10
Die Sache mit dem Monitor
A n diesem Morgen fuhr ich zum ersten Mal mit dem Rollstuhl ins Büro, wobei ich es kaum erwarten konnte, diesen Tag zu beginnen.
Ich fühlte mich aufgeregt wie ein kleiner Junge, nachdem der Doc mich in meinen absoluten Lieblingszustand versetzt hatte und das Taxi mich abholte, um mich zum Büro zu fahren. Ich hatte bereits die Sachen für meine Übernachtung bei Dustin dabei, sodass ich nicht mehr ins Apartment zurückkehren musste. Ich wollte nicht, dass Violet mich so sah.
Früher oder später würde auch dieser Moment kommen, doch jetzt, hochschwanger, musste ich ihr das wirklich nicht antun. Zumal ich ja wusste, wie sehr sie litt und wie groß ihre Angst davor war, dass ich mich nicht genug um das Kind kümmern konnte.
Ich würde es austesten und notfalls für eine ganze Weile auf dieses Leben im Rollstuhl verzichten. Jetzt, wo mir alle Möglichkeiten offenstanden.
Meine oberste Priorität war es, dass es dem Baby gut ging. Erst danach kam ich. Der Grundstein für meine Zukunft war gelegt.
Im Büro angekommen kassierte ich erschrockene und ungläubige Blicke, doch ich blieb dabei, mich nicht zu meinem Zustand zu äußern. Garantiert würde der Bürofunk jetzt erst richtig gut funktionieren, wo ich in diesem Gerät ins Büro gefahren kam.
In Keylas Augen konnte ich den Schock erkennen und es gefiel mir. Es gefiel mir so unglaublich gut.
Sie hatte mich immer gewollt. Mich immer angebaggert, doch jetzt, wo ich nicht mehr perfekt war, interessierte sie sich nicht mehr für mich. Schlimmer noch, sie hatte Mitleid. Und ich hasste Mitleid.
Ich wies sie an, meinen Bürostuhl zur Seite zu schieben und platzierte stattdessen meinen Rollstuhl unter dem Schreibtisch. Dieses Gefühl war noch überwältigender, als ich es jemals für möglich gehalten hatte.
Ich saß hinter meinem Schreibtisch. Unfähig aufzustehen. Ein Gefühl unendlicher Freude und puren Glücks durchzog meinen gesamten Körper.
Wie lange ich mich nach diesem Moment gesehnt hatte.
Mein Tag hier ging heute nur bis vierzehn Uhr, dann würde ich Feierabend machen, um mich voll und ganz in das Abenteuer mit Dustin zu stürzen.
»Sir, ich bräuchte einige Unterschriften und ...« Matt verstummte, als er den Rollstuhl wahrnahm, auf dem sein Blick für einige Sekunden klebte. Er räusperte sich, als hätte er etwas Unangenehmes gesagt, bevor er mir schon beinah verlegen die Unterlagen auf den Schreibtisch legte.
»Ich werde heute ab vierzehn Uhr nicht mehr im Büro sein bis Montagmorgen. Alle wichtigen Unterlagen müsste ich bis dahin gegengezeichnet haben.«
»Ja, Sir.«
»Gut. War sonst noch was?«
»Ich ... es tut mir wirklich leid«, stotterte er vor sich hin.
»Dazu gibt es keinen Grund. Kleiner Tipp, den sie auch gerne weiterleiten können: Wenn ich eins abgrundtief hasse, dann ist es Mitleid. Ich reagiere bisweilen ziemlich allergisch darauf.«
»Verstanden.«
»Das will ich hoffen. Wenn ich noch einmal diesen Blick sehe, werfe ich Sie raus. Und dass ich keine Witze mache, brauche ich, glaube ich, nicht gesondert erklären, richtig?«
»Richtig. Entschuldigung. Und ein schönes Wochenende.« Mit diesen Worten verschwand er aus meinem Büro, während ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte, von dem er natürlich nichts mehr mitbekam.
Ich saß zwar in diesem Rollstuhl und war endlich die Person, die ich sein wollte. Mehr hatte sich allerdings definitiv nicht verändert. Er schiss sich vor meiner Autorität noch immer in die Hose und so würde es auch allen anderen Menschen gehen.
Ich genoss diesen Moment wahrscheinlich viel zu sehr, doch es war ein weiterer Beweis für mich, dass ich verdammt noch mal die richtige Entscheidung getroffen hatte. In jeglicher Hinsicht.
Um Punkt vierzehn Uhr öffnete sich meine Bürotür und ich blickte auf Dustin, der mich mit diesem Blick ansah, den ich so sehr an ihm mochte. Feurig. Gierig. Voller Vorfreude auf die nächsten Stunden und Tage, die wir zusammen verbringen würden.
Endlich!
»Sir, Sie haben ein IT-Problem?«, fragte er, wobei ich keine Miene verzog. Er wollte ein Spiel spielen? Da war er bei mir genau an der richtigen Adresse.
»Keyla, keine Anrufe und keine Besucher«, teilte ich meiner persönlichen Assistentin über die Sprechanlage mit, was sie mit ihrem freundlichen »Ja, Sir.« beantwortete.
»Mister Porter, Sie müssen einmal meinen Monitor überprüfen. Er wird immer wieder unscharf.«
»Unscharf? Ach du meine Güte, das klingt ja gar nicht gut. Dabei ist Schärfe doch so wichtig.«
»Das habe ich auch schon gehört. Vielleicht könnten Sie sich diese verstörende Sache ja einmal ansehen.«
»Mit verstörenden Sachen kenne ich mich aus, Mister Knight. Seien Sie unbesorgt.«
»Das bin ich. Schließlich weiß ich, dass ich nur die Besten der Besten beschäftige. Und von Ihnen hört man nur Herausragendes, Mister Porter. Meine Ansprüche sind also hoch.«
»Davor fürchte ich mich nicht, Sir, weil ich weiß, dass ich diesen Ansprüchen gerecht werde. Sie können sich auf mich verlassen.«
Ich löste die Bremsen von meinem Rollstuhl und rollte ein Stück zurück, um Dustin Platz am Schreibtisch zu machen.
»Setzen Sie sich auf den Schreibtisch.«
»Auf den Schreibtisch? Ich dachte, ich soll nach dem Monitor gucken.«
»Sehe ich aus, als wäre ich ein Freund von Diskussionen, Mister Porter?«
»Nein, Sir.«
»Dann tun Sie, was ich sage!«
»Ja, Sir.«
Ich blieb todernst, während er sich auf meinen Schreibtisch setzte.
»Nein, so gefällt mir das nicht. Hose ausziehen und dann wieder hinsetzen.« Mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen ließ Dustin die Hose sinken, bevor er sich wieder auf den Schreibtisch setzte. Sein Schwanz ragte mir bereits entgegen. »Mein Anblick gefällt Ihnen wohl?«
»Sir, ich habe noch nie einen so heißen Mistkerl in einem Rollstuhl gesehen.«
»Warten Sie ab, bis Ihnen dieser verdammte Mistkerl zeigt, zu was Männer im Rollstuhl alles fähig sind.«
Ich schob meinen Rollstuhl wieder näher an den Schreibtisch und somit auch näher zu Dustin, dessen Beine ich noch ein wenig mehr spreizte, bevor ich mit meiner Zunge über seinen Schwanz leckte.
»Fuck«, stöhnte er leise, als ich ihn in den Mund nahm, daran saugte, bevor ich ihn wieder losließ und mit meinen Händen weiterarbeitete.
Diese ganze Situation, diese unglaubliche Freiheit. Das alles war neu für uns. Wir mussten uns noch damit auseinandersetzen, was uns allerdings nicht daran hinderte, es bereits in vollen Zügen auszuleben.
So wie jetzt.
Hier.
In meinem Büro.
Ich blickte auf Dustin, der seinen Kopf lustvoll zurück in den Nacken warf und dabei laut aufstöhnte, während ich mittlerweile wieder mit meiner Zunge seine Eichel bearbeitete.
Wie oft hatte ich davon geträumt, im Rollstuhl in dieses Büro zu rollen.
Wir oft hatte ich davon geträumt, ihn hier auf diesem Schreibtisch zu nehmen.
Jetzt wurde all das wahr. Ich entließ ihn aus meinem Mund und begann damit, ihn zu massieren. Kräftig und schnell.
»O Gott, James«, raunte Dustin heiser, womit er mir zeigte, dass er gleich so weit war. Noch ein letztes Mal rieb ich an ihm, bevor er seinem Orgasmus freien Lauf ließ.
Es war auch gleichzeitig das erste Mal in meinem Leben, dass ich froh darüber war, ein schallisoliertes Büro zu haben. Er ergoss sich über meine Hand und meinen Schreibtisch, der jetzt für immer seine Wichse auf sich tragen würde. Ganz egal, wie gut ich ihn auch reinigte.
»Danke, Sir«, brachte er hervor, woraufhin ich herzlich auflachen musste.
»Gerne, Mister Porter. Ich glaube, jetzt kann ich an diesem Schreibtisch auch wieder scharf sehen.«
Mit diesem Satz brachte ich Dustin noch einmal zum Lachen, bevor er sich erhob.
»Verdammt. Dank dir werde ich Computerbildschirme nie wieder so betrachten, wie ich es bis jetzt getan habe.«
»Gern geschehen.«
Wir verließen das Büro, nachdem Dustin mein Badezimmer genutzt hatte, wobei er es sich nicht nehmen ließ, mich zu schieben. Etwas, das ich ihm nur zu gerne überließ.
Wir fuhren mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage, wo Dustins Auto geparkt war. Natürlich half er mir beim Einsteigen, bevor er meinen Rollstuhl in seinem Kofferraum verstaute.
»Darf ich vorstellen: Der Apartmentkomplex des normalen Volks«, sagte er, nachdem wir den Wagen unzählige Querstraßen entfernt abgestellt hatten und nun endlich bei seiner Wohnadresse ankamen. Eine Tiefgarage gab es hier nämlich nicht.
»Du weißt schon, dass ich nicht reich geboren wurde und es somit für mich nicht erschütternd sein wird, oder?«
»Das weiß ich. So schätze ich dich auch nicht ein. Ich mache doch nur Spaß. Es gibt allerdings noch ein winzig kleines Problem, von dem ich dir noch nichts erzählt habe.«
»Okayyyy ...«
»Ich wohne in der vierten Etage und es gibt hier keinen Aufzug.«
»Aber ...«
»Erinnerst du dich noch an Spencer aus dem Club? Ich habe ihn gebeten, uns behilflich zu sein.«
»Aber ich trage doch gar keine Maskerade, so wie beim letzten Mal. Er wird mich sofort erkennen und ...«
»Ich hätte ihn nicht gebeten, wenn ich ihm nicht zu zweihundert Prozent vertrauen würde, oder?«
Ich atmete tief durch, bevor ich mit den Schultern zuckte.
»Und selbst wenn. Ich vergesse leider noch immer, dass es jetzt gar nicht mehr dramatisch ist. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen«, rechtfertigte ich mich, obwohl ich wusste, dass es nicht nötig war. Nicht bei Dustin.
»Kein Ding. Wir haben alle Zeit der Welt, nicht wahr?«
»Na, das will ich doch hoffen.«
»Ah, da seid ihr zwei ja«, rief Spencer bereits, als wir uns der Eingangstür näherten. Entweder bemerkte er mein verändertes Aussehen gar nicht oder aber Dustin hatte ihn bereits darauf vorbereitet. Jedenfalls ließ er sich nichts anmerken.
Er begrüßte mich nett und freundlich, wie einen alten Kumpel.
»Es tut mir wirklich leid, dir jetzt diese ganze Arbeit zu machen.«
»Ach was! Das ist doch keine Arbeit! Ich freue mich ja, dass ich euch helfen kann, mal ein Wochenende bei Dustin zu verbringen. Warum also nicht. Sehen wir uns eigentlich wieder in der Bar?«
»Das müssen wir leider immer ganz davon abhängig machen, was meine Beine so für Pläne haben. Aber wenn es irgendwie geht, dann auf jeden Fall!«, erwiderte ich und klopfte mir dabei auf meine Oberschenkel, wovon ich allerdings rein gar nicht spürte.
»Hey, das sollte kein Hinderungsgrund sein. Wir können dich auch mit dem Rolli runtertragen und wieder rauf. Das üben wir ja jetzt schon mal.«
»Ich hoffe, du hast gut gefrühstückt«, scherzte ich und war froh, das Thema umzulenken. Keine Ahnung, wie viel Spencer über mich wusste oder wie sehr er sich mit den New Yorker Klatschzeitungen auskannte.
Vielleicht wusste er, wer ich war.
Vielleicht aber auch nicht.
Und irgendwie war es mir verdammt egal.
Nur in der Bar würden wir uns natürlich erst mal noch nicht sehen lassen können. Ich wusste nicht mal, ob ich es überhaupt schaffen würde, jemals als James Knight dorthin zu gehen. Ich wünschte es mir natürlich.
Aber eins nach dem anderen.
Jetzt war ich erst mal hier. Ohne Maskerade und bereit, ein ganzes Wochenende mit Dustin in seiner Wohnung zu verbringen.
Ich fuhr mit dem Rollstuhl so weit, wie ich konnte, bis zu den Treppen, denen ich einen unsicheren Blick schenkte.
»Und ihr seid euch wirklich sicher, dass das funktionieren wird?«, fragte ich ohne meine Skepsis zu vertuschen.
»Ich würde nie zulassen, dass dir etwas passiert, und Spencer ist der beste Freund, den man sich nur wünschen kann. Genau deshalb weiß ich, dass er es ebenfalls niemals zulassen würde.«
Spencer war also Dustins bester Freund. Er hatte mir schon oft davon erzählt, dass es jemanden in seinem Leben gab, dem er uneingeschränkt vertraute, dabei allerdings nie einen Namen genannt. Also war es Spencer. An dem Abend in der Bar waren mir die beiden schon sehr vertraut miteinander vorgekommen, allerdings nicht auf sexuelle Art und Weise.
Kein Wunder also, dass Spencer sich nicht über mein verändertes Erscheinungsbild gewundert hatte. Vermutlich kannte er die ganze Geschichte hinter dem Namen Sam, mit dem ich mich in der Bar noch vorgestellt hatte.
Wenn Dustin ihm vertraute und das vollkommen uneingeschränkt, dann musste ich das nicht nur akzeptieren, sondern auch respektieren. Ich konnte schließlich nicht von ihm verlangen, alles für sich zu behalten.
»Bereit?«, fragte Dustin und legte mir sanft eine Hand auf die Schulter, während ich eher unsicher mit den Schultern zuckte.
»Was anderes als hier sitzen kann ich ja eh nicht«, sagte ich und hielt mich an den Armlehnen des Rollstuhls fest, als mich die beiden starken Männer hochhoben.
Ob Spencer auch wusste, dass ich gar nicht dauerhaft an den Rollstuhl gefesselt war? Ich würde es gleich bei Dustin hinterfragen, denn es interessierte mich wirklich. Aber erst mal mussten sie es schaffen, mich heile bis in die Wohnung zu bekommen.
Oben angekommen waren beide abgekämpft, aber ich war oben und stand nun vor einer grauen Wohnungstür, hinter der sich Dustins Wohnung befand.
Wie es wohl aussehen würde in seinen Räumlichkeiten? Ich konnte es nicht mal erahnen.
Es war ein suspekter Moment, schließlich hatte ich bei ihm das Gefühl, ihn seit einhundert Jahren in- und auswendig zu kennen, doch ich wusste noch lange nicht alles von ihm. Und andersherum genauso wenig.
Doch dafür würden wir uns jetzt Zeit nehmen.
Das ganze Wochenende gehörte uns und so, wie ich es jetzt einschätzte, würden wir es auch komplett in Dustins Wohnung verbringen. Schließlich konnten wir nicht mal das Haus verlassen. Zumindest nicht ohne Spencers Hilfe.
»Dann wünsche ich euch ein wunderschönes Wochenende und wenn ich helfen soll, dann meldet euch einfach. Du weißt ja Bescheid, Dustin«, sagte er in diesem Moment und verschwand dann die Treppen hinunter.
»Bereit?«
»Bereit, wenn du es bist«, antwortete ich und wartete darauf, dass Dustin die Wohnungstür öffnete.
Der Rollstuhl passte so gerade eben hindurch, wobei wir uns in einem kleinen, dunklen Flur befanden.
Hier erinnerte nichts an das Layout meiner Wohnung mit den offenen, lichtdurchfluteten Räumen und den hohen Decken. Doch das war mir schon vorher klar gewesen.
Vom Flur aus kam man in einen Raum, in dem neben der Küche auch das Wohn- und Esszimmer untergebracht war. Dustin hatte schon extra ein paar Stühle zur Seite geräumt, sodass ich wenigstens etwas Platz hatte, wobei es mir schwerfallen würde, mich hier alleine zu bewegen. Ich konnte den Rollstuhl kaum drehen und wenden.
»Ich habe vorgesorgt, für den Fall, dass es dir zu eng ist und du nicht hierbleiben möchtest oder nicht zurechtkommst. Spencer wartet unten und ist bereit, dich die Treppen wieder runter zu tragen.«
Ich lachte auf bei Dustins Worten, die er aber anscheinend vollkommen ernst meinte.
»Zur Not musst du mich halt die ganze Zeit tragen, aber ich werde hierbleiben. Ich freue mich darauf, endlich die dunklen Geheimnisse des Dustin Porter zu erfahren.«
»Ich glaube, du kennst die dunkelsten schon, der Rest dürfte dich also nun wirklich nicht mehr schocken.«
Lachend zuckte ich mit den Schultern und griff nach seinem Shirt, um ihn zu mir nach unten zu ziehen.
»Danke, dass du mir dein Leben zeigst«, sagte ich und küsste ihn stürmisch.
Irgendwann würde ich ihn auch mit zu mir nehmen. Nicht in den Apartmentkomplex, in dem ich wohnte, sondern in meine eigenen vier Wände.
Es war an der Zeit, dass auch er sah, wie ich lebte.
Vor allem wurden dort jetzt, während meiner Abwesenheit, die letzten Barrieren beseitigt, sodass nach meiner Rückkehr wirklich alles behindertengerecht war.
Etwas, das wir auch noch nicht kennengelernt hatten.
»Da ich Violet ja bereits von dir erzählt habe, würde ich mich sehr freuen, wenn wir das nächste Wochenende bei mir verbringen könnten«, sprach ich meine Gedanken laut aus, was augenblicklich ein Lächeln auf Dustins Gesicht zauberte.
»Herzlich gerne. Übrigens, das Schlafzimmer erreichen wir nur, wenn ich dich trage.«
»Ist das ein Versprechen?«, fragte ich, was Dustin herzhaft auflachen ließ.
»Warte, ich werde es dir einfach zeigen.« Mit diesen Worten hob er mich aus meinem Rollstuhl und trug mich durch einen kleinen engen Gang in das winzige Schlafzimmer, in dem gerade eben ein Bett Platz hatte. Dafür war es hell und freundlich durch ein großes Fenster. Zwar mit einem lausigen Ausblick, aber da war ich auch wirklich viel zu verwöhnt.
»Ich mag es hier«, sagte ich ehrlich, nachdem Dustin mich auf das Bett gelegt hatte.
»Es ist klein, aber fein.«
»Und schön eingerichtet. Ich versuche mir manchmal vorzustellen, wie mein Apartment wohl aussehen würde, wenn ich die Dekoration nicht einer Innenarchitektin überlassen hätte. Ich glaube, es wäre eine Vollkatastrophe. Schlimmer als jede Junggesellenbude.«
»Ach was. Du musst dich nur ein bisschen damit beschäftigen, dann ist es gar nicht so schwer.«
»Darf ich dich etwas fragen?« Ich nutzte die Gelegenheit aus, dass wir nun so entspannt auf dem Bett lagen.
»Klar. Alles.«
»Spencer ... weiß er alles?«, hakte ich nach, was Dustin sofort mit dem Kopf schütteln ließ.
»Nein, das weiß er nicht. Ich meine, er weiß, wer du bist. Er weiß, dass er die Klappe zu halten hat, und all diese Dinge. Aber er glaubt, wie alle meine Freunde, denen ich von dir erzählt habe, dass du einen Tumor im Rücken hast.«
Seine Worte erleichterten mich. Mit dieser Antwort konnte ich gut leben.
»Einziger Nachteil in dieser Wohnung, wir können nicht in den Tempel.«
»O Gott ja, das weiß ich. Aber zur Not können wir uns immer noch von Spencer helfen lassen, wieder nach unten zu kommen, um in die topsecret Wohnung zu fahren. Bis dahin haben wir ja unsere Hände und unsere Münder.« Ich lachte auf bei Dustins Worten.
»Ist das ein Versprechen oder eine Drohung?«, fragte ich erneut.
»Das wirst du noch ganz genau herausfinden an diesem Wochenende. Das ist ein Versprechen.«
»Perfekt.«
»Aber, bevor wir uns dieser Sache wieder widmen, würde ich die Gelegenheit gerne ebenfalls nutzen.«
»Okay.« Ich war gespannt.
»Wie stellst du es dir vor, wenn du dein Coming-out hattest? Willst du überhaupt ein Coming-out oder handhabst du es wie mit deiner plötzlichen Unfähigkeit zu laufen?«
»Keine Ahnung. Das ist etwas, das ich aus Rücksicht auf Violet auch mit ihr besprechen möchte. Aber nicht jetzt. Sie hat sich in den letzten Tagen und Wochen schon genug aufgeregt. Wenn das Baby da ist und wir uns alle an die neue Situation gewöhnt haben, dann werde ich mit ihr reden.«
»Ich unterstütze dich in allem, was du entscheidest. Das weißt du hoffentlich.«
»Das tue ich.«
»Gleichzeitig werde ich es allerdings nicht akzeptieren, für immer das Geheimnis an deiner Seite zu bleiben.«
»Auch das ist mir vollkommen klar und ich bin absolut damit einverstanden.«
»Wirst du die anderen Männer wiedersehen?«
»Nein. Es hat mir Spaß gemacht mit ihnen, das will ich nicht abstreiten, aber ich bin nicht der Typ für eine offene Beziehung. Wie sieht es mit dir aus?«
»Definitiv keine offene Beziehung. Das kann in meinen Augen nicht funktionieren. Es ist ja nicht selten. Viele meiner Freunde haben es zumindest mal ausprobiert, aber nie mit einem guten Ergebnis. Ich wäre viel zu eifersüchtig auf die anderen Männer und hätte definitiv immer Angst, dass du dich für einen von ihnen entscheiden würdest statt für mich.«
»Ich habe mich aber schon längst für dich entschieden. Und für dieses Leben.« Ich deutete auf meine Beine. Das war der Fetisch, denn ich ausleben wollte. Der Mann, der ich sein wollte. Der große, unantastbare James Knight, der plötzlich nicht mehr ganz der Mann aus Stahl war, für den ihn grundsätzlich alle hielten.
»Und das geheime Apartment?«
»Wird für immer meins bleiben, damit wir uns für jegliche Art von Spielchen dorthin zurückziehen können. Meine Wohnung wird gerade vollkommen behindertengerecht umgebaut und das ist uns doch auf Dauer zu langweilig, wenn ich alles alleine erledigen kann, oder?«
»Das würde ich niemals zulassen«, erwiderte Dustin augenzwinkernd, bevor er sich zu mir beugte, um mich zu küssen.
»Ist das ein Versprechen oder ...«
»Ach, halt die Klappe«, unterbrach er mich, bevor ich diesen Satz zum dritten Mal von mir geben konnte, und küsste mich stattdessen mit einer Leidenschaft, die mich komplett in den Bann zog.
Ich würde diese Tage bei ihm genießen. Jede einzelne Sekunde, denn vermutlich war es das letzte Mal, dass wir vollkommen unbeschwert zusammen sein konnten.
Die Geschichte mit meiner mysteriösen Erkrankung sickerte mit Sicherheit bereits an die Öffentlichkeit, was mich in den Fokus der Medien rücken würde. Dazu die Trennung zwischen Violet und mir, die ebenfalls vorbereitet werden musste. Das Baby. Der neue Mann in Violets Leben. Das Coming-out. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich für diese Art des Sturms gewappnet war.
Vor allem, weil es Themen betraf, die unmittelbar mit mir zu tun hatten. Themen, die schwierig waren und von denen eine ganze Menge abhing.
All diese Dinge würden mein Leben verändern. Zwar in eine positive Richtung, denn dann konnte ich endlich der Mann ein, der ich sein wollte, aber die Veränderung würde enorm werden.
Der unantastbare Tycoon mit der perfekten Freundin und dem Baby auf dem Weg, an den Rollstuhl gefesselt, getrennt und schwul.
Die Titelblätter der Klatschzeitungen waren mir wohl für eine ganze Weile gesichert. Und was die Geschäftspartner meines Unternehmens davon hielten, darüber konnte ich jetzt nur spekulieren. Ein Echo würde definitiv erfolgen, doch ich machte mir im Grunde genommen keine Sorgen. Die Firma war perfekt aufgestellt und auch gegen solche Wellen gewappnet. Ich würde dadurch nicht pleite gehen und auch nichts verlieren. Außer meiner kompletten Privatsphäre natürlich.
»Dustin, warte«, sagte ich, während er überrascht von mir abließ.
»Alles okay?«
»Glaubst du wirklich, dass du bereit bist für dieses Leben?«
»Für ein Leben an deiner Seite?«
»Für ein Leben an meiner Seite. Für ein Leben in der Öffentlichkeit. Für ein Leben mit einem Mann im Rollstuhl. Für ein Leben mit dem Vater einer Tochter, die eine wichtige Rolle spielen wird.«
»Ich weiß nicht, wie ich dir das beweisen kann. Vermutlich gibt es keine Möglichkeit, als es die Zeit zeigen zu lassen, aber ich bin bereit, James. Ich bin so was von bereit für das alles. Natürlich wird es für mich eine Herausforderung werden, wenn plötzlich auch der Fokus der Öffentlichkeit auf mich gerichtet ist. Sowas kenne ich nicht, aber hey, wenn das der Preis ist, den ich für ein Leben mit dir zahlen muss, dann zahle ich ihn sehr gerne. Außerdem habe ich kein Problem damit, schwul zu sein. Von unserem Fetisch ahnt niemand etwas. Was deine kleine Tochter angeht ... Ich habe beim Thema Homosexualität immer nur mit einer Sache gehadert: Der Angst davor, niemals Vater zu werden beziehungsweise ein Kind in meinem Leben zu haben. Es ist daher nichts, was mich abschreckt, sondern etwas, das ich wunderschön finde. Außerdem warst du von Anfang an transparent. Schon bevor wir uns aufeinander eingelassen haben.
Ich wäre niemals so weit gegangen, wenn ich mir das nicht vorstellen könnte.
Und die Sache mit dem Rollstuhl ist hoffentlich ein schlechter Scherz, oder? Bei dir wäre ich sogar so weit gegangen, meinen Fetisch hintanzustellen, um einfach mit dir zusammen sein zu können. Jetzt beides zu haben, ist ein Traum, den ich mich nicht mal zu träumen gewagt hätte.«
Seine Worte berührten mich so sehr, dass ich meine Arme um ihn schlang und ihn wieder zu mir herabzog. Ich würde ihn nie mehr loslassen.
Auch wenn wir gerade erst dabei waren, uns wirklich kennenzulernen, wusste ich, dass Dustin der Mann meines Lebens war. Er und niemand sonst.
Wie konnte ich nur so viel Glück haben?
Vielleicht war es nach all den Tiefpunkten in meinem Privatleben aber auch endlich an der Zeit.
»Wie wäre es, wenn wir erst ein heißes Bad nehmen?«, fragte er, nachdem wir eine Weile einfach nur nebeneinandergelegen hatten. Versunken in unseren eigenen, wunderschönen Gedanken.
»Das klingt super.«
»Ich habe allerdings eine Badewanne, keinen Whirlpool, aber ich glaube, damit werden wir klarkommen. Ich möchte, dass du deinen Weg dorthin alleine schaffst.«
Ich grinste mit einem verschmitzten Nicken auf den Lippen.
»Ach wirklich?«, fragte ich und streckte die Arme nach Dustin aus. »Dann bring mich auf den Boden der Tatsachen zurück und ich werde sehen, was ich tun kann.«
Mit Dustins Hilfe schaffte ich es vom Bett auf den Boden, wo ich begann, mich in Richtung des Badezimmers zu ziehen. Natürlich immer unter seinem Blick. Ich wusste, wie sehr es ihn aufgeilte und mich ebenfalls ...
Dadurch, dass wir auch jetzt wieder das ganze Wochenende zusammenblieben, würde ich meinen Orgasmus morgen auch wieder mit vollem Körpereinsatz genießen können, während es heute diese besondere Art der Gefühle war. Etwas, das ich nicht weniger genoss.
Es war nicht weit bis zu dem kleinen Badezimmer, aber durch die Enge fiel es mir schwer, mich dorthin zu ziehen. Dafür wurde ich mit einem sehr entspannenden Bad verwöhnt. Und es blieb nicht nur bei diesem Verwöhnprogramm.
Am nächsten Tag dauerte es nicht so lange wie erhofft, dass ich die Funktion in meinen Beinen wiedererlangte, doch auch das gestaltete sich in der kleinen Wohnung nicht gerade einfach.
Auf Dustin war wie immer Verlass. Mit ihm würde ich es überall schaffen, zurechtzukommen. Ich konnte es kaum abwarten, all meine Träume und all meine Pläne in die Realität umzusetzen, wenn das Coming-out mit allen Irrungen und Wirrungen erst einmal hinter mir lag.