Burren National Park, County Clare, Irland | 5. Juli | 12.07 Uhr
Der Weg zu guten Natur- und Landschaftsbildern ist oft zeitaufwendig und anstrengend. Der Weg zu guten Makroaufnahmen bringt außerdem häufig wunde Knie und Rückenschmerzen mit sich. Von Zeit zu Zeit allerdings erlebt man als Fotograf diesen wunderbaren Moment, wenn einem ein perfektes Bild sprichwörtlich in den Schoß fällt. Dieses Bild entstand in einem dieser Momente, einige Monate nachdem ich meine Filmkameras gegen meine erste digitale Spiegelreflexkamera, eine Sigma SD9, eingetauscht hatte und gerade erst auf dem Weg war, die digitale Fotografie zu meistern.
Die Aufnahme zeigt einen Durchwachsenblättrigen Bitterling. Im Englischen ist diese Blume als Yellow-Wort bekannt, ein Name, der diesem eleganten Enziangewächs weitaus gerechter wird. Das Kalkstein-Karst-Gebiet des Burren an Irlands Westküste ist einer der wenigen Orte, an dem diese Blume in Nordeuropa gedeiht. Der Burren ist weltweit für seine einzigartige Flora bekannt, und ich war auf der Suche nach einem Motiv, das sowohl diesen außergewöhnlichen Lebensraum als auch seine blühenden Bewohner in einem einzigen Bild charakterisiert. Das Bild sollte sowohl die karge, steinige Karstlandschaft als auch die bunte Blumenwelt der Gegend zeigen. Leider gedeiht der Großteil der Blumen entweder in den Spalten zwischen den Kalksteinplatten und ist deshalb nur schwer mit der Kamera zu erreichen, oder die Blumen wachsen auf den grasigen Flächen, die sich unregelmäßig zwischen den Kalksteinflächen angesiedelt haben, was es schwierig macht, Blumen und Kalkstein zusammen abzubilden.
Nach einem produktiven, aber bezüglich meines eigentlichen Ziels erfolglosen Morgen befand ich mich auf dem Weg nach Hause, als ich buchstäblich über diese Blume stolperte. Aus dem Augenwinkel nahm ich etwas Gelbes war, erkannte, was es war, und machte aus einem normalen Schritt einen kleinen Sprung, um zu vermeiden, auf die Pflanze zu treten. Bei genauerem Untersuchen der Blume begann mein Herz dann schneller zu schlagen. Der Durchwachsenblättrige Bitterling wuchs aus einer kleinen Spalte und erhob sich einige Zentimeter über den Kalkstein. Die feinen Blüten befanden sich alle in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und präsentierten sich mit wunderbaren feinen Formen. Das Wichtigste für mich war allerdings das Fehlen anderer Pflanzen in der direkten Umgebung des Durchwachsenblättrigen Bitterlings.
Das Bild war entsprechend schnell verwirklicht. Die Blume selbst steht im Goldenen Schnitt, und sowohl die Spalten im Kalkstein als auch die Grenzen zwischen den dunklen und sehr dunklen Bildteilen agieren als leitende Linien. Das Ausschlaggebende ist aber der Gegensatz zwischen dem dunklen Grau des Kalksteins und dem lebhaften Gelb und Grün der Blume, der besonders in der linken oberen Bildecke und in der Mitte des Bildes zur Geltung kommt.
Selbst nach fast 20 Jahren würde ich an diesem Bild nichts ändern. Es ist für mich eines der wenigen, das ich als perfekt bezeichnen würde.