39. Schinken und Geständnisse

Es war eine friedliche Runde, die an diesem Abend in der guten Stube des Winterhalter-Bauernhofes zusammensaß und sich Schwarzwälder Schinken mit Kartoffelbrei und badischem Spargel schmecken ließ: die Geocacher Thomas, Sandra und Johanna, Kommissar Kiefer, der Hausherr selbst natürlich, aber auch seine Frau.

Die saß jedoch weniger, sondern wechselte stets zwischen Küche und Stube, kochte dort, schenkte hier ein und verkörperte eine Emsigkeit und Gastfreundschaft, wie sie sich ihr Mann zuletzt vergeblich ersehnt hatte.

»Nehmet Sie noch vom Schinke, Herr Kiefer«, ermutigte ihn die Hausherrin. »Ich freu mich so für Sie.«

Der junge Kommissar wirkte etwas nervös, denn er hatte außer dem Vertilgen der Schwarzwälder Köstlichkeiten noch einen anderen Auftrag: Winterhalter hatte sich nämlich gegenüber seiner Frau nur aus der (vermeintlichen) Affäre ziehen können, indem er behauptet hatte, er könne alleine schon deshalb nichts mit Marie haben, weil die mit seinem Kollegen Kiefer liiert sei.

Den hatte er freilich einweihen müssen. Kiefer hatte die Anfrage mit unbewegter Miene zur Kenntnis genommen. Einen Moment lang hatte Winterhalter geglaubt, etwas in den Augen des jungen Kollegen aufblitzen zu sehen. Aber gleich darauf war es verschwunden gewesen, und der Elsässer Kollege hatte mit einem knappen Nicken eingewilligt. Marie Kaltenbach hatte Winterhalter natürlich nicht eingeladen, denn sonst wäre die Schmierenkomödie sofort aufgeflogen. Die Gefahr, dass die Kommissarin in Zukunft noch mal von sich aus auf dem Winterhalter-Hof auftauchte, war ohnehin gering. Und dass sie ihn privat nicht mehr anrufen sollte, hatte er ihr ja schon mehr als deutlich gemacht.

Seit Hilde mitbekommen hatte, dass Marie die Freundin von Kiefer war, war sie wie ausgewechselt.

»Wie lange sind Sie und Ihre Kollegin denn schon zusamme, Herr Kiefer?«, wollte sie nun von ihm wissen.

»Wir kannten uns schon einige Zeit. Bei Fortbildungen trifft man ja immer viele Kollegen«, antwortete der ausweichend.

»Wisset Sie«, sagte Hilde. »Sie habe’s jo möglicherweise mitbekomme: Ich hab da in den letzschte Dag ä bissle überreagiert, weil es einfach zu viele Missverständnisse gab. Ich bin aber ganz sicher, dass die Frau Kaltebach ein sehr nettes Mädle isch.«

»Das ist sie«, erklärte Kiefer nun voller Überzeugung. Hilde nickte: »Sie werdet bestimmt glücklich werde miteinand – ich hab da än gutes Gefühl. Sie müsse nur immer mit Ihrer Partnerin viel schwätze. Schweige isch de Anfang vom Ende einer Beziehung. Es muss alles raus – immer ganz offen. Sonscht wird’s schwierig.«

Kiefer nickte und nahm noch mehr vom Kartoffelbrei – schon alleine, um nicht mehr reden zu müssen, wie Winterhalter vermutete.

Die Stimmung bei Thomas und den beiden Freundinnen war eher gedämpft. Sie fühlten sich sichtlich unwohl und bildeten ein eigenes Grüppchen innerhalb der Tischgesellschaft. »Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte Johanna leise. »Der Martin ein Doppelmörder?«

»Und er hat uns wirklich als Mitspieler in seinem Plan benutzt? Uns mit diesen perfiden Absichten zum Geocaching an dem Morgen in diesem Park überredet?« Sandra kämpfte ebenfalls noch mit dieser Erkenntnis. »Und uns bei dieser Zeugenaussage in Richtung des Tattoo-Menschen gelenkt?«

Winterhalter hörte, wie sie leise zu Thomas sagte: »Könnte es denn sein, dass die Polizei falsch ermittelt hat und er unschuldig ist?«

Der winkte ab. Wie Winterhalter wusste, waren die Gefühle seines Sohns gemischt: Entsetzen über die Verhaftung des langjährigen Freunds paarte sich mit Wut auf Martin. »Blödsinn«, entgegnete Thomas eine Spur zu laut. »Er hat die Morde doch sogar gestanden.«

Sein Vater beugte sich zu ihnen herüber und antwortete entspannt in tiefstem Schwarzwälder Dialekt: »Und mir habe dann am Ende auch noch des berüchtigte Amulett gut versteckt in seinem Küchenschrank g’funde – zwische Nudeln und Reis. Mir haben uns ja eh schon g’wundert, warum er mit dem Verstaue seiner Einkäufe so lange in de Küche beschäftigt war.«

»Mir tut er ein bisschen leid«, sagte Sandra. »Die Geschichte mit seinem Lieblingsonkel, dann diese schwierige Beziehung zu dem älteren Freund in St. Georgen, dessen Namen er ja streng geheim hielt und den er immer nur ein paar Stunden am Nachmittag sehen konnte – er muss dann irgendwann durchgedreht sein.«

Winterhalter widersprach: »Vielleicht bei der Tötung vom Armin Schätzle. Beim erschte Mord hat er des Ganze aber ziemlich professionell geplant und durchg’führt. Er hat den Pedro erledigt und ihn mit seinem Auto noch zur Gruft gefahre und dort aufgebahrt, die ja nur an dem Dag offen war. Und damit hat er gleichzeitig diesen Charly Schmider ang’schwärzt – des zeugt schon von hoher krimineller Energie.«

Er widmete sich wieder Kiefer: »Deine Lebensgefährtin« – er zwinkerte dem Kollegen unauffällig zu – »hat heute Nachmittag noch mit unserem bisherigen Hauptverdächtigen telefoniert, richtig? Charly Schmieder. Wie geht’s denn dem?«

»Er ist inzwischen aus dem Gefängnis entlassen worden und will beruflich wieder Fuß fassen, hat Marie erzählt. Er meinte wohl, im Kunsthandel wäre ja jetzt wohl ein Platz frei, nachdem Pedro und Armin …«

»Charmantes Kerlchen, der Schmieder. Mit dem werden wir es vermutlich bald wieder zu tun bekommen«, orakelte Winterhalter.

Kiefer trank einen Schluck Schwarzwälder Bier. »Das ist leider nicht auszuschließen. Er hat sich laut Marie erkundigt, ob er jetzt das Amulett haben könne, wo die Schätzles es nicht mehr brauchen.«

»Humor hat er ja wenigstens«, brummte Winterhalter.

»Isch jetzt wenigstens mit dir und der Mama wieder alles in Ordnung, Bapa?«, fragte Thomas vorsichtig, als seine Mutter wieder einmal in der Küche verschwunden war.

Winterhalter war das Thema vor Kiefer und den beiden jungen Frauen reichlich unangenehm: »Jo, mir habe uns ausg’sproche. Sie wollt mich mit dem Therapeute nur eifersüchtig mache. Deshalb hat sie den Zeitungsausschnitt so offen hing’legt. Aber treffe hätt sie sich mit dem schräge Vogel jo nit unbedingt müsse … Des war auch so ein Rat von de Franziska, dieser saubere Nachbarin. Der werd ich bei Gelegenheit mol was erzähle, der blöde …«

Er brach ab, weil Hilde wieder in die Stube kam und dampfende Äpfel im Schlafrock auf den Tisch stellte. Dazu gab es ein kräftiges Kirschwasser und Filterkaffee.

Kiefer bediente sich vor allem beim Kirschwasser reichlich. Seine Unsicherheit war noch nicht verflogen, seine aufrechte Haltung einer gewissen Schieflage gewichen.

Plötzlich klingelte es an der Haustür.

»Lass nur, Hilde – ich geh schon«, sagte Winterhalter, stapfte zur Tür und öffnete sie.

Das Erste, was er sah, war ein Strauß roter Rosen, und während er noch überlegte, was das zu bedeuten hatte, schob sich der Strauß zur Seite und er sah ein Gesicht, das er nie mehr hatte sehen wollen.

»Ich weiß, dass das jetzt etwas unorthodox, vielleicht sogar unangenehm ist«, sagte der Mund zu diesem Gesicht. »Ich hatte schon die Möglichkeit mit einbezogen, dass du da bist. Also lass uns doch die Chance nutzen und ganz offen zu dritt darüber reden.«

Die Hände zu dem Gesicht schoben Winterhalter die Rosen zu, der sprachlos war. So standen sie einander fast eine halbe Minute gegenüber – der Kommissar nun mit den Blumen in der Hand.

Dann tauchte Hilde auf, die sich offenbar gefragt hatte, warum die Person von draußen nicht hereinkam.

»Robert?«, rief sie fassungslos.

»Hilde – ich möchte eine Beziehung mit dir eingehen und kann dein Telefonat von gestern so nicht akzeptieren. Ich möchte dich nicht aufgeben. Und ich finde es gut, dass Karl-Heinz da ist, er soll das ruhig mitbekommen.«

Winterhalter spürte, wie sein Unterkiefer herunterklappte. Robert fuhr in seinem sonoren, viel geübten Therapeuten-Tonfall fort: »Ich finde, wir sollten darüber sprechen wie erwachsene Menschen. Offenheit ist wichtig.«

Winterhalter überlegte gerade, wie er diese Offenheit möglichst lautlos, und ohne dass es die Gäste mitbekamen, Robert gegenüber praktizieren sollte.

Er könnte beispielsweise die gesammelten Rosen auf den bebrillten Schädel des Therapeuten wuchten. Spontan entschied er sich dagegen und reichte den Strauß Hilde weiter.

In deren Kopf rumorte es offenbar ebenfalls, doch nicht zu lange. Sie schaute ihren Mann an, dann die Rosen, die sie daraufhin Robert ins Gesicht warf. Einer der dornigen Stängel blieb in seinem Fusselbart hängen: »Ä Unverschämtheit isch des. Einer verheiratete Frau nachzustelle«, brüllte sie und knallte dem Therapeuten die Tür vor der Nase zu.

Winterhalter zuckte kurz zusammen. Dann bückte er sich und hob eine der Rosen auf, die auf der inneren Seite der Türschwelle liegengeblieben waren. »Hilde«, sagte er dann, während er ihr die Blume überreichte. »Du bisch und bleibsch die Beschte.«

»Was war denn des?«, fragte Thomas, als das Ehepaar wieder in der guten Stube neben dem Herrgottswinkel Platz genommen hatte.

»De Blumenbote«, brummte Winterhalter nur und legte drei andere Rosen – eine davon bereits angeknickt – auf den Tisch.

»In einem hat er aber recht«, sagte Hilde. »Offe’heit isch wichtig – und deshalb möchte ich, dass mir wirklich ä Ehetherapie mache.«

»Des müsse mir aber nit jetzt besprechen, Hilde«, entgegnete Winterhalter, während die anderen verständnislos schauten.

»Des gehört aber zur Offe’heit«, insistierte seine Frau.

Winterhalter schnaufte. »Guet, aber sicher nit bei diesem Robert«, meinte er dann.

Hilde nickte glücklich.

In diesem Moment klingelte es schon wieder an der Haustür.

»Jetzt werd ich ihm aber so richtig die Meinung geige, dem saubere Therapeute«, knurrte Winterhalter. »Lass, ich mach des.« Hilde erhob sich.

Doch der Kommissar war schneller.

Er stürmte zur Tür, riss sie auf und … erstarrte.

»Guten Abend«, sagte die Person in der Tür. »Und vielen Dank für die Einladung.«

Winterhalter fehlten die Worte, doch da tauchte bereits Hilde auf: »Ah, des isch aber nett. Komme Sie doch bitte rein, Frau Kalte’bach.«

»Was?«, stammelte Winterhalter, doch seine Frau hatte das Heft des Handelns in die Hand genommen. »Ich hab denkt, des wär doch unhöflich, wenn mir d’ Frau Kalte’bach nit auch noch dazu bitte würde«, erläuterte sie. »Also hab ich heut Nachmittag im Kommissariat ang’rufe und sie eing’lade. Und ich glaub, de Herr Kiefer freut sich auch«, sagte sie dann augenzwinkernd.

Das mochte durchaus möglich sein. Andererseits erstarrte der junge Kollege, als Marie in die gute Stube trat. Kiefer gönnte sich erst einmal ein weiteres Kirschwasser.

»Karl-Heinz, setz du dich zu mir, dann kann die Frau Kalte’bach sich nebe de Herr Kiefer setze«, sagte die Hausherrin.

Winterhalter schwante endgültig, dass er nun ein Problem hatte.

»Kommet Sie, Frau Kalte’bach – esset Sie mit.«

Hilde war eine vorzügliche Gastgeberin – wenn sie wollte.

»Schwarzwälder Schinke?«

Marie setzte sich neben Kiefer, dem das tatsächlich etwas unangenehm zu sein schien. Dann sagte sie: »Vielen Dank – aber ich bin Veganerin.«

Hilde schaute ganz kurz grimmig drein, um dann aber zu schmunzeln: »Ä Veganerin? Späteschtens da hätt mir eigentlich klar sein müsse, dass des mit Ihne und dem Karl-Heinz nix werde kann.«

Winterhalter hielt die Luft an. Aber die Kollegin lächelte nur und ließ sich den Spargel schmecken.

Hilde nahm nun ebenfalls ein Kirschwasser und sagte: »Wisset Sie, mir habe uns unter etwas ungünstige Umstände kennengelernt. Ich hab aber gar nix gege Sie – im Gegenteil, ich freu mich.«

Kommissarin Kaltenbach nickte höflich, erwiderte aber nichts, sodass für ein paar Sekunden Schweigen am Tisch herrschte.

Das Ticken der Kuckucksuhr war nun deutlicher als sonst zu hören.

Kiefer goss sich noch einmal Kirschwasser ein, Winterhalter legte nach und gab seinem Mitwisser zu verstehen, er solle näher an die Kollegin heranrücken.

Der folgte der Aufforderung, was vielleicht auch daran lag, dass er nun bereits beim vierten Schnaps angekommen war und sein Gesicht eine ähnliche Rotfärbung hatte wie das von Martin Dorer heute Vormittag.

Johanna nahm auch noch einen Schnaps, Sandra verzichtete.

Dann sagte der Elsässer Kommissar: »Trinken wir auf die Lösung dieses Falls. Und ich trink auf dein Wohl, Marie. À votre santé.«

Nun lag er bereits halb auf dem Tisch.

»So isch’s recht«, bekräftigte Hilde.

Die Gläser klirrten aneinander, während Kommissarin Kaltenbach Kiefer leicht irritiert anschaute.

Winterhalter suchte verzweifelt einen Ausweg. Ihm war klar, dass das nicht mehr lange gut gehen konnte. Sobald Hilde die Kollegin nach Details ihrer Beziehung zu Kiefer befragen würde, musste die ganze Sache auffliegen – und die bisherige Ehekrise wäre nur ein Vorspiel zum Super-GAU gewesen.

Also gähnte er künstlich und sagte: »So, des war än langer Tag. Schön war’s. Aber mir müsse morge früh raus. Toll, dass mir alle noch mol zusammengesesse sind.«

Hilde runzelte die Stirn: »Aber was erzählsch du denn da, Karl-Heinz? Die Frau Kalte’bach isch doch grad erscht gekomme. Trinket Sie noch än Schnäpsle – und Sie auch, Herr Kiefer.«

Der räusperte sich und flüsterte nach links gewandt, nachdem er seinen ganzen, sicher auch alkoholbedingten Mut zusammengenommen hatte: »Apropos Offenheit: Marie, ich wollte fragen, ob wir nicht einmal abends miteinander weggehen sollten. Wohin auch immer. Ich würde mich freuen. Ich bin ja noch ein paar Monate hier.«

Ein tapferer Versuch. Aber Kiefer war vermutlich ebenso klar wie Winterhalter, dass er die Beziehung zu Marie nicht schnell genug intensivieren konnte, sodass sie für Hilde einigermaßen glaubhaft war.

Die begann auch prompt zu lachen, denn Kiefer hatte seine Lautstärke ganz offensichtlich falsch eingeschätzt – und Hilde gute Ohren: »Des würd ich doch auch vorschlage, dass ihr miteinander weggeht. Und wohl auch miteinander heimgeht.«

Kiefer wurde rot, während der Blick der Kollegin Kaltenbach zunehmend misstrauischer wurde.

Winterhalter tat so, als suche er etwas unter dem Tisch.

Dann drückte Hilde dem überforderten Jungkommissar eine von Roberts Rosen, die auf dem Tisch lagen, in die Hand. »Gebet Sie die Ihrer Angebetete.«

Kiefer überreichte Marie also schamhaft die dargebotene Rose, was die offenbar weiter irritierte.

»Was wird das?«, fragte sie.

»Und jetzt«, forderte Hilde, die leider immer munterer zu werden schien: »Ein Küssle!«

»So, und dann reicht’s für heut«, versuchte Winterhalter ein letztes Mal, die Katastrophe zu verhindern, während Hilde sich über die Hemmungen des angeblichen Paares amüsierte.

»Machet Sie sich nix draus, Frau Kalte’bach – de Karl-Heinz isch genauso. Nur keine Gefühle in de Öffentlichkeit zeige …« Sie wandte sich an Kiefer: »Aber ihr seid doch noch jung, jetzt gebt euch halt ä Küssle …«

Seit ihrer Rückkehr in den Schwarzwald hatte Marie schon einige seltsame Situationen erlebt. Aber das hier schlug dem Fass den Boden aus! Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie die drei Geocacher das Geschehen am Tisch verblüfft beobachteten. Sie sah Winterhalters angespannte Miene, das verzückte Lächeln seiner Ehefrau. Und dann sah sie, wie Kiefers Kopf näher kam. Näher und immer näher. Sein Blick war ernst, fast ein wenig herausfordernd. Und vor allem war dieser Blick genau auf ihre Lippen geheftet. Kiefer wollte sie küssen!

Sie ließ es geschehen, drehte ihm aber die Wange zu.

»Reicht des nit mol? Solle die beide gleich noch vor unsere Auge Sex habe?«, schaltete sich Thomas ein, dem die überdrehte Art seiner Mutter offenbar widerstrebte.

Winterhalter hüstelte.

»Du, sei still!«, wies ihn die Hilde zurecht und nahm noch ein Kirschwasser. »Sorg du lieber mol dafür, dass du selber eine findsch – denn irgendwann wollet mir auch mol Enkelkinder – oder nit, Karl-Heinz?«

»Hilde …«, sagte der zögerlich, während Johanna und Thomas kurze Blicke austauschten.

»Frau Kalte’bach, machet Sie sich nix draus. So sind die Männer nun mol. Wichtig isch nur, dass Sie offe miteinander umgehe. Und Gefühle zeige. Sie müsse dem Herrn Kiefer jo nit gleich in de Hintern schieße, wenn’s mal eine kleine Krise gibt …«, gluckste sie dann.

Maries Laune verschlechterte sich weiter: Na toll, ihr Kollege hatte den Berliner Fauxpas ausgeplaudert, um bei seiner Frau gut Wetter zu machen.

Und allmählich begann sie, zu begreifen, was sich hier abspielte. Und warum Winterhalter und Kiefer so entsetzt geschaut hatten, als sie dazugestoßen war.

Endgültige Gewissheit hatte sie, als sich Hilde Winterhalter noch einmal direkt an sie wandte: »De Herr Kiefer war do ja eher zurückhaltend: Wie lang sind Sie beide denn jetzt schon zusamme?«

Während ihre beiden Kollegen stocksteif dasaßen, suchte Marie nach einer passenden Antwort. Es dauerte einen Moment, dann kam ihr eine Idee, und sie sagte genüsslich: »Eigentlich gar nicht mehr, Frau Winterhalter. Ich habe jetzt einen Neuen.«

Winterhalter starrte vor sich auf den Tisch, Kiefer ebenso.

»Herzlichen Dank für den schönen Abend«, sagte Marie freundlich, stand auf, ging um den Tisch herum und blieb bei Thomas stehen.

Sie beugte sich zu ihm herunter und küsste ihn auf den Mund: »Bis morgen dann, Schatz.«

Dann verließ sie den Bauernhof und hörte an der Tür noch das Klatschen der Ohrfeige, die Johanna dem Winterhalter-Sohn gegeben hatte.