Torr Head, County Antrim, Irland | 26. März | 17.19 Uhr
Neuschnee und Bäume sind eines dieser Motive, die für die Schwarzweiß-Fotografie wie gemacht sind. Der Kontrast zwischen den dunklen Baumskeletten und einem leuchtend weißen Flockenteppich ist immer ein guter Ausgangspunkt für eine schlichte, aber ausdrucksvolle Aufnahme.
Dieses Bild entstand in Nordirland. Der Frühling hatte bereits Einzug gehalten. Stechginster, Osterglocken und andere Blumen waren bereits in voller Blüte, als ein plötzlicher Wintereinbruch die Stimmung und die Landschaft veränderte. Ich erinnerte mich von einem früheren Besuch der Gegend an ein einsames, verfallenes Haus inmitten von Feldern und Baumreihen. Unter den gegebenen Wetterverhältnissen sollte sich hier die Möglichkeit für ein gutes Bild ergeben. Trotz der sehr guten Räum- und Streudienste in Nordirland war der Weg zu meinem Motiv etwas abenteuerlich. Die Straße war zwar größtenteils frei, der Schnee türmte sich aber mannshoch auf beiden Straßenseiten, und an manchen Stellen hatten kleine Lawinen die Straße wieder verschüttet. Überfrorener Schnee machte den Untergrund außerdem an vielen Stellen unangenehm glatt. Ich bin vermutlich einer der wenigen Landschaftsfotografen, die ihr Leben ohne Vierradantrieb fristen, und mein durchschnittlicher Kleinwagen ist nicht unbedingt für arktische Landschaften geeignet. Nach einigen haarigen Momenten und einer Schaufelpause erreichte ich aber mein Ziel. Es war das viel zitierte »Winter Wonderland«: unberührter Neuschnee, so weit das Auge reichte, und dazwischen Baumreihen und die Ruine des alten Hauses, das zu diesem Zeitpunkt als Schafstall diente. Der bedeckte, fast konturlose Himmel passte perfekt in die Aufnahme, die ich mir vorstellte.
In der farbigen Realität präsentierten sich mir ein dunkler, graublauer Himmel, braungrüne Bäume und ein Haus, dessen Mauern in gelblich-grauen Farben schimmerten. Dies wäre kein schlechtes Bild geworden, hätte aber die einsame, trostlose Winterstimmung dieses Morgens nicht vermittelt. Die Reduktion auf nur sehr wenige Grautöne, Abstufungen von tiefem Schwarz zu strahlendem Weiß, der daraus resultierende Kontrast und ein sehr einfach gehaltener Bildaufbau reflektieren die Atmosphäre des Moments allerdings perfekt. Die Nachbearbeitung war denkbar einfach: Neben der Konvertierung von Farbe in Schwarzweiß war es nur notwendig, den Kontrast etwas zu verstärken und die Werte für Weiß etwas zu erhöhen und für Schwarz leicht zu senken.
Dieses Motiv gibt es heute leider nicht mehr. Einige Jahre, nachdem diese Aufnahme entstanden war, verschlug es mich wieder in die Gegend. Das alte Haus musste einem Neubau weichen, und die Bäume sind nun Teil eines manikürten Gartens.