BERGE UND WOLKEN

Doolough Valley, County Mayo, Irland | 19. März | 19.34 Uhr

Dies war einer jener Momente, auf die man als Fotograf lange hofft und wartet. Das Doolough Valley mit seinen zwei Seen und einer immer feuchten Deckenmoorlandschaft liegt eingezwängt zwischen zwei bedrohlich wirkenden Bergzügen, den Sheeffry Hills im Osten und Mweelrea Mountains im Westen. Das Tal ist berüchtigt als Wolkenfänger und selbst, wenn nur einige Kilometer entfernt die Sonne von einem blauen Himmel scheint, ist es nicht ungewöhnlich, dass dunkle Wolken über dem Doolough Valley hängen.

Als ich mich dem Tal vom Norden her näherte – über mir blauer Himmel, von dem eine sanfte Frühlingssonne schien –, offenbarte sich vor mir ein nicht ungewohntes Bild: Die Gipfel der beiden Bergketten waren wieder einmal in Wolken gehüllt. Allerdings zeigten sich direkt über dem Tal immer wieder kleine Flecken von blauem Himmel, und damit gab es einen Grund, zu hoffen. Als ich das Nordende des Tals erreichte, hatten sich die Wolken tatsächlich vom Tal zurückgezogen und hingen nun als Kappen direkt auf den Berggipfeln; über dem Tal selbst herrschte blauer Himmel. Das waren natürlich Voraussetzungen, die das Herz eines jeden Fotografen schneller schlagen lassen. Ich parkte also das Auto und rannte zu einem Felsvorsprung, den ich bereits einige Male als Aussichtspunkt genutzt hatte, und der einen perfekten Blick über das Tal erlaubt.

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image Canon EOS 5D III mit Canon TS-E 24/3,5 | 24mm | ISO 100 | f/14 | 1/160 s | Polfilter

Die folgende halbe Stunde verlief in wunderbarer, hektischer Stille. Nachdem ich die Bilder, die ich mir seit einigen Jahren ausgemalt hatte, realisiert hatte und die Wolken noch immer keine Anstalten machten, das Tal wieder zu verschlingen, begab ich mich auf die Suche nach alternativen Aussichten.

Der Blick auf die direkt gegenüberliegende Seite des Tals sah sehr vielversprechend aus. Die Wolken bildeten so etwas wie eine zweite Gebirgskette, die auf den Gipfeln der darunter liegenden Berge saß. Über den beiden Gebirgen erstreckte sich blauer Himmel, darunter die von der Abendsonne angestrahlten Seen und das grasbedeckte Deckenmoor. Für meine Art zu fotografieren ist diese Aufnahme sehr ungewöhnlich. Wenn ich Landschaften mit einem Weitwinkelobjektiv fotografiere, ist meine erste Tat in der Regel, einen interessanten Vordergrund zu finden. Unbewusst versuchte ich genau das auch hier. Abgesehen von dem einförmigen Grasmeer des Deckenmoores gab es allerdings nicht viel zu sehen – und das war auch gut so. Diese Aufnahme beruht einzig auf dem Zusammenspiel der Berge und Wolken, jegliche anderen Bildelemente hätten davon nur abgelenkt. Der Bildaufbau folgt einem ähnlichen Schema wie »Ödland« auf Seite 191: Es gibt eine Abfolge von hellen und dunklen Schichten, deren Kontrast ich durch den Einsatz eines Polfiters verstärkt habe.

Zu der Zeit, in der diese Aufnahme entstand, hatte ich mich nur sehr wenig mit Schwarzweiß-Fotografie beschäftigt, und ich fotografierte und speicherte diese Ansicht zunächst als sehr farbenfrohe Landschaftsaufnahme. Erst einige Monate später, während ich mein Archiv für einen Klienten durchsuchte, fiel mir das Potenzial dieses Bildes für eine Schwarzweiß-Version auf. Der Polfilter hatte schon vor Ort einen guten Kontrast zwischen dunklen und hellen Bildteilen geliefert; ein Rotfilter in der Nachbearbeitung vervollständigte seine Arbeit und schuf ein klassisches Landschaftsbild in Schwarz und Weiß.