Trrach´chkt´grochk´frk wusste, dass man ihn nicht am Leben lassen würde, und er ärgerte sich darüber, dass er den Putsch gegen seine Führung nicht hatte kommen sehen. Zwar war ihm schon seit Langem bewusst gewesen, dass der junge Zchroch´akkr´akcht´hisch voller Ambitionen steckte, doch Trrach hatte unterschätzt, wie viel Einfluss auf andere Mitglieder des Oktetts der jüngste General in der Geschichte der Ra´hul schon erlangt hatte. Mit dem Verrat durch seinen alten Freund Ocht hatte Trrach jedoch nicht rechnen können. Er fragte sich, was Zchroch wohl gegen Ocht in der Hand hatte. Käuflich war Ocht mit Sicherheit nicht und Trrach wusste, dass sein Freund all die Jahre seine militärischen und politischen Auffassungen geteilt hatte. Was auch immer dahinterstecken mochte, es war zu spät für ihn, selbst wenn er die Wahrheit erfahren sollte. Zchroch musste ihn auch physisch loswerden, um jede Gefahr einer Konterrevolution zu bannen. Allerdings durfte er keinen Märtyrer aus ihm machen, der einzige Grund, weshalb er noch am Leben war.
Derzeit stand Trrach in seinen Gemächern unter Arrest, was ihm ein Höchstmaß an Komfort bot. Doch dies würde nicht von Dauer sein. Sobald sein Gegenspieler seine Machtposition gefestigt und die eigenen Leute in Schlüsselpositionen gebracht hatte, musste er sich seiner entledigen. Der Aufschrei unter den Mitgliedern des Rettungskorps, wie die Flotte genannt wurde, würde sich in Grenzen halten. Jeder, der eine abweichende Meinung hatte oder insgeheim loyal zu Trrach stand, würde sich hüten, dies öffentlich zu machen. Er musste befürchten, ebenfalls eliminiert zu werden.
Zudem war er blind und taub. Man hatte seine Implantate stillgelegt, sodass es ihm unmöglich war, sich wie gewohnt in das Neuralfeld einzuloggen. Jedem Ra´hul wurden bereits als Säugling die Neuroimplantate eingesetzt, und er wuchs damit auf, sich jederzeit mit einem simplen Gedankenbefehl alle Informationen beschaffen zu können, die entsprechend seinem Alter, seinem gesellschaftlichen Rang und seiner Funktion für ihn freigegeben waren. Die Stille, die nun in seinem Kopf herrschte, ließ ihn seine Isolation noch deutlicher spüren. Er war durch den Putsch nicht nur als Führer des Rettungskorps abgesetzt worden, man hatte ihn faktisch aus der Gemeinschaft der Ra´hul ausgeschlossen.
Zwei Soldaten aus der persönlichen Garde seines Gegenspielers betraten Trrachs Quartier.
»Machen Sie sich bereit. Sie werden verlegt«, sagte einer von ihnen.
Keiner der beiden erachtete es für notwendig, ihm den Ehrengruß zu entbieten. Trrach ging kommentarlos darüber hinweg.
»Darf ich fragen, wohin man mich bringt?«, fragte er.
Die beiden verständigten sich mit Blicken. Offenbar kamen sie zu dem Schluss, es könne nicht schaden, ihm diese Information zu geben.
»Wir haben Befehl, Sie nach Maren´Thar zu bringen.«
Trrach versuchte, sich sein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Maren´Thar war vor einiger Zeit als Strafplanet in dieser Galaxie eingerichtet worden. Dorthin wurden Befehlsverweigerer, Mörder und sonstige Schwerverbrecher verbracht, die nicht sofort zum Tod verurteilt worden waren. Die Verbannung nach Maren´Thar bedeutete zwar ebenfalls den Tod – allerdings einen Tod, der den Verurteilten viel länger leiden ließ, als es in der Konverterkammer oder im Vakuum des Weltraums der Fall gewesen wäre.
Genau genommen war Maren´Thar kein Planet, sondern der planetengroße Mond eines Gasriesen. Dort wurden die Verurteilten beim Abbau dringend benötigter Rohstoffe für den Bau der Dimensionskuben eingesetzt. Sie waren billiger als Schürfroboter, die selbst erst hätten hergestellt oder aus der Heimat herbeigeschafft werden müssen.
Trrach wusste, dass seine Lebenserwartung dort bestenfalls einige Wochen betragen würde. Falls ihn die harten Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht vorher umbringen würden, musste er damit rechnen, dass einer der anderen Mitgefangenen ihn erkennen und töten würde. Er selbst hatte Dutzende dorthin geschickt, die den Fehler begangen hatten, seine Befehle infrage zu stellen oder im Kampf mangelnden Einsatz zu zeigen.
»Zchroch kann es wohl nicht erwarten, mich endgültig loszuwerden.«
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und er erwartete keine Antwort von den beiden Soldaten.
»Kommen Sie bereitwillig mit oder müssen wir Ihnen Fesseln anlegen?«
Trrach war sich der Aussichtslosigkeit seiner Lage bewusst. Er war ein alter Mann und immer mehr ein Stratege als ein Kämpfer gewesen. Jemand, der seinen Kopf einsetzte und nicht körperlicher Gewalt. Er hatte kein Problem mit Gewalt, wo sie notwendig war. Aber dafür gab es genügend Untergebene. Man musste sich in seiner Position die Hände nicht selbst schmutzig machen. In der Position, die ich bis vor Kurzem noch innehatte , korrigierte er sich. Jetzt ging es nur noch darum, wenigstens einen kleinen Rest an Ehre und Selbstachtung zu bewahren. In Fesseln abgeführt zu werden gehörte nicht dazu.
»Ich werde keine Schwierigkeiten machen«, sagte er. Zumindest nicht hier und jetzt , dachte er insgeheim. Wenn es überhaupt noch eine Chance für ihn gab, mit einigermaßen heilem Fell aus der Sache herauszukommen, lag sie auf Maren´Thar, so paradox dies auch klingen mochte. Der Mond, auf dem der Tod in der einen oder anderen Form auf ihn wartete, konnte genauso gut die Rettung bedeuten. Trrach hatte die begehrte Position des dortigen Kommandanten erst kürzlich mit einem Offizier besetzt, der vor einigen Jahren seinem persönlichen Stab angehört hatte. Er hoffte darauf, dass Zchroch nicht darüber informiert war und der neue Kommandant von Maren´Thar seine Loyalität ihm gegenüber bewahrt hatte. Mit etwas Glück würde sich somit eine Möglichkeit ergeben, seine missliche Situation entscheidend zu verbessern. Trrach hatte zwar keine Ahnung, geschweige denn einen ausgefeilten Plan, wie er dies anstellen konnte, doch es kam für ihn nicht infrage, die Hoffnung aufzugeben. So leicht wollte er es Zchroch nicht machen. Aber Pläne konnte er später noch entwickeln – jetzt galt es vor allem, die nächsten Tage zu überleben.