen oder fairen Weg zu entscheiden, wer das sein soll. Bitte …« Er verstärkte seinen Griff. »Zwing mich nicht, dich erst bewusstlos zu schlagen, um dich in den Anzug stecken zu können.«

»Nun …« Haslev trat vor, packte Sulus Arm mit einer Hand und zog Uhura mit der anderen auf die Füße. »Sie haben den Mann gehört – er meldet sich freiwillig. Also gehen wir.«

Sulu befreite sich mit einem Ruck aus dem Griff des Andorianers. »Sie sind in diesem Anzug nicht festgeschweißt«, knurrte er. »Wir können Sie auch wieder herausholen.«

Haslev zog seine Antennen ein und gab keinen Ton von sich. Chekov drehte sich zu Uhura um und reichte ihr das Unterteil eines Anzugs. »Ziehen Sie sich an«, sagte er sanft.

Ihr Gesicht wirkte trotz der Tränen, die ihr über die Wangen liefen, ruhig und gefasst. »Wir schicken Ihnen Hilfe.«

»Damit rechne ich auch.« Er strich ihr die Tränen aus dem Gesicht und versuchte vergeblich, seine Verzweiflung niederzukämpfen. »Ich will nicht sterben«, flüsterte er.

Sie erwiderte seine Geste, indem sie ihre Arme ausstreckte und sein Gesicht in beide Hände nahm. »Und ich will Sie nicht verlassen.«

»Es kann noch Stunden dauern, bis das Schutzfeld zusammenbricht.« Das war eine Mischung aus Wahrheit und Lüge – Wahrheit, weil die Wahrscheinlichkeit nicht dagegen sprach, und Lüge, weil er keine Sekunde daran glaubte. Er nahm ihre Hände und drückte sie sanft. »Ich kann immerhin einen dieser Anzüge flicken und so schnell wie möglich nachkommen. Das verspreche ich.«

Sulu beendete seine Suche nach passenden Ärmeln und knurrte: »Nur, damit du es weißt – mir gefällt dein Plan nicht.«

Chekov schaffte es, den Anflug eines Lächelns auf sein Gesicht zu zaubern. »Ich bin auch nicht sehr glücklich damit.«

Er half ihnen, die Anzüge anzulegen, so gut ihm das mit einer Hand möglich war. Uhura bedankte sich mit einem traurigen Nicken, und das finstere Schweigen, mit dem Sulu in seinen Anzug stieg, zeigte Chekov mehr als deutlich, wie sehr sich der Steuermann mit dieser Situation überfordert fühlen musste. Nur zu gern hätte er die Spannung gemildert, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, aber ihm fiel keine geeignete Möglichkeit ein. Statt dessen reagierte er wie gewöhnlich – er kümmerte sich um die praktischen Dinge, die erledigt werden mussten, ganz gleich, wie unsicher die Zukunft auch erscheinen mochte. So holte er den Phaser von der Konsole im Cockpit des Shuttles und hielt ihn Sulu mit dem Griff voran hin. »Nimm das mit«, sagte er und nickte zu Haslev hinüber. »Und trau ihm nicht. Das ist er nicht wert.«

Sulus Gesicht wirkte im Innern des Helms grau und angespannt. Er nahm den Phaser, ohne den Blick zu heben, packte dann Chekovs Handgelenk und zog den Lieutenant in eine kurze, feste Umarmung.

Chekov schloss die Augen, während die Angst in seiner Brust brannte. »Wir sehen uns bald wieder«, versprach er.

»Das will ich auch hoffen.«

Dann gab es nichts mehr zu sagen. Sulu drehte sich ohne zu zögern um und winkte Uhura und Haslev zur Schleuse. Chekov schaute zu, eine Hand gegen die Tür gestützt, wie die Luft aus der kleinen Kammer entwich und das äußere Schott lautlos zur Seite glitt. Es sah kalt aus dort draußen. Und dunkel. Und leer. Er schaffte es, solange Haltung zu bewahren, bis sich die äußere Tür wieder schloss und ihn vor ihren Blicken verbarg. Dann sank er auf die Knie, lehnte den Kopf gegen die Schleuse und fragte sich, was, zum Teufel, er tun sollte.

 

Die Sterne brannten schweigend, ihr Feuer leuchtete kalt und fern in der Schwärze des interstellaren Raumes. Sulu trat zu ihnen hinaus und biss unwillkürlich die Zähne zusammen, als die Schwerelosigkeit ihn umfing, sobald er die Schleuse der Hawking verlassen hatte. Der Bewegungsimpuls seines letzten Schrittes trieb ihn langsam vom Shuttle fort, und er hielt den Blick fest auf den gleichmäßigen Schimmer eines Nebels gerichtet, bis sich sein Magen an das Gefühl ständigen Fallens gewöhnt hatte.

»Sulu.« Uhuras Stimme, die aus seinen Helmlautsprechern drang, klang so nah wie ein Flüstern an seinem Ohr. »Können Sie mich hören?«

»Ja, ich höre Sie.« Der Steuermann nahm die Haltung an, die er im Raum bevorzugte – die Arme leicht angewinkelt, die Knie gekrümmt, als würde er sitzen. Er hob die rechte Hand zu seinem Brustpaneel, erinnerte sich daran, dass er noch immer den Phaser hielt, und aktivierte statt dessen mit der Linken die Düsenjets. Komprimiertes Gas schoss lautlos aus den Düsen im Rückenteil des Anzugs und trieb ihn in Richtung des Nebels, den er als Zielpunkt ausgesucht hatte.

»Stellen Sie Ihre Düsen auf Höchstgeschwindigkeit«, wies er die anderen an. »Sie müssten lange genug arbeiten, um uns aus dem Explosionsradius herauszubringen.«

»Und wenn nicht?«, fragte Haslev ängstlich.

Sulu holte tief Luft, als ihn seine Wut auf den Andorianer für einen Moment zu überwältigen drohte. »Dann stoßen wir Sie zum Shuttle zurück und benutzen den Bewegungsimpuls, um den Rest der Strecke zu schaffen!«

»Sulu.« In Uhuras Stimme klang kein Vorwurf mit, nur Sorge und eine Warnung. Persönliche Gefühle durften bei einer Aktion wie dieser keine Rolle spielen – ihr Leben hing von so vielen Dingen ab, dass sie es sich nicht leisten konnten, ihr Urteilsvermögen durch emotionale Reaktionen zu trüben.

»Ja, ich weiß.« Sulu sah nicht zu ihr zurück, sondern hielt sein Gesicht auf das vor ihnen liegende Sternenfeld gerichtet. Er zwang sich, so viele Sternsysteme wie möglich zu identifizieren, um nicht an das dunkle Shuttle denken zu müssen, das hinter ihnen verschwand. Als erstes entdeckte er Deneb, den hellsten Stern, gefolgt von dem blauweißen Spica. Ein Stück darüber leuchtete Antares in seinem unverwechselbaren Rubinrot, flankiert von Beta Centauri und Achernar …

»Sulu!« Diesmal schwang in Uhuras Stimme eine Mischung aus Unglauben und Hoffnung mit. »Ich glaube … ich glaube, ich höre die Enterprise!«

Der Steuermann schnappte nach Luft und senkte das Kinn, um den Kommunikator auf höchste Lautstärke zu stellen. Statisches Rauschen, das von dem beschädigten Warpkern des Shuttles stammen musste, erfüllte den Subraumkanal. Doch darunter war das vertraute Pfeifen von Grußfrequenzen zu vernehmen. Ein verzerrtes Murmeln folgte.

Sulu stöhnte. »Ich kann nicht verstehen, was sie sagen!«

»Etwas darüber, dass sie den Kontakt zu uns verloren haben.« Uhura machte eine Pause und Sulu hielt den Atem an, weil er fürchtete, selbst das leiseste Geräusch könnte ihren Empfang stören. »Und etwas über das Weiterfliegen mit Impulskraft …« Die ferne Stimme wurde schwächer und ging in den zunehmenden statischen Geräuschen der Hawking unter. Sulu hörte, wie Uhura frustriert die Zähne zusammenbiss. »Das war alles, was ich verstehen konnte.«

»Mit Impulskraft weiterfliegen.« Der Steuermann versuchte die verzweifelt aufkeimende Hoffnung zu unterdrücken. »Meinen Sie damit uns oder sich selbst?«

Er hörte, wie Uhura überrascht den Atem einsog. »Können sie die Enterprise denn trotz des Lecks bewegen?«

»Wenn sie langsam genug fliegen, schon.« Aus irgend einem Grund wirkten die Sterne auf einmal nicht mehr so unerreichbar und kalt. »Und wenn Captain Kirk vermutet, dass wir Probleme mit dem Shuttle haben, wird er genau das tun, darauf wette ich.«

»Ja. Ja, das würde er.« Uhura dachte nach. »Aber kann er rechtzeitig genug hier sein?«

Sulu runzelte die Stirn und benutzte die winzigen Hilfsdüsen an seinen Handgelenken, um sich umzudrehen. Uhura und Haslev waren nur als sonderbar geformte Schatten vor den Sternen zu erkennen, ihre Gesichter wurden schwach von den Kontrolllampen in den Helmen beleuchtet. Hinter ihnen war die Hawking mittlerweile zu einem dunklen Fleck zusammengeschrumpft. Er nahm in Gedanken eine grobe Berechnung in Bezug auf Deneb, Beta Centauri und Achernar vor und verglich deren jetzige Position mit dem Bild, das er zuletzt vom Shuttle aus wahrgenommen hatte.

»Es sieht so aus, als hätte die Hawking ungefähr ein Zehntel des Rückwegs zur Enterprise geschafft, bevor wir ausgestiegen sind. Selbst mit dem Schaden in der Hülle kann die Enterprise vermutlich das Dreifache unserer Impulsgeschwindigkeit erreichen.« Er warf einen Blick auf die Hawking und hoffte, dass deren Magnetabschirmung lange genug intakt blieb. »In etwa einer Stunde müssten sie in Transporterreichweite sein.«

»Ich hoffe, in diese Anzüge sind Signalgeber eingebaut.« Sulu zuckte zusammen, als Haslev sich plötzlich zu Wort meldete. Der Andorianer hatte so lange geschwiegen, dass Sulu seine Anwesenheit fast schon vergessen hatte. »Oder wie will Ihr Schiff uns sonst ausfindig machen?«

»Wir haben Signalgeber«, sagte Sulu knapp. Er betätigte abermals die Korrekturdüsen und nahm seine ursprüngliche Haltung wieder ein. Er schaffte es einfach nicht, das ferne Shuttle anzusehen, das jeden Moment in einer Antimaterie-Explosion vergehen konnte.

»So, und wie schaltet man ihn ein?«, fragte Haslev. »In meinem Anzug entdecke ich jedenfalls keinen Schalter.«

Sulu gab keine Antwort, sondern starrte einen kleinen, bläulichen Stern in der Mitte zwischen den hellen Feuern von Spica und Procyon an. Bisher war er nicht sichtbar gewesen, war vielleicht von dem dunkelroten Staub seines Zielnebels verborgen worden. Anders als die übrigen Sterne schien er jedoch an Intensität zuzunehmen.

Schließlich antwortete Uhura an Sulus Stelle: »Der Signalgeber, Mr. Haslev, wird automatisch aktiviert, sobald man das Ventilationssystem des Anzugs einschaltet.« Ihre Stimme klang plötzlich beunruhigt, als hätte sie etwas aus der Körperhaltung des Steuermanns abgelesen. »Sulu, stimmt etwas nicht?«

»Vielleicht.« Sulu beobachtete, wie der kleine Stern langsam heller wurde, bis er so stark leuchtete wie Spica. »Ein Schiff kommt aus Richtung dreiundachtzig Punkt sieben auf uns zu.«

»Die Enterprise?«, fragte Uhura hoffnungsvoll und zugleich ungläubig.

Sulu schüttelte den Kopf, und dann fiel ihm ein, dass sie diese Bewegung nicht sehen konnte. »Nicht aus diesem Quadranten, und auch nicht so schnell. Jemand anderer muss unseren Notruf empfangen haben – jemand, der näher war als die Enterprise

Er drehte den Kopf und erwiderte ihren besorgten Blick. »Wir werden erst feststellen können, um wen es sich handelt, wenn sie aus dem Warp gehen. Aber dann sind sie schon nahe genug, um unsere Anzugsignale aufzufangen.«

»Na und?«, meinte Haslev. »Wer immer sie sein mögen, sie kommen schließlich, um uns zu retten, oder nicht?«

»Vielleicht.« Die Minuten krochen vorüber, genauso langsam, wie sie selbst sich von dem Shuttle entfernten. Sulu wandte den Blick nicht von dem blauleuchtenden Fleck, der jetzt heller strahlte als jedes andere Himmelsobjekt. Das Schiff trat in einem novahellen Lichtausbruch aus dem Warp und enthüllte dann die klobigen Umrisse eines Frachters, der viel schneller fliegen konnte, als das einem Frachtschiff zustand. »Genau das hatte ich befürchtet. Es ist die Umyfymu