7.


»Es gibt neue Nachrichten aus der Triangulumgalaxie.«
Mutter hatte die anderen Mitglieder des fünfköpfigen Führungsgremiums der Liga der Unsterblichen zu einer Besprechung in die Zentrale des Horts gebeten. Der Halgoraner Threlak´Klonn´Arbor als Vorsitzender des Gremiums, Ylanthu als Vertreter der Milgorer, Usgran Delar Torkan aus dem Volk der morphischen Torkalianer und der namenlose Quatchek, die zusammen mit der hoch entwickelten KI seit mehreren Tausend Jahren die Geschicke der Liga leiteten, waren der Aufforderung umgehend gefolgt. Von der Mission Triangulum hing das Schicksal der gesamten Galaxis ab.

»Die vier wollen versuchen, in einen der geheimnisvollen Kuben einzudringen.«

»Haben sie außerdem noch etwas gesendet?«, wollte Threlak´Klonn´Arbor wissen.

»Das war alles, was ich der Nachricht entnehmen konnte.«

Die drei Millionen Lichtjahre Entfernung zur Triangulumgalaxie machten einen normalen Hyperfunkkontakt unmöglich. Nur die unfassbaren technologischen Fähigkeiten der Dorianer ermöglichten es, dass Mutter überhaupt mit der Rhelina Kontakt aufnehmen konnte. Allerdings beschränkte sich diese Möglichkeit auf die Übermittlung kurzer Textnachrichten. Und selbst dabei gingen fast neunzig Prozent der Information im höherdimensionalen, energetischen Chaos des Bulk über diese Distanz verloren. Es war deshalb vereinbart worden, täglich eine kurze Nachricht in beide Richtungen zu senden, die mehrfach wiederholt werden würde, um aus den empfangenen Fragmenten eventuell die gesamte Nachricht rekonstruieren zu können. An Audio- oder gar Holobotschaften war nicht zu denken.

»Wir müssen hoffen, dass die Vier bald brauchbare Erkenntnisse gewinnen«, sagte Usgran Delar Torkan und ließ seinen Körper zu einem flachen Diskus auseinanderfließen, aus dem wie üblich nur zwei Stielaugen ragten. »Die Lage hier wird immer verzweifelter und die meisten Völker sind rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich. Selbst dort, wo man der Nachricht der BEWAHRER Glauben schenkt, dass hinter den Auseinandersetzungen die mentale Beeinflussung durch die Invasoren steckt, bereitet man sich auf den großen Krieg vor. Mit der Begründung, es mag ja so sein, wie sie behaupten, aber man müsse sich schützen und könne nicht mehr darauf bauen, dass sie in der Lage sind, erfolgreich einzugreifen.«

»Die Niederlagen der BEWAHRER in den ersten Auseinandersetzungen mit den Ra´hul haben die Bewohner der Milchstraße an den Fähigkeiten des Maschinenvolkes zweifeln lassen«, stellte Mutter fest.

»Außerdem dürfte inzwischen durchgedrungen sein, dass die BEWAHRER bei Weitem nicht über genügend Schiffe verfügen, um überall präsent zu sein«, übersetzte der Translator die flackernden Farbsignale des Quatchek.

»Es gibt erste Gerüchte die Existenz der Liga betreffend«, warnte der Vorsitzende des Führungsgremiums.

»Dies war zu befürchten. Noch nie in unserer Geschichte waren wir derart gefordert und mussten gezwungenermaßen in zu vielen Krisenherden gleichzeitig eingreifen. Es war kaum zu vermeiden, dass unsere Agenten in einigen Fällen Aufsehen erregen würden, was wiederum zu Fragen führen musste«, erwiderte Ylanthu.

»Bisher konnten wir in den meisten Fällen sehr subtil und behutsam vorgehen«, sagte Mutter . »Nur selten musste ein Mitglied der Liga an vorderster Front aktiv werden. Meist genügte es, hier und da maßgebliche Persönlichkeiten zu beeinflussen, Weichen zu stellen oder Entwicklungen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Wir verfolgten in der Regel Langzeitpläne. Wenn es notwendig wurde, eine unmittelbare Aktion durchzuführen, einen Krieg zu beenden oder den Ausbruch von Gewalt zu verhindern, griffen wir auf die BEWAHRER zurück. Jetzt sind unsere Interventionen zumeist sehr viel direkter und damit natürlich offensichtlicher.«

»Um so bedauerlicher, dass dies in den seltensten Fällen zum gewünschten Erfolg geführt hat«, warf Usgran Delar Torkan ein. »Es hat sogar Todesfälle in unseren Reihen gegeben!«

»Wie viele Unsterbliche haben wir verloren?«, signalisierte der Quatchek mit seinem Farbband.

»Bisher sind drei unserer Mitstreiter den Kämpfen zum Opfer gefallen«, teilte Mutter mit.

Für einen Moment herrschte Schweigen im Raum. Im Durchschnitt verlor man alle paar Jahrhunderte ein Mitglied der Liga. Innerhalb weniger Wochen drei Todesfälle beklagen zu müssen war unerhört und schockierend.

»Im Moment befinden sich siebenundneunzig Unsterbliche an den verschiedenen Brennpunkten in der Milchstraße, zumeist als Zweier- oder Dreierteams. Im Hort halten sich derzeit fünfzehn Mitglieder der Liga auf, euch vier eingerechnet. Sechs davon werden in den nächsten Stunden in einen Einsatz gehen«, zählte Mutter auf.

»Und die vier in der Triangulumgalaxie, auf denen unsere Hoffnungen ruhen«, vervollständigte Threlak´Klonn´Arbor die Aufzählung, um das Gremium wieder zurück zum Grund ihres Zusammentreffens zu bringen. Doch Mutter versetzte den Anwesenden den nächsten Schock.

»Ich erhalte soeben eine Nachricht, dass Thronar Thronak von seinem Partner Yxylanther in Notwehr erschossen wurde.«

Thronar Thronak gehörte dem Volk der reptiloiden Horfaner an und war seit ungefähr viertausend Jahren Mitglied der Liga. Yxylanther, ein insektoider Grachnar, hatte bereits sein erstes Jahrzehntausend als Unsterblicher hinter sich gebracht. Die beiden waren seit mehr als dreitausend Jahren ein eingespieltes Team und galten als enge Freunde. Usgran Delar Torkan quietschte erschrocken auf, zog sich zu einer Kugel zusammen und fuhr die Stielaugen ein. Das Farbband des Quatchek zeigte nur noch Grautöne und Ylanthu sank auf der semi-materiellen Stuhlprojektion in sich zusammen. Diese Nachricht hatte sie sichtlich aus der Fassung gebracht.

Threlak´Klonn´Arbor sammelte sich als Erster. »Was ist passiert?«, fragte er.

»Ich habe noch keine genauen Informationen, aber es sieht so aus, als ob Thronar unter den Einfluss der Suggestoren geraten wäre und versucht hätte, Yxylanther umzubringen, als dieser Verdacht schöpfte. Es kam zu einem Kampf an Bord ihres Schiffes. Yxylanther vermutet, dass Thronar einen Anschlag hier im Hort plante. Er fand eine Antimateriebombe in dessen Kabine.«

»Wieso glaubt er, dass der Anschlag dem Hort gelten sollte?«

»Sie befanden sich auf dem Rückflug hierher. Es liegt nahe, dass die Bombe hier eingesetzt werden sollte.«

Das Farbsignalband des Quatchek flackerte hektisch. »Damit war früher oder später zu rechnen«, übersetzte der Translator. »Die Ra´hul werden alles daransetzen, uns auszuschalten.«

»Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer von uns unter den Einfluss der Suggestoren geraten würde«, stellte Ylanthu fest.

»Ich schlage vor, dass nur noch Dreierteams zusammengestellt werden«, tönte es aus dem Translator des Quatchek.

»Auch dies bietet keine absolute Sicherheit. Die Suggestoren können ganze Schiffsbesatzungen unter ihre Kontrolle bringen«, entgegnete Ylanthu skeptisch. »Mutter, hast du einen Vorschlag?«

»Größere Einsatzteams bieten tatsächlich kaum erhöhten Schutz vor den Suggestoren, aber es kann auch nichts schaden, sich gegenseitig verstärkt im Auge zu behalten. Zumindest im vorliegenden Fall hat es einen Anschlag auf den Hort verhindern können. Ich unterstütze den Vorschlag.«

»Das würde bedeuten, wir müssten alle Unsterblichen zurückrufen und neue Teams zusammenstellen.« Ylanthu klang nach wie vor nicht überzeugt.

»Dies bietet auch eine Gelegenheit, sie alle auf eine eventuelle Beeinflussung hin zu überprüfen. Es sollte mir möglich sein, durch Messung der Aktivität in bestimmten Gehirnarealen festzustellen, ob jemand unter mentaler Kontrolle steht. In meinen medizinischen Datenspeichern befinden sich Aufzeichnungen der Gehirnscans aller Unsterblichen. Eine mentale Kontrolle würde zu Abweichungen vom Normalzustand führen.«

»Dann werden wir es so machen«, entschied Threlak´Klonn´Arbor.

»Ich werde die Unsterblichen sofort benachrichtigen. Es wird allerdings einige Zeit dauern, bis alle hier eintreffen.«

»Erwähne nichts von einem Test. Wir wollen niemanden vorwarnen. Sag ihnen, es ginge lediglich darum, größere Einsatzteams zu bilden – eine reine Sicherheitsvorkehrung. Du kannst diese Maßnahme mit dem bedauerlichen Zwischenfall, der zu Thronars Tod führte, begründen.«

»Der Rundruf wird soeben ausgestrahlt.«

»Dann schlage ich vor, wir treffen uns wieder, wenn alle anwesend sind«, sagte der Vorsitzende. »In der Zwischenzeit können wir nichts weiter tun, als auf gute Nachrichten aus der Triangulumgalaxie zu hoffen.«