Trrach wusste, dass er einen zweiten Anschlag nicht überleben würde. Nachdem er in der Krankenstation erwacht war, hatte ihn der Kommandant besucht.
»Das war ein geschicktes Manöver, Trrach«, sagte er.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Der Kommandant hatte nur knurrend gelacht.
»Halten Sie mich nicht für einen Dummkopf! Sie haben sich die Verletzung selbst zugefügt.«
»Warum hätte ich das tun sollen?«
Der Kommandant schwieg für einen Augenblick.
»Diesmal hatten Sie Glück. Und Sie waren geistesgegenwärtig genug, einen Ausweg zu finden. Das wird Ihnen nicht jedes Mal gelingen.«
»Warum sind Sie hier?«
Wieder sah der Kommandant Trrach prüfend an.
»Hören wir auf mit dem Versteckspiel, Trrach. Sie wissen, dass Sie Maren´Thar nicht lebend verlassen werden. Aber natürlich haben Sie auch längst erkannt, wie viele Anhänger Sie unter den Gefangenen haben. Wesentlich mehr, als mir lieb sein kann.«
»Ah, Sie können es nicht zu offensichtlich machen, nicht wahr?« Trrach musste trotz seiner aussichtslosen Lage und der offenen Todesdrohung des Kommandanten lachen.
»Ich will offen mit Ihnen reden. Es stimmt! Ihre Ermordung könnte zu … Problemen führen. Ich kann nicht zulassen, dass die Effizienz dieser Anlage gestört wird. Wir haben eine kriegswichtige Aufgabe und die Produktion darf unter keinen Umständen zum Erliegen kommen.«
»Ein Aufstand käme Ihnen sicher ungelegen, nicht wahr?«
Der Kommandant ging nicht auf die Frage ein.
»Ich appelliere an Ihr Ehrgefühl, Trrach. Erweisen Sie Ihrem Volk einen letzten Dienst. Sie haben verloren und es gibt für Sie keinen Weg zurück, das muss Ihnen klar sein. Sie können es nur hinauszögern. Es ist, wie es ist! Unser neuer Führer will, dass Sie so schnell wie möglich verschwinden. Für immer. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, das gebe ich zu. Wenn Ihr Volk Ihnen noch etwas bedeutet, bringen Sie dieses letzte Opfer. Ohne Widerstand.«
Trrach konnte nicht glauben, was der Kommandant von ihm verlangte.
»Sie wollen, dass ich sozusagen freiwillig aus dem Leben scheide?«, fragte er ungläubig.
»Ein Leben, das so oder so zu Ende ist, Trrach. Sie haben es jedoch in der Hand, ob es unsere Pläne gefährdet, oder nicht. Sie haben den längsten Teil Ihres Lebens im Dienst unserer Sache verbracht. Wie können Sie nun, angesichts der unausweichlichen Realität Ihrer Lage, all dies in Gefahr bringen wollen?«
Plötzlich verstand Trrach. Es ging nicht nur um eventuelle Probleme hier in der Strafkolonie. Er hatte hier mehr Getreue unter den Gefangenen, als man vermutet hatte, und dies stellte den Kommandanten nun vor ein Dilemma: Ließ er Trrach zu lange am Leben, würde er Schwierigkeiten mit Zchroch bekommen, beseitigte er ihn zu offensichtlich, bestünde die Gefahr einer Rebellion mit allen Konsequenzen, auch für ihn persönlich. Zchroch wäre nicht begeistert von einem Produktionsausfall, gerade jetzt, wo er die Invasionspläne mit großer Geschwindigkeit vorantrieb. Aber noch mehr musste Zchroch Sorge bereiten, was geschehen könnte, falls Gerüchte von Trrachs Ermordung nach außen drangen. Wenn Trrach schon hier so viel Unterstützung erfuhr, wie musste es dann innerhalb der Flotte aussehen? Seine Anhänger würden eine solche Nachricht nicht mit Begeisterung aufnehmen. Der Kommandant konnte über dieser verzwickten Situation mehr als nur seinen Posten verlieren und Zchroch riskierte Unmut unter den Offizieren der Flotte, was seine eigene Position in Gefahr brachte. Die eleganteste Lösung für beide wäre sicherlich, wenn Trrach freiwillig aus dem Leben scheiden würde. Als letzter Dienst an seinem Volk , wie der Kommandant es ausgedrückt hatte, indem er an Trrachs Pflichtgefühl appellierte.
»Sie müssen verrückt sein!«, sagte Trrach. »Sie erwarten allen Ernstes von mir, dass ich Zchrochs Verrat mit einem Selbstmord nachträglich legitimiere?«
»Ich erwarte von Ihnen, dass Sie im Interesse unseres Volkes handeln, Trrach. In diesem Fall verspreche ich Ihnen, dass man Sie als großen Volkshelden in Erinnerung behalten wird. Andernfalls …« Er ließ das Ende des Satzes unausgesprochen.
Der Kommandant stand auf und blickte auf Trrachs Krankenbett.
»Ich denke, es ist alles gesagt. Ich gebe Ihnen zehn Tage, über alles nachzudenken. Dann geht es zu Ende. So oder so.«
»Zehn Tage? Ein zweiter 'Unfall' zu kurz nach dem ersten wäre wohl unglaubwürdig?«, konnte sich Trrach die Frage nicht verkneifen.
Der Kommandant sah ihn mit unbewegtem Gesicht an.
»Ich denke, wir haben uns verstanden. Zehn Tage!«
Dann drehte er sich um und verließ den Raum.