35.


Alles hing davon ab, ob es gelingen würde, den rosafarbenen Energieschirm, der sich kürzlich um den Kubus gelegt hatte, lange genug auszuschalten.

Die von der eingesetzten Nanodrohne erhaltenen Daten der Energiesignatur waren eindeutig. Es war nicht möglich, Grand und Trrach mit dem Spontantransmitter durch den Schirm hindurch zu befördern.

»Ich brauche eine Strukturlücke«, sagte Hakera. »Eine Sekunde würde genügen. «

»Hakera und ich haben berechnet, dass ein gemeinsames, konzentriertes Punktfeuer auf die schwächste Stelle des Schirms hierfür ausreichen sollte«, erklärte die Supreme-KI den Unsterblichen. »Die Daten zeigen, dass der Schirm über dem planetenzugewandten Quadranten weniger stark ist. Vermutlich ist dies eine Folge der dort liegenden Hangaröffnungen. Der Schirm muss für an- und abfliegende Schiffe gezielt geöffnet werden können und schaltbare Schirmöffnungen verursachen üblicherweise an dieser Stelle eine Schwächung der Schirmstruktur.«

»Wie lange benötigt ihr dafür, den Schirm zu destabilisieren?«, wollte Grand wissen.

»Mindestens drei Minuten ununterbrochenes Dauerfeuer«, sagte Hakera.

»Die beiden Kampfschiffe im System werden euch diese Zeit kaum lassen«, wandte Jalina ein.

»Deshalb müssen wir sie ablenken«, sagte die Supreme-KI. »Es muss uns gelingen, sie so weit vom Kubus wegzulocken, dass sie für die Rückkehr mehr als drei Minuten benötigen.«

»Wie wollen wir das anstellen?«, fragte die Kolltanerin.

»Das wird deine Aufgabe sein, Jalina.«


Trrach stand in der Uniform des Anführers der Ra´hul in der Zentrale und strahlte all die Macht und Autorität aus, die er in Jahrzehnten an der Spitze der militärischen Führung erworben hatte. Nichts an ihm erinnerte mehr an den alten, schwachen und verunsicherten Greis, den Grand auf Maren´Thar angetroffen hatte.

Die überwurfähnliche Uniform hatte die KI anhand von Bildmaterial aus aufgefangenen Holosendungen der Ra´hul und nach den Angaben Trrachs gefertigt. Nach seiner Aussage war sie vom Original nicht zu unterscheiden. In den Kragen war ein Mikrotranslator eingearbeitet, damit er sich während des Einsatzes mit Grand verständigen konnte.

Es war Trrachs Idee gewesen, im Innern des Kubus in seiner alten Rolle aufzutreten.

»Natürlich weiß man dort, dass ich abgesetzt und nach Maren´Thar geschafft wurde. Aber falls man uns entdeckt und mich in voller Uniform sieht, wird man uns wenigstens nicht sofort erschießen. Keiner meiner Soldaten schießt ohne Weiteres auf einen Offizier. Er wird immer zuerst Rücksprache mit seinem Vorgesetzten halten. Das sollte uns die nötige Zeit verschaffen, um in das Netzwerk einzudringen«, hatte er seinen Plan erläutert.

»Wie wollen Sie meine Anwesenheit erklären?«, hatte Grand daraufhin wissen wollen.

»Im Fall einer Entdeckung werden Sie als mein Gefangener auftreten, den ich mit meinem Strahler in Schach halte«, hatte Trrach lakonisch gesagt.

»Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir Ihnen eine scharfe Waffe in die Hand geben werden?«, hatte Jalina eingewandt.

Nun trug Trrach einen Laserstrahler am Gürtel, der jedoch ein leeres Energiemagazin enthielt. Niemand hatte ihm eine geladene Waffe anvertrauen wollen.


»Seid ihr bereit? Wir werden in wenigen Augenblicken in den Normalraum zurückkehren!«

»Hakera, ich bin soweit«, hörte Grand Jalinas Stimme über sein KommImplant, das er sich inzwischen hatte einsetzen lassen. Er war zwar kein Freund von kybernetischen Aufrüstungen, hatte die Notwendigkeit jedoch eingesehen. Bei diesem Einsatz konnte er weder einen Raumanzug noch ein Skinfield tragen, wodurch eine normale Kommunikation unmöglich wurde. Nur über das Implantat konnte er den Kontakt zu Hakera aufrechterhalten. Als angeblicher Gefangener trug Grand lediglich einen Bordoverall, der zusätzlich an einigen Stellen beschädigt und verschmutzt worden war. In einer kleinen Innentasche hatte er für den Notfall einen Mikrostrahler versteckt, der kaum größer als sein Daumen war und nur wenige Laserschüsse abfeuern konnte.

»Einsatzbereit«, meldete die Supreme-KI der Stürme .

»Beiboot ausgeschleust«, sagte Hakera.

Jalina war unterwegs. Diesmal war sie in dem Beiboot ganz auf sich gestellt.

Kranchoor und Poggy waren sicherheitshalber mit einem leichten Betäubungsmittel sediert worden. Es war anzunehmen, dass man es auch bei diesem Einsatz wieder mit den Suggestoren zu tun bekommen würde. Die beiden wurden nicht benötigt und es bestand keine Veranlassung, ein unnötiges Risiko einzugehen.

»Rücksturz. Phase Eins!«


Die Rhelina erschien im Schutz ihres Tarnfeldes unweit des Kubus im Normalraum. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass die Ra´hul das Schiff trotzdem innerhalb kurzer Zeit aufspüren konnten. Ihre Scanner und Sensoren waren nicht so leicht zu täuschen – es sei denn, man sorgte für Ablenkung! Ablenkung in Form eines anderen Zieles, auf das sich die volle Aufmerksamkeit richten würde.

Da die Stürme nicht über eine gleichwertige Tarnvorrichtung verfügte und sofort nach ihrem Erscheinen entdeckt werden würde, hatten sie vereinbart, dass die BEWAHRER zwei Minuten später im System erscheinen sollten. Dies sollte genügen, um die beiden Kampfschiffe der Ra´hul inzwischen auf das kleine Beiboot gehetzt zu haben, das als Köder in einiger Entfernung mitten im System auftauchen würde.

Grand konnte auf den Holos sehen, wie die beiden Kampfschiffe abdrehten und mit voller Beschleunigung Kurs auf ein wenige Lichtminuten entferntes, kleines Objekt nahmen, das direkt auf den Kubus zuhielt und keine Anstalten machte, seine Absichten zu verbergen. Alle Scanner zeigten, dass es sowohl den Schutzschirm aktiviert als auch die Waffensysteme hochgefahren hatte.

Jalina war in ihrem gefährlichen Einsatz als Köder unterwegs.


Sie war mit Drogen vollgepumpt. Zusätzlich hatte Hakera ihr speziell für diesen Zweck gefertigte Nanoassembler injiziert, die einen Teil ihrer Synapsen blockieren und bestimmte Übertragungswege von Neurotransmittern unpassierbar machen sollten.

All dies würde zwar keinen vollständigen Schutz vor den Suggestoren garantieren, doch die KI war davon überzeugt, die Wirkung zumindest verzögern zu können, was Jalina mehr Zeit verschaffen würde.

Als zusätzliche und letzte Abwehrmaßnahme war wieder ein Betäubungsmittel vorgesehen, das Jalina in einen tiefen Schlaf versetzen würde, wenn Hakera den Befehl dazu gab. Die Bordintelligenz würde in diesem Fall das Beiboot umgehend aus dem System fliegen und am vereinbarten Treffpunkt auf die Rhelina warten.

Sie fühlte sich wie im Nebel, dabei jedoch fast euphorisch und doch seltsam klar. Alle Gedankenprozesse schienen erschreckend langsam abzulaufen; gleichzeitig nahm sie alles in absoluter Schärfe wahr.

Da sie sich auf ihre Geisteskräfte nicht würde verlassen können, hatte Jalina auch diesmal die VR-Steuerung gewählt. Sie bot die beste Rundumsicht und war damit am effektivsten, um auf jede Bedrohung so schnell wie möglich reagieren zu können.

Ihre Bewaffnung war verglichen mit derjenigen der zwei Ra´hul-Schiffe, die auf sie zustürmten, geradezu lächerlich, aber sie konnte dieses Defizit zum Teil mit höherer Wendigkeit bei wesentlich kleinerer Trefferfläche ausgleichen. Zumindest eine Zeit lang. Hoffentlich lange genug, um es Grand und Trrach zu ermöglichen, in den Kubus einzudringen.

Außerdem hatten Hakeras Bots am Beiboot einige Verbesserungen vorgenommen. Auf dem normalerweise für den zweiten Piloten vorgesehenen Platz stand ein zusätzlicher Schirmfeldgenerator. Das in dorianischer Mikrotechnik erbaute Gerät konnte die Schutzschirme für ein paar Minuten um ein Mehrfaches ihrer normalen Leistungsfähigkeit verstärken – danach waren die Energiespeicher des Beibootes allerdings erschöpft. Aber ein paar Minuten sollten ausreichen, um ihre Aufgabe zu erfüllen.

Jalina kam in den Schussbereich der beiden Schiffe, die sofort das Feuer eröffneten. Sie warf das Beiboot in eine enge Kurve, ging für vier Sekunden auf einen schraubenförmigen Kurs mit sich öffnenden Spiralwindungen, bevor sie wie ein Habicht aus einem völlig neuen Vektor auf eines der Schiffe herabstieß. Die Zielpositroniken der Ra´hul konnten diesen abrupten Kurswechseln nicht schnell genug folgen, und die meisten Plasmapulse und Laserstrahlen verfehlten sie weit. Nur ein in der Nähe explodierender Sprengkopf eines Hypertorpedos rüttelte sie durch. Die Schutzschirme hielten problemlos stand.

Die ersten dreißig Sekunden waren überstanden. Sie musste noch etwas mehr als zwei Minuten durchhalten.


»Entfernung der beiden Schiffe vom Kubus jetzt bei zwei Lichtminuten«, sagte Hakera. »Die Stürme muss jeden Moment eintreffen.«

Zwei Lichtminuten sollten ausreichen, damit die beiden Kampfschiffe nicht rechtzeitig zurückkehren konnten. Bis dahin musste die Rhelina zusammen mit der Stürme den Schirm des Kubus überwunden haben. Die beiden KIs hatten berechnet, dass es nur etwas mehr als eine Minute konzentrierten Dauerfeuers erfordern sollte, an der Schwachstelle eine Strukturlücke zu erzwingen, damit der Spontantransmitter Grand und Trrach im Innern absetzen konnte. Sollte es innerhalb dieser Zeitspanne nicht gelingen, war der gesamte Plan zum Scheitern verurteilt.

»Die Stürme ist da!«, meldete Hakera.

Die beiden Schiffe waren im Bulk so dicht an den Kubus herangeflogen, wie es die hyperdimensionalen Gravitationseinflüsse des Planeten erlaubten. Sobald sie die errechnete Position erreicht hatten, eröffneten sie das Feuer auf einen kleinen Abschnitt an der dem Planeten zugewandten Seite des Kubus.

Unvorstellbare Energien tobten sich auf dem Schutzschirm aus. Plasmapulse, Ionen- und Laserstrahlen, Sublicht- und Hypertorpedos mit thermonuklearen und Antimateriesprengköpfen, Gravitationsbomben und Protonenstrahler entluden ihre tödliche Fracht auf einem kleinen Bereich des Schirms, der an dieser Stelle sofort bedenklich zu flackern begann.

»Klopf, klopf!«, sagte Grand. »Galaxia via lactea ante portas!«


Jalina spürte einen plötzlich einsetzenden Kopfschmerz, doch im Gegensatz zum Angriff auf Maren´Thar hörte sie diesmal keine flüsternden Stimmen.

»Hakera«, meldete sie. »Suggestorenangriff beginnt. Keine Beeinträchtigung.«

Für eine weitere Berichterstattung blieb ihr keine Zeit, da die beiden Ra´hul-Schiffe versuchten, sie in die Zange zu nehmen. Sie tauchte nach 'unten' weg und verzögerte gleichzeitig stark, was die Ra´hul überschießen ließ. Sofort beschleunigte Jalina wieder, setzte sich hinter eines der Schiffe und feuerte mit allem, was die beiden schwächlichen Bordgeschütze hergaben.

Natürlich bestand keine Aussicht, die Schutzschilde des Kampfschiffes zu durchschlagen oder auch nur ernsthaft zu belasten, doch darum ging es nicht. Ein Moskito konnte einen Elefanten auch nicht ernsthaft verletzten, ihn aber gewaltig ärgern.

Jalina konnte auf ihrem virtuellem Holodisplay sehen, wie die Stürme und die Rhelina wie aus dem Nichts auftauchten und den Kubus sofort unter Beschuss nahmen. Spätestens jetzt mussten die beiden Kampfschiffe erkennen, dass sie durch einen Köder vom eigentlichen Schauplatz des Angriffs weggelockt worden waren. Selbst mit maximaler Beschleunigung würden sie mindestens drei Minuten brauchen, um den Kubus zu erreichen. Jalina war gespannt, wie sie reagieren würden.

Sie spürte sofort, wie die Kopfschmerzen noch heftiger wurden, und konnte ein Aufstöhnen nicht unterdrücken. Es schien ihr, als ob sich in ihrem Kopf eine sehr leise Stimme bemerkbar machen würde. Gleichzeitig drehte eines der Schiffe ab und jagte zum Kubus zurück. Das zweite setzte die Verfolgung des Beibootes fort.

»Suggestoreneinfluss nimmt zu«, meldete Jalina unter Schmerzen.

Sie waren wesentlich heftiger als beim letzten Mal, was mit den Drogen und den sich wehrenden Nanoassemblern zusammenhängen konnte. Sie fühlte sich schwindlig und seltsam unentschlossen. Ihr Kopf schien sich mit Watte zu füllen. Sie schloss für einen Augenblick die Augen und ließ sich zurücksinken.

Ein Treffer rüttelte das Beiboot durch und riss sie in die Wirklichkeit zurück.

»Schutzschirme bei achtzehn Prozent«, meldete die Bordintelligenz. »Energiespeicher aufgebraucht.«

Jalina riss die Augen auf und schlug sich selbst mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie drohte, den Kontakt zur Umwelt zu verlieren und den Suggestoren zu unterliegen.

»Bring … bring mich hier raus«, stieß sie mit letzter Kraft hervor.

Die Bordintelligenz reagierte umgehend. Das Beiboot beschleunige von dem Kampfschiff weg, flog dabei ein komplexes Ausweichmanöver und verschwand Sekunden später im Bulk.

Das Kampfschiff drehte sofort bei und raste zurück zum Kubus.


»Es ist gleich soweit«, sagte Hakera. »Macht euch bereit!«

Tatsächlich konnte Grand auf dem Außenholo, das die gesamte Stirnseite der Zentrale einnahm, sehen, wie der Schutzschirm des Kubus sich an der Stelle, die seit zwei Minuten unter Beschuss lag, zu verändern begann. Wie er sich langsam immer dunkler färbte und schwarze Schlieren bildete.

Dann brach er zusammen und es klaffte eine Lücke von mehreren Hundert Metern Länge und Breite in dem rosafarbenen Schleier, der den gesamten Kubus umspannte.

Sofort aktivierte Hakera den Spontantransmitter. Trrach und Grand verschwanden in dem rötlichen Abstrahlring aus höherdimensionaler Energie.

Die Rhelina und die Stürme erbebten kurz unter den Fernschüssen der heraneilenden Ra´hul, doch die Distanz war noch zu groß, um eines der beiden Schiffe ernsthaft gefährden zu können.

Sie stellten das Feuer ein, drehten ab und beschleunigten von den Angreifern weg.

Hinter ihnen stabilisierte sich der Schutzschirm des Kubus wieder und die Lücke schloss sich.

Grand und Trrach befanden sich jetzt im Innern des Kubus. Wenn sie wieder herauskommen wollten, musste es ihnen gelingen, von hier aus eine Strukturlücke in den Schirm zu schalten. Ein zweites Mal würde der gleiche Trick nicht funktionieren. Sobald Hakeras Fernscanner eine Lücke im Schirm anmessen konnten, würde sie herbeieilen, um Grand zusammen mit dem Ra´hul zurück an Bord zu transmittieren.

Sollte es ihnen jedoch nicht gelingen, den Schirm an einer Stelle zu öffnen, würde auch Hakera nichts für sie tun können.


Wie geplant, kamen sie in einem zum Hangar gehörenden Lagerraum an. Trrach hatte für Hakera eine grobe Skizze des Kubus angefertigt und die Räumlichkeiten gekennzeichnet, in denen nach seiner Erinnerung die geringste Wahrscheinlichkeit bestand, gleich einem Ra´hul über den Weg zu laufen. Er kannte zwar nicht den Aufbau des gesamten Kubus, konnte sich jedoch an einige Details von seinen Inspektionstouren erinnern. Sie hatten sich für diesen Raum entschieden, weil er in etwa unterhalb der Stelle lag, wo sie die Strukturlücke in den Schirm schießen wollten.

»Wir müssen schnellstmöglich ein Terminal finden«, sagte Grand. »Je länger wir uns im Kubus aufhalten, umso mehr steigt die Gefahr einer Entdeckung.«

»Hier entlang!« Trrach winkte ihn zu einer einfachen Tür, die aus dem Lagerraum führte. Grand war erstaunt, wie ähnlich Lagerräume in verschiedenen Universen aussahen. Nackte Metallwände, an denen auf drei Seiten irgendwelche Kisten und Behälter aufgestapelt waren, die grelle Beleuchtung und die, für ihn allerdings unleserlichen Bezeichnungen an den Wänden, sogar der Ausgang sah nicht viel anders aus, als er es in einem irdischen Lager erwartet hätte. Der ganze Raum hätte sich ebenso gut auf einer terranischen Raumstation befinden können. Logische und praktische Erwägungen führten wohl bei allen Spezies und in allen Universen zum gleichen Ergebnis.

Trrach öffnete vorsichtig die Tür. Sie war nicht abgeschlossen und öffnete sich in einen Gang, an dessen einem Ende Grand eine Schleuse sehen konnte, die wahrscheinlich in den eigentlichen Hangar führte. In die andere Richtung krümmte sich der Gang und man konnte nicht sehen, wo er endete.

Trrach wandte sich nach links, weg vom Hangar. Sie passierten einige verschlossene Durchgänge und Türen, bevor Trrach stehen blieb und auf einen Zugang zeigte.

»Dahinter liegt ein Terminal zur Lagerverwaltung. Es bietet Zugriff auf das allgemeine Netzwerk und sollte für unsere Bedürfnisse ausreichend sein.«

Er legte die Hand seines Handlungsarmes auf einen Sensor und die Tür verschwand zischend in der Decke.

Das Licht flammte automatisch auf. Grand konnte eine Arbeitsstation sehen, über der Holodisplays und virtuelle Felder verschiedene Grafiken und listenähnliche Aufstellungen anzeigten. Direkt darunter gab es ein Manipulatorfeld zur Gestensteuerung.

»Jetzt wird sich zeigen, ob mein Autorisierungscode noch Gültigkeit besitzt«, sagte Trrach und setzte sich auf den Sitzbock vor dem Manipulatorfeld.

Er streckte seinen Handlungsarm aus und machte mit den Fingern verschiedene Bewegungen, die Grand nicht deuten konnte.

»Mein Code wird noch akzeptiert«, teilte er Grand mit. »Wie es aussieht, hat man es nicht für nötig gehalten, ihn zu löschen.«

Wieder vollführte er diverse Gesten.

Grand griff in die versteckte Innentasche und zog einen Datenrepositor hervor.

»Suchen Sie nach technischen Spezifikationen des Kubus, Lageskizzen, Verteidigungssysteme, potenzielle Schwachstellen – alles, was wir für einen Guerillakrieg gebrauchen können.«

»Das wird nicht nötig sein, Grand«, antwortete Trrach zu seiner Überraschung.

In diesem Moment stürmten vier bewaffnete Ra´hul in den Raum und richteten ihre Strahler auf Grand. Nur auf Grand, wie dieser feststellen musste.

»Er hat eine Waffe unter seiner Kleidung versteckt«, sagte Trrach. »Ziehen Sie den Strahler vorsichtig heraus und kommen Sie nicht auf dumme Gedanken«, fuhr er an Grand gewandt fort.

Da der Translator in Trrachs Uniformkragen nach wie vor arbeitete, konnte Grand verstehen, was die Ra´hul sagten.

»Sie gelten als Flüchtling und auf Sie wurde eine Belohnung ausgesetzt … Höchster«, sagte einer der Ra´hul zu Trrach. Bei der Anrede zögerte er spürbar.

»Kontaktiere den ehrenwerten Zchroch´akkr´akcht´hisch, Soldat. Es wird sich alles aufklären!«

Mit spitzen Fingern zog Grand den Miniaturstrahler unter dem Overall hervor und ließ ihn fallen.

»Was soll das, Trrach?«, fragte er. »Sie machen einen großen Fehler!«

»Den Fehler haben Sie gemacht! Haben Sie wirklich gedacht, ich würde mein Volk verraten? Ihr Märchen von den so unglaublich überlegenen Dorianern habe ich keinen Moment lang geglaubt. Oh, es mag sie gegeben haben, zumindest ihr erstaunliches kleines Schiff deutet darauf hin, aber sie haben sich in den letzten Jahrtausenden nicht dafür interessiert, was wir in diesem Universum tun – warum sollten sie jetzt plötzlich damit anfangen? Weil wir ihre lächerliche Galaxis bedrohen? Wenn es sie überhaupt noch gibt, spielt dieses Universum und alles, was hier geschieht, für sie offensichtlich keine Rolle mehr. Nein, Grand, wenn Sie oder Ihre seltsame Organisation von angeblich Unsterblichen Kontakt zu diesen Dorianern hätten, wären sie schon längst hier aufgetaucht, um uns aufzuhalten.« Trrach stieß das typische, bellende Lachen eines Ra´hul aus. »Trotzdem muss ich mich bei Ihnen bedanken!«, fuhr er fort. »Meine Situation war … schwierig. Aber nun habe ich etwas gefunden, das von allergrößtem Nutzen für unsere Mission sein wird: Sie, Grand, den einzig bekannten Immunen gegen die Macht unserer Suggestoren. Ich bin sicher, das wird selbst Zchroch beeindrucken und er wird nochmals darüber nachdenken, welche Bedeutung ich für unser Volk habe. Erst recht, wenn sich mein Beitrag für unsere Sache überall herumgesprochen haben wird. Dann wird er es nicht mehr wagen, mich zu eliminieren. Einen Helden kann man nicht so einfach verschwinden lassen.«

Die Soldaten hatten Trrachs kleine Rede aufmerksam verfolgt. Einer von ihnen trat vor und salutierte, indem er mit den beiden Laufbeinen leicht einknickte und den Kopf senkte.

»Höchster, viele von uns waren mit Ihrer Absetzung nicht einverstanden. Sie besitzen nach wie vor starken Rückhalt in der Flotte.«

»Ich danke dir«, antwortete Trrach und sah Grand triumphierend an. »Sehen Sie, Grand, Sie haben mir einen großen Gefallen erwiesen. Und machen Sie sich keine Hoffnungen! Ihr Schiff wird Sie nicht mit dieser, zugegeben beeindruckenden Transmittertechnologie hier herausholen können.«

Dann drehte er sich wieder zu den Soldaten um.

»Sperrt den Immunen ein und legt einen starken Schutzschirm um seine Zelle. Wir wollen doch nicht, dass er plötzlich verschwindet.«

»Sie werden damit nicht durchkommen, Trrach«, sagte Grand, während er in Gedanken krampfhaft nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation suchte. Wie hatten sie den alten Ra´hul nur so falsch einschätzen können? Sie hatten sich von Hoffnungen und Spekulationen leiten lassen und nie darüber nachgedacht, ob Trrach nicht eigene Pläne verfolgen könnte. Die verzweifelte Lage der Milchstraße hatte sie blind gemacht und nach dem erstbesten Strohhalm greifen lassen. Selbst die beiden KIs hatten mehr auf ihre Emotioroutinen gehört als auf ihre Logiksektoren. Dies war der große Nachteil empfindungsfähiger Maschinen – sie konnten dieselben Fehler begehen wie organische Lebewesen.

Trrach ging auf Grands Ausruf nicht ein und lachte wieder nur bellend.

»Bringt ihn weg, und dann will ich sofort mit Zchroch reden«, sagte er zu den Soldaten.

»Sollen wir ihn zu dem anderen Immunen sperren, Höchster?«, fragte einer der Soldaten.

Nun wirkte Trrach überrascht.

»Ein anderer Immuner? Wie ist das möglich?«

»Einer der Bewohner des Planeten unter uns reagierte nicht auf die Befehle unseres Suggestors und hat sich aufgelehnt. Wir konnten ihn kürzlich festsetzen. Er soll auf Befehl des ehrenwerten Zchroch in das Suggestorendepot überstellt werden, um dort von unseren Wissenschaftlern untersucht zu werden.«

»Na schön, sperrt ihn in die gleiche Zelle und sichert diese mit einem starken Schutzschirm. Und jetzt bring den Kerl weg. Ich habe meine Zukunft und die unseres Volkes zu planen!«

Die vier Ra´hul nahmen Grand in die Mitte und führten ihn aus dem Raum. Er hatte keine Chance, sich zur Wehr zu setzen, und er wusste, dass ihm somit jede Möglichkeit, zur Rhelina zurückzukehren, verbaut war. Ohne Zugriff auf das Netzwerk des Kubus war es unmöglich, eine Strukturlücke zu schalten, Hakera zu benachrichtigen und sich mit dem Spontantransmitter zurück ins Schiff holen zu lassen. Der Ra´hul hatte ihn übertölpelt! Selbst wenn Trrachs Plan nicht aufgehen würde und Zchroch immer noch danach trachten sollte, seinen Konkurrenten auszuschalten, würde ihm das nichts mehr nützen. Er befand sich in der Hand des Feindes und sah keinen Weg, aus diesem Schlamassel herauszukommen.

Sie gelangten in einen Bereich, in dem es von Bewaffneten nur so wimmelte. Inzwischen musste sich der aufsehenerregende Fang herumgesprochen haben. Ohne Trrachs Translator in der Nähe konnte Grand nicht mehr verstehen, was gesprochen wurde, doch der Tonfall der knurrenden und heiseren Laute klang triumphierend.

Einer der Soldaten öffnete einen Energieschirm und die dahinterliegende Tür. Grand bekam einen Stoß in den Rücken und stolperte vorwärts in den kleinen Raum.

Auf einer Liege in der Ecke lag eine Gestalt, deren Anblick Grand einen Schock versetzte. Das ist unmöglich , dachte er.

Vor ihm lag ein Terraner!