Nore-Tal, County Kilkenny, Irland | 5. März | 16.09 Uhr
Man nehme ein von alten Eichen überschattetes Flusstal und einen ruhigen Nachmittag in den ersten Frühlingstagen, und schon hat man die Zutaten für interessante Bilder.
Meine eigentliche Aufgabe war es, einige Aufnahmen des Nore Valley Walk, einer Wanderroute entlang des Flusses Nore, anzufertigen, um Besucher in die Gegend zu locken. Ich verbrachte also einige Stunden damit, den im Frühlingssonnenschein badenden Fluss, farbenfrohe Ginsterbüsche und die Annehmlichkeiten des Wanderpfades abzulichten. Als die Sonne sich schließlich langsam gen Westen verabschiedete und sich das Flusstal in Zwielicht hüllte, hatte ich noch etwas Zeit, um mich den beeindruckenden alten Eichen zu widmen, die mir bereits früher am Nachmittag aufgefallen waren. Im Sonnenlicht des Nachmittags waren die feinen Details der Stämme, Äste, Moose und Flechten verloren gegangen; bei den ersten Anzeichen der Dämmerung aber traten die Formen und Farben des Waldes deutlich hervor.
Die Komposition des Bildes beruht auf den beiden Bäumen in der linken Bildhälfte. Die nahezu parallel zueinander stehenden Stämme der Bäume sind so etwas wie ein Anker im Sturm der kleinen Äste und des Unterwuchses. Die größeren Äste des rechten Baumes, die sich in die rechte Bildhälfte strecken, stellen eine Verbindung zum Rest des Bildes her und geben dem Chaos des rechten Bilddrittels eine Daseinsberechtigung.
Vor Ort plante ich diese Aufnahme in Schwarzweiß. Erst zu Hause fiel mir dann auf, dass die Farben hier eine wichtige Rolle spielen. In der rechten Bildhälfte dominieren die Braun- und Grüntöne der Eichen. Am linken unteren Bildrand allerdings stehen Schlehen und andere Büsche, die sich mit ihren weißen und roten Farben subtil, aber deutlich von Rest des Bildes absetzen und so einen Gegensatz zu den Eichen und außerdem einen Rahmen bilden, der den unteren Bildrand abschließt.
Ähnlich wie für »Tolkiens Wald« benutzte ich auch hier einen digitalen Weichzeichner, um die abstrakte, leicht surreale Erscheinung des Bildes zu verstärken. Zusätzlich erhöhte ich den Kontrast der Spitzlichter (um die Schlehenbüsche und flechtenbedeckten kleinen Äste hervorzuheben) und der Halbtöne (um die Farben der Eichen und Moose zu unterstützen).
Dieses Bild ruft sehr unterschiedliche Reaktionen hervor: Für mich ist es perfekt und auch nach einigen Jahren immer noch eines meiner Lieblingsbilder; für andere ist es ein schlecht gestaltetes, über-bearbeitetes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Was dieses Bild tatsächlich zeigt, ist die Tatsache, dass Fotograf und Betrachter Bilder sehr unterschiedlich wahrnehmen und Fotografie eine sehr subjektive Sache ist.