Makrofotografie

Von der Fotografie von Landschaftsdetails zur Makrofotografie ist es nur ein kleiner Schritt. Hört man den Begriff »Makrofotografie«, so denkt man in erster Linie an Blumen und Insekten. Makrofotografie beschreibt aber eigentlich nichts weiter als den Abbildungsmaßstab des Motivs. Von Makrofotografie wird gesprochen, wenn das Motiv mindestens in seiner tatsächlichen Größe (Lebensgröße) auf dem Sensor abgebildet wird, was einem Abbildungsmaßstab von 1:1 entspricht. In der Praxis heißt das, ein 1 cm langer Käfer wird auch als 1 cm langer Käfer auf dem Sensor abgebildet. Bei einem Abbildungsmaßstab von 2:1 würde der Käfer in einer Größe von 2 cm, bei einem Abbildungsmaßstab von 4:1 in einer Größe von 4 cm usw. abgebildet werden. Makrofotografie beschränkt sich aber keineswegs nur auf Käfer, andere Insekten und Blumen. Steine, Sand, Blätter, Flechten, Federn, Fell, Metall – es gibt kein Objekt, das es nicht lohnt, genauer untersucht zu werden.

Um in den Maßstäben 1:1 und größer fotografieren zu können, sind zum einen ein Spezialobjektiv, das Makroobjektiv, und – je nach Motiv – weiteres Zubehör notwendig. Manche Objektive, sehr oft Zoomobjektive, rühmen sich mit dem Zusatz »Makro«, erreichen aber nur eine Abbildungsleistung von 1:2. Das bedeutet, unser 1 cm langer Käfer würde nur in einer Größe von 0,5 cm abgebildet werden. Diese Objektive eignen sich zwar gut für Nahaufnahmen, sind aber keine wirklichen Makroobjektive. Wahre Makroobjektive sind immer Festbrennweiten, tragen den Zusatz 1:1 im Namen und sind mit Brennweiten um die 50 mm, 100 mm und 150 mm erhältlich. Kurze Brennweiten haben in der Makrofotografie den Nachteil, dass man sehr nahe an sein Motiv heran muss, um einen Abbildungsmaßstab von 1:1 zu erhalten. Bei einem 50-mm-Makroobjektiv z. B. liegen nur wenige Zentimeter zwischen der Frontlinse und dem Objekt, was viele Insekten wegen ihrer Fluchtdistanz als Motiv schon einmal ausschließt. Brennweiten um die 150 mm dagegen bieten einen komfortablen Abstand zum Motiv, sind aber häufig groß, schwer und oft unhandlich. Ist man allerdings bereit, das Extragewicht in Kauf zu nehmen, bieten lange Brennweiten in der Makrofotografie einige Vorteile. Der deutlich größere Abstand zwischen Objektiv und Motiv macht nicht nur das Ablichten scheuer Insekten und anderer Kleintiere möglich, er macht auch das Festlegen des Bildausschnitts einfacher. Die geringe Schärfentiefe, die längere Brennweiten mit sich bringen, ist ebenfalls ein Vorteil für bestimmte Motive, z.B. Blumen. Die meisten Makroobjektive in dieser Klasse sind außerdem mit einer Stativschelle ausgestattet, was den Wechsel vom Quer- ins Hochformat sehr viel einfacher und schneller macht. Wer seine Ausrüstung gerne leicht halten möchte, für den ist ein 100-mm-Makroobjektiv eine gute Alternative. Es ist handlich, leicht und bietet dennoch einen respektvollen Abstand zum Motiv, und für manche Modelle ist sogar eine Stativschelle erhältlich. Es sollte außerdem noch erwähnt werden, dass die Größe und das Gewicht dieser Objektive auch von dem gewählten Kamerasystem abhängen. So gibt es z. B. ein 60-mm-Objektiv für das MFT-System (was 120 mm im Vollformat entspricht), das bequem in eine Handfläche passt.

Um mit einem normalen Objektiv in den Makrobereich oder mit einem Makroobjektiv noch tiefer in den Makrobereich vorzudringen, gibt es eine Reihe von Zubehör. Am einfachsten zu handhaben ist ein Makrovorsatz. Dies sind einfache Vergrößerungsgläser, die wie ein Filter auf das Objektiv geschraubt werden. Leider bringen sie einen gewissen Verlust an Schärfe und Detailauflösung mit sich und verringern so die Bildqualität. Eine Alternative, die keine Auswirkung auf die Bildqualität hat, sind Zwischenringe. Das sind lichtdichte Röhren verschiedener Länge, die zwischen Objektiv und Kamera geschraubt werden, so die Entfernung zwischen Frontlinse und Sensor vergrößern und auf diese Weise einen Vergrößerungseffekt erzielen. Balgengeräte folgen dem gleichen Prinzip und haben den Vorteil, dass die Länge und damit der Vergrößerungseffekt beliebig geändert werden kann. Der Nachteil: Balgengeräte sind sperrig und unhandlich. Eine weitere Möglichkeit sind Spezialobjektive, die Abbildungsmaßstäbe von 1:1 bis 5:1 bieten. Normale Fotografie ist mit diesen Objektiven allerdings nicht möglich, da diese, bedingt durch ihre Bauweise, nicht auf unendlich fokussieren können. Zu guter Letzt gibt es noch Umkehrringe, die es ermöglichen, ein normales Objektiv falsch herum auf die Kamera zu montieren und so ein Makroobjektiv zu kreieren.

Der Großteil der Makrofotografie findet in dem Abbildungsbereich zwischen 2:1 und 1:1 statt. Hier kann man bequem mit natürlichem Licht arbeiten und wenn nötig sogar aus der Hand fotografieren. Für größere Abbildungsmaßstäbe ist dann allerdings nicht nur ein Stativ unverzichtbar. Da mit zunehmender Abbildungsgröße auch der Abstand zwischen Frontlinse und Motiv abnimmt (bei extremen Vergrößerungen wie z.B. 5:1 liegen nur wenige Millimeter zwischen Frontlinse und dem Motiv) ist es in diesen Situationen nicht mehr möglich, mit dem Objektiv zu fokussieren. Man benötigt dann einen Fokussierschlitten, d.h., die Scharfstellung des Motivs wird durch die Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung der Kamera erreicht. Natürliches Licht ist hier auch nicht mehr ausreichend. Zum einen blockiert das Objektiv den Lichteinfall und zum anderen arbeitet man mit sehr kleinen Blendenöffnungen. Man muss daher auf künstliche Beleuchtung in Form eines Ringblitzes oder einer Ringleuchte zurückgreifen. Mit zunehmendem Abbildungsmaßstab nimmt auch die Schärfentiefe mehr und mehr ab, und selbst bei maximal geschlossener Blende erreicht die Schärfentiefe nur eine Ausdehnung von wenigen Millimetern. Die einzige Möglichkeit, hier eine genügende Ausdehnung der scharf abgebildeten Bildteile zu erreichen, ist Focus Stacking, was weitere spezialisierte Ausrüstung voraussetzt. Diese extreme Art der Makrofotografie findet deshalb auch meist unter kontrollierten Bedingungen im Studio statt.

Makrofotografie in einem Abbildungsmaßstab um 1:1 ist dagegen durchaus im Freien zu Hause. Hierfür benötigt man neben Kamera, Makroobjektiv und Stativ keine zusätzliche, ausgefallene Ausrüstung. Es gibt aber dennoch einige wenige – nicht unbedingt notwendige, aber hilfreiche – Ausrüstungsgegenstände, um die Arbeit im Makrobereich einfacher und erfolgreicher zu gestalten. In der Makrofotografie geht es häufig darum, feine Details abzubilden. Direktes, harte Kontraste verursachendes Sonnenlicht ist daher unerwünscht. Um trotzdem an sonnigen Tagen in die Makrowelt vordringen zu können, ist ein Diffusor ein gutes Hilfsmittel. Diffusoren bestehen aus halb lichtdurchlässigem Material, sind in verschiedenen Formen erhältlich und können außerdem auch als Windfang eingesetzt werden. Wenn man häufig Blumen fotografiert, ist eine Pflanzenklammer ebenfalls eine sehr gute Anschaffung. Mit dieser Klammer werden vor allem langstielige Blumen stabilisiert, die sich für gewöhnlich im leisesten Windhauch wiegen.

Im Großen und Ganzen gelten zwar dieselben Regeln, Bildkomposition im Makrobereich ist aber in der Regel deutlich unkomplizierter als in der Landschaftsfotografie. Das heißt aber nicht, dass es einfacher ist, ein gutes Makrobild zusammenzustellen. Während es in der Landschaftsfotografie darum geht, eine Reihe von sehr verschiedenen Elementen visuell ansprechend anzuordnen, möchte man in der Makrofotografie entweder ein einzelnes Objekt prominent präsentieren oder die Komposition beruht auf einer sehr begrenzten Anzahl markanter Farben und Formen. Im ersten Fall wird versucht, das Umfeld komplett unkenntlich zu machen, meist durch eine große Blendenöffnung. Im zweiten Fall versucht man durch einen kleinen Bildausschnitt, das Bild auf das Wesentliche zu beschränken.

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Die Pflanzenklammer im Einsatz – hier um das Blatt, auf dem sich ein Mittlerer Weinschwärmer niedergelassen hat, stabil zu halten.

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Makrofotografie im Wald