1.


Es sah aus, als hätte jemand ein quadratisches Loch in den Himmel gestanzt. Brolon lag im Buschwerk verborgen, von wo aus er das Lager der Fremden wie fast jeden Tag beobachtete, und blickte in den wolkenlosen Himmel. Unbeweglich stand der exakt viereckige, schwarze Schatten direkt über ihm, größer als jeder der beiden Monde seiner Welt. Obwohl die Sonne herunterbrannte, schien er jedes Licht zu verschlucken und wirkte wie der Zugang nach Achmaan , wo die bösen Götter und Dämonen hausten. Vielleicht waren die Fremden ihre Diener.

Der große Talkessel war von einer nahezu unsichtbaren Wand umgeben, die alles tötete, das ihr zu nahe kam. Eine Joloor-Schlange, aufgeschreckt durch seine Nähe, ergriff die Flucht, als er sich bäuchlings an das Lager anschlich. Mit einem Zischen verbrannte ihr Leib, bis nichts zurückblieb als Asche. Er konnte an dieser Stelle ein leichtes Flimmern in der Luft ausmachen, wie es an einem heißen, windstillen Sommertag über der Steppe lag.

Die tödliche Zauberwand sollte nicht etwa ihn oder einen anderen seines Stammes abhalten. Sie war nur zum Schutz gegen Tiere gedacht. Seit die Fremden auf Heimat gelandet waren, benahmen sich die Mitglieder seines Stammes seltsam. Sie waren von einem Zauber besessen. Niemand schien die Fremden oder das Loch im Himmel wahrzunehmen. Als Brolon versucht hatte, darüber zu reden, war er auf vollkommenes Unverständnis gestoßen, als ob niemand außer ihm die Fremden oder das Licht schluckende Objekt am Himmel sehen könne. Seitdem hatte er es vermieden, das Thema anzusprechen. Der Dorfschamane könnte auf die Idee kommen, ihn als verzaubert anzuklagen, und ihn aus dem Stamm verstoßen oder gar seine Hinrichtung verlangen.

Seit die Fremden vor mehr als zwei Jahren plötzlich aufgetaucht waren, hatte sich für sein Dorf auf den ersten Blick nichts geändert, abgesehen davon, dass das Tal für niemanden mehr zu existieren schien. Bei der Jagd umging man es einfach, ohne darüber zu reden. Während dieser Zeit waren von dort seltsame, metallene Vögel in den Himmel gestartet, wo sich allmählich das viereckige, schwarze Loch ausgebildet hatte. Kurz nach der Ankunft der Dämonendiener hatte Brolon dort oben ein feines Gespinst ausmachen können, das sich Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat immer mehr verdichtet hatte, bis es vor drei Tagen zu jenem Licht schluckenden Ding geworden war, das ihm solche Angst machte.

Er hasste die Fremden mit einer Inbrunst, die er nicht für möglich gehalten hätte. Sie waren schuld am Tod von Felkani, seiner Gefährtin und der Liebe seines Lebens. Kurz nach der Landung der Dämonendiener war sie zur Wasserstelle ganz in der Nähe des gerade errichteten Lagers der Fremden gegangen. Während Felkani dort war, hatte sich die tödliche Zauberwand aufgebaut und sie im Tal eingeschlossen. Er war ihr entgegengegangen, um ihr beim Tragen des schweren Wasserkrugs zu helfen, und hatte aus vielleicht einhundert Metern Entfernung zusehen müssen, wie sie auf dem Rückweg in die unsichtbare Zauberwand lief. Im Moment des Kontaktes mit ihrem Körper war die Wand für einen Moment aufgeflackert und er hatte sehen können, dass sich vor ihr ein bis dahin unsichtbares Hindernis befand. Im nächsten Augenblick war Felkani zu Asche zerfallen. Laut aufschreiend war er vorwärtsgestürmt. Im letzten Moment war ihm bewusst geworden, dass der Zauber, der seine Gefährtin getötet hatte, auch ihm zum Verhängnis werden konnte. Ein Jäger stürzt sich nicht auf ein wutschnaubendes Holkum, das gereizt um sich beißt. Auch dann nicht, wenn es gerade einen Kameraden getötet hat. Er analysiert die Lage und überlegt, wie er es töten kann, um sich zu rächen. Alles andere wäre Selbstmord und einfach nur töricht.

Brolon hatte einen Stock ergriffen und ihn dorthin geschleudert, wo Felkanis Aschereste langsam vom Wind verweht wurden. Wieder hatte das unsichtbare Hindernis kurz aufgeleuchtet und den Stock augenblicklich verbrannt. Er hatte genauer hingesehen, und zum ersten Mal das leichte Flimmern in der Luft wahrnehmen können.

Seitdem hatte er die Umgebung genau erkundet. Wann immer es ihm möglich war, schlich er sich unter einem Vorwand davon. Über viele Monate, in unzähligen einzelnen Etappen, hatte er das Tal vorsichtig umrundet und dabei festgestellt, dass die Zauberwand das Lager exakt kreisförmig umschloss. Er hatte keinen Zugang zu den Fremden und somit keine Möglichkeit, sich an ihnen zu rächen.

Inzwischen genügte es ihm nicht mehr, möglichst viele dieser Mörder umzubringen, bevor er selbst den Tod finden würde – Brolon hatte schon lange mit dem Leben abgeschlossen – er hatte längst ein anderes, viel größeres Ziel vor Augen: Brolon wollte das Dämonenloch am Himmel, die Pforte nach Achmaan, zerstören!