Prolog
Jede Nacht schrecke ich hoch. Das Laken klebt mir an der nassgeschwitzten Haut, mein Atem geht keuchend, als wäre ich wieder gerannt, Hals über Kopf, mit hämmerndem Herzen und schreckgeweiteten Augen. Ich starre in die Finsternis meines Zimmers, mein Blick gleitet über die Schatten der Möbel, über deine Umrisse neben mir, geht zum Fenster. Nein, nichts, da ist niemand.
Ich taste nach dir, vorsichtig, um dich nicht zu wecken, berühre warme Haut. Nichts tröstet mich so sehr wie deine Gegenwart. Deshalb krieche ich zu dir unter die Decke, schmiege meine Wange an deine Schulter, atme deinen vertrauten Geruch ein.
»Was ist?«, flüsterst du. »Wieder der See?«
Niemand weiß besser als du, wie oft ich strampelnd und schreiend erwache und nach dir schlage, während mich der Traum gefangen hält. Das Wasser ist so kalt, dass es schmerzt, und so dunkel, und es zieht mich mit einer Kraft weiter hinunter, der ich nichts entgegensetzen kann. In dieser Tiefe bin ich blind.
»Nur ein Traum.« Du legst den Arm um mich und ziehst mich näher zu dir heran. »Schlaf weiter, Luis. Nur ein Traum. Du bist in Sicherheit. Du bist bei mir.« Die Wärme deines Atems an meinem Ohr ist wie ein Streicheln.
Wir reden nicht oft über die furchtbaren Dinge, die geschehen sind. Vielleicht weil wir beide fürchten, dass die Angst und der Schmerz eine Macht über uns gewinnen könnten, die uns mitreißt und uns in einen Abgrund hinunterzieht, aus dem es kein Entkommen gibt.
»Es ist vorbei«, sagst du dann immer.
Aber das stimmt nicht. Manchmal wünschte ich, ich könnte wieder der unbekümmerte Luis sein, der ich war, bevor das alles geschah, bevor der Schrecken mich geweckt und aus dem Dornröschenschlaf gerissen hat, in dem ich mich all die Jahre in Sicherheit wähnte. Nun sehe ich endlich die Dornen, die sich um die Wirklichkeit schlingen und die durch unsere Herzen wachsen. Nun weiß ich: Nicht jeder ist, wer er zu sein scheint.