Die weitere Vernehmung von Charly Schmider gestaltete sich schwierig, denn der Inhaftierte, der wohl so bald keinen Freigang mehr haben würde, schwieg nun permanent.
»Erst macht er den Clown, und jetzt kriegt er keinen Ton mehr raus«, knurrte Winterhalter, als sie nach dreißig vergeblichen Minuten die erste Pause machten und Charly gut bewacht im Vernehmungszimmer zurückließen.
Marie verspürte einen Anflug von Traurigkeit.
Beinahe hätte sie noch einmal das alte Foto aus ihrer Tasche gezogen, das sie ja ständig bei sich trug. Täter und Opfer auf einem Bild – und sie dazwischen. Außerdem noch ein weiterer alter Bekannter, der wenige Monate zuvor einen »Bilanzsuizid« begangen hatte.
Sie mussten noch ermitteln, was denn alles dazu beigetragen hatte, dass Rüdiger Hellmann im Schluchsee seinem Leben ein Ende gesetzt hatte.
Winterhalter tippte schon mal den bislang nicht sehr spannenden Verlauf der Vernehmung in den Computer, meinte dann aber: »Kommet Sie, der hat jetzt genug Pause gehabt. Mache mir weiter.«
In diesem Moment klingelte das Telefon auf Winterhalters Schreibtisch.
»KHK Winterhalter«, meldete er sich.
Marie betrachtete noch einmal das Foto, horchte dann aber auf, als Winterhalter sagte: »Armin Schätzle, genau!«
»Hat er sich gemeldet?«, fragte sie, doch Winterhalter gebot ihr mit einer Handbewegung, zu schweigen, bis er fertig telefoniert hatte.
»Was?«, sagte Winterhalter. Und dann: »Wo genau?«
Marie schaute ihn gespannt an, und als ihr Kollege »Scheiße!« sagte, war ihr klar, dass irgendetwas Unvorhergesehenes passiert sein musste.
»Wo genau?«, fragte der Schwarzwälder Kommissar noch einmal. Und schließlich: »Wir kommen.«
Nachdem er die Verbindung unterbrochen hatte, holte Winterhalter erst einmal tief Luft.
»Und?«, drängelte Marie.
Doch Winterhalter telefonierte wieder. »Bringen Sie den Schmider in eine Zelle – oder zurück nach Freiburg. Den befragen wir morgen weiter.«
Dann spurtete Winterhalter los, dich gefolgt von Marie Kaltenbach, die erneut nachhakte: »Was ist denn jetzt?«
Er gab keine Antwort, bis er im Auto saß. »Kommen Sie halt mit«, sagte er dann einigermaßen unwirsch.
»Wohin??«
»Touristen haben die Kleidung von Armin Schätzle am Ufer des Schluchsees gefunden und den Polizeiposten Schluchsee verständigt. Er hat eine Botschaft aus Steinchen hinterlasse: ›Ich kann nicht mehr!‹«
Seine Kollegin erschrak sichtlich. Nach einigen Sekunden, er war bereits mit Vollgas losgefahren, sagte sie: »›Ich kann nicht mehr‹? Das ist doch die gleiche Botschaft …«
»Genau«, sagte Winterhalter. »Die gleiche Botschaft wie bei Rüdiger Hellmann. Und derselbe Ort.«
Winterhalter schaute auf die Uhr seines Dienstwagens: siebzehn Uhr zehn.
Gegen einundzwanzig Uhr würde es dunkel werden. Wollten sie die Leiche von Armin Schätzle noch heute bergen, mussten sie sich sputen.
Vorausgesetzt, sein Körper lag überhaupt im Schluchsee.
Vielleicht war dieser angebliche Selbstmord ja nichts als eine Inszenierung gewesen, um die Ermittler auf die falsche Spur zu bringen?
Dann tat Winterhalter etwas, was er normalerweise vermied, auch wenn es ihn insgeheim reizte. Er befestigte lässig das Blaulicht auf dem Dach des schwarzen Dienstwagens und stellte das Martinshorn an.
In solchen Momenten fühlte er sich ein wenig wie Detective Lieutenant Mike Stone alias Karl Malden in der Serie Die Straßen von San Francisco. Eine Serie, die Winterhalter in den Siebzigerjahren leidenschaftlich gerne geschaut hatte, noch bevor er überhaupt überlegt hatte, zur Polizei zu gehen. Nur dass es bei ihm jetzt die weniger gut ausgebauten Straßen des Schwarzwaldes waren.
Und sein Assistent war nicht Michael Douglas, sondern die aus Berlin gekommene Kollegin Maria Kaltenbach, mit der er allmählich besser zurechtkam.
Einige Kilometer weiter, auf der Anhöhe bei Herzogenweiler, hatte Winterhalter seine kleine Tagträumerei beendet. Er und die Kaltenbach tauschten nun Rollen und Plätze.
»Sie fahren«, überraschte der Kommissar die Kollegin mit seiner Aufforderung. »Aber zügig, wenn ich bitten darf.«
»Gut, aber was verschafft mir die Ehre?«
»Ich muss ein paar Funksprüche absetzen und danach telefonieren. Wir müssen dringend die Rettungstaucher anfordern. Armin Schätzle sollten wir am besten noch heute aus dem See holen.«
»Aber das hätte ich doch auch erl…?«
»Schon, aber Sie kennen sich ja hier im Bereich noch nicht so gut aus wie ich. Und ich muss den Kollegen die exakte Ortsbeschreibung durchgeben, damit es jetzt keine unnötigen Verzögerungen gibt«, unterbrach Winterhalter und spielte wieder mal seine Lieblingsrolle: Ich Häuptling, du Indianer.
In der Ferne zeigten sich noch mal die Schweizer Alpen von ihrer strahlenden Seite.
Doch dafür hatte der Kommissar gerade keinen Blick, denn er verständigte über den Notruf die DLRG-Taucher aus dem Bereich Schluchsee.
Über die Leitstelle wurde ihm versprochen, dass die Einsatzkräfte in spätestens zwanzig bis dreißig Minuten mit voller Ausrüstung vor Ort sein würden. »Die werden zu einer ähnlichen Zeit ankommen wie wir«, zeigte er sich damit zufrieden.
Noch vor der Abzweigung in Richtung Hammereisenbach wies Winterhalter die Kollegin an, beim Hinweisschild Richtung Linachtalsperre abzubiegen und die steile Straße den bewaldeten Hang hinauf zu nehmen.
»Fahren wir jetzt zu Ihnen? Warum das denn bitte?«, fragte die Kaltenbach überrascht.
Winterhalter sagte zunächst nichts und wählte die Nummer unter dem Eintrag »Daheim«.
»Bitte jetzt mal kurz still sein.«
»Winterhalter, Hilde, Grüß Gott. Wer isch am Apparat?«, tönte es gleich darauf an Winterhalters Ohr.
»Jo, hier isch de Karl-Heinz. Moment mol.« Er hielt die Hand über das Handy-Mikrofon. Dann gab er der Kollegin die nächste Anweisung, die sie sichtlich überraschte, noch bevor sie die Staumauer erreicht hatten: »Kommando zurück, wieder umdrehen!«
»Was? Wieso das denn jetzt? Können Sie sich vielleicht mal für etwas entscheiden?«
»Plan geändert. Umdrehen! Keine Widerrede.«
Die Kaltenbach verstand offenbar überhaupt nicht mehr, was los war. Sie ließ beim Wendemanöver die Reifen quietschen. Der mit einem VW-Bus herannahende Nachbar der Winterhalters blickte ob des gewagten Schleudermanövers sehr irritiert. Aber auch die Tatsache, dass Karl-Heinz zusammen mit einer attraktiven Frau mit Blaulicht und Sirene über das schmale Landsträßchen brauste, verwunderte ihn sicher. Winterhalter hoffte, dass das nicht wieder Tratsch im Dorf geben würde.
»Hilde?«, setzte er das Gespräch dann fort. »Bisch noch dran?«
»Ja, was isch denn? Und warum isch’s so laut bei dir?«
»Mir habe wieder än Dote. Hab kei’ Zeit. Könnt ich mal bitte de Thomas spreche? Isch der schon wieder daheim?«
»Jo, Vatter, wa’ isch?«, hörte er kurz darauf die Stimme seines Sohns.
»Hallo Thomas, könntesch du mir bitte än Gefalle tun? Es isch wichtig!«
»Kommt ganz drauf an«, antwortete Thomas Winterhalter etwas zögerlich. Offenbar hatte er in letzter Zeit Zweifel an der Zurechenbarkeit seines Erzeugers. »Ich bin jetzt g’rad heim’komme …«
»Hol doch bitte meine Taucherausrüstung aus der Scheune und bring sie mir an de Schluchsee. Strandbad Aha. Mir habe dort vermutlich ä weitere Leiche. Mach bitte schnell.«
»Wa’, schon wieder ä Leich? Wer isch’s denn diesmal?«
»Es isch noch nit sicher, dass es ä Leich isch. Vermutlich aber der Armin Schätzle – de Gschpusi von dem erste Opfer. Hab jetzt kei’ Zeit für weitere Erklärunge.«
»Oje. Und was soll ich de Mama sage?«, fragte Thomas.
Winterhalter zögerte.
»Sag ihr, ich geh ins Wasser.«
Nachdem er aufgelegt hatte, fuhren sie einen Moment lang schweigend weiter.
Die Kaltenbach runzelte die Stirn. Offenbar hatte sie inzwischen begriffen, warum er sie umdrehen ließ und die Tauchsachen nicht selbst abholte: Er wollte nicht mit ihr zusammen auf dem heimischen Hof vorfahren, während Hilde anwesend war.
»Sie wollen doch jetzt nicht ernsthaft tauchen gehen?«, fragte sie schließlich und nahm die Serpentinen durch das langgezogene Örtchen Eisenbach.
»Immerhin war ich mal Polizeitaucher, bevor ich Kriminalhauptkommissar geworden bin. Und b’sondere Ereignisse erfordern nun mal b’sondere Maßnahme – wie man so schön sagt.«
Winterhalter war es ob seiner privaten Probleme irgendwie ganz recht, sich nun voll und ganz auf den aktuellen Fall zu stürzen. Oder besser gesagt: die aktuellen Fälle, denn es schlugen möglicherweise ja nun schon zwei Tote zu Buche. Und da galt es, vollen Einsatz zu zeigen und sich zu beweisen – auch körperlich.
»Wollen Sie das nicht lieber den Profis überlassen? Das könnte gefährlich werden«, wandte die Kommissarin zwischen Titisee und Neustadt ein.
»Da, der Hochfirst«, ignorierte Winterhalter den Einwand, als der Aussichtsturm für kurze Zeit zwischen den Tannenwipfeln hervorlugte. Dann wechselte er schnell das Thema: »Lassen Sie uns mal chronologisch rekapitulieren: Wir haben vor einigen Monaten einen Selbstmord. Dann gibt’s einen Mord an einem Freund des ersten Opfers und einen nun mit ziemlicher Sicherheit feststehenden Täter Charly Schmider – der mit den beiden anderen ebenfalls, zumindest ehemals, befreundet war …«, sagte Winterhalter mit Blick auf den dunkel und still daliegenden Titisee.
»Die Indizien müssten tatsächlich wohl für einen Haftbefehl und eine Anklage wegen Mordes, aber zumindest wegen Totschlags reichen.«
Die Kollegin schaltete einen Gang zurück. Sie nahmen gerade den steilen Anstieg in Richtung Feldberg-Bärental – immer noch mit Blaulicht.
»Ja, aber wie hängt jetzt der zweite Tote, immerhin der Lebensgefährte des Mordopfers, damit zusammen? Zumal wir jetzt auch noch haargenau die gleiche Abschiedsbotschaft wie beim ersten Selbstmord vorgefunden haben? Alle waren mal Freunde, waren sogar Ihre Freunde. Fällt Ihnen irgendetwas ein, wie des Ganze zusammenhängen könnte? Sie hatten doch sozusagen einen direkten Zugang«, fragte Winterhalter, als sie den nächsten Stausee, diesmal den Windgfällweiher, passierten.
»Es war nicht nur der Lebensgefährte, sondern sogar der Ehemann des Mordopfers«, verbesserte die Kaltenbach. »Abgesehen davon: Ich war doch schon etliche Jahre weg, hatte keine Verbindung mehr zu den Leuten. Ich kann mir die Zusammenhänge nicht erklären. Hab auch schon mehrfach überlegt … Aber erst mal müssen wir Armin Schätzle finden und die genaueren Umstände klären. Und wer weiß, vielleicht lebt er ja doch noch und streift irgendwo durch die Wälder in Richtung Feldberg«, mutmaßte sie und ignorierte dank des Blaulichts Tempo 30 bei der Durchfahrt von Altglashütten.
»Halt ich eher für unwahrscheinlich – aber wer weiß? Auf jeden Fall finde ich es bemerkenswert, dass Armin Schätzle uns gegenüber noch mal eine Aussage tätigen wollte.«
Winterhalter schüttelte den Kopf. »Und bevor er dazu kommt, schwupp, geht er in den Schluchsee. Sehr merkwürdig, das Ganze.«
Als sie kurz darauf von der B500 in Richtung Aha abfuhren, kam per Funk immerhin die Nachricht, dass die DLRG-Rettungstaucher gleich vor Ort sein würden.
»Raufer, Polizeiposten Schluchsee«, stellte sich ihnen wenig später der örtliche Polizist vor.
»Dag, Winterhalter, Kaltenbach«, übernahm der Kommissar im Strandbad Aha die Begrüßung im Stakkato. Kein Wort zu viel.
»Sie habe die Personensuche in Auftrag gegebe?«, fragte Raufer ebenfalls im Dialekt. »Armin Schätzle, geboren am …?«, wollte der Ortspolizist die Identität noch mal abgleichen.
Doch Winterhalter drückte weiter aufs Tempo: »Jo, genau. Armin Schätzle, wohnhaft in St. Georgen. Der Fall hat höchste Dringlichkeit. Wo liege die Sache vom Herrn Schätzle?«
Der Polizist zeigte auf einen großen Granitstein in der Nähe des Seeufers: »Do!«
Teile der Kleidung, unter anderem eine leichte Sommerjacke, lagen auf dem Stein.
»Und hier, seine Papiere.«
»Und die Botschaft, dass sich Herr Schätzle von der Welt verabschieden wollte?«, schaltete sich nun Marie ein.
Raufer zeigte auf eine Stelle etwa eineinhalb Meter in Richtung des Sees. Mit etwas größeren Steinen war die Aussage »Ich kann nicht mehr« fein säuberlich, fast schon kunstvoll gelegt worden.
»Schon Viertel vor sechs. Hoffentlich komme gleich die Taucher.«
Doch zunächst trafen Kiefer und die anderen Kollegen der Kripo VS in einem anderen Wagen ein – ohne Blaulicht …
Sie fuhren das große kriminaltechnische Programm. Kiefer dokumentierte den Kleider-Fundort, legte Plastikhütchen mit Zahlen aus, um die Fundstücke zu sortieren, und fotografierte anschließend das Szenario.
Dann endlich kamen die Taucher – ebenfalls mit großem Besteck.
»Auf geht’s, ab ins Wasser«, ermunterte Winterhalter die sechs DLRG-Helfer.
Derweil sah er immer wieder in Richtung Straße, in der Hoffnung, dass sein Sohn bald auftauchen würde.
»Nur die Ruhe«, sagte einer der Taucher, der offenbar den Einsatz leitete.
»Immerhin ist der See ja über sieben Kilometer lang und bis zu sechzig Meter tief. Da werden wir schon Geduld mitbringen müssen.«
Ein Grund mehr für Winterhalter, an seinem Vorhaben festzuhalten, bei der Tauchaktion mitzuwirken.
Er schaute in den offen stehenden DLRG-Kombi und fand eine weitere, unbenutzte Tauchausrüstung vor. Da nun alle Mann im Wasser waren, konnte er sich dieser ungestört bemächtigen und sie anlegen.
Kurze Zeit später watschelte der Schwarzwälder Kommissar mit voller Montur an Marie vorbei. »Also, wie zu meiner Frau schon gesagt: Ich gehe jetzt ins Wasser«, erklärte er im Vorübergehen.
Die Kollegin erschrak sichtlich über die plötzliche Verwandlung Winterhalters zum Froschmann. Sie machte einen kleinen Satz nach vorne, sodass sie fast im See gelandet wäre.
Dann holte sie tief Luft und musterte den Kommissar genauer. Angesichts seines seltsamen Aufzugs begann sie, breit zu grinsen. »Na dann, Hals- und Beinbruch. Übrigens: Steht Ihnen gut, Herr Winterhalter.«
Der drehte sich noch einmal um. Nicht nach der Kaltenbach, sondern in der Hoffnung, dass sein Sohn vielleicht doch noch mit der eigenen Tauchausrüstung aufgetaucht war. Fehlanzeige. Mit der alten Ausrüstung kannte Winterhalter sich besser aus, auch wenn es schon einige Jahre her war, dass er sich das letzte Mal zu einem Tauchgang begeben hatte. Wenn er sich recht erinnerte, war dieser Tauchgang sogar in »seinem« Linacher Stausee gewesen. Und er entsann sich, dass seine Ehefrau Hilde damals vor Sorge fast umgekommen wäre.
Die gute alte Zeit, dachte er bei sich, als er das Mundstück einführte und abtauchte.
Selbst Stirn- und Taschenlampe nutzten nicht viel. Winterhalter sah so gut wie nichts im trüben Wasser. Langsam tastete er sich vor. Einmal erschrak er, weil er mit etwas zusammenstieß. Es war aber nicht die Leiche von Armin Schätzle, sondern ein anderer Taucher, der Winterhalter kopfschüttelnd musterte und irgendwelche Handzeichen machte, die der Kommissar weder verstand noch verstehen wollte.
Als der Kriminalbeamte den Grund des Sees weiter abtastete, wurde ihm zunehmend schummrig. Ein Film schien vor seinen Augen abzulaufen. Er sah plötzlich den kleinen, unbeschwerten Karl-Heinz über die Schwarzwaldwiesen im Linachtal rennen und sich die nackten Füße in frischen Kuhfladen wärmen. Er hörte die Musik- und Trachtenkapelle Linach die Schwarzwaldmarie aufspielen und hatte den jungen Winterhalter vor Augen, wie er zum ersten Mal Hilde zum Tanz aufforderte. Er sah die Geburt seiner Kinder …
Und plötzlich wurde es völlig schwarz!
Er verlor endgültig die Kontrolle, trieb nur noch im Wasser, ohne sich zu rühren.
Als Karl-Heinz Winterhalter wieder zu sich kam, blickte er in den tiefblauen abendlichen Schwarzwaldhimmel. Er trieb nun rücklings im flachen Wasser. Dann bemerkte er, wie jemand hinter ihm mit ruckartigen Bewegungen versuchte, ihn aus dem Schluchsee zu ziehen. Wenige Augenblicke später war klar, wer dieser Jemand war.
Marie Kaltenbach beugte sich über ihn. Winterhalter blinzelte sie mit einem mühsamen Lächeln an. Ihre Kleidung war so patschnass wie ihre Haare.
»Habe mir die Leiche?«, galt seine Sorge nur dem Kriminalfall.
Die Kaltenbach tätschelte ihm die Wange und sprach ihn dann auf eine ungewöhnliche Weise an:
»Hallo, Herr … Karl-Heinz. Gut, dass Sie wieder bei uns sind.«
Sie strich mit der Hand geradezu fürsorglich über seinen Froschmannkopf.
Was Winterhalter noch mehr verwirrte.
»Karli, was isch mit dir?«, hörte er in diesem Moment eine andere, recht hysterisch klingende Frauenstimme.
»Gehet Sie weg von meinem Mann!«, keifte Hilde Winterhalter die Kollegin Kaltenbach an.
»Na, hören Sie mal«, protestierte die. »Immerhin habe ich ihren Mann gerade aus dem Wasser gezogen, ihm vielleicht sogar das Leben gerettet.«
Doch Hilde ignorierte sie und wandte sich ihrem Mann zu: »Wie konntest du nur so was mache? Ins Wasser gehe? Des isch doch lebensgefährlich.«
»Gehen Sie bitte zur Seite«, meldete sich kurz darauf ein Sanitäter zu Wort.
»Karli?«, hörte Winterhalter Hilde rufen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie die Taucher einen schweren Gegenstand aus dem Wasser zu hieven versuchten.
War das Schätzle?
Winterhalter kam nicht mehr dazu zu fragen, denn gleich darauf wurde ihm wieder schwarz vor Augen.